Geschenklitteratur
[880] Geschenklitteratur. In einer Prachtausgabe erscheint Friedrich Rückert’s „Liebesfrühling“ (J. D. Sauerländer’s Verlag, Frankfurt). Einer der schönsten Gedichtcyklen unserer Litteratur, das Weihevollste und Stimmungsvollste, was Rückert geschaffen, in anmuthigem Fluß, ohne all das Spröde, das seiner Dichtweise bisweilen anhaftet, liegt hier in einer einfach vornehmen Ausstattung vor. Meister Hermann Kaulbach hatte die künstlerische Ausführung übernommen; die Titelblätter der einzelnen Sträuße, auch die Initialen rühren von ihm her. Bei den 80 Textillustrationen, die neben seinen vier Vollbildern in Lichtdruck das Werk schmücken, standen ihm Künstler wie Grundherr, Klimsch u. A. zur Seite.
Eigenartig sind die „Mythologischen Landschaften“, Lichtdrucke nach Gemälden von Professor Edmund Kanoldt, die in prächtiger Ausstattung im Verlag von C. F. Amelang in Leipzig erschienen sind: wir werden an die Gemälde von Poussin und Claude Lorrain erinnert. Das Verdienst derartiger Bilder, auf denen die Helden und Heldinnen der Mythe und zum Theil des Trauerspiels nur die Staffage bilden, besteht in dem Stimmungsvollen der Landschaft, welche wie ein großartiger Kommentar der Natur das sagenhafte Menschengeschick umgiebt. Wie erhaben feierlich ist die Scenerie, in deren Mitte Iphigenie steht, das Land der Griechen mit der Seele suchend; wie ahnungsvoll düster die Waldeinsamkeit der Kassandra, zu welchen prächtigen Meerbildern giebt der Tod einer Sappho und Hero Anlaß! Und so ist’s auch mit den anderen Stoffen: Antigone, Psyche, Dido und Aeneas, Achilles und Thetis. Den sagengeschichtlichen Inhalt erläutert A. Leschivo in sinnigen Versen.
„Stille Winkel“ von Hermine Schmidt von Preuschen (A. Hofmann u. Komp., Berlin) enthält zehn Stillleben, in denen in phantasievoller, oft phantastischer Weise die Eigenart einiger namhaften Dichter: Theodor Storm, Paul Heyse, Ibsen, Ebers, Geibel, der Maler Boecklin, Lenbach und Menzel, der Komponisten Wagner und Liszt mit dem Griffel und dem Pinsel charakterisirt wird. Die Bilder sind originell und stimmungsvoll, in der Ausführung oft farbenbunt. Ihre Bedeutung ist eine symbolische: wenn man ein solches Bild ansieht, soll man durch seine Attribute und seine Stimmung den Gesammteindruck der dichterischen Persönlichkeit erhalten, der diese malerischen Votivtafeln gewidmet sind.
„Parzival“, den letzten Opernstoff von Richard Wagner, hat als das Lied von Parzival und Gral Emil Engelmann nach der Quelle des Wolfram von Eschenbach und des Christian von Troies[WS 1] für das deutsche Haus bearbeitet (Stuttgart, Paul Neff). Die Engelmann’schen Nach- und Neudichtungen mittelalterlicher Epen sind ja bekannt; sie streben mit Erfolg nach Volksthümlichkeit und allgemeiner Verständlichkeit. Die Ausstattung ist sehr elegant: 6 Lichtdruckbilder und 67 Illustrationen im Text von Th. Hofmann, E. von Wörndle u. A. erläutern die Dichtung.
Zuletzt machen wir noch auf ein zierliches Büchlein aufmerksam: H. Villinger, „Aus meiner Heimath“ (Stuttgart, Spemann). Es sind Skizzen, Idyllen, Genrebilder aus dem Süden Deutschlands, durchweg anheimelnd, gemüthvoll, oft von humoristischer Färbung. †
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Troiec