Der Jahrmarkt von Southwark W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Garrick als Richard III.
Falstaff mustert seine Rekruten
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Garrick als Richard III.
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GARRICK IN DER ROLLE RICHARD DES DRITTEN.
Mr. GARRICK IN THE CHARACTER OF RICHARD THE THIRD.
Shakespear.      Act 5.     Scene 7.

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Garrick als Richard III.
(Garrick in the character of Richard the Third.)
Shakespeare Rich. III. Act. V. Sc. 7.




Dies Bild wurde durch das erste Auftreten des britischen Roscius in der Rolle Richard’s III. auf dem Theater von Goodman’sfield im Jahre 1741 veranlaßt, wodurch sich jener berühmte Schauspieler in der Art Bahn gebrochen hat, daß er vom ersten Augenblick an, wie so viele andere Genies ersten Ranges und wie Hogarth selbst nach seinem ersten bedeutenden Werke, bei der Nation die vollkommenste Anerkennung fand. Diese Gelegenheit ist um so merkwürdiger, weil der große Nationaldichter der Briten bei dem damals herrschenden Geschmack der Poesie, worin Leichtigkeit und äußere Eleganz ausschließlich erwartet wurden, wenn auch nicht vergessen, doch in den Hintergrund gestellt, bei der größeren Masse aller Volksclassen in derselben Art wieder eingeführt wurde, wie dies einige Zeit früher hinsichtlich Milton’s durch Addison geschehen war. Ferner wurde durch [798] diese Vorstellung Richard’s III. der erste Anstoß gegeben, jenen Theaterbrauch zu entfernen, nach welchem die Schauspieler in Nachahmung der Franzosen unter Ludwig XIV. in der augenblicklichen Mode der Zeit erscheinen mußten, wenn auch antike oder mittelalterliche Handlungen dargestellt wurden, eine Sitte, welche Hogarth, wie wir später sehen werden, auf dem ersten Blatte zur Annalyse der Schönheit in Darstellung des Schauspielers Quin als Cäsar lächerlich machte. Wie es heißt, erwies auch Hogarth, welcher mit Garrick persönlich sehr befreundet war, und sich bereits einen größeren Ruhm erworben hatte, durch das vorliegende Blatt seinem Freunde absichtlich einen Dienst, um ihn durch sein Werk bei der Masse des Publikums einzuführen. Wie dem auch sein mag, so wird man hierin den richtigen Takt des Malers erkennen, denn Garrick hat die englische Bühne umgestaltet, und übt auch noch jetzt durch die Tradition seine Wirksamkeit, da sein Verfahren, die Charaktere Shakespeare’s darzustellen, von Geschlecht zu Geschlecht den Schauspielern überliefert wurde.

In der Biographie wurde erwähnt, es sei dem Künstler nie gelungen, die edle Gestalt und das vollendete Aeußere des Gentleman darzustellen, welches Garrick durch seine Erziehung besaß. Es mißlang wenigstens ein Versuch. Vergleicht man das Gesicht des großen Schauspielers auf diesem Blatte mit den gleichzeitigen Porträts, worin Garrick freilich in vollkommener Ruhe dargestellt ist[1], so bietet sich keine große Aehnlichkeit. Allein Garrick besaß die wunderbare Gabe, seine Gesichtszüge sonderbar zu verdrehen, wodurch er es sogar dahin bringen konnte, daß Personen, die ihn nicht näher kannten, oder die ihn zum ersten Male sahen, nach einigen Minuten einen andern Menschen zu erblicken glaubten, wenn er wieder zum Vorschein kam. Zeitgenossen versichern, der Ausdruck des Schauders, wie ihn Garrick bei Darstellung jener Scene zeigte, sei von Hogarth durchaus richtig aufgefaßt, und somit mag die Figur als Porträt gelten. –

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Ein andres Pferd! Verbindet meine Wunden!
Erbarmen, Jesus! – Still, ich träumte nur,
O feig Gewissen, wie du mich bedrängst! –
Das Licht brennt blau, – Ist’s nicht um Mitternacht?
Mein schauderndes Gebein deckt kalter Schweiß.

Give me another horse! bind up my wounds!
Have mercy, Jesu! – Soft, I did but dream,
O coward conscience how dost thou[WS 1] afflict me!
The lights burn blue! – Is it not dead midnight?
Cold fearful drops hang on my trembling flesh!

Dies sind nach Schlegels Uebersetzung die Worte, welche Garrick in dem Augenblick spricht, nachdem die Geister des Ermordeten entschwunden sind, die des Tyrannen Schlaf gestört haben. Der ganze Leib, vom Scheitel bis zu den Fußzehen, ist durch die Schrecken der andern Welt krampfhaft bewegt. Stirn, Nasenlöcher, Augen, Mund, Arme, Finger, Zehen, Alles ist bezeichnend. Sogar der Ring ist Richard in der Verzweiflung des unruhigen Schlafes auf dem Finger emporgeschoben. Nur Eines fehlte noch, welches Kean, dem großen Schauspieler unserer Tage, gelang. Ihm richteten sich die Haare bei jenen Worten sträubend empor! Der tapfere Tyrann, dem wenigstens der kriegerische Muth niemals sank, greift in der ersten Aufregung des Erwachens sogleich zum Schwerte; der thatkräftige Mann, welcher bei jedem Staatsgeschäfte sogleich zur Hand war, hat nicht einmal die Kleider, sondern nur die stählerne Rüstung abgelegt, doch in solcher Art, daß er sich im Augenblicke wieder waffnen kann. Der Thronräuber durch Verwandtenmord hat sich des königlichen Schmuckes auf keinen Augenblick entkleidet, er trägt sogar noch den Sanct Georg und das Knieband seines Ahnen, Eduard’s III., mit dem Honny soit qui mal y pense; deßhalb liegt auch die Krone dicht an seinem Arm. Der Form wegen hat er ein Crucifix im Zelte aufstellen lassen, doch so, daß er es nicht zu sehen braucht. – Wie erwähnt, liegt die Rüstung bereit. Der Helm zeigt ein Zeichen der Plantagenets; als Helmschmuck dient der Eber, welcher ein Feld im Familienwappen dieses Königsgeschlechtes [800] einnahm, und welcher, auf Richard III. besonders passend, auf diesen letzten seines Stammes vor Allen angewandt wurde. Bei Shakespeare finden sich häufige Anspielungen der Art, z. B. Akt V. Sc. 2, wo Richmond sagt:

Der gräulich blut’ge, räuberische Eber,
Der Eure Weinberg’[2] umwühlt, Eure Saaten,
Eu’r warm Blut säuft, wie Spülicht, Eure Leiber
Ausweidet sich zum Trog: dies wüste Schwein u. s. w.
  Nach Schlegel’s Uebersetzung.

The wretched bloody and usurping boar,
That spoil’d your summer fields, your fruitful vines
Swills your warm blood like wash and makes his trough
In your embowell’d bosoms, this foul swine etc.

oder Akt III. Sc. 2, wo Hastings zu Stanley sagt:

Wohlan, wohlan, wo ist Eu’r Jagdspieß, Freund,
Ihr scheut den Eber und geht ungerüstet!
  Nach Schlegel’s Uebersetzung.

Come on, come on, where is your boarspear, man?
Fear you the boar and go so unprovided.

oder kurz vorher:

Und dann läßt er Euch melden, daß er träumte.
Der Eber stoße seinen Helmschmuck ab.

Then certifies his Lordship, that this night,
He dreamt the boar had rased off his helm.

Auch finden sich noch zwei andere Symbole der Familie. In das Zelt schlingt sich der Ginster, das Zeichen der Demuth, nach welchem das stolze Königsgeschlecht den Namen führte (Planta genetae, Plantagenet). Er scheint zerknickt, denn Richard ist der Letzte des Geschlechts; dasselbe scheint der Fall zu sein mit der weißen Rose, bekanntlich dem Zeichen des Nebenzweiges York, das auch auf dem Teppich angebracht ist.

[801] Neben dem Helm liegt ein Zettel, welcher die Lage des Tyrannen andeutet, indem viele seiner Anhänger ihn verlassen haben. Es ist das Billet, welches der ihm getreue Herzog von Norfolk in seinem Zelte fand, das dieser seinem König überliefert und welches von Richard verächtlich bei Seite geworfen wird. Es lautet nach Schlegel’s Uebersetzung:

Hans von Norfolk laß klüglich Dir rathen,
Richerz, Dein Herr, ist verkauft und verrathen.

Jocky of Norfolk be not too bold,
For Dickon thy master is bought and sold.

Wie die Kenner Shakespeare’s wissen werden, ist dieser von Hogarth angebrachte Zug nicht ganz correkt, denn der Herzog von Norfolk kommt erst in der Scene, welche auf die hier dargestellte folgt. Die Zugabe eignet sich jedoch für die ganze Composition des Dichters, und wird somit hier eine passende Stelle finden.

Seitwärts vom Zelte sieht man auf das vom Monde schwach erleuchtete Feld von Bosworth. Am Wachfeuer sitzen Soldaten von Richard. Im Hintergrunde erblickt man die Zelte Richmond’s mit einigen Vorposten. – Die Feldlager stoßen dicht aneinander, so daß eine Schlacht unvermeidlich ist.

Das Originalgemälde wurde von Hogarth an einen Grundbesitzer der Grafschaft York, Duncombe, für 200 Guineas verkauft und befindet sich gegenwärtig noch im Besitze dieser Familie auf einem Landsitze, der den Namen Duncombe-park führt. Hogarth soll eine große Kunst in den verschiedenen Lichteffecten bewirkt haben, indem er drei verschiedene auf einem Bilde vereinigt, das Licht der Lampe im Zelt, das Mondlicht außerhalb und der Schein des Wachtfeuers im Hintergrunde.




  1. Wir meinen vor Allen ein Bild des großen Schauspielers in ganzer Figur von dem bekannten Maler Gainsborough, welches sich im Besitz des Herrn Boydell befindet und welches in Abdrücken ziemlich verbreitet ist.
  2. Der von den Römern eingeführte Weinbau im Süden Großbritanniens hat erst unter Heinrich VIII. oder nach andern Angaben unter Jakob I. aufgehört.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: tuou