| VII.
Freymüthige Betrachtungen über die Landwirthschaft in Franken.
Zweyte Betrachtung.
Die Verbesserungen der Landwirthschaft befinden sich gegenwärtig auch in unserm Frankenlande in einem solchen zweifelhaften Zustand, daß selbst die bisherigen wenigen unparteyischen Zuschauer und Freunde der Oekonomie den guten Erfolg der ökonomischen Neuerungen zu bezweifeln anfangen. Selbst in denjenigen Gegenden Frankens, wo die neuen ökonomischen Vorschläge Eingang gefunden haben, tritt an die Stelle des vorigen Eifers der Neuerungssucht eine völlige Gleichgültigkeit ein. Durch den raschen Gang einer allzugroßen Neuerungssucht, der mit der ruhigen Ueberlegung nicht gleichen Schritt hielt, mußten auf eine natürliche
| Weise die besten Unternehmungen mißlingen. Dadurch erhielten die ökonomischen Altgläubigen, und die Feinde aller Verbesserungen eine neue Gelegenheit, mit ihren alten Prophezeyungen wieder hervorzutreten, und ihre altväterischen Behauptungen auf Thatsachen zu gründen; diesen Vortheil ergriffen sie um desto lieber, weil sie ohnehin keine vernünftigen und gültigen Gründe vor jener Erscheinung aufzuweisen hatten. Ein großer Theil unberufener ökonomischer Schriftsteller schien ihren muthwilligen Spott durch marktschreyerische Anpreisungen und durch überspannte Vorspiegelungen zu nähren, während ein anderer Theil ungebetener Schreiber durch längst bekannte Dinge, die als neue Sachen aufgetischt wurden, sich lächerlich zu machen suchte. So mußten freylich die neuen und bessern Grundsätze der Oekonomie durch so mancherley widrige Schicksale verunstaltet, und der Wehrt derselben unkennbar gemacht werden. Unzweckmäßige Schriften eben so wohl, als die aus Mangel an Sachkenntnissen verunglückten Versuche erweckten manchen Verdacht gegen die Brauchbarkeit der neuen ökonomischen Glaubenslehren. Die Patrioten der neuen Oekonomie hatten die Erwartungen von ihren neuen Einrichtungen
| so hoch gespannt, daß natürlicher Weise der wirkliche Erfolg weit hinter ihnen zurück bleiben mußte. Dazu kamen noch manche Sachwalter der neuen Oekonomie, welche nicht einmahl die nothwendigsten Vorkenntnisse, noch vielweniger aber die gehörigen Einsichten, das Ganze einer Wirtschaft zu leiten, besassen; es war also ganz natürlich, daß unter deren Händen die neuen Versuche und Einrichtungen scheitern mußten.
Was war anders zu erwarten, als daß die Anhänger der alten Observanz, die schon vor der Anwendung der neuen Vorschläge gegen dieselben eingenommen waren, mit noch mehr Dreistigkeit und mit größerer Unverschämtheit hervortreten würden als vorher, da der Ausgang der Sache ihnen selbst noch zweifelhaft war, ob sie schon die Nichtigkeit der Neuerungen gleichsam bewiesen hatten. Selbst den Zuschauern, und so gar denjenigen unter diesen, die als ökonomische Patrioten auf die Seite der neuern Oekonomen getreten waren, kamen die Neuerungen verdächtig vor, wozu sie durch die verunglückten Proben Ursachen genug zu haben glaubten.
Nun scheint es das Ansehen zu gewinnen, als ob der Schlendrian, ohne seine Kräfte über das Maas seiner beliebten Gemächlichkeit
| angestrengt zu haben, einen Sieg erfochten hätte, der ihm auf die lange Zukunft hinaus seine Fortdauer sichern würde. Manche Beförderer der neuen Art zu wirthschaften, die mit dem Stolze und mit der Miene unzeitiger Reformatoren das neue Werk anfingen, zogen sich beschämt wieder zu ihrer alten Wirthschaft zurück, oder entsagten auf eine anständige Art feldwirthschaftlichen Geschäfften ganz. Zu ihrer Beschönigung hatten sie freylich als getreue Nachbeter vorzuwenden, daß sie mit falschen Vorspiegelungen betrogen worden wären, ohne zu bedenken, daß diese Entschuldigung ein Beweis sey, daß sie ohne Sachkenntnisse und ohne Einsichten einen noch nicht betretenen Weg bahnen wollten.
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Daß durch diese Begebenheiten der Schlendrian eine merklich größere Begünstigung erhalten hat, und daß an sehr vielen Orten in Franken schon der bloße Gedanke an Verbesserungen verabscheut und mit Verachtung bestraft wird, geben mehrere neuere Vorfälle hinlänglich zu erkennen. Noch nicht lange wurden einige junge Männer, die sich durch Wissenschaften und durch ihre gemachte Bekanntschaft mit der ausübenden Oekonomie zu brauchbaren Oekonomen gebildet
| hatten, und die bey einigen großen Feldwirthschaften angestellt zu werden wünschten, mit ihrem Gesuche aus diesem Grunde, daß man sie mit der neuen ökonomischen Seuche angesteckt hielt, abgewiesen. Es ist auch ohnlängst bey einigen Fränkischen Rittergütern die Abweichung von der alten Art zu wirthschaften und die Einführung neuer Wirthschafts-Methoden aufs schärfste verboten worden.
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Der gegenwärtige Zustand der Landwirthschaft scheint also unserm Zeitalter, wo die Aufklärung überhaupt ein verhaßter Gegenstand wird, ziemlich angemessen zu seyn. Derjenige Theolog, der solche Kenntnisse und Fähigkeiten in sich vereinigt, wodurch er in den Stand gesetzt wird, die Menschen zu religiösen und moralischen Menschen zu bilden, und sie auf eine immer höhere Stufe der geistigen Vollkommenheit zu führen, hat mit mehreren Hindernissen zu kämpfen, wenn er bey einer kirchlichen Gemeinde als Lehrer angestellt zu werden verlangt, als derjenige, der nur mit alltäglichen Augen die Religionslehren betrachtet. Der Jurist, welcher seine Rechtswissenschaft mit einem philosophischern Geist, als gewöhnlich zu geschehen pflegt, überschaut, hat ebenfalls Steinen des Anstosses
| auf dem Weg, der zu einer Justizstelle führt, zu begegnen. Die Gründe in diesen beyden Fällen springen leicht in die Augen, aber warum der Oekonom, der mit hellern Augen die Landwirthschaft zu überblicken im Stand ist, mit jenen gleiches Schicksal haben soll, läßt sich doch nicht recht absehen.
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So wenig Gunst sich auch immer die neuen ökonomischen Grundsätze zu versprechen haben, und so sehr alle Oekonomen, welche nicht die breite Heerstraße des Schlendrians wandeln, dem allgemeinen Gespötte ausgesetzt sind: so fehlt es dennoch in unserm Frankenlande nicht ganz an Männern, (freylich eine unbedeutende Zahl gegen das große Heer der Altgläubigen) welche, durch ihre Kenntnisse und Einsichten unterstützt, mit glücklichem Erfolg den Weg der ökonomischen Verbesserungen gegangen sind. Troz der Hindernisse, welche mit allen feldwirthschaftlichen Verbesserungen verbunden sind, findet man doch in vielen Fränkischen Gegenden Oekonomen, welche Vorurtheile und alte Observanz zu besiegen wissen, und ihren Nachbarn mit guten Beyspielen vorgehen. So sehr auch solche Oekonomen dem allgemeinen Tadel ausgesetzt sind, so bemerkt man doch schon hie und da, daß der Bauersmann
| geneigter wird, ihnen nachzuahmen. Dasjenige neue feldwirthschaftliche Verfahren, welches der Bauersmann noch vor wenigen Jahren als eine schädliche Neuerung zu verschreyen gewohnt war, nimmt er gegenwärtig selbst in seine eigene Wirthschaft auf. So wird es nach und nach immer mehr offenbar werden, daß die neuen ökonomischen Grundsätze mit Unrecht getadelt worden sind.
Daß mehrere neue Versuche und Einrichtungen verunglückt sind, beweist noch lange nicht, daß die Grundsätze derselben daran Schuld sind, sondern in den Händen einsichtsvollerer Oekonomen werden sie gewiß besser gelingen, und sind auch wirklich an solchen Orten, wo Männer, mit Kenntnissen begabt und mit Thätigkeit beseelt, ihre Sachwalter waren, besser gelungen. Daß mehrere angepriesene Neuerungen überspannt und untüchtig sind, berechtigt niemand zu behaupten, daß alle neueren ökonomischen Grundsätze nichts taugen; nur die Unwissenheit sucht mit solchen Behauptungen ihre Blöße zu bedecken; aber die mit allen Elementen der Landwirthschaft bekannten Oekonomen wissen das Unkraut von dem Waizen abzusondern.
| Es ist eine unläugbare Thatsache, daß bey der aufgehäuften Menge ökonomischer Schriften die Landwirthschaft, im Ganzen genommen, noch wenige Schritte vorwärts gethan hat, und der Vorwurf, daß die meisten Oekonomen (die aber auch größtentheils nur in so ferne Oekonomen sind, als sie über Oekonomie schreiben) ihre Verbesserungen nur auf dem Papier machen, ist allzusehr gegründet. Selbst ein Theil derjenigen Landwirthe, die mit Recht zu den denkenden Oekonomen gerechnet werden können, fing an auf jede Belehrung Verzicht zu thun, weil er schon oft die Unannehmlichkeit, sich vergebens nach Belehrung umgesehen zu haben, theuer genug bezahlt hatte. Wer kann es auch solchen Landwirthen, die nicht mehr als Anfänger in der Feldwirthschaft zu betrachten sind, verdenken, wenn sie mit Stolz und Verachtung auf solche Schriften herabsehen, bey welchen nicht einzusehen ist, wie ihre Verfasser den Beruf, sich als Belehrer in ökonomischen Angelegenheiten aufzuwerfen, beweisen wollen.
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Sollen die Verbesserungen der Landwirthschaft nicht mehr den Schneckengang gehen, sollen sie allgemeinern Eingang finden
| und mit gutem Erfolg verbreitet werden: so ist nicht genug, daß bessere ökonomische Grundsätze nur durch Schriften bekannt gemacht werden, sondern es ist zugleich nothwendig, daß die Zahl solcher Landwirthe, welche Vorurtheile und Aberglauben bey Seite gesetzt haben, und mit den Eigenschaften eines einsichtsvollen und denkenden Oekonomen, Eifer und Thätigkeit verbinden, vermehrt wird, damit jene Grundsätze zur Ausübung kommen. So würde gewiß für die Oekonomie eine günstige Aussicht eröffnet; denn für die gemeinen Ackerbebauer, die nur durch Beyspiele belehrt, und nur durch eine glückliche Anwendung neuer Verfahrungsarten im Feldbau zur Nachahmung gereizt werden können, wäre alsdann besser gesorgt, als durch Bücher, die nicht selten auch wenig belehrend sind. Woher sollen aber solche Landwirthe, die so viele gute Eigenschaften in sich vereinigen, daß sie als Muster aufgestellt werden können, genommen werden? Eine Frage, die nur Leute aufwerfen können, welche schlechterdings nichts Gutes wollen, und die in jedem Schritte, den sie vorwärts thun, Ursachen zu sehen glauben, die einst bewirken könnten, daß sie aus den Verschanzungen ihrer Gemächlichkeit herausgetrieben
| würden. Vor allen Dingen muß erst der Wille da seyn, Landwirthe anzunehmen, die mit den nothwendigen Kenntnissen landwirthschaftlicher Geschäffte begabt sind; und alsdann müssen Anstalten getroffen werden, durch welche bewirkt werden kann, daß Leute von guten Naturgaben zu dem Entschluß gereitzt werden, die ökonomische Lebensart zu wählen. So dürfte in Zukunft kein anderer Beweggrund bey der Annahme eines Landwirths statt finden, als die Fähigkeit und Geschicklichkeit; und die bisherige Gewohnheit, ökonomische und überhaupt kameralische Stellen mit Leuten zu besetzen, die sich zu solchen Geschäfften gar nicht vorbereitet haben, müssen wegfallen. Wenn es allenthalben eine allgemeine Regel wäre, nur diejenigen, welche sich hinlängliche ökonomische Kenntnisse erworben haben, als Oekonomen bey großen Gütern unter billigen Bedingungen anzustellen; wenn alsdann solche Landwirthe, die sich um die Oekonomie verdient gemacht haben, in ihren ältern Jahren zu andern kameralischen Stellen, die nicht so mühselig sind, als die ökonomische Lebensart, befördert würden; und wenn die Herabwürdigung und Geringschätzung des ökonomischen Standes verbannt würde: so fänden
| sich gewiß mehrere brauchbare Personen, die gerne ihre Geistes- und Körper-Kräfte ökonomischen Geschäfften opferten, wodurch die Oekonomie in Rücksicht der Fortschritte in Verbesserungen ohne Zweifel gewinnen müßte. Gibt man zu, daß verschiedene wissenschaftliche Kenntnisse eine bessere Einsicht in mehrere ökonomische Geschäffte gewähren: so würden die Besitzer großer Güter vielleicht unläugbare Verdienste um die Oekonomie sich erwerben, wenn sie Leute, mit solchen Kenntnissen begabt, die einen wohlthätiqen Einfluß auf ökonomische Geschäffte haben, zur Verwaltung ihrer Güter anstellten.
Der sichtbare gute Erfolg neuer ökonomischer Einrichtungen ist vielleicht der einzige Weg, den der Bauersmann in Rücksicht ökonomischer Verbesserungen zu gehen wagt. Bis hieher war aber die Wirthschaft der meisten großen Güter in Franken sehr weit hinter der Bauernwirthschaft zurück, und die Verwalter solcher Güter waren größtentheils in die Nothwendigkeit versetzt, die gemeinen Ackerbebauer als ihre Lehrmeister anzusehen, gewöhnlich aber auf Kosten der Güterbesitzer.
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Da der wohlthätige Einfluß der Naturwissenschaften und Mathematik auf die Feldwirthschaft
| noch lange nicht allgemein anerkannt ist, und man noch immer allenthalben in Franken in der Meinung steht:
bloß des Rechnungswesens kundige Männer müßte man zur Verwaltung großer Güter anstellen: so scheint es mir nicht überflüßig zu seyn, in der nächstfolgenden Betrachtung zu untersuchen: ob denn die bisherigen Verwalter grosser Oekonomien die Fähigkeit, welche ein Oekonom haben muß, ohne wissenschaftliche Kenntnisse in Anschlag zu bringen, besessen haben?