Fliegende Blätter Heft 9 (Band 1)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 9 (Band 1)
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aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 9, S. 65–72
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München = Commons
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Nro. 9.
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Der Teufel und sein Liebchen.


Am 18. November 1820 war ich auf dem Balle in P. Ehe und bevor die eigentliche Tanzlust oben anging, ergötzte unten in der großen Gaststube ein Grimasseur auf seltsame und unerhörte Weise. Der Mann hatte noch zwei Gehilfen. Alle drei sangen in wunderlichen Melodien unverständliche Worte, oder eigentlich gar keine, aber in der allerrichtigsten Harmonie und mit den sonorsten Organen. Besonders fuhr der eine im gellenden Diskante bis in die höchsten Töne hinauf, indeß er sich mit der Hand an dem Hals hielt. Der andere hingegen brummte in die tiefsten Bässe des Serpents. Aber der eigentliche Meister war der dritte, nämlich der Grimasseur. Der sang in allen Stimmen, und schnitt dazu, so wie zur Musik seiner Gefährten, Gesichter und Kapriolen, daß der schwermüthigste Misantrop sich des unauslöschlichsten Lachens nicht würde haben enthalten können. Dabei hatte sich der Würdige in einen höchst abenteuerlichen Anzug gekleidet. Eine großblumige Damastweste mit langen Schößen und einer Reihe Knöpfe reichte weit über den künstlich ausgestopften Speckwanst herunter, und auf der schiefstehenden Perücke wackelte ein winziges dreieckiges, plattes Hütlein. Aus den Aermeln des kurzen, braunen Rockes, der über die Weste schlotterte, fuhren zu Zeiten ellenlang die klapperdürren Hände heraus, bald wieder waren sie ganz unsichtbar. Den Rücken ganz glatt zu machen, und im nämlichen Augenblicke einen furchtbaren Höcker darauf zu hexen, hatte der Wackere eben so in der Gewalt, als die ganz willkürlichen Bewegungen seiner Nase, Ohren und Kopfhaut. Bald schob sich der Mundspitz eine gute Spanne vor, wie das Gesicht eines Pavians, bald wurde er platt und breit, wie ein Meerengel. Bald zog sich der Mund quer über das Gesicht, wie eine entsetzliche Wunde, von einem Ohre zum andern, bald sah man von Mund und Nase gar nichts, denn Alles war im Kinn verborgen.

Konvulsivisches Lachen bemächtigte sich der ganzen Gesellschaft. Selbst ich, den beim ersten Anblick des Possenreißers ein inneres Grauen erfaßte – ich wußte warum – mußte mitlachen. Man hielt die drei lustigen Gesellen allgemein für Juden, aber – ich wußte es besser – und als nun die Vorstellung geendet war, das Zimmer leerer wurde, und die Tanzlustigen hinaufgingen in den Ballsaal, da zog ich meinen Künstler bei Seite, und frug mit leiser, zagender Stimme: „Haben Euer Hochedeln sich wieder zu einer Promenade zu uns herauf entschlossen? Werden Dieselben sich etwa wieder des Beckens und des Scheersacks bedienen, wie vor zweihundert Jahren in Katzweiler? – oder haben Sie sich ein anderes, unschuldiges Vergnügen vorgenommen?“

Mit sauerer Miene betrachtete mich der Mann, und zögerte lange, was er sagen sollte. Endlich fistulirte er im heisern Diskante: „mein geehrter Herr, ich verstehe Sie nicht und weiß nicht, was Sie wollen.“

„Schon gut“ – entgegnete ich – „ich merke, Sie reisen incognito. Aber wenn ich Ihnen sage, daß ich Sie kenne, und daß ich der alten Vettel, die einst Ihrem liebenden Herzen den häßlichen Streich spielte, eben so gram bin wie Sie selber, so werden Sie meine Dreistigkeit entschuldigen, mit der ich Sie freundlichst bitte, mir eben so ein klein wenig zu helfen. Mein Pedal – Verehrter! – ist nämlich, wie Sie [66] bemerken werden, – zum Tanzen nicht eingerichtet, denn ich hinke etwas, und freue mich, darin eine angenehme Aehnlichkeit mit Ihnen zu haben, da Ihr linkes, liebes Bein auch ein wenig zu kurz ist; also muß ich mir die Zeit, indeß andere sich lustig herum tummeln, auf andere Art zu vertreiben suchen, und zwar für diesmal, da die Lhombre-Partien voll sind – mit den Würfeln, die ja auch eine Passion von Ew. Hochedeln sind. Zwar gings Ihnen ein Mal damit schlecht, als sie mit einem Heiligen – ich weiß nicht gleich mit welchem – um eine arme Seele knöchelten. Ew. Hochedlen warfen achtzehn und lächelten schon recht lieblich über den sichern Gewinn, aber der Heilige warf neunzehn und das ging ganz natürlich zu. Denn durch Gottes wunderbare Schickung war der eine Würfel gesprungen und auf der Tafel lagen nun drei Sechsen und eine Eins. Ihre damaligen Empfindungen ließen sich am besten aus dem Geruche beurtheilen, den Sie zurück zu lassen beliebten, als Sie mit Grimm und leeren Händen zum Fenster hinausfuhren; aber ich schweige von dergleichen ärgerlichen Geschichten, und wenn Sie mir gütigst eben den Segen über den Pasch sprechen wollten, daß ich nicht anders als: gut stehn sie! würfe, so würde ich auch ein Uebriges thun und in einer philosophisch-kritischen Schrift beweisen, daß die ganze Historie, wie es Ihnen in Katzweiler ergangen, nichts weiter sei als eine schnöde Fabel, und daß Sie in Ihrem Leben kein dummer Teufel gewesen, ja daß es eigentlich gar keinen dummen Teufel gibt. Dieß würde unstreitig Ihrem etwas gesunkenem Kredite wieder auf die Beine helfen, und Ihnen besonders jetzt, bei ihrer etwa vorhabenden Ergötzlichkeit, höchst ersprießliche Dienste leisten.“



Der Künstler sah mich mit einem spitzigen Paviangesichte an und wackelte mit den langen empor gestreckten Ohren, dabei fuhr der Diskantist mit einem gellenden Läufer hinauf bis ins d und der Serpent harpeggirte Rohrdommelbässe. „O inkommodiren Sie sich nicht, meine Herren!“ – rief ich – „ich bin sattsam überzeugt. Sie der Sie so angenehm quinkeliren – Sie Loser! Sie sind ja weiland der Herr Stadtschreiber Hinzelmann, eigentlich freilich der alten Barbara Leibkatze, und Sie dort mit dem groben Organe – Hi, hi, hi, hi! kicherte der Fremde, mit dumpfer, inwendiger Bauchstimme – denn Mund und Nase stacken wieder im Kinn, dabei wies sein langer dürrer Zeigefinger auf seine Stirn, als ob es da bei ihm, oder bei mir nicht recht richtig sei. Hoeilu – lu – lu lu! johlten die Andern in hohnlachenden Gurgeltönen, und herum wie ein Kreisel drehte sich der Grimasseur, daß die langen Westenschöße ein weites Rad schlugen, und wirbelnd, pfeifend und gurgelnd walzten die drei Entsetzlichen zum Zimmer hinaus, ich aber floh schaudernd hinauf in die Ballsäle; Trompeten und Pauken schmetterten mir entgegen und die Pickelflöte schnitt in meine Seele. Vom unheimlichen Spuck ergriffen, grauete mir vor dem Würfeltisch, ich vergrub mich in die Tabakwolken der Trinker, und fand erst nach langer Zeit, im heitern Geschwätz meiner Freunde und im perlenden Nektar von Epernay, Zerstreuung und Erholung.



Am Morgen darauf waren die drei Lustigmacher aus dem Städtchen verschwunden, Niemand wußte wo sie eingekehrt, übernachtet und wo sie hingekommen. Daß aber mir die Sache von Haus aus nicht anders als bedenklich und gespenstig, ja daß sie mir sogar als etwas bekanntes erscheinen mußte, davon wirst du – mein neugieriger Leser – dich überzeugen, wenn ich dir das zwanzigste Kapitel aus der Stadtchronik von Katzweiler, die in meinem Bücherschreine unter den Kuriosis steht, zum Besten gebe. Es lautet aber besagtes [67] Kapitel, mit Hinweglassung und Veränderung der veralteten und unverständlichen Ausdrücke und Redensarten, folgendergestalt:

Item begab es sich, daß am Tage Cornelii des Jahres unsers Heils 1627, ein wohledler und wohlweiser Rath zu Katzweiler in Seßione, als eben das Mittagglöcklein geläutet wurde, fast sehr hungerte, und darob sich mit dem Concluso darüber beeilte, wie und auf welche Weise das Pappenheimer Reiterfähnlein, so vor dem Ententhore lagerte, mit einer anständigen Ergötzlichkeit zu honoriren sei. Ward daher beschlossen, daß an selbigem Tage des Abends denen Gästen von gemeiner Stadt ein Banket draußen auf der Ziegenwiese angerichtet werden sollte, wozu männiglich im besten Staate, die Frauen und Dirnen aber in ihren güldenen Spangen, und wie im hochzeitlichen Tanze aufgeschmückt, zu erscheinen gehalten.



Als der Stadtschreiber Hinzelmann sothanes Conclusum registriret, bog sich sein langer dürrer Rücken und er knurrte behaglich in denselben angenehmen Tönen, die er hören ließ, wenn preßhafte Partheien mit einer Hand ihm hinten den Rückgrath kraueten, indeß die andere Hand ihm vorne die Mariengroschen und Batzen vorzählte, und welches Knurren man bei gewissen Hausthieren spinnen nennt. Denn es gab eine Freude aus dem Kommunalsäckel, und dazu war auch einstimmig festgesetzt, daß, da sich Niemand in der ganzen Stadt besser auf allerhand Kurzweil und Anrichtung eines Gelages verstehe, als Nepomuk Schwepperlein, der Bader und Viertelsmeister, diesem der Auftrag ertheilt werden solle, das Ganze zu leiten, so daß solches einem hochedlen Rathe und gemeiner Stadt Ruhm und Ehre bringe.



Es war aber besagter Nepomuk Schwepperlein ein gar lustiger Kumpan und wohl gelitten bei Alt und Jung, wegen seiner guten Schwänke und Possen, mit denen er alle Abende auf dem Keller männiglich ergötzte, und wegen der Novitäten, die, meistens aus eigner Fabrik, den Kunden beim Einseifen und unter dem Scheermesser die Zeit vertrieben. Zwar war darüber die Badestube in die Hände der Kreditoren gewandert, da Schwepperlein nie viel von dem güldenen Sprüchlein gehalten: „Junges Blut, spar dein Gut“ vielmehr als ein lockrer Schlemmer und Prasser in die Welt hineingelebt, besondern seitdem ihn das Schicksal zum Wittwer gemacht hatte. Allein er ließ sich darob nie ein graues Härlein wachsen, da er aus den Trümmern seines Glückes die liebliche Tochter, die schöne und tugendsame Klara gerettet, unter deren wirthlichen Händen und fleißiger Spindel dem Vater doch immer ein Silberling zum Labetrunk hervorwuchs, wenn auch für sie selbst nur spärliche Kost übrig blieb, so daß daher ihre zarte, kindliche Hand, und ihr treues Gemüth billig mit dem Oelkrüglein der frommen Wittwe zu vergleichen war. Dafür hatte aber auch ihr der Vater den reichen Sponsen zugedacht, der oben bei ihm zur Miethe wohnte, der um das süße Töchterlein herumschwenzelte und derselben das süße Opfer seiner alten Junggesellenschaft zu bringen gesonnen, der auch ein Mann bei der Stadt, ein Mitglied des Raths, und kein anderer war, als – eben bemeldeter Stadtschreiber Hinzelmann.


Ob die Goldgülden des präsumtiven Eidams den Thränenblick der holden Klara, die Schäuel und Gräuel der ganzen widerlichen Gestalt, seine gelben Aeuglein, seine schiefgebogne Habichtnase, die wie ein baufälliger Erker über dem weiten Verließe des zuckenden Mundes hing, die falbe Runzelhaut der Wangen, die Warzen am Kinn, von denen langgebogene Haare wie Strahlen ausgingen, zu verdecken im Stande, das kümmerte den lebenslustigen Lungerer gar wenig, maßen doch mit den Thränen der gehorsamen Tochter auch [68] wieder der goldene Strom der Ueppigkeit aus den wohlgefüllten Truhen und Kästen des Stadtschreibers floß, sobald ihn der Hochzeitstag mit Klaren zusammengepfercht. Aber freilich wollte diese Liebschaft dem Töchterlein nimmer munden, das den Anblick und die Gegenwart des storchbeinigen Galans mied, wo sie wußte und konnte. Denn im verborgenem Schrein ihres unschuldigen, jungfräulichen Herzens lebte ein ganz andres Bild – der wackere Konrad. Aber der war arm, und für Vater Schwepperlein ein nackter Buhle und unnützer Knecht, obgleich sonst der frömmste, arbeitsamste und lieblichste Gesell im Städtlein. Nur verstohlen konnte er Abends im Zwielichte mit dem holden, sittigen Mägdlein an ihrem Fenster kosen, und den Pakt ewiger, treuer Liebe erneuern, den sie sich schon lange geschworen, verstohlen nur und in ängstlicher Hast, da ein arger Hausdrache die Arme hütete, nämlich die Base Barbara Murchel, ihres Zeichens eine reine Jungfrau von sechzig Jahren, deren empfindsames Herz jedoch, trotz den Triefaugen, die ihr hinter dem rothen Hexenreif hervor blinzelten, und trotz ihren Runzeln und klappernden Knochenhänden, den süßen Hoffnungen zarter Minne noch nicht entsagt hatte.



Wenn nun sothane Barbara auf der einen Seite die jugendliche Buhlschaft störte und hinderte in boshafter Lust, nach Möglichkeit, so förderte sie auf der andern Seite nach Schwepperleins Willen die Liebe des Stadtschreibers, nicht bloß in süßer Erwartung der Fleischtöpfe Egypti, die auch ihr duften würden, sondern aus absonderlicher eigener Zuneigung. Denn – sollt ihr wissen – des Abends, wenn Klara schon lange in unschuldigen Träumen der Zukunft aus ihrem Lager entschlummert war, stieg herunter aus dem zweiten Stocke des Hauses über das Weingeländer ein schwarzer Kater und schlüpfte durchs geöffnete Fenster herein ins Kämmerlein zur harrenden Barbara. Krauend strich sie ihm den krummgebogenen Rücken, knurrend hob er den Buckel, und drängte sich mit süßen Katzenworten an die Holde. „Hinzelmännlein! Hinzelmännlein!“ kosete dann die Alte – „ach du liebes Herz, du würdiger Junge! Ich hab' dir ein Bratfischlein aufgehoben und du magst's nun auf meine Gesundheit verspeisen. Aber wo bist du denn heute so lange geblieben? Haben etwa der Herr Stadtschreiber sich vorher wieder ein kleines Jagdvergnügen gemacht, wie damals, als Sie in unglücklicher Vergessenheit einst am hellen Tage auf ein Mäuslein lauernd vor einem Kellerloche gesessen, und der regierende Bürgermeister Sie gesehen, die Perücke geschüttelt, und Ihnen zugerufen: ei, ei, Herr Stadtschreiber, was treiben Sie da für Allotria! O Hinzelmann, o Goldjunge! bleib mir treu und speise dein Fischlein! Sollst auch Klaren führen ins Kämmerlein! O sprühe nur knisternde Funken, du Loser! mein Herz knistert noch schmelzender in jungfräulicher Liebe für dich!“ – Wenn dann mit der Mitternachtstunde der herbe Moment der Trennung erschien und Hinzelmann schon wieder hinaufgeklettert war nach seiner Wohnung, tönte manchmal noch lange der Holden süßer Katzengesang herab vom Dache aus allen Tonarten und harmonischen Rückungen, die nur die Rossinis damaliger Zeit zur Welt gefördert. So war nun der Tag Cornelii herbeigekommen, an welchem die löbliche Bürgerschaft die Pappenheimer speisete. Lustiges und fröhliches Getümmel lebte vor dem Ententhore und Nepomuck Schwepperlein hatte ein Mahl eingerichtet, was noch nie in Katzweiler gesehen worden seit Menschengedenken.



(Schluß in nächster Nummer.)
[69]
Fuhrmannslied.


Bin i net a lustiger Fuhrmannsbue!
Bin i net a lustiger Bue!
Fahr Stadt’l aus, Stadt’l ein,
Schaun mir die Leut alle zue.

5
Fahr i am Morgen zum Stadtthor ’naus,

Lang eh’ die Sonne aufgeht,
Bin i über Berg und Thal,
Lang eh’ mein Madel aufsteht.

Fahr in der Früh auf der Straß’n hin

10
Zwischen die Tannen im Wald –

Ah, was is des für a Freud’,
Was da des Schnalzen schön hallt.



Was da die Vögerln schön singen thun,
Was da die Blümeln schön blühn,

15
Was da die Hirsch’ und Reh’

Ueber die Strassen hinziehn.

Und wenn am Mittag die Sonn anhitzt,
Schmeckt mir a Trunk, frisch und kalt;
Bin überall daheim,

20
Wo i die Rösseln anhalt.


Fahr i im Zwielicht am Wirthshaus an,
Spann i d’Gäul aus und kehr’ ein;
Iß mein Sach’, leg’ mi in’s Bett,
Denk an mein Schatz und schlaf ein.



25
Triff i im Wirthshaus Kameraden an,

Setz’n wir uns z’samm, zwei und drei,
Discutir’n von allerhand –
S’is gar kein G’sellschaft so frei.

Hör’ i den Hahnschrei wohl in der Früh,

30
Reib' i mir d’Aug’n und steh’ auf.

„Wirthshausleut! seid’s bei der Hand!
Der Tag bricht an, die Sonne kommt rauf.“

„Hausknecht, spann meine sechs Rapperln ein!
Kellnerin, trag’ außi mein Hut!

35
Jetzt müß’n wir wieder weiter fah’rn,

S’Dableib’n thut einmal kein gut.“



„B’hüt di Gott, Kellnerin, aufs nächste Mal,“
„B’hüt di Gott, du herzlieber Bue!
Bleib fein net gar z’lang aus,

40
Kehr fein bald wiederum zu.“


Fuhrmannsbue bin i schon fünfthalb Jahr,
Fuhrmannsbue bleib i no lang;
Kann wohl seyn, daß i stirb’,
Eh i was Andres anfang.

[70]
Wunderbarliche Historie von einer Mondfahrt.


Es war einmal ein Wundermann,
Der hat ’ne Fahrt zum Mond gethan;
Die Erd’, sie däucht ihm viel zu kahl,
Und was sie gibt, nur fahl und schal!

5
Flugs stellt er sich ’ne Leiter an,

Und steigt von Sproß zu Sproß hinan,
Und stürzt nach jedem letzten Tritt
Die Leiter um zum Weiterschritt.
Und so, nach Syllogismen-Art,

10
Fördert sich denn die kühne Fahrt;

Zuletzt legt er, in guter Ruh,
Sein Schifflein in dem Hafen zu. –
Doch auf den schwindelichten Höh’n,
Da mocht er weder geh’n noch steh’n,

15
Hielt er sich nicht am Mondeshorn,

Der arme Mensch, er wär’ verlor’n.
D’rum kehrt er gleich – mit gutem Glück –
Zur Leiter wiederum zurück,
Anknüpfend sie, von Stuß zu Stuß,

20
Am eignen End’, wie ’nen Kettenschluß. –

Ankommt er; und die Menschenschaar
Bringt laute Huldigung ihm dar,
Und horcht, was der beredte Mund
Von blauen Wundern thäte kund.

25
Und also spricht der Wundermann:

„Ihr guten Leute lobesan,
„Ihr, die ihr lebt im ird’schen Licht,
„Versuchet ja die Götter nicht!
„Denn droben dort ist’s fürchterlich;

30
„Man hört und sieht und fühlt nur – Sich;

„Allein das liebe Ich – mit Gunst! –
„Es ist ein Irrlicht nur, ein Dunst;
„Und, folgt wer seiner Nasen nach,
„Der fehlt des Stegs und fällt in ’n Bach.

35
„Drum laßt mich euch zur Warnung sein,

„Und meidet alle Schwindelein!
„Wohl denkt sich’s idealiter,
„Doch fühlt sich’s nur realiter;
„Ins leere Blaue trägt der Schein,

40
„Auf festem Grund nur steht das Sein.“ –
[71]
Mondfahrt.

Die Red' dünkt Vielen viel zu hart;
Sie wagen doch ’ne Mondenfahrt –
Das Stücklein, wie man sich entfernt,
Es war dem Meister abgelernt.

45
Und hurra! geht’s in vollem Saus,

Wie toller Wind- und Hexenbraus!
Auf klettern sie und klettern ab,
Und wer da fällt, der find’t sein Grab;
Wer wieder kommt, der sagt von Glück!

50
Doch jeder bringt so was zurück,

Man nennt’s ’nen Sparren hier zu Land,
Auch Naseweisheit, wohl bekannt. –
Wer aber droben sitzen bleibt,
Huy! welch ein arger Spuk ihn treibt!

55
Fest eingerammelt mit dem St—ß,

Dreht ihn der Mond mit allem Fleiß;
Er aber meint, die ganze Welt
Dreh’ sich um ihn, als Ar’, die hält;
Und von der Krankheit heilt er nie –

60
Ich glaub’: man nennt sie Phrenesie.



Weltgeschichte.
Zeitfrage.



Putzen oder auslöschen?


Mißverhältnisse.



Selten sah ich einen Mann,
Der nicht was hatte, was er nicht wollte han.

[72]
Naturgeschichte.


Boa Constrictor. Lin. Simia europaea seu elegans,
Familie der Convolven. Familie der Odoriferen.
Zu Deutsch:      Boa oder Abgottsschlange. Zu Deutsch:      Der Zieraffe.
Kennzeichen:      Ein Blick. Kennzeichen:      Riecht nach Baccioli u. Eau de mille fleurs.
Fundort:      Auf Rendez-vous. Fundort:      In allen civilisirten Ländern, besonders in Deutschland.
Zweck:      Zärtlichkeit und Hingebung. Zweck:      Wohlgeruch verbreiten, und überhaupt das Leben verschönern.

*) Bei dieser Gelegenheit erlauben uns auf unser wohlassortirtes Lager
     in ächten Champagner-Weinen eigner Fabrik aufmerksam zu machen,
     und bitten von unserer Firma Notiz zu nehmen.
               M. E. Haricourt-Gricot ainé & fils in Epernay,
                    empfohlen durch Etienne Hölzelmaier.



München, Verlag von Braun & Schneider.Papier und Druck von Fr. Pustet in Regensburg.