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Wunderbarliche Historie von einer Mondfahrt.


Es war einmal ein Wundermann,
Der hat ’ne Fahrt zum Mond gethan;
Die Erd’, sie däucht ihm viel zu kahl,
Und was sie gibt, nur fahl und schal!

5
Flugs stellt er sich ’ne Leiter an,

Und steigt von Sproß zu Sproß hinan,
Und stürzt nach jedem letzten Tritt
Die Leiter um zum Weiterschritt.
Und so, nach Syllogismen-Art,

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Fördert sich denn die kühne Fahrt;

Zuletzt legt er, in guter Ruh,
Sein Schifflein in dem Hafen zu. –
Doch auf den schwindelichten Höh’n,
Da mocht er weder geh’n noch steh’n,

15
Hielt er sich nicht am Mondeshorn,

Der arme Mensch, er wär’ verlor’n.
D’rum kehrt er gleich – mit gutem Glück –
Zur Leiter wiederum zurück,
Anknüpfend sie, von Stuß zu Stuß,

20
Am eignen End’, wie ’nen Kettenschluß. –

Ankommt er; und die Menschenschaar
Bringt laute Huldigung ihm dar,
Und horcht, was der beredte Mund
Von blauen Wundern thäte kund.

25
Und also spricht der Wundermann:

„Ihr guten Leute lobesan,
„Ihr, die ihr lebt im ird’schen Licht,
„Versuchet ja die Götter nicht!
„Denn droben dort ist’s fürchterlich;

30
„Man hört und sieht und fühlt nur – Sich;

„Allein das liebe Ich – mit Gunst! –
„Es ist ein Irrlicht nur, ein Dunst;
„Und, folgt wer seiner Nasen nach,
„Der fehlt des Stegs und fällt in ’n Bach.

35
„Drum laßt mich euch zur Warnung sein,

„Und meidet alle Schwindelein!
„Wohl denkt sich’s idealiter,
„Doch fühlt sich’s nur realiter;
„Ins leere Blaue trägt der Schein,

40
„Auf festem Grund nur steht das Sein.“ –
Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)