Ferdinand Stolle’s Frühling auf dem Lande

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Ferdinand Stolle’s Frühling auf dem Lande
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 400
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Buchempfehlung: „Frühling auf dem Lande“ von Ferdinand Stolle
Blätter und Blüthen
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[400] Ferdinand Stolle’s Frühling auf dem Lande. In dem Augenblicke, in welchem ringsumher der Frühling alle seine Reize entfaltet, dürfte es auch an der Zeit sein, die Aufmerksamkeit wiederum auf dieses reine und thaufrische Product zu lenken, das ein Frühlingsidyll ist, so zart und sinnig, wie es in unserer neueren Literatur kaum jemals gedichtet, ein von den schwellendsten Accorden zu dithyrambischem Jubel anschwellender Frühlingshymnus, wie er in so fesselnder Weise von allen unseren lyrischen Mai- und Lenzmusikanten noch nicht gesungen wurde. Es ist über die Berechtigung der Natur- und Landschaftsmalerei der Poesie viel gestritten worden. Aber schon das einfache Gefühl, der unmittelbare Eindruck entscheidet die Frage dahin, daß derartige Bilder und Schilderungen überall auch in der Dichtung ihre vollauf berechtigte Stelle haben, wo sie innig mit einer lebendigen Handlung verbunden, so gesund und ungesucht auftreten und dabei von der sicheren Hand eines berufenen Kenners und Meisters so liebevoll und sauber ausgeführt, so anmuthig und in geschmackvollster Gruppirung uns dargeboten werden, wie es in diesem Buche geschehen ist, in dem wir die gesunderen und heut noch lebensfähigen Seiten der Matthisson’schen Richtung mit den Anschauungen der fortgeschrittenen Wissenschaft sowohl, als mit dem volksthümlichen Geiste, der kräftig naiven Auffassung Hebel’s und Uhland’s zu einer Wirkung vereinigt sehen, die sich als eine durchaus poetische bezeichnen läßt.

Stolle führt seine Leser nicht an den „Busen der Natur“ und in die Abgeschiedenheit des Landlebens, um sie hier müßig träumen und schmachten, blos empfindungsselig sich einschläfern, die Aufgaben der ringenden Culturwelt, den Ernst einer menschlichen Existenz vergessen zu lassen. Es ist vielmehr der auszeichnende Reiz und Vorzug seiner Schilderungen, daß er uns die Schöpfung in der freudigen Unermüdlichkeit ihres segenspendenden Wirkens zeigt und durch die sinnige Betrachtung und Deutung ihrer wunderbaren Thätigkeit auch in der Menschenbrust die Freude an rüstigem Thun und Schaffen, den Sporn zu wirkungsvollem Streben weckt.

Mit dem Erwachen und der Entfaltung des Frühlings in einer freundlichen Gebirgsgegend, umgeben also von einer wechselnden Scenerie blühenden und duftenden, strahlenden und klingenden Lebens, entfaltet sich vor unseren Augen die Geschichte einer kleinen, aber nicht gestaltenarmen Menschenwelt, an deren engem und stillem Kreise die großen Humanitäts- und Bildungskämpfe der Zeit, die erschütternden Bewegungen, Schmerzen und Verirrungen unserer nächsten Gegenwart nicht spurlos vorübergegangen sind. Die Entwickelung dieser kleinen, in so überaus lieblicher Staffage sich bewegenden Erzählung ist spannend und befriedigend, die Charakteristik in der bekannten Manier des Verfassers schlicht, treuherzig, warm und lebenswahr, nicht ohne einen harmlosen Anflug jenes drollig-realistischen Humors, mit welchem der alte Schelm und Spaßvogel das Aufkommen weichmüthiger und überschwenglicher Stimmungen so liebenswürdig zu paralysiren und dem eben noch thränenfeuchten Gesichte des Lesers ein herzhaftes Lachen zu entlocken weiß.

Daß das freundliche Buch übrigens nicht blos künstlerisch werthvoll, sondern schon wegen seiner Fülle von herrlichen Liedern, schönen Gedanken und praktischen Lebensregeln auch ein echtes Volks- und Familienbuch für alle Stände, ja sogar – wenn wir uns eines durch dogmatisch-homiletische Salbadereien längst in Mißcredit gerathenen Ausdrucks bedienen dürfen – eine Erbauungsschrift im besten Sinne des Wortes ist, wurde bereits früher von der Kritik anerkannt. Mag man auch im Einzelnen, in politischer und religiöser Hinsicht, mit der gar zu genügsamen Freisinnigkeit des Dichters, seinem eine gemüthliche Vermittelung der unvereinbarsten Gegensätze anstrebenden Standpunkte nicht einverstanden sein, durch das Ganze weht doch der Hauch der Zeit, ein heller und lichtvoller Ton, der läuternd und veredelnd durch die Häuser und Herzen zu ziehen und kampfesmüde Seelen zu erfrischen vermag, wie eine fröhliche Berg- und Waldfahrt in schwülen Sommertagen.