Erinna (Hoechstetter)
ERINNA
ERINNA, das fremde Mädchen.
ERINNA:
Was sag’ ich dir, es sind ja doch nur Worte
Und meine Seele ist’s, die nach dir schreit
Wie jene Menschen, die des Paradieses Pforte
Nicht wiederfanden, schrieen auf in Leid
Für dich in hohen Ruhmes Hallen
Und du bist schön – und du bist groß,
Ich möchte dir zu deinen Füßen fallen
Und dir die Hände küssen und nur leise fühlen,
Entdürstet und sich seine Gluten kühlen
Den Toten gleich im Meeresgrund.
Der Dichter kommt mit Freunden und Freundinnen.
ER:
Im Morgenglanz das Meer, silbern die Luft!
Stolz hebt sie die Segel der Barken
Werden wir neu erstarken.
Holt uns sie, die wie verstoßen
Von Herd und Genossen
So viele Tage schon einsam irrt,
Oh, so sagt ihr, daß auch bei uns
Göttergeheiligt der Fremdling ist.
Ruft sie – ruft sie zum Spiel und zur Freude
Nehmt sie in Eueren Kreis.
ER:
Um eigen oder fremd Geschick?
Wir sahn dich all die Zeit
Mit trübem Blick
Über das Meer hinstarren
Kommt dir der Freund von Fernen her
Kommt dir der Bruder übers Meer?
Sag uns, was dich bedrückt,
Dem Tag entrückt. –
ERINNA:
Das Meer ist fremd, das Meer ist klar
Und stumm wie tiefste Nacht
Wird mir nichts bringen – hat nichts gebracht.
ER:
Ja wenn du einsam bist
Rast’ von der Reise
Bis dich dein Schicksal küßt.
die ihn zärtlich umspielen.
ER:
Wer bist du?
ERINNA:
In dieser Stunde nichts – in Ewigkeit vielleicht
ER allein:
Du wunderliche Namenlose
Dem Schoße
Von Meer oder Erde einsam entstiegen,
Meine Gedanken müssen zu dir fliegen –
Du sahst mich an – in deinen Augen lebte
Ja fast der Zorn, als hätt’ ich dich gekränkt
Ich, der den Menschen Schönes nur geschenkt.
ERINNA
Vom Himmel taumeln Wandersterne
Küssen sich Erden- und Meeresrand –
Ich hör’ in kühle Weite
Doch unter meinem Kleide
Glüht mein Herz in rotem Brand.
ER
Komm ich zu dir zur Nacht
Und biete dir die Hände
Als Freund, der mit dir wacht.
ERINNA:
Du bietest allen deine Hand
Zu deinen Füßen nieder
Gibst allen deine Lieder.
Ich sang ein Lied für dich allein,
Es sollte einzig für dich sein –
Bin kaum gekannt – vergessen.
ER:
Du bist Erinna?
ERINNA:
Weh mir, daß ich’s bin.
ER:
Oh komm zu mir, die Stunde will ich segnen
ERINNA:
Nein, laß mich gehn, laß mir das Ehrenkleid
Einsamen Schmerzes unentweiht.
ER:
Ich habe dich enttäuscht? Oh, meine Seele glüht
Noch jung, wenn auch der Leib verblüht.
ERINNA:
Bisher verkannt. Verblühen ist dann Glanz,
Ist Schönheit, Rausch – Entzücken –
Ja, dann verblüht die Sonne auch
Wenn sie im Frührot neu dem Meer entsteigt,
Wenn sie uns leuchtend grüßen durch die Nacht.
ER:
Und weßhalb willst du dann dich von mir wenden?
Ist’s, weil mit kinderfrohen Händen
Die Mädchen zärtlich mich umfassen?
An diesem Morgen. Komm, Erinna, komm,
Gar manche Fackel mir verglomm,
Doch unsre Fackel soll die letzte sein,
Die wir den alten Göttern weih’n.
Eh du mir nah
Komm, lange liebt’ ich dich
Eh ich dich sah. –
ERINNA:
Was sag’ ich dir, es sind ja doch nur Worte
Wie jene Menschen, die des Paradieses Pforte
Nicht wiederfanden, schrieen auf in Leid
Wer bin ich denn? Ein ärmlicher Genoß
Für dich in hohen Ruhmes Hallen
Dir deine Hände küssen und nur leise fühlen
Daß du es duldest, wenn mein heißer Mund
Entdürstet und sich seine Gluten kühlen
Den Toten gleich im Meeresgrund.
ER:
Vor deiner Jugend, deiner Seele Mut
Die zu mir fand und auf das Schönste mir
Vertraut als gäb’ sie sich in Aphroditens Hut.
Du Allerholdeste, ja du hast mich verstanden
Und bringst mir dich. Ich will dir wiedergeben
Was du mir gabst mit meinem ganzen Leben
Die Einzige, die mir so ganz vertraut
Sei Freund und Schwester mir und Frühlingsbraut.
ERINNA
Klang mir dein Lied wie purpurner Rausch
Dein Lied ist deine Seele
Deine Seele liebe ich –
– laß mich sie küssen. –
ER:
O Kind aus Märchenland,
Seelen, die zu einander müssen
Brauchen des Eros Band.
Steh auf von meinen Füßen
Gib mir den Mund, den süßen
Mein Herz ist voll zum Rand.
Die ewigen Götter lieben die Freude
Und des Lebens Lust ist der Opferrauch
Und so bedeute
Uns dieser alte heilige Brauch,
Daß unsere Seelen zusammen klingen. –
Wie Mandelbäume im Frühlingsblust
Aus goldenen Schalen der Lust
Trinken wir still zur Nacht
Unser vermähltes Blut.
ERINNA:
Sonst braucht’ ich Worte, brauchte die Geberde
Die mich gebar
Und jetzt, Geliebter, sag’ ich dir in Küssen
Nicht nur die Liebe – alles was von Wissen
Und Tod und Nacht in meiner Seele war
Deinem Herzen lauschen
Kann jeder Nerv des Körpers nun verstehn –
Du wirst nie wieder von mir gehn –
Wir suchten uns durch eine Ewigkeit
So weiß ich, daß es nichts gibt, was uns trennt
So weiß ich, daß im stillen Hain ein Altar brennt
Auf dem die blaue Flamme unsrer Leidenschaft
Gleich wie die Himmelsvenus glüht in Liebeskraft –
Den Atem spüre, der dich hebt,
So weiß ich, in uns beiden lebt
Eine Seele, die alles vollbracht.
ER:
Du kamst zu mir, wie ein vergottet Abbild
Und Offenbarung mir in süßem Zweiklang –
Ich liebe dich, ich liebe dich,
Kein ander Wort weiß mehr mein Mund,
Kein andres Denken kennt mein Herz
Und wenn ich weinen könnte, o so wär’s,
Daß ich dir nicht die erste Liebe dieses Lebens
Mehr geben kann. Aber Tränen
Hab’ ich nicht mehr. So goldenstill
Hast mich begnadet, daß ich nur noch bitte
Die Spindel, die den Lebensfaden
Uns trägt, sei fruchtbar
Wie der blaue Flachs des Feldes –
Denn eines kann ich vor dir voraus:
Auf meinen Armen trag ich dich
Dem Wind entgegen
Trag dich dereinst durch Tod und Nacht
Zu letzter Lust