Eine vergessene Freundin Schiller’s

Textdaten
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Autor: Arnold Schloenbach
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Titel: Eine vergessene Freundin Schiller’s
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 23–26
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Sophie Albrecht
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Eine vergessene Freundin Schiller’s.


Es sind jetzt gerade hundert Jahre her, als im Kinderzimmer des gelehrten Paul Baumer, Doctors und Professors der Arzneikunde und Weltweisheit zu Erfurt, ein Kreis von kleinen Mädchen sich um eine etwa zwölfjährige Gespielin drängte und mit Staunen und Bangen zusah, wie diese Gespielin einen Finger ihrer linken Hand über ein brennendes Licht hielt, bis derselbe tief in’s Fleisch angebrannt war. „Da seht Ihr nun, was man aushalten kann, wenn man will! Und was dem Papa sein Römer Mucius gethan hat, das kann ich auch,“ so sprach jetzt das angestaunte Kind und steckte den verbrannten Finger in den Mund. Die Zuschauenden fingen nun auf einmal an zu schreien, liefen heulend davon, verklatschten dann die soeben Angestaunte bei der strengen Mutter und – das heroische Töchterlein bekam die Ruthe. Als das Mädchen wieder vor den Gespielinnen erschien, gingen dieselben erst scheu an ihm vorbei und mochten es wohl für eine kleine Hexe halten. Bald aber sollten sie den Beweis haben, daß das sonderbare Wesen mit all seiner Kühnheit und Willensstärke doch auch nur ein armes, gebrechliches Menschenkind sei.

In einem alten Klostergange forderten sie die junge Heldin auf, von einer hohen Galerie herabzuspringen; das Kind sprang und wurde mit zerbrochenem Beinchen und zerspaltenem Köpfchen für todt nach Hause getragen. Indessen genas das Kind, doch von der Stunde seiner Genesung an hat es nie mehr derartige Dinge getrieben, war es still für sich, studirte viel und schrieb heimlich, was es Niemandem zeigte. Der Vater wollte, das merkwürdig befähigte Kind solle Medicin studiren, doch brachte ihn dessen oft bedenklich wieder aufbrechende Kopfwunde davon ab. Diese Wunde hat das Kind bis zum Tode behalten und durch sein ganzes Leben hin zogen sich jene Kinderscenen, nur in ganz anderer Art.

Kurze Zeit nach jener Mucius-That en miniature erblindete des Kindes strenge Mutter (eine geborene von Tenzel) plötzlich und vollständig; ein Jahr darauf starb der Vater, und kaum vierzehn Jahre alt, wurde unsere kleine Heldin, Sophie Baumer, die Frau des Dr. med. Albrecht. Dieser hatte als Student im Hause ihres Vaters gelebt und das seltsame Mädchen schon von dessen Kindheit an geliebt. Als eine poetische und künstlerische Natur, mit psychologischem Blick begabt, hatte er das Besondere in dem Kinde erkannt, es zu entwickeln und fortzubilden versucht und auf diese Weise auch des Mädchens Herz schon früh gewonnen. Albrecht’s Vater war Rector des Gymnasiums zu Frankfurt; Goethe schildert ihn in „Wahrheit und Dichtung“ als „eine der originellsten Figuren von der Welt“. In seiner damals sehr bedeutenden Stellung hatte Rector Albrecht vielfache und weite Verbindungen, und dadurch bekam sein Sohn im Jahre 1776 eine Stelle als Leibarzt bei dem Grafen von Manteuffel in Reval.

Bisher hatte Albrecht bei seiner jungen Frau in Erfurt gelebt, weil dieselbe die blinde Mutter nicht gern verlassen wollte. Sie hatten zusammen gedichtet, und Albrecht hatte sich schon an ein Trauerspiel gemacht: „Der unnatürliche Vater“ (später erschienen von ihm Romane, Familiengeschichten, Briefe und dramatische Werke); indessen fehlte es ihm doch an festem Heerd und Brod, Albrecht mußte jene Stelle in Reval annehmen, und Sophie begleitete ihn. In esthländischen Blättern erschienen ihre Poesien zuerst öffentlich und nahmen von da aus ihren Weg nach Deutschland. Auf vier großen Reisen zu Meer und Land, durch ganz Rußland hin, war sie die muthige und ausdauernde Gefährtin ihres Mannes, der seinen Herrn begleiten mußte; sie gebar ihm unterwegs einen Knaben und ein Mädchen. Endlich zogen Sehnsucht [24] nach dem Vaterlande sowie Liebe und Sorge für die blinde Mutter sie nach Erfurt zurück. Hier begann nun ein neuer Stern ihres Lebenshimmels aufzutauchen, eine Sehnsucht in Erfüllung zu gehen, die sie schon seit ihrem achten Jahre heftig gefühlt hatte, sie legte im Jahre 1782 als Julie in Weiße’s gleichnamigem Trauerspiel die erste Probe ihres eminenten Bühnentalentes ab, zwar nur auf einem Privattheater, aber doch schon so entscheidend, daß ihr zukünftiger Beruf mit einem Male bestimmt war. Dies um so mehr, da die blinde Mutter kurz vorher gestorben war und sie nur dieser zu Liebe nicht schon früher den längst gehegten Wunsch ausgeführt hatte.

Großmann, der halb geniale und halb verrückte, halb großartig edelherzige und halb vagabundirend schwindelnde Schauspieler, Dichter und Theaterdirector (dessen Briefe bei der „Frau Rath“ neben denen des frommen Lavater lagen), Großmann, jedenfalls ein geistreicher, künstlerischer, poetischer Mensch, wurde zunächst mit dem Talente Sophiens bekannt, und bei ihm, der damals die Theater zu Frankfurt, Mainz und Pyrmont dirigirte, betrat Sophie im Winter desselben Jahres zu Frankfurt, in der Rolle der Lanassa, zum ersten Male die öffentliche Bühne und zwar sofort mit einem bis dahin nie erlebten Erfolge. Bald darauf declamirte sie in Mainz den zweiten Gesang aus Klopstock's „Messias“ und gewann dadurch auch solche, die sich sonst der Bühne fern hielten; zugleich wurde sie eine beliebte Dichterin und in allen Kreisen der Intelligenz bewundert wegen ihres scharfen, kühnen und doch auch wieder zarten Geistes. So lernte Schiller sie kennen, als er mit Iffland, Beil und Beck zur Aufführung von Cabale und Liebe nach Frankfurt kam.

Ein Irrthum ist hier zu berichtigen, der sich durch alle Biographien Schiller’s hinzieht; es heißt darin: „Vergebens suchte sie Schiller, um, wie er sagte, der Menschheit eine schöne Seele zu retten, von ihrer Lieblingsidee abzubringen, auf das Theater zu gehen; sie trat wirklich später als Schauspielerin auf“; Thatsache ist, daß sie damals schon beinahe dreiviertel Jahre lang Schauspielerin war. Vielleicht aber hat dennoch Schiller auf sie eingewirkt, denn vom Herbst 1784 bis Ostern des nächsten Jahres war sie wenigstens, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, „außer Engagement“. Von da an aber finden wir sie in Leipzig bei der Bondini’schen Gesellschaft.

Der geniale Schauspieler, der geistreiche Kopf, der außerordentlich thätige, kühne, auch oft gewaltsame Regisseur der Bondini’schen Gesellschaft, Reinecke, und der ganze Geist dieser Gesellschaft selbst, die zuerst eine nationale Kunst würdevoll durch Deutschland trug, fesselte unsere Künstlerin lange Zeit. Die Gesellschaft war im Winter in Dresden, im Sommer in Prag und während der großen Frühlings- und Herbstmessen in Leipzig. Dieses Wandern zwischen großen, gebildeten und künstlerisch gestimmten Städten sagte auch der ungestümen Natur Sophiens weit mehr zu, als das Solide und Stete eines dauernden Aufenthalts; war sie doch auch schon durch die ersten Jahre ihres Frauenlebens an das Reisen gewohnt und war ihr dasselbe durch das Wandern mit der Großmann’schen Gesellschaft fast nothwendig geworden. Anträge aus Mannheim, Wien und Berlin wies sie deshalb zurück. In Dresden, Prag und Leipzig feierte sie nun manche Jahre die seltensten Triumphe; in Leipzig erneute sich auch das Verhältniß mit Schiller, als derselbe zu Gohlis seinen Don Carlos vollendete. Ihrem und ihres Freundes Reinecke Eifer gelang es auch, die Aufführung des Stückes am 14. September 1787 durchzusetzen und zwar in der Schiller’schen Jambe, nicht in der, wie in Hamburg, verlangten Umschreibung in Prosa. Sophie spielte die Eboli, und sie und Reinecke waren die Einzigen, die als der Dichtung würdig erschienen, wenn auch die schöne Wucht der Jamben ihre – an das Alexandrinermaß oder an die flache Natürlichkeit des bürgerlichen Rührstückes gewöhnten – Lippen und Zungen oft noch schwer bedrückte.

Als die Bondini’sche Gesellschaft an deren bisherigen Cassirer Seconda überging und an Reinecke’s Stelle Opitz Regisseur geworden war, fand das höhere Drama nur noch wenig Pflege und ward Sophien’s Einfluß immer geringer; ja, es kam endlich zu einem gewaltsamen Bruch mit Opitz. Sophie verlangte ihren Abschied, erhielt ihn gern, und die muntere, schalkhafte Hartwig trat an ihre Stelle. Das geschah Ende 1795, wo Sophie in ihr neununddreißigstes Lebensjahr getreten war; es war der Abschluß ihres glänzenden und der Beginn ihres traurigen Lebens.

Dr. Albrecht, der seiner Frau fast stets gefolgt, wie früher sie ihm, schrieb an Ludwig Schröder nach Hamburg um Gastrollen für seine Frau. Schröder antwortete bejahend, setzte aber hinzu: „Ob es bei einer, zwei oder drei Gastrollen bleibt, hängt von dem eigenen Willen Ihrer Gattin und dem Beifall des Publicums ab. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß nicht jedes Talent jedem Publicum gefällt und daß selten eines kleine Angewohnheiten und Manieren von der Kunst abzuziehen weiß, um ihrer ohnerachtet noch Kunst und Wahrheit anzuerkennen.“ Das war schon ein bedenklicher Passus im Munde des alten, gestrengen Herrn, gegenüber der noch vor einiger Zeit so hochgefeierten Schauspielerin. Allein der große Theaterdirector kannte sein Publicum und die Schauspieler; Sophie trat im December desselben Jahres in Hamburg als Katinka im „Mädchen von Marienburg“ auf und – mißfiel. Man fand sie nicht natürlich und warf ihr Dialekt vor. Schröder stellte es ihr frei, ob sie noch ferner spielen wollte aber sie selbst verzichtete darauf, und – sie hatte zum letzten Male auf einer großen Bühne gespielt.

Wie Sophiens ganze Erscheinung und Wesenheit ein Product der gährenden, idealen, romantisch-kühnen Sturm- und Drangperiode war, aus der Schiller’s und Goethe’s erste Werke hervorgingen, so auch die scharf ausgeprägte individuelle Eigenheit ihres Spieles und der Beifall, den dasselbe erringen mußte. Als aber nun die durch Schröder angebahnte, durch Iffland fortgesetzte und durch Kotzebue allgemein gewordene bürgerliche und spießbürgerliche Natürlichkeit die Bühne, die Schauspieler und das Publicum beherrschte, da mußte eine Erscheinung wie Sophie untergehen. Sie war für die Bühne einerseits doch nicht groß genug, andrerseits zu edel, und das, was früher bei ihr durch den Reiz der Jugend liebenswürdig und pikant erschienen war, wurde nunmehr ganz anders betrachtet. Nach dem Hamburger unglücklichen Gastspiel theils zu sehr erschreckt, um noch bei andern großen Bühnen aufzutreten, theils zu stolz, sich der Gefahr einer abschlägigen Antwort auszusetzen, zu selbstständig und ehrgeizig, um „in Rom der Zweite“ sein zu können, wandte sie sich mit ihrem Manne nach Altona und führte hier die Direction. Die Bestrebungen Beider waren edel und bedeutsam, aber „was hat das Ewige verschuldet, daß man es nebenbei nur duldet?“ diese tragischen Worte Platen’s kann man auch hier anwenden; jene Bestrebungen blieben resultatlos und waren der Beginn langen Elends. Dr. Albrecht trug dasselbe nicht lange mit, er starb. Sophie lebte nun noch eine Zeit lang von dem nachwirkenden Ertrage ihrer Schriften: Romane, Briefe und Gedichte, die in den Jahren 1785 bis 1793 bei Georg Reimer, in Berlin und bei Richter in Dresden erschienen waren. Aber auch diese, vorzugsweise einer idealsentimentalen Richtung angehörend und vom Zauber der persönlichen Erscheinung ihrer Verfasserin höher gestellt, als sie an sich selbst es verdienten, verschwanden mit der Zeit, der sie angehörten, und verloren an ihrer Wirksamkeit, als ihre Verfasserin selbst in Vergessenheit gerieth. Das von ferne dräuende Gespenst der Noth kam näher und näher, es wurde zur Wirklichkeit, es umfaßte mit seinen knöchernen Armen das einst so herrliche stolze Wesen und machte es elend und elender. Aber die Kraft und Leidenschaft und Schönheit einer idealen Seele konnte es doch nicht aus der unglücklichen Frau herauspressen. Als Beweis dafür erzählen wir aus dem Munde einer Augenzeugin – einer hochberühmten und außerordentlichen Frau – das Nachfolgende aus Sophiens, damals schon beinahe fünfzigjährigem, Leben:

„Ich habe sie nur einmal in einem sehr interessanten Augenblick gesehen; sie liebte nämlich einen jungen, schönen Schauspieler, der, wenn ich nicht irre, Thomas hieß, doch soll diese Liebe rein, edel und platonisch gewesen sein; er aber liebte eine Andere, erkrankte dann schwer an der Auszehrung, und als er nun schon ganz ohne Hoffnung und von den Aerzten aufgegeben war, holte sie ihn zu sich und pflegte ihn bis zu seinem Tode, der auch in kurzer Zeit erfolgte. Es wurde in Hamburg viel darüber gesprochen. Viele gingen hinaus, um ihn an seinem Begräbnißtage noch im Sarge zu sehen. Ich schloß mich ihnen an, weil mich doch auch die Neugierde und Theilnahme plagte, den Mann zu sehen, für den Sophie Albrecht schwärmte. Kaum waren wir im Hausflur, wo er aufgebahrt lag und schön wie ein Engel war, eingetreten, so öffnete sich eine Zimmerthür und Sophie Albrecht stürzte mit den heftigsten Tönen des Schmerzes, von mehreren Freunden, welche sie abhalten wollten, begleitet heraus und setzte der Leiche einen Blumenkranz auf’s Haupt. [25] Das war das einzige und letzte Mal, daß ich sie gesehen; aber ich könnte sie und die ganze Scene malen; eine nicht gar große, schwächliche Frau im weißen Kleide, mit nicht gerade schönen, aber höchst interessanten Gesichtszügen. Diese Scene machte auf mich, die auch mit einer etwas schwärmerischen Gemüthsart begabt war, einen tiefen Eindruck, und ich glaubte daran; Andere wollten es für einen Theatercoup halten, ich sage aber: Besser ist, der an das Gute und Edle glaubt.“

Das wollen denn auch wir hier; die Erzählerin dieser Scene ist eine der wenigen großen Frauennaturen, die fähig und würdig sind, ein ideales Wesen wie Sophie Albrecht wahr zu verstehen.

Und mit dieser Scene sei das äußere Leben der Unglücklichen abgeschlossen. Das Elend, das nun über sie kam, war entsetzlich. Die einst Hochgefeierte lebte in Altona – von dem Verleihen ihrer einstigen Theatergarderobe, dann vom Waschen feiner Stoffe, dann als Fleckenausputzerin, zuletzt von Almosen die öffentlich für sie gesammelt wurden, bis sie im Jahre 1842 als fünf- undachtzigjährige Matrone starb. Jene merkwürdige Scene war gleichsam auch das Siegel auf den Freibrief, den die Natur in einem ihrer besonderen Augenblicke und mit verschwenderisch gütiger, vielleicht auch unbesonnener Hand diesem merkwürdigen Wesen zu seinem Glück und Unglück ausgetheilt hatte. Muth, Kühnheit und unglaubliche Standhaftigkeit ließen sie manchmal als Mann erscheinen, während eine unendliche Weichheit, Zärtlichkeit und schöne Liebenswürdigkeit sie oft zu extremer Schwärmerei führten. Jetzt munter bis zur tollen Ausgelassenheit, dann lange Zeit tief traurig und schwermüthig; aufbrausend bis zum heftigsten Zorn und dann wieder ganz Demuth, Liebe und Verzeihung. Sie konnte sich mit eigener [26] Hand zur Ader lassen und bei dem Leiden eines Menschen oder Thieres bis zur Ohnmacht gereizt werden. Sie war mit Scharfsinn begabt und wurde doch bei jeder Gelegenheit, oft sogar von den dümmsten Menschen, betrogen. Sie war klar, praktisch, streng solid in der Führung ihres Hauswesens, in der Erziehung ihrer Kinder und verschenkte mit unendlichem Leichtsinn oft das Nothwendigste an Arme und Leidende. Selig in der Natur, auf dem Lande, Tage lang durch Wiesen und Wälder schweifend saß sie wieder Wochen lang wie eingesperrt auf ihrem Zimmer. Sie floh die großen Gesellschaften, war am glücklichsten im engen Kreise Vertrauter Freunde und doch unglücklich bis zum Extrem, wenn sie eine Zeit lang nicht gefeiert wurde, nicht der Mittelpunkt großen, bewegten Lebens und ohne bedeutsame Bühnenbeschäftigung war.

Dieses seltsame Gemisch bildete das eigentliche Wesen unserer Sophie, und wir können uns daraus leicht erklären, daß sie für Swedenborg schwärmte, ihn mit vielem Geist gleichnißweise erklärte und selbst das System einer nach ihm hingehenden Seelen ausarbeiten wollte. Ihr Organ war von einer wunderbaren Melodie und Fülle; oft aber mißbrauchte sie es gewaltsam und es bekam nach und nach etwas Herbes und, wir möchten sagen, Trotziges. Ihr Körper war klein, der Wuchs außerordentlich schlank, die Taille zum Umspannen fein; dennoch wußte sie durch richtige und schöne Haltung ihrer ganzen Person den Ausdruck einer ziemlich imponirenden Mittelstatur zu geben. Ihr Kopf war eher rund als länglich, das Haar sehr schön, lang, blond und seidenweich; die Stirn ziemlich hoch und vorgebaut; die Augen herrlich blau, mit eigenthümlich erfassender, fast tragischer Schwärmerei. Die Nase nicht schön, aber geistreich geformt, der Mund etwas aufgeworfen, doch mit kühnem Trotz; das Gesicht blaß, hager, doch innerlich lebhaft bewegt; das Ganze keine graziöse Schönheit, aber frappant, fesselnd mit jedem Interesse der Intelligenz – das war die Erscheinung von Sophie Albrecht, der Freundin Schiller’s, der sie mit folgenden Worten charakterisirt: „Ein Herz, ganz zur Theilnahme geschaffen, über den Kleinigkeitsgeist der gewöhnlichen Cirkel, voll edeln und reinen Gefühles und selbst da noch verehrenswerth, wo man ihr Geschlecht sonst nicht findet, und dabei eine gefühlvolle Dichterin!“
Arnold Schloenbach.