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Autor: Arnold Schloenbach
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Titel: Ein deutsches Dichterbild
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 419-422
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Heinrich König, ein Schriftsteller aus Fulda
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Ein deutsches Dichterbild.

Von Arnold Schloenbach.

Heinrich König.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, etwa 1797–1798, sah man vor dem Lyceum in Fulda fast Tag für Tag zu gewisser Stunde einen armen Knaben aus dem Volke stehen, sehnsüchtig nach der Thür schauend, und wenn die Erlösungsstunde für die Studenten geschlagen hatte, Einem derselben, einem großen, schlanken, hübschen Jüngling, rasch entgegengehen, ehrerbietig ihm die schweren Bücher abnehmen und hinter ihm hertraben, unter der Last sich mühend, doch mit glücklichen Blicken, mit freudestrahlendem Gesicht; der Student kümmerte sich um den armen Knaben nicht anders, als daß er ihm an seinem Hause die Bücher stumm abnahm und ihn mit stolzgleichgültigem Blicke entließ; der Jüngling war aber nur stolz auf seine Wissenschaft, denn auch er gehörte mehr dem Volke als der höhern Gesellschaft an; er war der Sohn eines wohlhabenden Bäckers. Dreißig Jahre später: – und dieser Jüngling ist Fürstbischof und der Knabe hat die erste Stufe seines glänzenden Ruhmes als der erste deutsche Romandichter seiner Zeit erstiegen, und jener Fürstbischof schleudert gegen diesen Dichter den Bannstrahl seiner Kirche!

Heinrich König’s historische Romane: „Die hohe Braut,“ – „Die Waldenser“, „William’s (Shakespeare’s) Dichten und Trachten,“ – „Die Clubisten in Mainz,“ und neuester Zeit: „König Jerôme’s Carneval;“ seine größeren Novellen: „Regina,“ – „Veronika,“ – „Spiel und Liebe;“ sein Memoiren-Werk über Georg Forster: „Haus und Welt“ und die Selbstbekenntnisse aus seinem ersten Leben: „Auch eine Jugend“: welcher Gebildete im Vaterlande [420] würde sie nicht kennen, würde sich nicht wenigstens an Einem oder dem Andern derselben erfreut und erweitert, oder doch den Namen ihres Vaters mit Liebe, Achtung, ja Ehrfurcht haben nennen hören? Und wer, der sich um die früheren politischen Entwickelungskämpfe im innern Vaterlande aufmerksam bemüht oder auch nur bekümmert hat, wer von diesen sollte den Namen dieses edlen Dichters nicht auch kennen als den Namen eines tüchtigen Mitkämpfers für freiheitliches Recht auf der Landtagstribüne seines Vaterlandes, für religiöse Freiheit? Und geht Ihr nach Hessen, nach Cassel, nach Fulda, nach Hanau: da wird Euch der Name Heinrich König auch genannt als der Name eines so rechtschaffenen, strengredlichen und bürgerlich soliden Mannes, – eines so braven, treuen Gatten, Vaters und Freundes, – einer so liebevollen, harmlosen, anspruchslosen Natur: daß ihm auch seine eifrigsten Gegner in Politik und Religion ebenso hohe Achtung schenken müssen, als seine Freunde ihm Liebe zollen.

Aber der arme Knabe aus dem Volke hat eine schwere Schule des Lebens durchlaufen und durchleiden müssen, ehe er zur Höhe seines Ruhmes, seiner Stellung gelangte, und gewiß ist es interessant, in rascher gedrängter Uebersicht diesen schweren Weg mit ihm zu verfolgen. Gewiß aber auch ist es ein lichter Trost für den deutschen Patrioten, auch an diesem Beispiel wieder zu erkennen, eines Theils, daß die meisten unserer großen und schönen Geister aus dem Volke hervorgegangen sind, daß also eine Nation, die in ihrem Urkerne fortwährend solche Kraft erzeugt, noch nicht so weit herabgekommen ist als man uns dies von manchen Seiten her glauben machen will; anderntheils, daß selten eine wahrhaft ächte Kraft an sogenannten „äußern Verhältnissen“ zu Grunde geht, wenn sie stets pflichtgetreu ihrer Selbst und ihrer Aufgabe sich bewußt ist.

Heinrich König wurde am 19. März 1790 in Fulda geboren; sein Vater war als Bauernsohn aus dem Dorfe Schwaben in das fürstbischöfliche Militär eingetreten, und starb als Unteroffizier in dem von den Franzosen belagerten Mainz, zwei Jahre nach der Geburt seines Sohnes. Die Mutter war eine tüchtige Schneiderin, namentlich in Mützen und Kappen für die Bäuerinnen, und sie zog nach dem Tode ihres Mannes zu ihrem Bruder Velten, der früher weltlicher dienender Bruder im Kapuzinerkloster gewesen war, dann aber statt der Kutte ein Weib genommen hatte, und nun als Lohnarbeiter, Handlanger und Commissionär mannigfache Dienste für Kloster und Stadt that. Die ganze Familie war fromm, strengrechtschaffen, sparsam, sauber, und dies Alles bis zur peniblesten Gewissenhaftigkeit; diese ersten Eindrücke und Anschauungen haben sich durch das ganze Leben des Dichters hingezogen. Heinrich wuchs in diesem Kreise als fleißiger Schüler der Bürgerschule auf, unendlich zufrieden und still vergnügt; seine Hauptfreude war, dem Studenten die Bücher nachzutragen, und als er einst einen hölzernen Pallasch geschenkt bekam, ruhte er nicht eher, als bis er ihn an einer Mauer zerschlagen hatte, um auf leere Faust wieder vergnügt sein zu können. Daß die Studenten dann und wann in den Weihkessel Tinte gossen, und Manche, die sich daraus mit schwarzen Tuppen besprengt hatten, dies für Wirkung des Teufels hielten, brachte wohl den ersten Conflict in seine fromme Anschauung des kirchlichen Kultus. Aber mit Rührung und Interesse wohnte er den weihnachtlichen Theatervorstellungen der Kapuziner bei, dem „Krippchen,“ letzter Rest der mittelalterlichen Mysterien. In der Schule waren es die altbiblischen Geschichten und die Anfänge der Geschichte seines engeren Vaterlandes, die Geschichte der Heidenbekehrer, die besonders auf ihn wirkten. Seine guten Anlagen bewogen Mutter und Oheim ihm in Gemeinschaft anderer Knaben noch besondern Unterricht ertheilen zu lassen, bei einem „Präceptor,“ das heißt bei einem armen Studenten, der sich dessen für sehr kleine Gaben, worunter auch Victualien, unterzog. In den Freistunden trug er die Arbeiten seiner Mutter herum oder hütete die Ziege; bald aber sollte er – durch Vermittelung seines Oheims – das Leitseil der Ziege mit dem Meßglöcklein im Stifte der englischen Fräulein vertauschen; er wurde ein gar niedlicher, geliebter und Vertrauen erweckender Ministrante. Die lateinischen Worte seines Dienstes als Ministrante hatte er rasch und sicher aufgenommen, und der Oheim verschaffte ihm deshalb von einem Pater Hilarius eine alte, lateinische Grammatik; sie sollte die erste Sprosse zur Leiter höherer Wissenschaft werden. Sicheren Fuß auf dieser Sprosse gefaßt, sprang er dann auch schon bald von der Bürgerschule in das Gymnasium, just zu derselben Zeit, als des Fürstenthums Fulda geistliches Regiment überging an das weltliche Regiment des Prinzen von Oranien.

Der als Erbschaft zurückgelassene lange Mantel eines reichen Gymnasiasten, wurde nun durch Decret des Gymnasialdirectors unserm Heinrich umgeworfen, und er that ihm treffliche Dienste, wenn er mit seinen Mitschülern auf der Straße singen und dann die milden Gaben dafür einsammeln mußte. Bald hatte er den ersten Platz und schon zwei Prämien in seiner neuen Schule gewonnen. In diese Zeit fällt eine seiner nachhaltigsten Erinnerungen: er bekam von den Aeltern eines Mitschülers das erste Billet für das Theater, das unter dem neuen weltlichen Regimente fleißig kultivirt wurde; „die Hussiten vor Naumburg“ machten einen tiefen Eindruck auf ihn, und er fühlte sich selig, als er eines Abends einen der Knaben mitspielen durfte, die zu rufen hatten: „Ich!“ – Er brachte dieses „Ich“ aber so jämmerlich und consternirt heraus, daß er beschämt davon lief. – Ein anderes Davonlaufen hatte ernstere Folgen: einmal in der Woche genoß er mit zwei Mitschülern einen Freitisch im Kloster; da wurde nun eines Tags ein Schweinskopf von unbeschreibbar üblem Geruch vorgesetzt; Heinrich nimmt ein Stückchen Papier, schreibt darauf:

„Die Suppe essen wir; die andern guten Gaben
Hebt uns gefällig auf bis wir den Schnupfen haben,“

steckt das Zettelchen dem Schweinskopf in den Mund und läuft davon. Er verlor damit natürlich seinen Freitisch, hatte auch wohl noch manche Häkeleien auszustehen, und seit der Zeit schon kamen die Klöster bei ihm in einen üblen Geruch; den verlorenen Mittagstisch ersetzte er mit angestrengterem Erwerb durch Privatstunden. – Nun erfolgte die große Schulreform; die langen Mäntel der Schüler fielen ab und damit auch manche Zöpfe, Fesseln für die jungen Geister, die sich nun immer freier bewegen und neue, erweiterte Anschauungen in sich aufnehmen konnten. Dies geschah bei Heinrich immer mehr, als er, mit drei Prämien belohnt, das Gymnasium verlassen und das Lyceum betreten hatte, und zwar zur Zeit, als Fulda durch Mortier für die Franzosen besetzt wurde. Diese neue Richtung seines Denkens und Anschauens bewahrte ihn auch wohl vor der Gefahr, Mönch zu werden, wie Oheim und Mutter ihm das nach Beendigung seiner Gymnasial-Studien vorschlugen und wozu auch einige gescheidte Mönche den talentvollen und vielversprechenden Jüngling bereden wollten; vielleicht mochte auch jener Schweinskopf mit dazu beitragen, denn in demselben Zimmer, wo dieser ihn in die Flucht getrieben, sollte er seine entscheidende Erklärung ablegen; da, – ehe dieser Moment kam, lief er zum zweiten Male davon, und rettete in diesem Augenblick dem deutschen Vaterlande einen seiner edelsten Dichter. – Man trug ihm das aber nicht nach, und Ohm und Mutter gaben sich gern mit seinem höheren Studium auf dem Lyceum zufrieden. Drei Jahre dauerte dasselbe, und jedes dieser Jahre hatte nach drei Richtungen hin einen entschiedenen Einfluß auf die spätere Richtung, auf das ganze Leben des jungen Mannes. Zuerst in kirchlicher Beziehung, in immer größerer Ablenkung vom Dogma auf den Weg eigener Forschung; sodann in schriftstellerischer Beziehung durch Anfertigung einer prosaisch-poetischen Arbeit, der Beschreibung eines Sommerabends in den Gegenden Nizza’s und Turin’s; sie wurde, als die beste Arbeit von Allen, öffentlich vorgelesen, und machte einen so bedeutenden Eindruck, daß Viele an ein Plagiat dachten, wo der Verfasser durchaus Original gegeben hatte. Diese Arbeit war der Keim zu des Verfassers erstem Roman: „Die hohe Braut.“ Das dritte Jahr brachte dem Jüngling seine „erste Liebe,“ deren ernste Folgen ihn schon bald an Gründung eines Ehelebens denken lassen mußten.

Am 9. September 1809 beschloß er seine Lyceums-Studien mit einer lateinischen Rede in so freisinniger Weise, daß sie ihm die Pforten der Theologie, die er anfangs beabsichtigt hatte, verschloß, und er stand nun am ersten großen Scheidewege seines späteren Lebens. Gern hätte er Jura studirt, aber dazu hätte er nach Wetzlar an’s Reichskammergericht gemußt, und dazu war kein Geld vorhanden. Was nun zu thun? Er beschloß endlich, die Vorstudien zur Anatomie bei dem neuerrichteten Krankenhause zu machen und widmete sich derselben auch mit allem Eifer; seine später so fruchtbar gewordenen tiefen Blicke in die Physiologie des Menschen gewannen hier wohl ihre ersten Grundzüge. Als Endresultat dieser Studien schaute aber doch nur ein gewöhnlicher Chirurg hervor, [421] vor, der zugleich Bartscheerer sein mußte, und dieser Gedanke machte namentlich dem Oheim Entsetzen, wenn er ihn mit den reichen Anlagen seines Neffen und den daran geknüpften Hoffnungen verglich. Gleichzeitig mußte aber auch schon für ein sicheres Einkommen gesorgt werden, denn die Folgen jener ersten Liebe machten die Ehe nothwendig. Der junge Mann trat also als Schreiber bei einem Advokaten ein, und wurde, noch nicht einundzwanzig Jahre alt, am 19. Januar 1810, schon Ehemann, und bald darauf auch Vater. Und nun beginnen für den jungen Mann erst die eigentlichen Leidens- und Kampfjahre- die Frau ist körperlich leidend, wird immer leidender, und zwar am Gehirn, so daß auch ihr seelischer Zustand immer trauriger und trauriger wird, beschränkt, reizbar, heftig; - so geht ein volles Viertel-Jahrhundert in tiefstem, innern und äußern Eheleiden hin; das erste Kind stirbt; das zweite, eine lebhafte, begabte Tochter, ist ganz auf den Vater, und dieser vom Krankenbett der Frau nur auf Erwerb angewiesen, unter Duldung und Entbehrung aller Art. Solche Kämpfe konnten nun wohl eher einen Charakter als ein Talent entwickeln; dem Letzteren fehlte es natürlich an Gemüthssammlung, an Innerlichwerden, auch an äußerer Anregung in einer Stadt wie Fulda, während des Krieges; aber unser Dichter ist ein glänzendes Beispiel , wie unendlich viel die Festigung eines tüchtigen Charakters dem Talente vorarbeitet; viele der hohen Vorzüge, die wir später an den Werken König’s noch anzudeuten suchen werden, haben ihren Ursprung in der Charaktergröße und Stärke, die er während dieser Zeit sich gewann. Trieben nun lebhaftes Temperament, heiterer leichter Sinn, Unbefangenheit gegen Welt und Menschen den häuslich Unbefriedigten leichter hinweg und umher, so halfen ihm vor Verirrungen seine frühe Vernünftigkeit, gesellschaftliche Blödigkeit, pecuniäre Anspruchslosigkeit und Enge, ein reizbarer, sittlicher Stolz, immer mehr gefundene Freundschaft und Neigung in gebildeten Kreisen und auch ein religiöser Ernst. Dieser aber immer freier und höher getragen, mehr als innerliche Stimmung, des Kirchlichen müde, dem Dogma abhold, doch auch ohne Zweifel und Polemik, in harmonischer Toleranz. Während dem war unser Dichter vom Hülfsschreiber da und dort, Scribent an der Mairie Frankfurt, unter Regentschaft des Fürsten-Primas, geworden und arbeitete auch dann und wann im Büreau des Finanzministers, Graf Bentzel-Sternau, des bekannten Schriftstellers, wenn derselbe ab und zu nach Fulda kam; die politischen Doctrinen des Staatsdienstes suchte er dabei durch eifriges Selbststudium sich anzueignen. - Daneben aber regten sich auch noch die ersten Anfänge der Schriftstellerei in Gelegenheitsgedichten und Prologen, namentlich für das vom Fürsten-Primas errichtete vortreffliche Liebhabertheater, dem sich der Dichter auch als Schauspieler widmete. Er erregte Aufmerksamkeit, wurde empfohlen und bekam die Stelle eines Controleurambulant bei der neuen Accise. Das war für den Dichter eine widerliche Stelle, aber sie gab sicheres Brot für Weib und Kind. Nach der leipziger Schlacht wurde die betreffende Accise aufgehoben, König behielt aber seinen Gehalt von 240 Gulden fort und wurde ohne sichere Anstellung mit Aufträgen mancherlei Art beschäftigt. Nun trat die Theilung des Fürstenthums ein; Coudray, der bekannte Baurath und Freund Goethe’s, kam nach Weimar und sorgte vorher, daß die bisher von ihm geführte Regie des Theaters an König übertragen wurde. Da fühlte er sich nun so recht in seinem Element, und als Fulda im Jahr 1816 Kurhessisch wurde, ließ er sein Festspiel „Die Erfüllung“ aufführen; der Kurfürst wohnte der Aufführung bei, ignorirte aber den Verfasser; desto eifriger nahm sich dessen der geistvolle Oberkammerrath Fulda an; er setzte seine Anstellung als Secretair im Finanzministerium durch. So, neu gehoben und gekräftigt durch höhern Rang und Gehalt, schrieb unser Dichter sein erstes Trauerspiel „Wyatt“, er bezeichnet es jetzt selbst als „eine kleine Missgeburt;“ im Jahre 1819 nach Hanau versetzt, schrieb er das Drama „Otto’s Brautfahrt“, von Müllner günstig rezensirt, auch in Frankfurt zur Aufführung angenommen, doch durch den Tod des dortigen Direktors Ihle vernachlässigt; dann entstand ein tragischer Torso: „Der Bischof-Ritter“ und dies und jenes Gelegenheitsstückchen für das Wintertheater in Hanau.

Inzwischen hatte das Treiben der Jesuiten und Ultramontanen auch den besseren Theil der katholischen Geistlichkeit des Landes aufgeregt; wie viel mehr erst unsern wackern König. So schrieb er denn in dem vom Pfarrer Friedrich zu Frankfurt gegründeten Journal „der Protestant“ viele gegen jenes Treiben gerichtete Artikel und gab dieselben im Jahre 1829 bei Sauerländer in Frankfurt, unter dem Titel: „Rosenkranz eines Katholiken“ heraus. Das Domkapitel in Fulda verlangte Widerruf, und als Antwort darauf veröffentlichte König das Werk: „Christbaum des Lebens“, worin er die Nothwendigkeit der Reformation darlegte und mit dem Katholicismus brach. Bald darauf, 1830, wurde er excommunicirt; unter dem Schutze seiner Regierung zwar nicht öffentlich von der Kanzel herab, aber doch geheim und durch Decret. König blieb nun ohne Kirche, in religiöser Selbstständigkeit; auch der Uebertritt des früheren Chefs und Freundes, Graf Bentzel-Sternau, zum Protestantismus, konnte ihn nicht zu demselben Act bewegen; er bemühte sich als freier Einzelner, durch sittliche und geistige Reinheit seinen Baustein zum .großen Bau des Christenthums darzubringen.

Kaum hatte er ruhig diese kirchlichen Kämpfe abgeschlossen, als ihn das Vertrauen seiner Mitbürger in staatliche Kämpfe warf, indem er als Landtagsdeputirter nach Kassel gesendet wurde. Mit derselben Offenheit und Freisinnigkeit, bei aller Ruhe und Festigkeit, womit er dort gekämpft, kämpfte er nun auch hier, und vergeblich wendete das Ministerium Hassenpflug zweimalige Auflösung des Landtags und Einschüchterungssystem gegen die Beamten an. Es erschien König’s Schrift: „Leibrecht und Verfassungsrecht, oder über die Bürgergarden“ und er resignirte auf Beförderung im Staatsdienst. Niemand aber war, der nicht seinem Charakter und seiner Gesinnung volle Gerechtigkeit widerfahren ließ; Niemand, der ihm Nebenabsichten, Nebeninteressen und Rückhalte vorwerfen konnte und wollte.

Und in Mitten an dieser Kämpfe, schon in die Vierziger eingetreten, sollte seine eigentliche Hauptkraft zum Durchbruch kommen, sollte er seine große Lebens- und Dichter-Aufgabe beginnen: er schrieb seinen ersten Roman. „Die hohe Braut“. Das Buch zündete sofort; Laube, damals Redakteur der „Zeitung für die elegante Welt,“ war der Erste, der es mit Posaunenton der Literatur verkündete; damals fand die Kritik noch Ansehen und Glauben - das Buch wurde als „Ereigniß“ bezeichnet und aufgenommen, und Heinrich König war auf einmal ein berühmter Schriftsteller; Buchhändler, Redakteure, Almanachsherausgeber, junge Dichter und Kritiker drängten sich um ihn. Er aber blieb der ruhige, stille, anspruchslose Mann; immer ernster, immer tiefer, mit immer größerer Pietät seiner hohen Aufgabe nachstrebend, und so denn auch immer bedeutender schaffend, was wir im Eingang dieser Skizze als seine Werke nannten.

Was daran schon gleich zu Anfang überraschte, war die männlich-feste Abgeschlossenheit, die klare, objektive Ruhe, die hohe ethische Würde, wie man das Alles bei einem ersten Werke solcher Art unendlich selten findet; hier nun zeigte sich, was wir oben andeuteten, wie die bedeutsame Charakter-Entwickelung des Mannes dem Dichter glücklich vorgearbeitet, ihm zu seinen Schöpfungen sicheren Grund und Boden vorbereitet hatte. Und jene seltenen Dichtergaben wurden nun stets klarer, freier und schöner, und die Anfangs damit verbunden gewesene Herbheit und Sprödigkeit wurde versöhnende, rein menschliche Harmonie. Darin erinnert König bedeutsam an Zschokke, nur daß König größeren historischen Geist besitzt; in der Liebenswürdigkeit und Einfachheit seines Erzählens steht er Hauff am Nächsten, nur daß er diesen an Tiefe und Gehalt übertrifft; Spindler’s Erfindungskraft, Leidenschaft und frappante Charakteristik erscheint bei König solider und künstlerisch sittlicher, und nur W. Alexis könnte ihn in gesunder, unmittelbarer Naturkraft übertreffen, wenn derselbe nicht nach der andern Seite hin so tief in specifisch altpreußischem Geiste steckte, so herb und spröde geblieben wäre, daß ihm eine, wenn auch immer fast großartige, so doch das reine Kunstwerk störende Einseitigkeit zugesprochen werden muß.

So steht König unter den Romandichtern der durch ihre Hauptrepräsentanten angedeuteten Periode und Richtung als der vortrefflichste da. Die Romandichter der specifisch modernen Gegenwart (auch Immermann noch mit inbegriffen) gehen eben in dieser Richtung zu weit ab von König’s historischem Schaffen, um ihn auch noch mit diesen parallelisiren zu können.

Und eben dieser weite, klar und fest fixirte Hintergrund und Boden des historischen Schaffens bei König ist es, der dasselbe stets so resolut, concis und gesund, und, unbeschadet des absichtslosen Kunstwerks, so fruchtbar, nützlich anwendbar erscheinen lässt; denn König ist nicht nur historischer Romandichter in dem Sinne [422] wie Walter Scott, der mehr Sittengemälde gab, als er zeitbewegende Gegenstände wählte; er faßt Beides zusammen, er wählt seine Stoffe meist aus großen Uebergängen in der Entwicklung eines Landes, eines Volkes, die dann wieder ein helles Schlaglicht auf die eigenen Zeit werfen; dabei malt er mit feinstem Pinsel das ganze Wesen, die tiefste Charakteristik jener Zeit nach und mit dem göttlichen Instinkte der ächt naiven Dichterkraft, weiß er auch überall das Stete im Menschen, das Reinmenschliche, was an keine Zeit gebunden ist, wundersam hervortreten zu lassen. – Am Bedeutendsten treten gerade diese angedeuteten Vorzüge in seinem Roman: „Die Clubisten in Mainz“ hervor, und finden wir sie auch mehr oder weniger wieder in seinem neuesten Roman: „König Jerôme’s Karneval.

Einer anderen Aufgabe bleibe es überlassen, die Werke König’s einzeln zu besprechen und in all ihren Vorzügen zu verfolgen; uns kann es hier nur um allgemeine Umrisse, um das Totalbild des Dichters zu thun sein. – Schließen wir dasselbe ab, indem wir sein äußeres Leben noch von da an verfolgen, wo wir vorhin es verließen, wo er auf einmal der berühmte Schriftsteller geworden war. In dieses Glück trat auch das Glück, daß die 25jährigen Leiden seiner Frau durch den Tod beendet wurden. Es war zu Anfang 1835, die Unglückliche starb unter erschütternden Umständen, und eine Section erwies Verbildung der inneren Hirnschale, die stets mehr auf das Gehirn gedrückt hatte. Trauernd, doch glücklich, frei von banger Sorge und Qualen, gehoben von Ruhm, ging nun das Schaffen frisch weiter: „Die Waldenser“ und Shakepeare’s „Dichten und Trachten“ wurden vorbereitet, geschrieben, in die Welt gesendet; aber bei den vielen amtlichen Pflichten mit solcher körperlichen Anstrengung, daß der Grund zu späteren ernsten chronischen Leiden gelegt wurde. Sehnsucht nach Liebe, Mittheilung, nach häuslicher Freude und kaum genossenem Eheglück, führten nun den Dichter zum zweiten Male in die Ehe und zwar in eine innig glückliche, wohlthuend ausfüllende und anregsame, mit einer gebildeten Frau aus dem Kreise des höhern Fabrikstandes; bald darauf heirathete auch seine Tochter einen braven, gebildeten Schulmann.

Langdauernde Bekanntschaft mit einem geistvollen Russen gaben Veranlassung zu dem vortrefflichen Werke: „Literarische Bilder aus Rußland.“ Im Jahre 1839 wählte ihn Hanau noch ein Mal zum Landtag. Der Mißliebige wurde dafür 1840 nach Fulda versetzt, als Obergerichts-Secretair; dem Klerus zum Verdruß, den katholischen Bürgern zur Scheu, doch herzlich aufgenommen in einem gebildeten protestantischen Kreise, zu dem Anfangs auch Dingelstedt gehörte. Ein Jahr darauf verloren die Aeltern ihren prächtigen, vierjährigen Knaben. Nun erschienen „Regina“ und „Veronika“; zwei Jahre im Seebad brachten das Buch: „Eine Fahrt nach Ostende.“ Die Jahre 1846 und 1847 schufen „die Clubisten in Mainz.“ Anhaltende Leiden hatten den Allzufleißigen schon auf eigene Kosten einen Mitarbeiter in seinen Amtspflichten anstellen lassen; jetzt, im Sommer 1847, bat er um Entlassung aus dem Staatsdienst; er erhielt sie mit Pension.

Der welthistorische März 1848 zog den Dichter zurück nach Hanau, um im Kreise alter Freunde und theurer Verwandten der Frau, die Entwicklung der Ereignisse zu verleben. Er hinterließ in seiner Vaterstadt die Liebe eines gebildeten Kreises, eine auch den Kircheneifrigen abgenöthigte Achtung, die Zufriedenheit der katholischen Geistlichkeit mit seinem Rückzug und ein kleines Grab mit Immergrün. Der Bauernstand des Kreises Hanau wählte den würdigen Kämpfer früherer Zeit auf’s Neue; er ging im April zu dem vom Märzministerium berufenen Landtag nach Kassel. Kämpfe, Stürme, Arbeit aller Art vollauf! Dabei Unachtsamkeit auf sich selbst – so steigerte sich sein krampfiges Asthma auf’s Höchste, doch hielt er tapfer aus bis zum November, wo er dann bedenklich krank nach Hanau zurückkehrte. Ruhe und Pflege machten ihn aber bald genesen; er besorgte die neue Ausgabe von „Shakespeare“ und „Regina“; er schrieb „Haus und Welt“ und machte Studien und Anhänge zu dem jetzt erschienenen „König Jerôme’s Karneval.“ –

Liebevolle Heiterkeit im Haus, einfacher Verkehr, gemessene Diät, Besuche von Wildbad und Gastein, kleine Ausflüge in schöne Natur, haben des Dichters körperliches Befinden leidlich und beruhigend hergestellt; Muth und Heiterkeit des Geistes beleben und tragen ihn fortwährend, und so dürfen wir denn freudig hoffen, noch anderes Schönes und Bedeutsames von ihm zu empfangen.

Das ist das Leben des armen Knaben aus dem Volke, das Bild eines deutschen Dichters, eines der schönsten und edelsten Geister unserer Nation.