Textdaten
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Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Ein- und dreijährig
Untertitel:
aus: In Reih und Glied
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1890
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Verlag von J. H. W. Dietz
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons,
S. 67–69
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in Der Wahre Jacob, Nr. 101, 1890
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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[67]
Ein- und dreijährig.

(1890.)

Daß in zwei Jahren der Soldat
Das lernt, was ihm zu lernen nöthig,
Ist selbst der Generale Rath
Uns einzuräumen halb erbötig,

5
[68]
Sie fühlen wohl der Wahrheit Wucht,

Doch sagen sie mit strenger Miene:
„Es fordern Disziplin und Zucht,
Daß jeder Bengel drei Jahr’ diene.“

Zwei Jahre also braucht der Mann,

10
Um den Paradeschritt zu storchen;

Im dritten Jahr erlernt er dann
Die Zucht, die Ordnung, das Gehorchen,
Die aber sind des Pudels Kern,
Denn, wie Caprivi[1] sie uns schildert,

15
Sind diese zwanzigjähr’gen Herrn

Auf schauerliche Art verwildert.

Schon in der Schule, aufgehetzt
von schändlich list’gen Demokraten,
Ist man mit zwanzig Jahren jetzt

20
Ein ausgemachter Teufelsbraten.

Um das Gefühl für Zucht und Pflicht
Per Korporal an ihm zu wecken,
Muß man den zügellosen Wicht
Drei Jahre in die Jacke stecken.

25
So hat der Kanzler uns geklagt

Mit ernsten, sorgenvollen Mienen,
Doch hat kein Wörtchen er gesagt
Von denen, die ein Jahr nur dienen.
Wann ernten sie die edle Frucht?

30
Sobald ihr Haupthaar kurz geschoren?

Wie, wären Disziplin und Zucht
Bei ihnen etwa angeboren?

[69]
Soll sich des Ungehorsams Sucht

In dieser Jugend niemals rühren

35
Und sitzen Disziplin und Zucht

In bunten Achselklappen-Schnüren?
Hier hat das Wort die Polizei!
Wenn sie nur will, wird sie gestehen,
Mit dieser deutschen Jugend sei

40
Besonders schwierig umzugehen.


Hier freilich heißt es stets: „Was thut’s?
Es gährt der Most sich klar zur Tugend.
Das Vorrecht „heitren Uebermuths“
Gewähren wir der goldnen Jugend.“

45
Dort ist es „Geist der Rebellion,“

Wofür man drei Jahr’ Stechschritt wandelt;
Hier, bei dem feinen „höhern Sohn,“
Wird es als „witz’ger Ulk“ behandelt.

Und da man nicht vergleichen darf,

50
Was ewig ungleich ist auf Erden,

Muß der Plebejer[2] schneidig-scharf
Drei Jahre lang erzogen werden;
Doch wer die Schnüre sich ersaß,
Der braucht nicht Fuchtel noch Kandare,

55
Der lernt – und noch dazu mit Spaß –

Den ganzen Kram in einem Jahre.


Anmerkungen (Wikisource)

Ebenfalls abgedruckt in:

  • Der Wahre Jacob. Nr. 101 (1890), S. 801.
  • Lavant, Rudolf (d. i. Richard Cramer): Gedichte. Hrsg. v. Hans Uhlig. Berlin, Akademie Verlag 1965 (Seite 47).

Ein- und dreijährig: Die übliche Militärdienstzeit im deutschen Kaiserreich betrug drei Jahre. Für Wehrpflichtige aus dem besitzenden Bürgertum, die eine höhere Schulbildung genossen hatten, galt die Einrichtung der Einjährig-Freiwilligen, geregelt nach § II des Gesetzes betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienst vom 9. November 1867, das nach 1871 für das gesamte Deutsche Reich Geltung erhielt: „Junge Leute von Bildung, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, ausrüsten und verpflegen, und welche die gewonnenen Kenntnisse in dem vorschriftsmäßigen Umfange dargelegt haben, werden schon nach einjähriger Dienstzeit im stehenden Heere (vom Tage des Diensteintritts an gerechnet) zur Reserve beurlaubt. Sie können nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten und Leistungen zu Offiziersstellen der Reserve und der Landwehr vorgeschlagen werden.“