Dresden auf mittelalterlichen Erd- und Länderkarten bis zum Jahre 1500

Die frühesten Dresdner Straßenanlagen Dresden auf mittelalterlichen Erd- und Länderkarten bis zum Jahre 1500 (1906) von Viktor Hantzsch
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908)
Die älteste Ansicht der Stadt Dresden
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Dresden auf mittelalterlichen Erd- und Länderkarten bis zum Jahre 1500.
Von Dr. Viktor Hantzsch.


Auf den Karten des Mittelalters, die sich bis zur Gegenwart erhalten haben, tritt das Gebiet des heutigen Königreichs Sachsen in seinen Grundzügen erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einigermaßen deutlich hervor.

Die erste Karte, auf der das Meißnerland hinlänglich erkennbar wiedergegeben ist, die sogenannte Herefordkarte[1], wurde zwischen 1276 und 1283 durch den englischen Kleriker Richard von Haldingham auf Pergament gezeichnet. Sie enthält in geschickter und sorgfältiger, mit Gold und Farben reich verzierter Ausführung ein kreisförmiges Erdbild, das einschließlich des Randes 1,34 m breit und 1,65 m hoch ist, also einen Flächenraum von 2,21 qm bedeckt. Sie befindet sich noch jetzt unter Glas in ziemlich wohlerhaltenem Zustande in der Kathedrale der alten Bischofsstadt Hereford in der gleichnamigen Grafschaft an der Grenze von Wales. Sie beruht im wesentlichen auf antiken Quellen und bietet nur wenige eigene Zutaten des Verfassers. Durch Mitteldeutschland fließt in nordwestlicher Richtung die Elbe, bezeichnet als Albana fl. In sie mündet von links her die Sala. Weiter westlich liest man die Landschaftsnamen boemia und Turingia. Zwischen Elbe und Saale sieht man mehrere geradlinige blaue Streifen, deren Bedeutung nicht klar ist. Vermutlich sollen sie den Limes Karls des Großen oder die spätere Slawengrenze vorstellen.

Etwa aus derselben Zeit wie die Herefordkarte stammt auch das größte mittelalterliche Weltbild, das sich in Deutschland erhalten hat, nämlich die ebenfalls nahezu kreisförmige Ebstorfkarte[2]. Sie wurde früher in dem Benediktinerinnenkloster Ebstorf in der Lüneburger Heide aufbewahrt. Gegenwärtig befindet sie sich im Museum des Historischen Vereins für Niedersachsen in Hannover. Der Erhaltungszustand läßt zu wünschen übrig, namentlich sind viele Legenden allmählich unleserlich geworden und einzelne Stücke herausgefallen. Sie besteht aus 30 Pergamentblättern, die aneinander gelegt eine Breite von 3,56 und eine Höhe von 3,58 m erreichen. Sie bedeckt also einen Flächenraum von 12,74 qm. Der Zeichner ist unbekannt, doch war er, wie aus seiner guten Kenntnis Deutschlands geschlossen werden kann, sicher ein Deutscher, vermutlich aus der Gegend von Braunschweig oder Lüneburg. Er hat mit großer Sorgfalt an seinem Riesengemälde gearbeitet, wie aus der schönen und klaren Schrift, sowie aus den allerdings sehr verblaßten Spuren der ehemaligen Farbenpracht noch heute zu erkennen ist. Auf der Karte sieht man nördlich von der mittleren Donau die Boemia regio, darin Praga c(ivitas) am Flusse Wlta (Moldau). Die böhmischen Grenzgebirge zeigen noch nicht die später allgemein übliche Kranzform, sondern sie bilden einen geradlinigen Streifen. Der Elblauf ist ziemlich zerstört, doch erkennt man noch den Namen albia fl. In die Elbe münden von links Mulda fl. und Sala fl., Von rechts zwei unbenannte, sich zuletzt vereinigende Nebenflüsse, offenbar die Havel mit der Spree. An der [86] Elbe selbst liegt Misna c(ivitas), die Stadt Meißen, sowie unweit des rechten Ufers, nahe der Spree Budisin ci(vitas et) regio. Dresden ist noch nicht erwähnt.

Seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts tauchen auch in Italien Karten auf, die das Meißnerland wenigstens in einigen Hauptzügen darzustellen bemüht sind. Die älteste rührt von einem Priester in Genua, namens Giovanni da Carignano her[3], der seit 1306 urkundlich erwähnt wird. Sie ist viereckig, 0,92 m breit und 0,62 m hoch, auf Pergament gezeichnet, aber ziemlich stark beschädigt und befindet sich gegenwärtig im Staatsarchiv zu Florenz. Die Autorlegende lautet: Johannes presbyter rector sancti Marci de portu Janue me fecit. Böhmen (Boemia) erscheint hier zum ersten Male wie auf fast allen späteren Karten von einem Gebirgskranze umgeben, der nur an jener Seite durchbrochen ist, wo die Elbe (Albis fl.) austritt. Der Oberlauf der Elbe wird noch mit der Moldau identifiziert und bildet darum einen nach Westen statt nach Osten geöffneten Bogen, an dem Praga liegt. Unweit davon steht der Landschaftsname Misena. Als Nebenfluß der Elbe erblickt man die Mulda. Sächsische Orte fehlen völlig.

Ebenso arm an Einzelheiten ist für unsere Gegenden auch die um 1320 entstandene, in mehreren Kopien überlieferte, etwa 0,324 m im Durchmesser haltende Weltkarte des Genuesen Petrus Vesconte[4], die der venezianische Patrizier Marino Sanudo seinem einst berühmten Werke Liber secretorum fidelium crucis super Terrae sanctae recuperatione et conservatione beigab, das er an die geistlichen und weltlichen Häupter der Christenheit übersandte, um sie, wenn auch vergeblich, zu einem Kreuzzuge anzuregen. Die Karte zeigt in Mitteldeutschland nur die Landschaftsbezeichnung misena (in einigen Exemplaren miscina), umgeben von den Namen boemia, toringia und marchia.

Die älteste Karte, auf der Dresden erwähnt wird, stammt aus dem Jahre 1339 und ist merkwürdigerweise weder deutschen noch italienischen, sondern catalanischen Ursprungs. Das kleine, aber tüchtige und unternehmende Handelsvolk der Catalanen an der Ostküste Spaniens und auf den Balearen scheint während des Mittelalters nicht nur Beziehungen zu den flandrischen Häfen und den Hansestädten, sondern auch zu den großen oberdeutschen Handelsplätzen und deren mitteldeutschem Hinterlande unterhalten zu haben. Durch diese Handelsverbindungen gewannen sie offenbar genauere Kenntnisse über die geographischen Verhältnisse der einzelnen deutschen Landschaften. Die Karte ist viereckig, 1,04 m breit und 0,75 m hoch, auf Pergament gezeichnet und mit Inschriften in lateinischer Sprache bedeckt. Sie umfaßt Europa, Nordafrika und das westliche Asien bis zum Kaspischen Meere. Gegenwärtig wird sie in Paris aufbewahrt. Der Verfasser nennt seinen Namen und das Jahr der Herstellung in einer ziemlich unleserlich gewordenen Legende: Hoc opus fecit angelino Dulceti ano MCCCXXXVIIII de mense augusti in ciuitate maioricarum. Er lebte also auf der zur Gruppe der Balearen gehörigen Insel Majorca. Da der Name des Autors sehr verwischt und im Laufe der Jahrhunderte nachgedunkelt ist, hat man ihn auch Dulceri, Dulcert, Dulceto und Dalorto[5] gelesen. Die Darstellung Mitteldeutschlands beruht auf guten Quellen. Aus dem von einem charakteristischen Gebirgskranze umgebenen Lande Boemia strömt in Schlangenlinien der flu. albia. An ihm liegen im Gebiete des Meißnerlandes drei Städte: perne, dresden, und vuice. Der letztere Name ist dunkel, vielleicht soll er Wurzen bedeuten. Am rechten Elbufer unweit Dresden liest man die Landschaftsbezeichnung saxonia.

Die früheste bisher näher beschriebene und reproduzierte italienische Karte, auf der man Dresden angegeben findet, ist ein rechteckiges, auf Pergament gezeichnetes Weltbild des Venezianers Francesco Pizigano[6] aus dem Jahre 1367. Die Breite beträgt 1,34 m, die Höhe 0,90 m. Die Autorlegende lautet in barbarischem Latein: M. CCC. LX. VII. hoc opus compoxuid Franciscus Pizigano veneciar et domnus pizigano In Venexia meffecit marcus die XII, decembris. Das Original befindet sich in der Nationalbibliothek zu Parma. Auch hier fällt bei der Betrachtung Mitteldeutschlands boemia, umgeben von dem üblichen Gebirgswalle, sofort ins Auge. Durch eine Lücke strömt der flu. abia (!) nach Norden, an dessen [87] rechtem Ufer der Landschaftsname sclauia steht, während man am linken die drei Städte penic (Pirna), drefsdz und misera (Meißen) erkennen kann. Es ist wahr scheinlich, daß die grobe Verstümmelung der Namen nicht dem Zeichner, sondern dem Lithographen zur Last fällt, da fast alle Blätter von Jomards großem, aber mit ungenügenden technischen Hilfsmitteln durchgeführtem Reproduktionswerke, das eine Nachbildung der Karte enthält, sehr zahlreiche Stichfehler aufweisen.

Die letzte Karte des 14. Jahrhunderts, welche Dresden verzeichnet, ist wiederum catalanischen Ursprungs. Sie ist seit langer Zeit unter dem Namen des Catalanischen Atlas bekannt und berühmt. Da sie zu den besten und reichhaltigsten mittelalterlichen Kartenwerken gehört, wurde sie wiederholt eingehend beschrieben und mehrfach reproduziert[7]. Sie stammt aus dem Jahre 1375 und wird zu den wertvollsten Schätzen der Pariser Nationalbibliothek gezählt. Der Autor nennt sich nicht, doch glauben ihn einige Sachverständige mit dem jüdischen Gelehrten Jafuda Cresques aus Majorca identifizieren zu können, der ein Mann von umfassendem allgemeinem Wissen und namentlich ein gründlicher Kenner der zeitgenössischen und älteren geographischen Literatur gewesen sein muß.

Sie ist sehr sorgfältig ausgeführt und prachtvoll ausgestattet, da sie als Geschenk des Königs Johann I. von Aragon an Karl V. von Frankreich gelangte. Sie besteht aus sechs auf dünne Holztafeln geklebten Pergamentblättern von 0,49 m Breite und 0,62 m Höhe, von denen zwei allerlei kosmographische Tabellen, die übrigen vier dagegen die eigentliche Weltkarte mit zahlreichen kunstvoll ausgeführten Miniaturen und Legenden enthalten. Der Titel lautet in catalanischer Mundart: Mapa mondi vol dir aytant con ymage del mon e de los diversas etats del mon e de los regions qui son sus la terra, de diversas maneras de gens qui en ela habitan. Die Darstellung des Meißnerlandes ist leider ziemlich dürftig. Aus dem in herkömmlicher Weise von Bergen rings umgebenen Böhmen fließt in konventionellen Schlangenwindungen die namenlose Elbe, an der die beiden ummauerten Städte dresden und misen liegen.

Eine andere, etwas jüngere, 1413 vollendete Karte catalanischen Ursprungs von Mecia de Viladestess[8]. befindet sich gleichfalls auf der Pariser Nationalbibliothek. Sie besteht aus einem rechteckigen Pergamentblatte von 1,21 m Breite und 0,87 m Höhe. Eine der zahlreichen Inschriften lautet: Mecia de viladestes me fecit in ano MCCCCXIII. Im Gebiete des heutigen Königreichs Sachsen finden sich keine wesentlichen Neuerungen. Die Elbe strömt in einem weiten Bogen aus Böhmen, führt aber keinen Namen. An ihr liegt drosden als große Stadt mit zwei Türmen, weiter abwärts moise (Meißen) als kleines Kastell.

Man könnte nun vermuten, daß gegenüber den dürftigen Angaben der italienischen und catalanischen Weltbilder die Karten deutschen Ursprungs ein reicheres topographisches Material für unsere Gegenden bieten würden. Wenn man unter diesem Gesichtspunkte die einzige aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts überlieferte große deutsche Weltkarte betrachtet, so wird man allerdings stark enttäuscht. Sie stammt aus dem Jahre 1448 und ist in Kreisform auf Pergament gezeichnet. Gegenwärtig wird sie in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt. Als Verfasser nennt sich Andreas Walsperger[9], ein Benediktiner aus Salzburg, der das Werk in Konstanz am Bodensee vollendete. Für Süd- und Westdeutschland verfügt er über selbständige Kenntnisse und hat auch versucht, dieselben auf seiner Karte zu verwerten, doch sind ihm dabei mancherlei Irrtümer und Mißverständnisse namentlich hinsichtlich der Lage der Städte untergelaufen. In Mitteldeutschland nennt er nur peham, das er ausnahmsweise ohne die übliche Gebirgsumrandung zeichnet, sowie die Elbe, die er aber nicht in Böhmen, sondern weiter westlich, etwa in Franken, entspringen läßt und an libcz (Leipzig) vorüberführt. Sonst erwähnt er keine sächsischen Ortschaften.

Etwa derselben Zeit wie die Karte Walspergers gehört ein kreisförmiges Erdbild an, das unter dem Namen der Borgiakarte[10] bekannt ist. Es besteht aus einer gravierten, mit farbigem Schmelz verzierten Metallplatte von etwa 2/3 m Durchmesser und befindet sich im Museum des Kardinals Stephan Borgia, das im Kolleg [88] der Propaganda zu Rom aufbewahrt wird. Über den Urheber des Kunstwerkes schweigen alle Quellen. In Mitteldeutschland bemerkt man Böhmen, das von einem halbkreisförmigen Gebirgskranze umgeben ist. Dabei liest man die Inschrift: hic trāsit silua boemica que se extendit ad paganos. Die Bewohner Böhmens werden also offenbar um des Hussitismus willen zu den Heiden gerechnet. Um linken Ufer der Elbe, die unter dem Namen albia fl. aus Böhmen heraustritt, liegen die Städte dresdem (!) und guise (wohl Meißen, möglicherweise aber identisch mit dem vuice der Dulcetikarte), unweit des rechten steht die Landschaftsbezeichnung sacsonia.

Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen die ältesten gedruckten Erd- und Länderkarten, doch wird Dresden nur auf zwei von ihnen erwähnt. Auf einem kreisförmigen, in Holz geschnittenen Weltbilde von 0,382 m Durchmesser, das sich in dem seltenen, 1475 zu Lübeck erschienenen theologischen Werke Rudimentum novitiorum findet[11], erblickt man lediglich den Landschaftsnamen misena, aber an falscher Stelle, nämlich südöstlich von bohēia und eingeschlossen zwischen venetia und alsacia. Auch in den Karten der lateininischen Ptolemäusausgaben[12] von 1478, 1482, 1486 und 1490, sowie der italienischen Bearbeitung des Ptolemäus von Francesco Berlinghieri aus dem Jahre 1478 findet sich Dresden nirgends angedeutet. Ebenso fehlt es merkwürdigerweise auf der berühmten ältesten Kupferstichkarte Deutschlands, die auf einen Entwurf des 1464 verstorbenen Kardinals Nicolaus von Cusa zurück geht[13]. Über die Entstehung dieser trapezförmigen Karte, von der bisher vier Exemplare in der Großherzoglichen Bibliothek zu Weimar, dem Germanischen Museum in Nürnberg, der Armeebibliothek in München und dem Britischen Museum in London ermittelt wurden, hat sich bisher noch nichts Sicheres feststellen lassen. Statt des Titels zeigt sie eine Reihe von 12 lateinischen Hexametern, in denen der Kardinal als Verfasser genannt wird. Darunter steht: Eystat anno salutis 1491. XII. Kalend. Augusti perfectum. Der Stich scheint also lange nach dem Tode Cusas 1491 in Eichstädt vollendet worden zu sein. Später kaufte, wie aus einer Inschrift des Münchener Exemplars vermutet werden kann, der bekannte Humanist Konrad Peutinger in Augsburg die Platte und überließ sie seinem Freunde und Mitbürger Hans Burgkmair zum Abdruck. Die Ausgabe dürfte um 1530 erfolgt sein, denn in diesem Jahre veröffentlichte der berühmte Kosmograph Sebastian Münster in Basel eine Erläuterungsschrift zu der Karte unter dem Titel Germaniae atque aliarum regionum descriptio. Da der Kardinal fast alle Teile Deutschlands aus eigener Anschauung kannte, bedeutet seine Karte einen wesentlichen Fortschritt gegenüber allen früheren Versuchen ähnlicher Art. Leider aber wimmelt sie von überaus zahlreichen Stichfehlern. Das Meißnerland ist auf den bisher erschienenen Reproduktionen sehr undeutlich ausgefallen. Man erkennt Bohemia, das von dem konventionellen Gebirgskranze mit der Inschrift Silva et montes Bohemiae umgeben ist. An dem aus Böhmen hervorströmenden Flusse Albis sieht man eine Stadt mit Namen Sieysen, vermutlich ein Stichfehler für Meysen. Von anderen sächsischen Orten erkennt man Friborch, Lyptz, die Sex civitates und Citavia (Zittau).

Viele innere Verwandtschaft mit der Cusakarte zeigt trot mannigfacher Abweichungen die erste bald nachher erschienene, allerdings noch ziemlich rohe Holzschnittkarte von Deutschland. Sie ist 0,595 m breit und 0,387 m hoch und findet sich in der lateinischen und deutschen Originalausgabe von Hartmann Schedels Liber cronicarum[14], die beide 1493 bei Anton Koberger in Nürnberg gedruckt wurden, desgleichen auch etwas verkleinert in dem Augsburger Nachdruck dieses Werkes von 1496. In unsern Gegenden zeigt diese Karte die Landschaftsnamen Mixia und Lvsacia, die Elbe mit einigen nicht näher bezeichneten Nebenflüssen und die beiden Städte Tresen und Leipzig.

Kurz vor dem Ende des 15. Jahrhunderts erscheint der Name unserer Stadt noch einmal auf einer handschriftlichen Pergamentkarte italienischen Ursprungs, welche die Mittelmeerländer und Nordeuropa darstellt. Sie befindet sich in der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel und rührt von Conte Freducci[15] aus Ancona her. Der Autor nennt seinen Namen und die Zeit der Abfassung in einer Legende: Contes hectomanni Fredutijs de ancona composuit M cccc L xxxx vij. Er kennt die von Bergen umgebene Landschaft boemia, aus der die Elbe nach Westen zu abfließt. An ihr liegt eine große Stadt, zu deren beiden Seiten die [89] Namen praga und drechsden stehen. Weiter stromabwärts erkennt man noch das viel kleinere missem (Meißen).

Die letzte Karte des Mittelalters, auf der sich Dresden verzeichnet findet, ist ein Holzschnitt von 0,279 m Breite und 0,381 m Höhe, offenbar Nürnberger Arbeit aus der Zeit unmittelbar vor 1500. Der Titel lautet: „Das ist der Rom-Weg von meylen zu meylen mit puncten verzeychnet von eyner stat zu der andern durch deutzsche lantt“[16]. Das seltene Blatt gehört zu jener großen, bisher noch wenig untersuchten Gruppe von Straßenkarten, die damals von Rompilgern, reisenden Kaufleuten und wandernden Handwerksgesellen vielfach benutzt wurden. Eins der wenigen erhaltenen Exemplare gehört zu den wertvollsten Schätzen der Landkartensammlung in unserer Königl. öffentlichen Bibliothek. Als Verfasser der Karte gilt der Nürnberger Kompaßmacher Erhard Ezlaub. Sie ist mit einem Netz von Straßen bedeckt, die schließlich sämtlich nach Rom als dem damaligen Mittelpunkt der christlichen Welt führen. Sachsen ist schon ziemlich richtig und mit einer guten Auswahl von Ortschaften dargestellt. Aus dem herzförmig gestalteten, rings von einem grünen Walde umgebenen Böhmen fließt die Elbe, die hier zum ersten Male unter ihrem modernen Namen erscheint. An ihr liegen die Städte pirna, dresen und meyxen. Im westlichen Sachsen sieht man lyps, zwickau und kemniz, im östlichen Teile des Landes Sitta und pauczen. Zwischen diesen beiden Orten ist die Spre hindurchgeführt, die aber nicht in die Elbe, sondern bei Stralsund in die Ostsee mündet.

Seit dem Beginne des 16. Jahrhunderts wächst die Zahl derjenigen Karten sehr beträchtlich an, auf denen Dresden und die umliegende Gegend mit zunehmender Richtigkeit und Deutlichkeit dargestellt wird. Die zahlreichen Ptolemäusausgaben bringen eine immer größere Menge von Spezialkarten einzelner deutscher Landschaften. Einen Höhepunkt auf diesem Gebiete erreicht die große Kosmographie Sebastian Münsters, die seit 1544 mehr als 30 Auflagen erlebte. 1547 erscheint in Brüssel die schöne zwölfblättrige, in Kupfer gestochene „Germania“ des Christoph Pyramius, die Hauptquelle vieler Territorialkarten, von der sich leider nur ein einziges ziemlich beschädigtes Exemplar in der ehemaligen Universitätsbibliothek zu Helmstädt erhalten zu haben scheint. 1550 veröffentlicht dann in enger Anlehnung an dieses Vorbild Sebastian Münster die erste gedruckte Landtafel von Meißen und Thüringen. Ihr schließen sich in rascher Folge bis gegen Ende des Jahrhunderts noch zahlreiche andere Spezialkarten unseres engeren Vaterlandes in stetig wachsender Vervollkommnung an[17].


  1. K. Miller, Mappaemundi, Die ältesten Weltkarten, Heft IV, Stuttgart 1896, mit Literaturangaben und einer farbigen lithographischen Reproduktion der Karte.
  2. E. Sommerbrodt, Die Ebstorfer Weltkarte, Hannover 1891, mit Atlas von 25 Tafeln in Lichtdruck. – Miller a. a. O. Heft V, 1896, mit Literaturnachweis und einer farbigen lithographischen Nachbildung.
  3. Studi biografici e bibliografici sulla storia della geografia in Italia II2, Roma 1882, S. 49 – 50. – Th. Fischer, Sammlung mittelalterlicher Welt- und Seekarten italienischen Ursprungs, Venedig 1886, S. 117 –126. – A. E. Nordenskiöld, Periplus, Stockholm 1897, S. 56 und Tafel V (Reproduktion der Karte in Lichtdruck).
  4. Studi S. 50 – 51. – Nordenskiöld, Facsimile - Atlas, Stockholm 1889, S. 51. – Derselbe, Periplus S. 17 and 56 – 58. – K. Kretschmer, Marino Sanudo der Ältere und die Karten des Petrus Vesconte: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin XXVI, 1891, S 352 – 370. – Miller a. a. O. Heft III, 1895, S. 133.
  5. G. Marcel im Compte rendu des séances de la Société de Géographie, Paris 1887, S. 28 ff. und im Choix de cartes et de mappemondes des XIVe et XVe siècles, Paris 1896, Nr. II (Reproduktion in Heliogravüre). – Nordenskiöld, Facsimile Atlas S. 47. – Derselbe, Periplus S. 58 und Tafel VIII – IX (Nachbildung in Lichtdruck).
  6. M. Jomard, Les monuments de la géographie, Paris o.J., Nr. X (lithographische Reproduktion). – Studi S. 57 – 58. – Nordenskiöld, Periplus S. 58.
  7. Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque du Roy, T. XIV, Paris 1841, II, S. 1 – 152, mit lithographischem Faksimile. – Choix de documents géographiques conservés à la Bibliothèque nationale, Paris 1883, Planche XIV (Reproduktion in Heliogravüre). – Nordenskiöld, Periplus, S. 58 – 59 und Tafel XI – XIV (Sichtdruckreproduktion).
  8. G Marcel, Choix de cartes, Nr. III (Reproduktion in Heliogravüre). – Nordenskiöld, Periplus S. 59 – 60.
  9. K. Kretschmer, Eine neue mittelalterliche Weltkarte der Vatikanischen Bibliothek: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin XXVI, 1891, S. 371 – 406, mit farbiger lithographischer Reproduktion.
  10. Santarem, Essai sur l’histoire de la cosmographie et de la cartographie du moyen-âge, Paris 1852, III, S. 247 bis 300, nebst lithographischer Reproduktion in desselben Verfassers Atlas composé de mappemondes et de portulans et d’autres monuments géographiques, Paris (1842 – 53). W. Ruge, Zur Geschichte der Kartographie: Zeitschrift f. wiss. Geographie VIII, 1891, S. 396ff. – H. Wagner, Die Kopien der Weltkarte des Museum Borgia: Nachrichten von der Kgl. Gesellschaft d. Wiss. zu Göttingen 1892, Nr. 10, S. 349 – 361. Miller a. a. O. Heft III, 1895, S. 148f. – Nordenskiöld, Periplus Tafel XXXIX (Faksimile in Lichtdruck).
  11. Nordenskiöld, Facsimile-Atlas S. 3 und 36.
  12. J. Winsor, A bibliography of Ptolemy’s Geography, Cambridge Mass. 1884. – (W. Eames), List of editions of Ptolemy’s Geography, New York 1886. – Nordenskiöld, Facsimile-Atlas S. 9 – 28.
  13. S. Ruge, Ein Jubiläum der deutschen Kartographie: Globus LX, 1891, S. 4 – 8, 174 (mit Reproduktion in Lichtdruck). – Derselbe, Die Anfänge der Kartographie von Deutschland: Verhandlungen des 7. Internationalen Geographen-Kongresses in Berlin 1899, S. 884 – 896. – Nordenskiöld, Periplus Tafel XXXV (Faksimile in Lichtdruck). – A. Wolkenhauer, Über die ältesten Reisekarten von Deutschland, Sonderabdruck, Bremen 1903, S. 5 ff.
  14. G. Schultheiß, Das Geographische in Hartmann Schedels Liber chronicarum: Globus LXV, 1894, S. 6 – 11, 27 – 32, mit Nachbildung der Karte. Eine andere Reproduktion bei Nordenskiöld, Facsimile-Atlas S. 9.
  15. Studi S. 94. – Nordenskiöld, Periplus S. 64 und Tafel XXII (Lichtdruckreproduktion).
  16. A. Wolkenhauer a. a. O. S. 11 ff. – Lichtdruckreproduktion bei L. Gallois, Les géographes allemands de la renaissance, Paris 1890, Planche I.
  17. V. Hantzsch, Die ältesten Karten der sächsisch thüringischen Länder (1550 – 1593), Leipzig 1905, mit 18 Tafeln in Lichtdruck (Schriften der Kgl. Sächs. Kommission für Geschichte XI).

Anmerkungen (Wikisource)