Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/93

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

der Propaganda zu Rom aufbewahrt wird. Über den Urheber des Kunstwerkes schweigen alle Quellen. In Mitteldeutschland bemerkt man Böhmen, das von einem halbkreisförmigen Gebirgskranze umgeben ist. Dabei liest man die Inschrift: hic trāsit silua boemica que se extendit ad paganos. Die Bewohner Böhmens werden also offenbar um des Hussitismus willen zu den Heiden gerechnet. Um linken Ufer der Elbe, die unter dem Namen albia fl. aus Böhmen heraustritt, liegen die Städte dresdem (!) und guise (wohl Meißen, möglicherweise aber identisch mit dem vuice der Dulcetikarte), unweit des rechten steht die Landschaftsbezeichnung sacsonia.

Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen die ältesten gedruckten Erd- und Länderkarten, doch wird Dresden nur auf zwei von ihnen erwähnt. Auf einem kreisförmigen, in Holz geschnittenen Weltbilde von 0,382 m Durchmesser, das sich in dem seltenen, 1475 zu Lübeck erschienenen theologischen Werke Rudimentum novitiorum findet[1], erblickt man lediglich den Landschaftsnamen misena, aber an falscher Stelle, nämlich südöstlich von bohēia und eingeschlossen zwischen venetia und alsacia. Auch in den Karten der lateininischen Ptolemäusausgaben[2] von 1478, 1482, 1486 und 1490, sowie der italienischen Bearbeitung des Ptolemäus von Francesco Berlinghieri aus dem Jahre 1478 findet sich Dresden nirgends angedeutet. Ebenso fehlt es merkwürdigerweise auf der berühmten ältesten Kupferstichkarte Deutschlands, die auf einen Entwurf des 1464 verstorbenen Kardinals Nicolaus von Cusa zurück geht[3]. Über die Entstehung dieser trapezförmigen Karte, von der bisher vier Exemplare in der Großherzoglichen Bibliothek zu Weimar, dem Germanischen Museum in Nürnberg, der Armeebibliothek in München und dem Britischen Museum in London ermittelt wurden, hat sich bisher noch nichts Sicheres feststellen lassen. Statt des Titels zeigt sie eine Reihe von 12 lateinischen Hexametern, in denen der Kardinal als Verfasser genannt wird. Darunter steht: Eystat anno salutis 1491. XII. Kalend. Augusti perfectum. Der Stich scheint also lange nach dem Tode Cusas 1491 in Eichstädt vollendet worden zu sein. Später kaufte, wie aus einer Inschrift des Münchener Exemplars vermutet werden kann, der bekannte Humanist Konrad Peutinger in Augsburg die Platte und überließ sie seinem Freunde und Mitbürger Hans Burgkmair zum Abdruck. Die Ausgabe dürfte um 1530 erfolgt sein, denn in diesem Jahre veröffentlichte der berühmte Kosmograph Sebastian Münster in Basel eine Erläuterungsschrift zu der Karte unter dem Titel Germaniae atque aliarum regionum descriptio. Da der Kardinal fast alle Teile Deutschlands aus eigener Anschauung kannte, bedeutet seine Karte einen wesentlichen Fortschritt gegenüber allen früheren Versuchen ähnlicher Art. Leider aber wimmelt sie von überaus zahlreichen Stichfehlern. Das Meißnerland ist auf den bisher erschienenen Reproduktionen sehr undeutlich ausgefallen. Man erkennt Bohemia, das von dem konventionellen Gebirgskranze mit der Inschrift Silva et montes Bohemiae umgeben ist. An dem aus Böhmen hervorströmenden Flusse Albis sieht man eine Stadt mit Namen Sieysen, vermutlich ein Stichfehler für Meysen. Von anderen sächsischen Orten erkennt man Friborch, Lyptz, die Sex civitates und Citavia (Zittau).

Viele innere Verwandtschaft mit der Cusakarte zeigt trot mannigfacher Abweichungen die erste bald nachher erschienene, allerdings noch ziemlich rohe Holzschnittkarte von Deutschland. Sie ist 0,595 m breit und 0,387 m hoch und findet sich in der lateinischen und deutschen Originalausgabe von Hartmann Schedels Liber cronicarum[4], die beide 1493 bei Anton Koberger in Nürnberg gedruckt wurden, desgleichen auch etwas verkleinert in dem Augsburger Nachdruck dieses Werkes von 1496. In unsern Gegenden zeigt diese Karte die Landschaftsnamen Mixia und Lvsacia, die Elbe mit einigen nicht näher bezeichneten Nebenflüssen und die beiden Städte Tresen und Leipzig.

Kurz vor dem Ende des 15. Jahrhunderts erscheint der Name unserer Stadt noch einmal auf einer handschriftlichen Pergamentkarte italienischen Ursprungs, welche die Mittelmeerländer und Nordeuropa darstellt. Sie befindet sich in der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel und rührt von Conte Freducci[5] aus Ancona her. Der Autor nennt seinen Namen und die Zeit der Abfassung in einer Legende: Contes hectomanni Fredutijs de ancona composuit M cccc L xxxx vij. Er kennt die von Bergen umgebene Landschaft boemia, aus der die Elbe nach Westen zu abfließt. An ihr liegt eine große Stadt, zu deren beiden Seiten die


  1. Nordenskiöld, Facsimile-Atlas S. 3 und 36.
  2. J. Winsor, A bibliography of Ptolemy’s Geography, Cambridge Mass. 1884. – (W. Eames), List of editions of Ptolemy’s Geography, New York 1886. – Nordenskiöld, Facsimile-Atlas S. 9 – 28.
  3. S. Ruge, Ein Jubiläum der deutschen Kartographie: Globus LX, 1891, S. 4 – 8, 174 (mit Reproduktion in Lichtdruck). – Derselbe, Die Anfänge der Kartographie von Deutschland: Verhandlungen des 7. Internationalen Geographen-Kongresses in Berlin 1899, S. 884 – 896. – Nordenskiöld, Periplus Tafel XXXV (Faksimile in Lichtdruck). – A. Wolkenhauer, Über die ältesten Reisekarten von Deutschland, Sonderabdruck, Bremen 1903, S. 5 ff.
  4. G. Schultheiß, Das Geographische in Hartmann Schedels Liber chronicarum: Globus LXV, 1894, S. 6 – 11, 27 – 32, mit Nachbildung der Karte. Eine andere Reproduktion bei Nordenskiöld, Facsimile-Atlas S. 9.
  5. Studi S. 94. – Nordenskiöld, Periplus S. 64 und Tafel XXII (Lichtdruckreproduktion).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/93&oldid=- (Version vom 8.12.2024)