Knüppelweg stieß man im September 1898 in der
Schloßstraße in etwa 21/2 Meter Tiefe. Auf einer bis zu
mehreren Metern tiefen tonigen Schlammschicht ruhte
eine Lage starke Holzknüppel, die zu beiden Seiten von
kiefernen Baumstämmen eingefaßt und von einer Aufschüttung groben Kieses bedeckt waren; die Stämme ruhten an einzelnen Stellen auf dicken eichenen Bohlen
und waren durch vereinzelt eingeschlagene Pfähle festgehalten. Dieses älteste Straßenpflaster, das ziemlich die Breite der jetzigen Fahrbahn einnahm, erstreckte sich
vom Taschenberge, wo die Einsenkung des gewachsenen
Bodens und die Schlammschicht beginnt, bis zur kleinen
Brüdergasse, wo sie aufhört und wieder in festen Kiesboden übergeht. An dem Endpunkte führte ein kleiner Entwässerungskanal quer über die Straße; er war aus
zwei Balken mit Bohlenbedeckung hergestellt und mit Kieselsteinen gepflastert.
Das Ergebnis der Ausgrabung bestätigte, daß der Taschenberg, auf dem schon vor der Gründung der Stadt die markgräfliche Burg stand, in der Tat eine kleine Anhöhe gewesen ist, die nicht bloß nach der Elbe zu, sondern auch nach der Stadtseite frei lag. Der Teich am Taschenberge ist offenbar von seiten der Burgbewohner als Ablagerungsort für Abfälle benutzt worden, denn es fanden sich im Schlamme massenhaft Hörner und Knochen von Schlachttieren und Wild. Es mögen die Überreste von dem gewesen sein, was Markgraf Otto der Reiche und Dietrich der Bedrängte mit ihren Mannen in der Burg verzehrt haben!
Einige Probestücke von dem Holzmateriale dieser ältesten Straßenbefestigung hat man im Stadtmuseum aufbewahrt. Es sind die einzigen Zeugnisse von der Tätigkeit der ersten Ansiedler in unserer Stadt.
Auf den Karten des Mittelalters, die sich bis zur Gegenwart erhalten haben, tritt das Gebiet des heutigen Königreichs Sachsen in seinen Grundzügen erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einigermaßen deutlich hervor.
Die erste Karte, auf der das Meißnerland hinlänglich erkennbar wiedergegeben ist, die sogenannte Herefordkarte[1], wurde zwischen 1276 und 1283 durch den englischen Kleriker Richard von Haldingham auf Pergament gezeichnet. Sie enthält in geschickter und sorgfältiger, mit Gold und Farben reich verzierter Ausführung ein kreisförmiges Erdbild, das einschließlich des Randes 1,34 m breit und 1,65 m hoch ist, also einen Flächenraum von 2,21 qm bedeckt. Sie befindet sich noch jetzt unter Glas in ziemlich wohlerhaltenem Zustande in der Kathedrale der alten Bischofsstadt Hereford in der gleichnamigen Grafschaft an der Grenze von Wales. Sie beruht im wesentlichen auf antiken Quellen und bietet nur wenige eigene Zutaten des Verfassers. Durch Mitteldeutschland fließt in nordwestlicher Richtung die Elbe, bezeichnet als Albana fl. In sie mündet von links her die Sala. Weiter westlich liest man die Landschaftsnamen boemia und Turingia. Zwischen Elbe und Saale sieht man mehrere geradlinige blaue Streifen, deren Bedeutung nicht klar ist. Vermutlich sollen sie den Limes Karls des Großen oder die spätere Slawengrenze vorstellen.
Etwa aus derselben Zeit wie die Herefordkarte stammt auch das größte mittelalterliche Weltbild, das sich in Deutschland erhalten hat, nämlich die ebenfalls nahezu kreisförmige Ebstorfkarte[2]. Sie wurde früher in dem Benediktinerinnenkloster Ebstorf in der Lüneburger Heide aufbewahrt. Gegenwärtig befindet sie sich im Museum des Historischen Vereins für Niedersachsen in Hannover. Der Erhaltungszustand läßt zu wünschen übrig, namentlich sind viele Legenden allmählich unleserlich geworden und einzelne Stücke herausgefallen. Sie besteht aus 30 Pergamentblättern, die aneinander gelegt eine Breite von 3,56 und eine Höhe von 3,58 m erreichen. Sie bedeckt also einen Flächenraum von 12,74 qm. Der Zeichner ist unbekannt, doch war er, wie aus seiner guten Kenntnis Deutschlands geschlossen werden kann, sicher ein Deutscher, vermutlich aus der Gegend von Braunschweig oder Lüneburg. Er hat mit großer Sorgfalt an seinem Riesengemälde gearbeitet, wie aus der schönen und klaren Schrift, sowie aus den allerdings sehr verblaßten Spuren der ehemaligen Farbenpracht noch heute zu erkennen ist. Auf der Karte sieht man nördlich von der mittleren Donau die Boemia regio, darin Praga c(ivitas) am Flusse Wlta (Moldau). Die böhmischen Grenzgebirge zeigen noch nicht die später allgemein übliche Kranzform, sondern sie bilden einen geradlinigen Streifen. Der Elblauf ist ziemlich zerstört, doch erkennt man noch den Namen albia fl. In die Elbe münden von links Mulda fl. und Sala fl., Von rechts zwei unbenannte, sich zuletzt vereinigende Nebenflüsse, offenbar die Havel mit der Spree. An der
- ↑ K. Miller, Mappaemundi, Die ältesten Weltkarten, Heft IV, Stuttgart 1896, mit Literaturangaben und einer farbigen lithographischen Reproduktion der Karte.
- ↑ E. Sommerbrodt, Die Ebstorfer Weltkarte, Hannover 1891, mit Atlas von 25 Tafeln in Lichtdruck. – Miller a. a. O. Heft V, 1896, mit Literaturnachweis und einer farbigen lithographischen Nachbildung.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/90&oldid=- (Version vom 7.12.2024)