Die zehn Gebote (Hermann von Bezzel)/Neuntes Gebot

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Die zehn Gebote (Hermann von Bezzel)
Zehntes Gebot »
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Neuntes Gebot.
Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines nächsten Haus!

 Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten nicht mit List nach seinem Erbe oder Hause stehen noch mit einem Schein des Rechten an uns bringen; sondern ihm dasselbige zu behalten förderlich und dienstlich sein.

 Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eignen Lust gereizet und gelocket wird. Darnach, wenn die Lust empfangen hat, gebieret sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod. Jak. 1, 13–15.


 Es wird euch nicht entgehen dürfen, daß die zehn Gebote einem goldenen Ringe gleichen, dessen Ende in seinen Anfang zurückkehrt. Der Anfang lautet: heilige Gott den Herrn in deinem Herzen! und der Schluß, den wir heute und – will’s Gott – in acht Tagen betrachten wollen, geht dahin: reinige dein Herz von der unheiligen Lust! Während der Umfang des Ringes die Taten wider Gott und die Worte wider seine Ehre bezeichnet, will der Ausgang und der Anfang auf den Grund der Sünde und auf unsere Gedankenwelt zurückkehren.

 Heilige deine Gedankenwelt! rufe ich heute denen, die es hören wollen, zu. Am Eingang der Gottesgeschichte mit den Menschen stehen wie zwei Gnaden- und Warnungszeichen aus Gottes Erzieherweisheit die zwei Bäume der Erkenntnis des Guten und Bösen und des Lebens. Alle Reichtümer des Geschaffenen, Gaben| und Kräfte, Schönheit und Ehre, Freude und Friede, Glanz und Glück, hat Gott dem ersten Menschen ausgetan, daß er ihrer sich freue und sie benütze. Kein Sonnenstrahl soll über die Erde gehen, ohne daß er nicht ins Menschenherz, ins Menschenhaus leuchte und glänze. Kein Hauch der Paradiesesluft, von Blüte und Reichtum der Blume erfüllt und bereichert, soll über die Erde ziehen, ohne daß er in eines Menschen Herz einkehre und es froh mache. Und keine Frucht, die Gottes Hand hat reifen lassen, soll vom Baume fallen, ohne daß sie den Menschen beglücke, heiße die Frucht nun Freundschaft oder Treue, Liebe oder Ehre, Wohlergehen im Berufe oder Erfolg in der Arbeit: alles ist euer, so lautet es aus dem Paradiese. Und neben dieser großen, weiten Herrschaft, die Gottes Gnade dem Menschen erschloß und erhielt, stehen die beiden Bäume mit der einzigen Überschrift: noch nicht! Es ist noch nicht euer Teil, noch nicht für euch gereift und ihr seid es noch nicht für sie. Wenn der Herbst dieser Bäume Früchte gezeitigt und der Sommer eures Wesens Kindlichkeit zur Männlichkeit verherrlicht und erhoben hat, dann werden die Früchte euer Teil werden. Denn das wißt ihr doch: die Unschuld des Paradieses ist nicht die Unschuld des Mannes, sondern ist die Unschuld des noch nicht wissenden, nicht ahnenden Kindes, eine holde, aber nicht starke Unschuld. Nicht das ist das Größte, daß ich schuldlos bin, weil ich die Schuld noch nicht kenne, sondern das ist groß, daß ich schuldlos bleibe, trotz des Kampfes mit der Schuld und aus ihm heraus. Daß dein junges Kind von den Gefahren und Versuchungen des Lebens nichts weiß, macht es noch nicht fromm; wenn aber dein Kind, herangewachsen, durch die Wellen, die es umkosen und umspielen und durch die Versuchungen, die es locken und laden, hindurch gedrungen ist, dann magst du seiner Unschuld dich billig freuen. Und wenn deine eigene Seele die Gefahren nie erschaute, kann sie| leicht sicher und stolz sein; erst wenn sie Gefahren durchmessen und durchlitten hat und ist standhaft geblieben, mag sie sich preisen. So stehen diese Bäume im Paradiese: noch nicht! Und mit dem heiligen Ernste, in dem die Wahrheit und die Wirklichkeit zusammenfließen, – denn die Geschichte ist nicht bloß wahr, sondern auch wirklich – erzählt uns Gottes Wort, wie der Mensch nicht mehr das ansah, was er hatte, sondern das, was ihm noch nicht ward. Es war ihm alles Schaden, weil er jenes noch nicht besaß. Und der Mensch sahe an, daß es lieblich anzusehen und gut zu essen war und brach von der verbotenen Frucht und aß und fiel und starb. Was damals geschah, geschieht immer wieder. Geht und blickt mit mir in die Königszeit Israels. Dort liegt auf seinem Lager finster, mürrisch und verdrossen der König Ahab. Er ist von vergeblichem Beginnen mürrisch heimgekehrt. Er hat seinem Nachbarn Naboth angeboten, daß er ihm seinen Weinberg mit Silber aufwiegen oder ihm ein anderes Grundstück dafür geben wolle, weil der Weinberg in seiner Nähe lag und er aus ihm einen Kohlgarten machen wollte. Aber Naboth weigerte sich, das Erbe seiner Väter und seines Hauses zu verkaufen. Und da der König so unwirsch war, trat sein Weib Isebel zu ihm: (Könige I, 21): Ich will dir den Weinberg verschaffen. Und sie stellte falsche Zeugen auf und Naboth ward gesteinigt und der Weinberg war des Königs Eigentum. – So ist es immer in der Welt: was man nicht hat, das eben bräuchte man, und was man hat, kann man nicht brauchen. Und das ist der Fluch der bösen Lust, daß sie das Deine dir verringert und das Fremde dir vergrößert: du hast Erfolg, aber über deines Bruders Haus scheint die Sonne länger. Darum ist dir dein Erfolg unwert und deine Augen sind auf die Sonnenstrahlen gebannt, die das Fenster des Nachbarhauses vergolden, und du kannst nicht mehr froh werden, weil es deinem Nachbarn so gut geht. – Der Herr| hat dich reichlich gesegnet, wenn du es nur wüßtest und wissen wolltest, wenn du nur einmal in die Tiefen deines Herzens und Hauses sehen möchtest. Er hat dir Sünden vergeben ohne Zahl und Missetaten vergessen ohne Ende, und hat dein Leben mit Gnade gekrönt. Und nun, in der Stunde, in der du das überlegst und bedenkst, trifft an dein Ohr Lob deines Nächsten: er ist mehr beliebt als du, er wird mehr gepriesen wie du, und alle Gottesgnade an dir erscheint dir gering, weil dein Nächster so freundlich geführt ward.
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 Du kennst diese Lust. Es ist die Lust, die zweimal in der heiligen Schrift – Römer 1 und Gal. 5 – neben dem Mord, Zorn, Streit und Ehebruch steht, die Lust des Neides. Dieses furchtbare, das Menschenherz zerquälende und zerfleischende Ungetüm stellt sich auf deinen Lebensweg und läßt alles das dir gering erscheinen, was du hast, und alles das groß, was dir fehlt. Und nun tritt, wie die heilige Schrift im tiefsten Ernste sagt, aus dem Herzen der arge Gedanke. Der Neid prägt sich auf deinem Antlitz aus, höhnt dich bei deinem Gebete, äfft dich bei deinem Dank, heißt dich deinem Gott den Abschied geben. Das Leben ist so leer, das eben noch so reich war, und dein Haus so arm, das eben noch von der Sonne bestrahlt war: das ist der Neid. Wer es wüßte, was es um diese böse Lust ist! Ein jeder wird versucht, wenn er von der Gottwidrigkeit der Lust in seinem Herzen gelocket wird, von diesem Geschenk, das der Feind deines Glückes, der alte Verführer, der selbst seines Lebens nie froh wird, in deine Seele eingesenkt hat. Warum bist du so unruhig? Weil mein Nächster gelobt wird. Warum bist du so traurig? Weil mein Nächster geliebt wird. Warum bist du so verstimmt? Weil mein Nächster geehrt wird. Seht, diese furchtbare Macht hat der Feind in die Gottessaat als Unkraut gestreut und dies wächst üppig auf und erdrückt die Ähren und erstickt das Wachstum. Und auf einmal ist aus dem lieblichen: Lobe den Herrn, meine| Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes getan hat, das schauerliche Wort geworden: Herr ich weiß, daß Du ein harter Mann bist. Hast du es noch nicht verspürt? Weißt du, wie Neid den Menschen innerlich herunterbringt und äußerlich abmagert? Hast du es schon an dir erfahren, wie man unter diesem schnöden Feinde leidet? Keine Freude mehr am Leben! Wegen deiner Sünde? Nein, wegen des Nächsten Frömmigkeit. Keine Lust mehr zur Arbeit! Wegen deiner Unwürdigkeit? O nein, sondern weil es dem Nächsten besser gelingt. Keinen Glauben mehr an die Menschen! Weil sie dich getäuscht haben? O nein, weil sie andere mehr ehren als dich. Die Lust reizt und lockt. Wenn sie aber empfangen hat, fährt Jakobus fort, gebiert sie die Sünde. Wie heißt diese furchtbare Ehe, deren Kind die Sünde ist? Wer sind die Ehegatten, daß ich so sage, deren Sprößling das Unrecht ist? Die Lust und die Einbildungskraft, die Phantasie. Denn es ist merkwürdig, wer sein Herz kennt wird mir recht geben: die Lust und Einbildungskraft suchen sich immer wieder zu ergänzen. In der Stunde, in der der Neid erwacht, kommt eine Kraft an dich heran, die dir alles am Nächsten groß macht, eine Verschönerungs-, eine Vergrößerungs-, eine Erweiterungskraft kommt in deine Seele, die all das Deine zerstört und das Haus deines Nächsten aufbaut. Und du sprichst dann: warum hast du mir das getan?
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 Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir nicht mit List nach des Nächsten Erbe oder Hause stehen. Schon in der frühesten Kindheit – das hat einer gesagt, der die Kindesseele studiert hat – erwacht neben und vor dem Zerstörungstrieb der Neid. Wenn ihr ganz kleine Kinder beobachtet: wenn das eine Kind die Speise empfängt, mißt das andere mit dem Auge ab, was es bekam und das andere erhielt. Und ehe das Kind noch reden kann, hat diese furchtbare Gewalt des Neides in ihm Raum. Es ist, je größer und älter wir werden, desto mehr diese bittere Begierde in uns| gewachsen und groß geworden, und wir schauen mit Lust nach des Nächsten Habe. Schon der Wunsch: wenn ich nur das hätte, wie wollte ich es nützen! Wenn ich nur das mein Eigen nennen könnte, wie wollte ich dann arbeiten! Wenn ich so geführt worden wäre wie mein Nächster, wie wollte ich da frömmer sein! – schon dieser Wunsch ist eine bittere Anklage gegen Gott, als wüßte Er nicht, was zu deinem Heil nütze und not ist. Ich höre dich oft sprechen: ja, wenn ich so leicht geführt worden wäre wie meine Mitschwester, und so freundliche Verhältnisse angetroffen hätte wie der und jener meiner Bekannten, was wäre aus mir geworden! Das klingt sehr fromm, ergeben, schlicht und ist doch eine Anklage gegen Gott, als hätte Er dich besonders hart geführt, da Er dich doch so führte, wie es für dich nütze war. Gar manchmal schon habe ich das Wort angeführt: der Gärtner stellt die eine Blume immer in die Sonne und die andere bringt er sorgfältig stets in den Schatten; denn die eine würde im Schatten verkommen und der anderen würde das Sonnenlicht schaden. Und so macht es dein treuer Gott auch. Gerade so, wie Er dich führte und wie Er deine Eigenart mit seiner Gnade verband, wie Er deine Abirrung und seinen Gnadenwillen sich immer wieder begegnen ließ, gerade so, wie Er dich führte, war es recht. Getreu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist Er, heißt es beim Propheten. Sage dir das oft vor: Er hätte dich nicht anders führen können – was sage ich –, nicht anders führen dürfen, wie Er dich führte, es wäre sonst dein Schaden und Unheil gewesen.
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 Darum, wenn diese böse Lust in deiner Seele mächtig sich regt und dein Gebetsleben verhindert und deine Arbeit belastet und dich nimmer froh werden läßt, dann stürme hinaus ins Freie, oder rede, wenn du das nicht kannst, auf deinem Lager mit deinem Gott, dann geht dir wieder der Morgenstern auf. Denn aus dem Gebet steigt himmlisches| Licht und Freude den frommen Herzen. Und dann weicht die böse Angst und die schlimme Lust und du sprichst: Ich bete an die Macht der Liebe. Es gibt kein anderes Mittel gegen die böse Lust, als den Dank, den ehrlichen, unablässigen Dank, der die verborgenen Brunnen der Erinnerung aufschließt und die verschlossenen Quellen des Lebens rauschen läßt und nicht müde wird zu mahnen: Vergiß es nicht, was Er dir Gutes getan hat! Es gibt kein anderes Mittel gegen die böse Lust, gegen die harte Gier, gegen den das Leben verzehrenden Neid, als den einfachen, herzlichen Dank: Du führest mich auf rechter Straße um Deines Namens willen.

 Ja, es gibt aber doch so viele Menschen, die so schwer geführt werden? Mein Christ, denken die nicht daran, vor wie vielem sie behütet sind, und daß die Dornen, mit denen Gott ihren Lebensweg eingesäumt hat, sie hindern auf Abwege zu kommen? Als Kind, da du vielleicht mit dem Vater durch Wiesen schrittest, gingst du einen schmalen Weg, für deinen Fuß war dir ein enger Pfad vorgezeichnet, über den du und dein Vater nicht hinaus konntet; denn Dornengestrüpp begrenzte ihn. Jeder Schritt vom Wege ab wurde durch Dornstiche geahndet. So führt Gott manchen Menschen auch hart und schwer, auf dornenreichen, schmerzbegrenzten Pfaden, um ihn zu schützen, daß er den rechten Weg von selbst einhalte und bewahre. Darum säumt Er den Weg deiner Seele mit Dornen ein, mit Leid und Angst und Not, darum führt Er dich so einsam, daß du mit ihm mehr vertraut und bekannt wirst. Geht es der Natur entgegen, so geht es doch frisch voran! So oft der Neid in deine Seele kommt – du weißt gar nicht, wie oft er sich einschleicht –, und so oft das Verlangen in dir sich regt, es auch einmal so zu haben wie andere, wenn die böse Lust in deine Seele einziehen möchte: laß ihr keine Minute Raum, sonst erstickt sie dich und nimmt dir das Leben und macht dich totunglücklich! Vertreibe sie durch Danken!

|  Und damit dir das nicht zu schwer wird, schenkt dir Gott manchmal, daß du das Ende eines beneideten Lebens siehst. Ihr kennt vielleicht das alte Märlein, das der Dichter Seidl in einem Gedicht behandelt hat: das Glöcklein des Glückes. Ein König, der am ersten Tag seiner Regierung über dem Portale seines Palastes ein silbernes Glöcklein anbringen ließ, gelobte, dasselbe zu läuten, wenn er glücklich sei. Manchen Abend eilte er zum Glockenstrang, doch die Hand zog sich schnell zurück. Das Glück war verschwunden; denn er erhielt entweder am Abend eine traurige Kunde oder der Morgen brachte schlimme Botschaft. Das Glück kam nicht – die Glocke schwieg. So blichen des Königs Haare, der Mut ward geringer, die Arbeit schwerer, das Leben ernster und es ging zum Sterben. Und als sein letztes Stündlein kam, da hörte der König draußen auf den Gassen, auf den Gängen seiner Hofburg lautes Weinen und Schluchzen. Als er nun die Umstehenden nach dem Grunde des Klagens und Jammerns frug, antwortete man ihm: das Volk weint um seinen sterbenden Herrn! Da griff die Hand des Sterbenden noch nach dem Glockenstrang und das Glöcklein ertönte; denn der scheidende König war glücklich.

 Und wenn es dir also beschieden ist, daß du keinen Tag ganz glücklich sein kannst, so denke, es ist nicht notwendig, daß du glücklich bist, aber daß du dankbar bist, das tut not. Glaube mir, es wird dir alles leichter. Du kannst dann gönnen, was du nicht hast; denn du weißt nicht, was ein Anderer trägt. Du kannst gönnen, was du nicht hast; denn du weißt, was du besitzest.

 Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß alle böse Lust und Anfechtung aus unserm Herzen ziehe und daß, wie die Nebel vor der Sonne und die giftigen Schwaden, die aus der Tiefe nächstens aufsteigen, vor dem Licht des Tages zerrinnen, so bei uns vor dem Morgenglanz seiner Gnade, Lust und Neid vergehen. Je mehr deine Seele sich in die| göttlichen Führungen einsenkt – wunderbar, aber gnadenreich, unbegreiflich, aber sehr gut –, desto freier wird das Leben und desto froher wird die Seele: Ach, wär’ jeder Puls ein Dank und jeder Odem ein Gesang! bis dann am Ende eines Lebens, dessen man sich schämt, alles zerrinnt und vergeht und nur ein Gedanke durch die Seele zieht: Habe deine Lust an dem Herrn; Er wird dir geben, was dein Herz wünschet!

 Wir leben in einer Zeit – und der Eingang dieser Woche hat mit Sturmglocken, mit Feuer und Brand es uns wieder gesagt, – wo in bitterem Neid, in harter Lust alles zerstört wird. Ach, wir leben in einer Zeit, in der der Feind mächtige Triumphe feiert, und die Gottesgnade geht auf den Gassen einher und weint. Glaubt nur, was wir im Kämmerlein Neid und böse Lust hegen, glimmt als Feuerbrand heimlich in der Welt, und was wir mit neidischem und hämischem Wort äußern, wird zum Revolutionsgeschrei draußen auf den Gassen. Wir sind auch schuld an den furchtbaren Katastrophen, die jetzt durch die Welt ziehen. Denn Neid, Mißgunst, Erbitterung, Trotz, Unmut zerstören alles.

 Heiliget ihr Gott den Herrn in eurem Herzen! Ich schließe mit einer Frage: warum gibt es so wenig eigentlich zufriedene Menschen? Warum sind die meisten so totunglücklich, nicht über sich selbst, sondern über andere? Warum ziehst du so selten freudig deine Straße? Weil du die Schuld deines Lebens bei deinem Gott suchst.

„Du führst ins Leben mich hinein,
Du läßt mich arm und schuldvoll werden,
Dann übergibst du mich der Pein!“

so spricht die Seele. Und so ist das Vertrauen zu deinem Freund erschüttert und du bist jetzt entwurzelt, hast keine Ruhe und keinen Frieden mehr. Und was dir Gott nicht gibt, kann dir kein Mensch, noch Menschending ersetzen. Warum bist du so wenig zufrieden, meine Seele? Weil du| mit Gott nicht mehr eins bist, aber dem Feind und Verführer so viel traust. Es wird nicht früher in deiner Seele Ruhe, als bis du ganz, restlos, unbedingt, uneingeschränkt dich deinem Herrn und Gott übergibst und sprichst: Was Du tust, das ist wohlgetan, es bleibt gerecht Dein Wille.

 Schon wenn du dieses Lied betest, – o bete es fleißig und bete es unter Tränen – wird es in deiner Seele wieder licht und leicht: Du als mein Arzt und Wundermann kannst mir nicht Gift einschenken für Arzenei.

 Glaube mir, sobald der Feind merkt, daß du wieder zufrieden bist, läßt er dich; sobald er es gewahr wird, daß du unter der Lust als einer Last leidest, weicht er von dir. Und deine unheilige Phantasie, die dir immer diese elenden Dienste leistete, indem sie fremdes Glück so groß dar- und vorstellt, wird keusch, gehorsam und demütig werden. Sie wird nichts mehr dir einbilden und sich vorbilden, sondern dir nur nachbilden, was dein Gott großes an dir getan hat. Was wäre das für ein Dienst an deiner Seele und an der Seele deines Volkes! So gewiß du mit Schuld trägst an den schweren Katastrophen, die jetzt die Lande durchziehen, so gewiß kannst du zur Heilung beitragen, wenn du dich selbst heiligst. Und nun schweige in dir Mißgunst, Neid, heimliche Lust, es schwinde der giftige, scheele Blick und das Auge, das sauer und hart sieht, weil Er so gütig ist! Und du lernst, das Wesen der Gemeinschaft besteht nicht darin, daß man einander neidet, sondern daß man sich an des Nächsten Glück erquickt.

 Das lehre Er dich und mich! Was wird es sein, wenn wir, heimgelangt, nicht mehr einander den Platz um den Thron Jesu Christi und den Frieden der Heimat neiden, sondern einer zum andern sagt: lasset uns glücklich sein; denn Er ist unser Friede!

Amen.





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