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Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes getan hat, das schauerliche Wort geworden: Herr ich weiß, daß Du ein harter Mann bist. Hast du es noch nicht verspürt? Weißt du, wie Neid den Menschen innerlich herunterbringt und äußerlich abmagert? Hast du es schon an dir erfahren, wie man unter diesem schnöden Feinde leidet? Keine Freude mehr am Leben! Wegen deiner Sünde? Nein, wegen des Nächsten Frömmigkeit. Keine Lust mehr zur Arbeit! Wegen deiner Unwürdigkeit? O nein, sondern weil es dem Nächsten besser gelingt. Keinen Glauben mehr an die Menschen! Weil sie dich getäuscht haben? O nein, weil sie andere mehr ehren als dich. Die Lust reizt und lockt. Wenn sie aber empfangen hat, fährt Jakobus fort, gebiert sie die Sünde. Wie heißt diese furchtbare Ehe, deren Kind die Sünde ist? Wer sind die Ehegatten, daß ich so sage, deren Sprößling das Unrecht ist? Die Lust und die Einbildungskraft, die Phantasie. Denn es ist merkwürdig, wer sein Herz kennt wird mir recht geben: die Lust und Einbildungskraft suchen sich immer wieder zu ergänzen. In der Stunde, in der der Neid erwacht, kommt eine Kraft an dich heran, die dir alles am Nächsten groß macht, eine Verschönerungs-, eine Vergrößerungs-, eine Erweiterungskraft kommt in deine Seele, die all das Deine zerstört und das Haus deines Nächsten aufbaut. Und du sprichst dann: warum hast du mir das getan?

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 Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir nicht mit List nach des Nächsten Erbe oder Hause stehen. Schon in der frühesten Kindheit – das hat einer gesagt, der die Kindesseele studiert hat – erwacht neben und vor dem Zerstörungstrieb der Neid. Wenn ihr ganz kleine Kinder beobachtet: wenn das eine Kind die Speise empfängt, mißt das andere mit dem Auge ab, was es bekam und das andere erhielt. Und ehe das Kind noch reden kann, hat diese furchtbare Gewalt des Neides in ihm Raum. Es ist, je größer und älter wir werden, desto mehr diese bittere Begierde in uns