Die internationale Fischerei-Ausstellung in Berlin

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Autor: Gustav Schubert
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Titel: Die internationale Fischerei-Ausstellung in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25–26, S. 407–411, 418–419
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[407]
Die internationale Fischerei-Ausstellung in Berlin.
Von Gustav Schubert.
Mit Illustrationen von H. Lüders.

„Nehmen Sie den Ausdruck ‚Wasserflächen
bewirthschaften‘ gütigst in Ihren Sprachschatz auf
– er ist zeitgemäß.

von Behr-Schmoldow.

Obige, vom Präsidenten des deutschen Fischereivereins im Festsaale des Berliner Rathhauses vor den Vertretern der verschiedensten Nationen gesprochenen Worte führen uns am schnellsten in die Bestrebungen einer Gesellschaft von Männern ein, deren ebenso selbstloses, wie erfolgreiches Wirken in der am 20. April in Berlin eröffneten internationalen Fischerei-Ausstellung zum lebendigen Ausdruck gekommen ist. Als sich vor zehn Jahren der [408]

Angel- und Räucherhäuschen.


deutsche Fischereiverein constituirte, fand er ein Arbeitsfeld vor sich, wie es schwieriger kaum gedacht werden kann. Unsere in früheren Jahrhunderten und noch vor Decennien so fischreichen Bäche, Flüsse und Seen waren durch Unwissenheit und Barbarei verödet und entvölkert; ohne von einem Natur- oder Staatsgesetz sich beschränkt zu wissen, suchte jeder Berechtigte oder Unberechtigte mit mörderischen Geräthen oder Werkzeugen zu allen Zeiten da zu ernten, wo er nicht gesäet, die Schätze der unsere Küsten umspülenden Meere blieben wegen ungenügender Fangmethoden ungehoben und wurden entweder von den besser ausgerüsteten Nachbarn entführt, oder konnten auf Grund eines mangelnden schnellen und guten Transportwesens nur einem kleinen Theile der Bevölkerung zugute kommen. Heute ist es, dank der Wirksamkeit des deutschen Fischereivereins, anders und besser geworden, wenn auch nach der Natur der Dinge noch viel zu thun übrig bleibt. Viele deutsche Gewässer werden jetzt regelrecht bewirthschaftet, aller Unkenntniß und Willkür auf dem Gebiete der Fischerei ist durch das Gesetz vom Mai 1874 und durch spätere Bestimmungen, aus der sachverständigen Vorprüfung des Vereins hervorgegangen, ein Damm gesetzt; Laich-Schonreviere und Schonzeiten werden respectirt; die Erforschung der Gewässer und ihrer Erzeugnisse, verbesserte Fang- und Beförderungsmethoden und nicht in letzter Stelle die künstliche Fischzucht haben einen vollständigen Umschwung herbeigeführt und das ganze Fischereiwesen in eine aufsteigende Bahn gelenkt, deren sicheres Endziel eine nicht unbeträchtliche Vermehrung unseres Nationalwohlstandes sein muß.


Vor dem Aquarium.


Als vor hundert Jahren der berühmte Fischkenner Bloch Friedrich den Großen bat, ihn bei den Vorarbeiten einer herauszugebenden Naturgeschichte über Fische durch die königlichen Behörden zu unterstützen, erledigte der große König das Gesuch mit der vielsagenden Randbemerkung:

„Was es für Fische in Meinem Lande giebt, weiß Ich: Hechte, Zander, Plötze, Barsche und Aale; will Er vielleicht die Gräten zählen?“

Welche Umwandlungen sich seit dieser spöttischen Zurückweisung vollzogen haben, erhellt aus der Thatsache, daß der deutsche Kronprinz jetzt Protector des Fischereivereins ist und mit Rath und That jene Arbeiten desselben hat fördern helfen, als deren glänzendes Resultat die in Berlin in's Leben gerufene internationale Ausstellung zu betrachten ist. Nicht minder charakteristisch ist, daß den auswärtigen deutschen Gesandten, Botschaftern, Geschäftsträgern, Marinebehörden etc. die Aufgabe zufiel, im Auslande überall das lebhafteste Interesse für die Ausstellung und ihre Beschickung zu erwecken, was ihnen, dank der veränderten politischen Stellung unsres Vaterlandes, auch in reichem Maße gelungen ist.

Das auch an größere Firmen, Privatpersonen und Specialvereine gerichtete Einladungsprogramm umfaßte: Wasserthiere im weitesten Sinne des Wortes, deren Producte, Fischerei mit den betreffenden Geräthen und Fahrzeugen, künstliche Zucht von Wasserthieren, Vorrichtungen zur Aufbewahrung und zum Versand frischer Wasserthiere, Veranschaulichung der Verarbeitung, Zubereitung oder Conservirung der Fischereiproducte, Modelle von Fischerhäusern, Untersuchung der Gewässer in Beziehung auf den Fischbestand, Geschichte der Fischerei, Literatur und Statistik.

Dem Rufe, sich an der Ausstellung zu betheiligen, folgte mit Freudigkeit in erster Linie Deutschland, ihm schlossen sich an: Oesterreich und Ungarn, Italien, die Schweiz, England, Schweden, Norwegen, Dänemark, die Niederlande, Rußland, die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, Japan, China und Ostindien – Frankreich hatte sich dagegen nicht bewogen gefühlt, an dem friedlichen internationalen Wettkampfe theilzunehmen.

Durch Vermittelung des Protectors war die Direction der Ausstellung, bestehend aus dem Präsidenten Kammerherrn von Behr-Schmoldow, Director im Landwirthschaftlichen Museum Oberregierungsrath Marcard und einer Reihe von Gelehrten, Fachleuten und Verwaltungsbeamten, in der glücklichen Lage, das neue, prachtvolle Gebäude des Landwirthschaftlichen Museums (Invalidenstraße) benutzen zu können; an dasselbe wurden von den Bauräthen Heyden und Kyllmann Stein- und Holzbauten gefügt, sodaß sich die Ausstellungsgegenstände über eine Grundfläche von 14,000 Quadratmeter (einschließlich des Gartens mit seinen Weihern und Inseln) ausbreiten konnten. Bei der übergroßen Fülle des Gebotenen, bei der bunten und interessanten Mannigfaltigkeit der einzelnen Abtheilungen wird vielleicht Mancher dem Berichterstatter zuzurufen versucht sein: Will Er vielleicht die [409]

In der Eisabtheilung.

Gräten zählen? Das ist nun ebenso wenig möglich, wie eine genaue Beschreibung jedes ausgestellten Gegenstandes, der künstlerischen Schönheiten, der Gebäude und Grotten, die auf viele Besucher einen so tiefen und nachhaltigen Eindruck machten. Wir überlassen es der Hand des Zeichners, „Bilder aus der Ausstellung“ dem Leser vorzuführen, und glauben dem leitenden Gedanken des Unternehmens am nächsten zu treten, wenn wir die Frage aufwerfen: Welchen Nutzen kann uns die Ausstellung bringen?

Durchwandern wir die Gruppen Deutschland, Schweden, Norwegen, England und andere, so fällt uns ein bei allen Nationen hervortretendes, allerdings erklärliches Mißverhältniß zwischen dem Inhalt einzelner Abtheilungen auf. Kunstvolle Netze, sinnreiche, oft raffinirte Fangvorrichtungen stehen zahlreich gegenüber den wenigen Apparaten für die eigentliche Fischzucht. Alle ausgestellten Fangwerkzeuge, von den primitiven Angelhaken der Indianer, Grönländer und Eskimos, von den Fischfallen der Hindu bis zu den seidenen Netzen der Chinesen, den Reusen und Kanonenharpunen der Amerikaner und Engländer, sie alle predigen, daß die Menschen aller Zonen und Zeiten, unbekümmert um spätere Geschlechter, nur darauf bedacht gewesen sind, zu fangen und zu bergen.


Bei den italienischen Korallenhändlern.


Erst unser Jahrhundert hat den Anfang gemacht, auch das Gegentheil zu thun und wie auf dem landwirthschaftlichen Gebiete, so auch im Wasser das richtige Verhältniß zwischen Säen und Ernten herzustellen. Da die erstere Thätigkeit den Schwerpunkt des praktischen Interesses auf der Ausstellung bildet, so greifen wir dies Capitel aus dem überreichen Material zu allernächst heraus.

Unter allen Thieren ist der Fisch das fruchtbarste. Lachse und Forellen haben nur wenige Eier, das heißt immer noch Tausende, Schleie etwa 70,000, Hechte 100,000, Barsche 300,000, Karpfen 700,000, Welse und Störe Millionen. Alle Gewässer der Erde würden schließlich überfüllt werden, wenn die Vermehrung in den angegebenen Verhältnissen vor sich ginge, das heißt wenn sich aus jedem Ei ein Fisch entwickelte. Das ist aber nur zum kleinsten Theile der Fall.

Denken wir an das uns zunächst Liegende, die deutschen Flußfische, deren naturgemäßer Fortpflanzung sich unzählige vernichtende Einflüsse entgegen stellen. Alles stürzt über den Laich, die Eier, her: die eigenen Eltern und alle andern Fische fressen denselben mit Raubthierlust; Larven von Insecten, Frösche, Ratten, Mäuse und verschiedene Arten von Wasservögeln betheiligen sich an der Vertilgung; viele Eier bleiben unbefruchtet oder werden durch Pilze zerstört, und den wirklich ausgekrochenen Fischchen treten dieselben Feinde mit noch größerer Wuth entgegen. Wird hierzu noch der Mensch mit seinen verderblichen Einflüssen: dem rücksichtslosen Fischen mit kleinmaschigen Netzen, den Canälen der Städte, den Gräbenwässern, Fabrikabgängen, Drainagen, der Verminderung des Wassers, der Anlegung von Wehren und Turbinen, den Dampfschiffen, der Niederlegung von Wäldern etc. gerechnet, so ergiebt sich ein Resultat, welches die Entvölkerung unserer Flüsse und Bäche vollständig begreiflich erscheinen läßt. Gegen viele dieser hindernden Momente hat der deutsche Fischereiverein mit Erfolg den Kampf aufgenommen, und zu seinen Waffen gehört im erster Linie die von ihm angestrebte Verbreitung der künstlichen Fischzucht.

Die Grundlage aller künstlichen Fischzucht, wie wir sie in mustergültiger Weise auf der Ausstellung durch die Elsasser Fischzuchtanstalt Hüningen (Director Haack), den Oberbürgermeister Schuster in Freiburg-Breisgau, Rittergutsbesitzer Max von dem Borne aus Berneuchen bei Küstrin, Robert Eckardt zu Lübbinchen, die Stadt Köslin, die sächsische Forstakademie zu Tharand, die königlich württembergische Centralstelle für Landwirthschaft, den thüringischen und andere Fischereivereine vertreten finden, ist der sogenannte californische Bruttrog. Das Princip desselben ist uralt; die Chinesen und später die Römer kannten es; der Mönch Pinchon aus dem Kloster Rano soll um das Jahr 1420 Forellen künstlich gezüchtet haben; der Schwede Friedrich Lund, dessen Apparat, ein einfacher durchlöcherter Kasten, in der Abtheilung Schweden ausgestellt ist, und J. L. Jakobi, ein Westfale, beschäftigten sich im vorigen Jahrhundert, unabhängig von einander, mit der künstlichen Fischzucht, ohne indeß der Allgemeinheit zugute kommende Erfolge aufweisen zu können. Erst in der Mitte unseres Jahrhunderts ging von Frankreich, England und Amerika, in dessen Gruppe der zuerst 1851 gebrauchte Apparat im Modell, gewissermaßen als ein heiliges, nationales Erinnerungszeichen, vorgeführt wird, ein kräftiger, belebender [410] Strom aus. – Der gebräuchliche Apparat stellt einen Blechkasten dar, in welchen beständig Wasser herabstürzt, um durch einen Einsatz mit fein durchlöchertem Boden, auf dem sich fünf- bis achttausend Fischeier befinden, in einen zweiten ebensolchen, nur kleineren Apparat (Fangapparat) abzuströmen. Die Aufstellung des Troges kann überall da erfolgen, wo in einem geschlossenen, frostfreien Raume ein dauernder Strahl nicht verunreinigten Quell-, Bach- oder Flußwassers zur Verfügung steht. Die Zeit, welche die Eier von der Befruchtung bis zum Ausschlüpfen der jungen Fischchen brauchen, hängt von der Temperatur des Wassers ab. Die Forelle verläßt bei 8° Celsius nach 42 bis 48 Stunden die Eihülle, während es bei 1° Celsius wenigstens 100 Tage dauert; durch besondere Eisbrütapparate, die in voller Thätigkeit durch Haack-Hüningen und Schuster-Freiburg ausgestellt waren, kann das Ausschlüpfen monatelang verzögert werden, eine Entdeckung, die für die längeren Transportreisen von großer Wichtigkeit ist. Das ausgeschlüpfte Fischchen ist ein kleines unbeholfenes Wesen, dem die Natur einen ungeheuren, die Bewegung hindernden Speisesack in Form eines gelben Dotterbläschens mit auf den Lebensweg gegeben hat. Wehr- und schutzlos, ist es in Bach und Fluß auch jetzt noch ein wahrer Leckerbissen für die genannten Feinde; erst wenn es nach sechs bis sieben Wochen das ganze Säckchen aufgezehrt hat, kann es sich wenigstens den Angriffen durch die Flucht entziehen. Es ist deshalb geboten, die junge, selbstgezogene Brut erst dann in dem dazu geeigneten Wasser auszusetzen, wenn sie anfängt zu fressen, das heißt nach dem Schwinden des Dottersäckchens.

Eine leichte Beantwortung erfährt die Frage nach einer Bezugsquelle für Fischerei. Es sind die bereits genannten Fischzüchter respective Anstalten, welche ihre begehrte „Waare“ nach allen Theilen Deutschlands und Europas verschicken, und zwar eignen sich für den Versand bereits angebrütete Eier, d. h. solche, in welchen die Augen des Fischchens als schwarze Punkte erkennbar sind; das Ausschlüpfen der Thierchen geschieht, da die Entwickelung schon weit vorgeschritten, in acht bis vierzehn Tagen nach dem Einsetzen in den Trog und überhebt damit den kleineren Züchter einer längeren Beaufsichtigung.

Es würde uns zu weit führen, an dieser Stelle anzugeben, welche Arten von Fischen dem einzelnen Interessenten zu empfehlen sind (in erster Linie sind es die Forellen). Wir verweisen aber auf ein leichtverständliches Buch: „Die Fischzucht“ von dem tüchtigen Züchter und Landwirth Max von dem Borne (Berlin, Wiegandt, Hempel und Parey), sowie auf dessen für einige Pfennige zu beziehende „Kurze Anweisung“ (Berlin, W. Moser). Eine Anschauung von den Preisen mögen ein paar Angaben aus der Preisliste der Schuster’schen Fischzuchtanstalt Selzenhof bei Freiburg vermitteln. Tausend Stück angebrütete Eier kosten daselbst: Rheinlachs (Salmo salar) 6 Mark, Bachforelle (Trutta fario), Lachsforellen-Bastarde, Ritter oder Saibling (Salmo valvelinus) je 7 Mark, Seeforelle (Trutta lacustris) 8 Mark, Felchen (Coregonus Wartmanni) 2 Mark, Aesche (Thymallus vexillifer) 4 Mark. Stellen wir hierzu den auf der Ausstellung vielfach vertretenen, leicht zu beschaffenden Bruttrog (Bezugsquellen: Weinhold-Tharand; Mühlbach-Neudamm in der Neumark) im Preise von 6 bis 10 Mark, so ergiebt sich eine Rechnung, die manchen Wasserberechtigten oder Naturfreund veranlassen dürfte, sich der wenig Mühe verursachenden, aber großen Gewinn verheißenden Fischzüchterei zuzuwenden.

Die künstliche Befruchtung wird in der einfachsten Weise bewerkstelligt. Man nimmt einen laichfähigen weiblichen Fisch (Rogener), faßt ihn mit Daumen und Zeigefinger dicht hinter den Kiemen und streicht leise mit dem Mittelfinger den Bauch von oben nach unten; in Folge dieser Operation fließen die Eier aus und werden in einem flachen Gefäß aufgefangen. Auf gleiche Weise nöthigt man auch das Männchen, die Milch abzugeben; man vermischt dieselbe durch vorsichtiges Umrühren mittelst einer Federfahne mit dem Rogen, gießt nach einiger Zeit Wasser hinzu, und die Ausbrütung der nun befruchteten Eier (circa fünfundneunzig Procent) kann sofort in's Werk gesetzt werden.

Bemerkenswerth ist, daß Milch und Eier, getrennt, mehrere Tage ohne Schaden in Flaschen aufbewahrt werden können; auf der Ausstellung befanden sich sogar Meerforellen, deren Eltern als Leichen schon eine weite Reise gemacht hatten, um schließlich noch auf obige Art – fortgepflanzt zu werden. Die Bastardirung hat durch die geschilderte Methode die erfreulichsten Resultate aufzuweisen. So errangen sich die von der Hüninger Anstalt ausgestellten lebenden Bastarde von Saibling und Forelle und von Lachs und Forelle wegen ihrer vortrefflichen körperlichen Beschaffenheit den ungetheiltesten Beifall aller Züchter und Fischkenner. Einen lebhaften Versand unterhalten die genannten Firmen an Fischbrut (fressende, kleine Fische); dieselbe kostet circa dreimal so viel wie die Eier. Außer den Salmoniden (Forellen und Lachse) empfehlen sich vorzüglich junge Karpfen, deren Aufzucht wir, auf Grund des von M. v. d. Borne vorgeführten Modells, Privaten und Gemeinden, die irgend über einen nicht gerade verunreinigten Teich oder Tümpel verfügen, auf das Dringlichste anrathen. Eckardt in Lübbinchen und Andere versenden 1000 Stück Karpfenbrut für 5 Mark.

Der Versand junger Fische führt uns unmittelbar auf die eminent wichtige Frage der Transportgefäße für lebende Fische, an deren Lösung, wie die Ausstellung zeigt, viele Köpfe mit Erfolg gearbeitet haben. Alle suchen den in einem größeren oder kleineren Bottich (Faß) reisenden Fischen Sauerstoff und Kühlung zuzuführen, wobei Luftpumpe und Eis eine große Rolle spielen. Als „lebendige Beweise“ der Leistungsfähigkeit der verschiedenartig geformten Gefäße sehen wir muntere Forellen aus Süddeutschland und Thüringen, Huchen aus der Donau, Lachse aus allen Gegenden der Windrose, Sterlett von der Wolga, den so empfindlichen Hering aus der Nordsee und verschiedene Seethiere des Mittelmeeres. Letzteren diente ein von dem Director des Berliner Aquariums, Dr. Hermes, ausgestellter, sinnreich construirter Apparat mit beständig circulirendem (und dadurch luftzuführendem) Wasser, ohne Anwendung von Luftpumpen und Eis, als Transportmittel. Der Versand todter, in zerkleinertes Eis gepackter Fische wird uns auf der Ausstellung von den größeren Berliner Handlungen in den erprobtesten Methoden gezeigt; hoffentlich trägt dies dazu bei, die noch immer bei vielen Hausfrauen zu findenden Vorurtheile gegen „todte Fische“ zu zerstreuen.

Wie die genauere Kenntniß der Lebensgewohnheiten einzelner Fische die Vermehrung derselben begünstigen kann, beweist einer der wohlschmeckendsten und größten Gäste des deutschen Flußgebietes, der Lachs (Salmo salar). Alle Lachse wandern zur Laichzeit aus dem Meere in die Flüsse und Bäche, um sich hier fortzupflanzen, und zwar kehrt jeder einzelne Fisch wieder in denselben Fluß oder doch dasselbe Stromgebiet zurück, in welchem er geboren wurde. Der „Aufstieg“ wird von den Thieren mit einem wahrhaft todesverachtenden Eifer ausgeführt; Stromschnellen und kleinere Wasserfälle werden durch große Luftsprünge genommen, wobei sich der Lachs durch etwaige anfängliche Mißerfolge von seinem Vorhaben nicht zurückschrecken läßt. Senkrechte Wasserfälle und die in neuerer Zeit bei Stromregulirungen vielfach angelegten Wehre setzten aber leider den Lachsen ein oft unüberwindliches Hinderniß entgegen, sodaß der edle Fisch in Stromgebieten, wo er früher in Unmassen gefangen wurde, ausgestorben ist.

Dieser Schaden kann aber bei gutem Willen von Gemeinden respective Regierungen durch Anlegung von Lachsleitern leicht in das Gegentheil umgewandelt werden. Die Ausstellung bot eine überaus reiche Sammlung von Modellen, mit deren Construction sich viele Nationen beschäftigt haben. Es handelt sich dabei um die Aufgabe, dem Fisch eine „Treppe“ mit einzelnen Stufen beziehentlich Absätzen zu bauen, auf denen er sich ausruhen kann, um allmählich in die Höhe zu steigen. Bei einigen Leitern schwimmt er, stets durch vorspringende Holz- oder Eisenplatten gedeckt, im Zickzack nach oben; bei anderen wird auf seine Kunstfertigkeit im Springen gerechnet; ein Modell hat sogar das Princip der Wendeltreppe zur vollen Geltung gebracht.

Außerordentliches leistet auf diesem Gebiete England und Amerika, sowie Norwegen durch das kühne Bauwerk der Lachstreppe bei Sarpsborg, die in großem Zickzackweg aufsteigt; recht praktische Fischwege stellte auch der Fischzuchtverein Ohrdruf und der bereits genannte Fischzüchter M. v. d. Borne aus, auf die wir Interessenten, ohne anderen guten Quellen zu nahe treten zu wollen, hiermit verweisen.

Die Bemühungen des eifrigsten Fischzüchters können aber leicht zunichte gemacht werden, wenn er unterläßt, sein Augenmerk auf die Fischfeinde zu richten. Dieselben waren auf der Ausstellung in einer Menge zu bemerken, daß man sich eines [411] gewissen bänglichen Gefühles nicht erwehren konnte. Einige Oberfischermeister hatten sich begnügt, das räuberische Heer nur in ausgestopftem Zustande, in welchem es gewiß einem jeden Naturaliencabinet zu großer Zierde gereichen würde, zur Kenntniß zu bringen; andere Aussteller gingen aber weiter und zeigten, um zugleich die erprobteste Fangmethode vorzuführen, die gefräßigen Diebe in dem Augenblicke, wo ihnen das Eisen der Falle um Beine oder Hals schlägt.

Der grimmigste und unersättlichste Fischvertilger ist der Fischotter, welcher in einem Winter den wohlbesetztesten Teich vollständig auszuplündern vermag; ihm folgt in ebenbürtigster Weise der Fischreiher und ein kleiner Raubfischer, der zwar ein reizendes Gefieder hat, aber trotzdem nicht geschont werden darf: der Eisvogel. Indem wir von den verschiedenen Species der Seevögel, Möwen, Enten etc. absehen, nennen wir nur die actenmäßig festgestellte Beute, die M. v. d. Borne in dem kurzen Zeitraume von drei Jahren auf seinem inmitten Deutschlands gelegenen Grundstücke gemacht hat.

Es wurden gefangen: 45 Fischottern, 187 Reiher, 120 Eisvögel, 40 Taucher, 117 Bläßenten, 49 Raubvögel, 60 Grasenten, 5 Iltisse, 4 Füchse und 4 Kiebitze. Diese Angaben mögen zeigen, daß unsere Gewässer in viel höherem Maße bedroht sind, als wohl im Allgemeinen angenommen wird; wir verweisen deshalb auf die Firma J. Ravené Söhne in Berlin, welche nach Angabe des oben genannten Züchters Fallen für Fischfeinde anfertigt, desgleichen auf die Fabrik Pieper in Mörs, die außer den Geräthen eine illustrirte Broschüre: „Der Fang des Raubzeuges“, versendet.

Wenn es auch gelänge, die schädlichen Thiere von unseren Fischen fern zu halten, so gälte es doch noch, einen furchtbaren Feind zu besiegen; derselbe ist zwar ein Zeichen blühender Industrie und fleißigen Schaffens, aber auch tausendfacher Mörder der Wasserbewohner: wir meinen die Abflüsse aus Fabriken und volkreichen Orten. In richtiger Würdigung dieses Moments hat der König von Sachsen einen Ehrenpreis für die beste Lösung der Preisaufgabe bestimmt: „Genaue Darlegung eines für bestimmte, näher zu beschreibende Verhältnisse praktisch ausführbaren Planes beziehentlich Mittel, um die den natürlichen Wasserläufen und Gewässern zugeführten Abwässer der Fabriken und Auswürfe der Städte für den Fischbestand der gedachten Gewässer vollkommen unschädlich zu machen.“

Die internationale Fischerei-Ausstellung enthielt in Folge dieses Preisausschreibens einige recht bemerkenswerthe Modelle und Pläne; wir nennen die Arbeiten der Firma H. Alisch u. Comp. in Berlin und W. Knauer in Osmünde bei Halle. Das Verfahren des Letzteren hat sich bei einigen Fabriken praktisch bewährt und läßt die Möglichkeit erkennen, den verderblichsten aller Fischfeinde endgültig zu beseitigen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei planmäßigem Handeln und redlichem Willen der Behörden Gemeinden, Vereine und Privaten das große Ziel des deutschen Fischerei-Vereins erreicht werden wird, daß „an jeder Wassermühle ein Forellenbrutkasten“ zu finden und die Worte des Herrn von Behr-Schmoldow: „Ich strebe darnach, daß in jedes Wasserloch im deutschen Reiche der rechte Fisch gesetzt werde, um eine Massenproduction für die breiten Schichten des Volkes zu erzielen“, in Erfüllung gehen.

[418] Daß unsere deutschen Flüsse auch noch andere Schätze als Fische enthalten können, zeigt die Collectiv-Ausstellung des königlich sächsischen Perlfischereiregals und der aus ihm erwachsenen Zweige, vermittelt durch Professor Nitsche-Tharand. Die Flußperlmuschel findet sich in dem oberen Flußgebiet der Donau und wird außerdem besonders gepflegt im Königreich Sachsen, wo sie fast die ganze weiße Elster, bis Elsterberg abwärts bewohnt. Die Frage nach der Entstehung der Perle, des ältesten und geschätztesten Schmuckgegenstandes aller Völker, beschäftigte die Menschen schon in den Urzeiten. Nach der altindischen Sage entglitten dem Himmel in milden, lauen Sommernächten zarte Thautropfen, um in dem Busen der klaffenden Muschel durch wärmende Strahlen der Sonne zu Perlen heranzureifen. Die neuere Naturwissenschaft konnte indeß von dieser poetischen Erklärung keinen Gebrauch machen. Als Perle bezeichnet man jetzt jede frei innerhalb der Weichtheile der Perlenmuschel befindliche Ablagerung von Schalensubstanz der Muschel, deren Kern, wie die sächsische Ausstellung in vorzüglichen Präparaten und Durchschnitten zeigt, irgend ein in die Muschel eingedrungener fremder Körper (Sandkörner, Eier von Parasiten, Fadenalgen etc.) ist. Das Thier sucht den störenden Gegenstand in seinem Innern unschädlich zu machen und überzieht ihn zu diesem Zweck mit der kostbaren Perlmuttersubstanz (kohlensaurem Kalk), das heißt macht ihn zur Perle, die mithin als einem Acte der Nothwehr entsprungen zu denken ist.

Auf Grund dieser Erkenntniß hat man versucht, die Muscheln künstlich zur Erzeugung von Perlen zu veranlassen, doch sind mit dieser Methode im Elstergebiet keine Resultate erzielt worden. Daß indeß die Möglichkeit eines solchen Zwanges vorhanden ist, lehrt die Thatsache, daß der Naturforscher Linné ein Verfahren kannte, es aber leider als sein Geheimniß behielt.

In nutzbringender Weise verstehen es die Chinesen, künstliche Perlen zu erzeugen, und wie weit das Weichthier in der Thätigkeit der Absonderung jenes glänzenden Materials getrieben werden kann, zeigen einige Muscheln in der japanischen Abtheilung. Diese enthalten eine Anzahl reliefartiger, auf der Schale festgewachsener Götzenbilder (aus Blei), die von dem Thier mit einer feinen Schicht überzogen worden sind. Ja, in der von Berliner Hofjuwelieren veranstalteten Perlen-Ausstellung (Produkte der Seeperle), die mit den Objecten des „Grünen Gewölbes“ in Dresden einen Werth von vielen Millionen repräsentiren, befindet sich in einer Muschel als kostbare perlmutterschillernde Mumie eine deutlich erkennbare Eidechse.

Die sächsische Perlenfischerei, durch Kurfürst Johann Georg den Ersten im Jahre 1621 zum Regal erhoben, tritt begreiflicher Weise gegen die Seeperlenfischerei zurück, doch hat sie immerhin erfreuliche Resultate zu verzeichnen. Das ausgestellte berühmte Elsterperlen-Collier des „Grünen Gewölbes“ hat einen Werth von 30,000 Mark; seit 1719 sind im Ganzen 22,723 Perlen aufgefunden, darunter einige, die pro Stück mit 250 Mark verkauft wurden. Mit welchem Ernste das Perlensuchen in früherer Zeit betrieben wurde, geht aus einem der Collectiv-Ausstellung beigegebenen „Juramente“ (Schwur) aus dem Jahre 1643 hervor. Derselbe lautet:

„Ich Abraham Schmirler, schwehre zu Gott dem Allmächtigen einen leiblichen Eydt, daß ich perlensuchens nach meinem besten Verstande zu Jederzeit warten Niemandeß derothalben Unterschleif verstatten und da ich etwas vermercken würde, solches sobalden im Ambte Voigtsbergk anmelden, alle Zeitigen Perlen aber dem Baumeister Sebastian Walthern nach Dresden, oder an wen ich sonst gewiesen werde treulich und ohne Betrug überliefern, das Bekenndnuß auch hergegen Jedesmahl im Ambte allhier vorzeigen, und mich im Uebrigen dergestalt erweisen soll und will, Allermaßen es recht und billich sein wird, So wahr mir Gott helfe, Amen.“

Es war ein glücklicher Gedanke, den Werth der Muschel nicht allein in den Perlen zu suchen; seit 1850 unternahm es ein Mitglied der historischen Familie Schmerler, das Aeußere der Schale zu schleifen und daraus kleine Galanteriewaaren (Portemonnaies, Täschchen etc.) herzustellen. Die Artikel fanden großen Beifall, und heute blüht in Adorf (Königreich Sachsen) eine viele Menschen ernährende Perlmutter-Industrie (vergl. den Artikel „Bei den Muschelarbeitern im Voigtlande“ in Nr. 7, 1878), die ihre Erzeugnisse in alle Welt hinaussendet und sich durch die Berliner Ausstellung viele neue Freunde erworben hat. –

Mit voller Berechtigung durfte einem der nutzbarsten Wasserproducte, dem Bernstein, ein hervorragender Platz auf der Fischerei-Ausstellung eingeräumt werden. Der Firma Stantien und Becker zu Königsberg in Preußen gebührt das Verdienst, uns in ebenso übersichtlicher wie lehrreicher Anordnung die Erzeugnisse einer Industrie vorgeführt zu haben, die in wissenschaftlicher wie in national-ökonomischer Beziehung eine gleich hohe Bedeutung hat. Was die Naturforscher aller früheren Jahrhunderte geahnt und als wahrscheinlich angenommen, hat unsere Zeit mit Gewißheit festgestellt: der Bernstein, das Elektron der Griechen, ist das Product vorweltlicher, unserer Fichte und Tanne verwandter Nadelhölzer, unter denen die Bernsteinfichte (Pinites succinifer) die Haupterzeugerin des kostbaren Harzes ist. Die Heimath der untergegangenen Wälder war nachweislich ein längst versunkenes und zerwaschenes Land, welches einst in dem Bereich unserer jetzigen Ostsee lag.

Durch vorzügliche Modelle und Zeichnungen wird veranschaulicht, daß die Gewinnung des Bernsteins theils durch Baggern, Schöpfen und Tauchen, wie in Schwarzort, südlich von Memel, theils auf bergmännischem Wege (Palmnicken an der samländischen Küste) geschieht, wobei die genannte Firma gegen 3000 Arbeiter nebst 50 Dampfmaschinen von 1500 Pferdekraft beschäftigt. Der jährlich an den Staat zu zahlende Pacht von 600,000 Mark deutet auf die Ergiebigkeit der Quellen, welcher wiederum ein kolossaler Geschäftsverkehr nach allen Theilen der Welt entspricht.

Die Ausstellung zeigt in mehreren größeren mit dem „Strandsegen“ angefüllten Abtheilungen, wie verschieden die Ansprüche einzelner Nationen an den Bernstein sind. Frankreich consumirt eine andere Qualität als Deutschland, Rußland, Amerika, und England entwickelt wieder einen andern Geschmack als China, Japan und die Türkei. Von besonderem Interesse sind die sogenannten Capitalstücke, große und schöne Funde von unberechenbarem Werthe, darunter eines im Gewichte von dreizehneinhalb Pfund, sowie die gewiß einzige, aus mehreren tausend Nummern bestehende Sammlung der Inclusa (Einschlüsse). Trefflich erhalten geben uns hier die eingeschlossenen und wohlerhaltenen Thiere und Pflanzen das Bild einer Fauna und einer Flora, die vollständig ausgestorben sind. Mücken, Motten, Spinnen, Fliegen, Milben, Käfer, Grashüpfer, Raupen und Schmetterlinge wechseln mit Holztheilen, Nadeln und Blättern einer Vegetation, welche eine große Ähnlichkeit mit der heutigen nordamerikanischen gehabt haben muß. Daß die Menschen auf der niedrigsten Culturstufe das gelbe Harz schon als Schmuckstein suchten und [419] schätzten, davon legen einige altheidnische, in dem Alluvium von Schwarzort ausgebaggerte Götzenbilder und durchbohrte Stücke, desgleichen Halsperlen aus deutschen und italienischen Grabstätten (in einem andern Raume von dem Märkischen Museum ausgestellt) beredtes Zeugniß ab. –

Außer den Perlensammlungen und dem Bernsteinsaal erfreute sich keine Separatausstellung so lebhaften und andauernden Besuchs von Seiten der Damenwelt, wie jenes Eckzimmer mit seinen Korallenschätzen, auf welche Italien mit Recht stolz sein kann. Mehrere große Firmen haben sich vereinigt, Deutschland das Bild einer Industrie zu geben, wie es bunter und reichhaltiger wohl noch nie gesehen worden ist. Die in den herrlichsten Farbennüancen schillernden und mit dem feinsten künstlerischen Geschmack verarbeiteten Meeresproducte der Edelkoralle (Corallium rubrum) entstammen dem mittelländischen Meere und überzeugen den unbefangenen Beschauer nur schwer von ihrem thierischen Ursprunge, und doch sind diese blutrothen Zweige und Aeste nichts weiter als die gemeinschaftliche Körpersubstanz unzähliger kleiner Polypen, die ihre Fangarme gleich Octopus und Eledone in die nährende, salzige Fluth hinausstreckten. Hunderte von Fahrzeugen, wie das in Thätigkeit befindliche ausgestellte kleine Modell einer starken, halbgedeckten Barke, Tausende italienischer Fischer sind in der heißen Jahreszeit thätig, die Korallen an bestimmten, einer gewissen Schonzeit unterworfenen Stellen des Mittelmeeres einzuheimsen. Hierzu bedient man sich eines nach seiner Construction uralten, an zwei über Kreuz gelegten Balken befestigten Schleppnetzes, das oft genug in den Felsvorsprüngen haften bleibt und nur mit unsäglicher Mühe wieder flott gemacht werden kann. Als Kunstwerk von unschätzbarem Werthe verdient eine blaßrothe Koralle in Form eines Petschaftes hervorgehoben zu werden, das die in großer Naturwahrheit ausgearbeiteten Brustbilder der italienischen Königsfamilie zeigt und letzterer vom Hause Mazza in Torre del Greco gewidmet wurde.

Es ist eine erfreuliche Thatsache, daß es einer deutschen Firma (M. Mayer-Mainz) gelungen ist, sich einen großen Theil des Marktes, der früher von Italien und Frankreich beschickt wurde, zu erobern. –

Große Aufgaben harren des Vereins in Bezug auf die Zucht eines Seethieres, das berufen erscheint, auf dem Gebiete der Volksernährung eine wichtige Rolle zu spielen – es ist die Auster. Obgleich man nicht chemisch nachweisen konnte, daß die unscheinbare Muschel mit ihrem Nährwerth die besten Fleischsorten von Säugethieren und Vögeln überragt, wurde sie doch gewissermaßen instinctiv von den Völkern des Alterthums gesucht und geschätzt, und es ist für den Historiker nichts Neues mehr, daß man in den uralten Küchenabfällen untergegangener nordischer Stämme, wie zwischen den Marmortrümmern des classischen Römer- und Griechenthums Spuren der Auster findet. Professor Möbius-Kiel hat es unternommen, uns Binnenländer auf der Ausstellung mit der Naturgeschichte dieser nutzbaren Muschel in anschaulicher Weise bekannt zu machen. Vor unsern Augen streckt sich eine kleine Austernbank, die einen Theil des deutschen Austerngebiets (Wattenmeer, Westküste von Schleswig-Holstein) darstellt.

Es ist zunächst auffällig, wie wenig marktfähige Muscheln auf einem Raume von circa zehn Quadratmeter gefunden werden (es sind deren vielleicht zwanzig), verfolgen wir indeß die durch ausgestellte Präparate trefflich illustrirte Naturgeschichte des Schalthieres, so mag uns die Zahl doch nicht zu winzig erscheinen. Die Auster (bekanntlich ein Zwitter) entläßt jährlich aus ihrem Mantel über eine Million bereits ausgebrüteter mikroskopischer Junger, die mit Hülfe zahlreicher schwingender Wimperchen solange in der Fluth umherirren, bis sie einen festen Anhaltspunkt gefunden haben; welche Gefahren sie aber auf dieser ihrer ersten Reise zu überstehen haben, möge der von Möbius aufgestellte Satz beweisen, daß auf eine marktfähige holsteinische Auster etwa eine Million zu Grunde gegangener Junger kommen. Es ist begreiflich, daß solche Verhältnisse den Scharfsinn der „Wasserwirthe“, wie man jetzt neben „Forstwirthe“ und „Landwirthe“ sagen muß, herausfordern, und man ist in Folge dessen auf dem besten Wege, der Auster wie den Fischen künstlich zu Hülfe zu kommen, das heißt, sie zu züchten. Das geschieht durch Aufhängung von Reisigbündeln und Stricken im Wasser, „Aussäen“ an geeigneten Stellen, verschiedene Schutzmaßregeln gegen die zahlreichen Feinde, Versandung, Ueberführung in geschlossene Bassins, Anlegung von Parks, Anwendung von Zuchtkästen mit verschiedenen Abtheilungen von geflochtenem Netzwerk etc., und man hat dadurch in Italien, Frankreich, England und Amerika, wo die Auster längst Volksnahrungsmittel geworden, großartige Resultate erzielt. Die Gewinnung der Austern geschieht mit einem aus Metalldraht gefertigten Schleppnetze, das durch ein flottes Fahrzeug über die „Bänke“ gezogen wird. Die eßbaren, circa fünf bis zehn Jahre alten Thiere werden durch einen Cirkel nach ihrer Größe bestimmt und zurückbehalten, während die jüngeren dem Meere wiedergegeben werden. Austernessern und „solchen, die es werden wollen“, giebt Professor Möbius den Rath, die Austern nicht ganz zu verschlucken sondern sie zu zerbeißen und zu kauen, um ihre wohlschmeckenden Stoffe frei zu legen und zur Wirkung zu bringen. Wer übrigens vom Glück begünstigt ist, kann dabei wie jener Hamburger eine Perle entdecken, für welche dem erstaunten Feinschmecker sechsundsechszig Mark ausgezahlt wurden.[1]


  1. Ueber die im ersten Theile des vorstehenden Artikels behandelte künstliche Fischzucht hat die „Gartenlaube“ vier Artikel gebracht, auf welche wir unsere Leser wohl kaum besonders aufmerksam zu machen brauchen. Der erste derselben erschien allerdings schon vor achtzehn Jahren: „Künstliche Fischzucht“ von S. Augustin Jahrg. 1862, Nr. 33. Der zweite, 1871 in Nr. 35 abgedruckt, konnte bereits in der Fischzuchtanstalt zu Hüningen den „Wasserschatz für den Volkstisch“ als „eine Elsässer Morgengabe an Deutschland“ begrüßen. Denselben schmücken zwei Illustrationen, das Laboratorium, das Bureau und die Beamtenwohnung der Brutanstalt sowie die Ausbrütungsapparate darstellend. Der dritte Artikel: „Saat in’s Wasser“ von Gampe, bringt (1874, Nr. 8) zugleich eine Abbildung der Fischzuchtanlagen zu Einsiedel im Erzgebirge, und im vierten (1877, Nr. 45) führt Dr. Edmund Veckenstedt[WS 1] uns zu den „Karpfenteichen der Niederlausitz“. Die Anstalten waren auch auf der Berliner Ausstellung vertreten.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Beckenstedt