Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:§ 22

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Die Ursache des Einschlagens vom Blitze ab S. 91
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§. 22.

Wenn also eine zu Auffangung der Gewittermaterie ausgesteckte Stange, und was damit von Metall verbunden ist, durch solche Kör|[92]per umgeben wird, welche die Electricität nicht frey durchlassen, so läßt sich diese aus den Wolken in so beträchtlicher Masse daran sammlen und anhäufen, daß man bey Annäherung eines andern Körpers an dieses Metall, wenn auch gleich kein Blitz auf einmal aus der Luft darauf zuschösse, nicht allein kleine Funken mit Geräusche, wie bey den künstlichen electrischen Versuchen, daraus locken kann; sondern der Funken oder die Flamme kann so stark werden, daß es einen gefährlichen Schlag giebet, noch mehr aber muß ein solches geschehen, wenn würklich ein Blitz aus einer Gewitterwolke die Stange trifft. Dieses ist dem geschickten Naturforscher, Hrn. Prof Richmann, in Petersburg wiederfahren, und hat zu vielem Mißverständnisse von gefährlicher Anziehung des Blitzes durch die Stangen, Anlaß gegeben. Allein, was that Hr. Richmann? Hatte er für eine Ableitung der Gewittermaterie aussen am Hause gesorget? Keinesweges: er hatte vielmehr gerade das Gegentheil von dem, was wir oben angerathen haben, gethan, und auch thun wollen. Hr. Richmann wollte nämlich mit Fleiß die Gewittermaterie an seinem Metalle anhäufen, um die Würkung davon zu sehen, weil die Bemerkung damals noch neu war *). Er hatte |[93] also von der öbern Stange einen metallenen Drath in sein Haus hereingeleitet, und allen Abfluß verhindert. Nun kam unvermuthet, als kurz vorher das Gewitter noch weit entfernet schiene, ein starker Zuschuß der Materie auf seine Zurüstung, und als er einen Fuß weit davon, Achtung darauf gab, schoß ein Faust dicker Funken gerade auf seinen Kopf zu, und der Schlag fuhr durch seinen Körper, so, daß es ihm das |[94] Leben kostete. Diese Geschichte zeiget also in der That nichts anders, als was wir eben erweisen wollen, nämlich, daß das Metall die Gewittermaterie angelocket habe, und demnach, wenn es aussen am Hause bis in die Erde herunter geleitet gewesen, der Blitz nicht in das Haus gefahren wäre *).

|[92]*) 1753. den 3. Aug. (S. Hamb. Corresp. 1753. N. 141) Ich kann nicht umhin, die Worte dieses verewigten Mannes, und gleichsam den Entschluß, damit er seinem glänzenden Tode ent|[93]gegen gegangen, anzuführen. Man findet sie in seiner letzten Abhandlung, welche er kurz vorher der Academie übergeben, und darinn den Electricitätszeiger, damit er die Stärke der Kraft ausmaß, beschrieben hat (Nov. Comm. Petrop. T. IV. p. 235.). Sie erfordern ein Denkmal der Zärtlichkeit. „Man könnte (schreibt er) fragen, ob nicht Gefahr bey diesen Versuchen zu befürchten sey, und ein schröcklicher Blitz durch solche Anstalt unvorsichtiger Weise hergeleitet werden möchte? Wenn dieses wäre, so müste man davor Rath schaffen. Es werden aber zuvor verschiedene Beobachtungen und Erfahrungen erfodert, um zu wissen, weswegen und unter welchen Umständen der Blitz gefährlich werde. Demnach müssen die Naturforscher dabey Herz und Unerschrockenheit bezeigen. Es ist meines Amtes, die Würkungen und Kräfte der Natur nach Vermögen zu untersuchen: ich gehe muthig voran, und versäume keine Gelegenheit, meine Dienste zur Beobachtung, und einigermassen zur Bestimmung, der natürlichen Electricität zu leisten.“[1] – Es war also gar nicht Hrn. Richmanns Absicht, das Gewitter abzuleiten, wie sich manche eingebildet haben.

|[94]*) Wollte man dann leugnen, daß Dach und Rinnen uns vor dem Regen schützen, weil einer, der sich unter dem Ausguß einer Rinne gestellet, am ärgsten benetzet worden? – Bey einer solchen Zurüstung, als Hr. Richmann und andere Naturforscher gemacht haben, die Gewittermaterie in einem Hause zu sammlen, wird freylich das Haus in dieselbe Gefahr gesetzt, darinn, wie oben erwehnet, unsere Gebäude durch die Wetterfahnen u. d. gl. Metall, davon keine Ableitung ist, befindlich sind. Es haben auch einige (als Hr. Hartmann, in den Anmerkungen von der Gewitterelectricität) geglaubet, daß es kein Blitz, sondern bloß der starke Funken von der angehäuften Materie aus dem Metalle, gewesen, dadurch Hr. Richmann getödtet worden. Allein, in einer ausführlichen Nachricht, welche (aus dem Deutschen übersetzt) in den Phil. Trans. Vol XLIX. p. 61.[2] eingerückt ist, wird ausdrücklich erwehnet, daß, obgleich die Luft sonst heiter gewesen, doch eine kleine dicke Wolke niedrig in der Luft daher fahrend, und daß dieser Blitz mit einem überaus heftigen Donnerschlage daraus entstanden: von verschiedenen Leuten beobachtet worden: daß auch ein wenig Regen darauf erfolget, bald aber, da die Wolke vorüber |[95] gezogen, wieder Sonnenschein gewesen sey, daß der Wind sich kurz vorher und gleich nachher gedrehet habe, und daß Leute auf der Gasse durch eben diesen Schlag erschüttert, ja einige umgeworfen worden. Verschiedene andere Umstände scheinen auch die plötzliche Gewalt eines Blitzes anzuzeigen, zumal da der metallene Drath dabey zerrissen und geschmolzen worden, so, daß die eingebrannten Striemen auf Hrn. Sokolows Kleide zu erkennen gewesen. Dergleichen wird man von blosser Auslockung eines Funkens ohne Zuschuß durchfahrender Materie nicht aufweisen können. An Hrn. de Romas dünnem Drathe war die Gewittermaterie sehr überhäuft, dennoch, wenn die stärksten Funken daraus gezogen wurden, zerriß der Draht nicht, obwohl dieser noch aus der nahen Wolke einen schnellen Zuschuß hätte bekommen können. Indessen könnte die nachgerade aus der Luft bey diesen Anstalten, wie an Hrn. de Romas Drachenschnur, gesammlete Materie auch ohne einen plötzlichen Zuschuß von einem Blitze, schon zureichen, einen Menschen, der sich dem donnervollen Metalle nahete, zu erschlagen. So hätte es bey der Erfahrung mit der Gewitterstange zu Potsdam, (davon im Hamb. Magaz. XV. B. p. 602.) gehen können, wenn der Beobachter dabey gewesen, als durch einen daraus entsprungenen Schlag die angenagelten Latten ausgerissen und ein Loch in einen Dachziegel, welcher eine |[96]Spanne weit von dem Metalle abgestanden, geschlagen worden. Auch an andern Orten hat man bereits einige fürchterliche Erschütterungen bey solchen Versuchen gefühlet, und in Hrn. Richmanns Hause scheinet das meiste von dem Blitze schon in das Thürgesimse, unter welchem der davon glühend gewordene und zerrissene Drath von der öbern Stange herging, und in die Pfosten gefahren zu seyn, welche dadurch zerschmettert worden, so daß nicht einmal die ganze Kraft durch seinen Körper gegangen. Es ist aber gar nicht nöthig, sich dieser Versuche wegen einer solchen Gefahr auszusetzen. S. oben §. 20. p. 78. not. *.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Die Anführungszeichen vor jeder Zeile des Zitates wurden weggelassen.
  2. Phil. Trans. Vol XLIX. p. 61. – An Account of the Death of Mr. George William Richman, Professor of Experimental Philosophy, a Member of the Imperial Academy of Sciences at Petersburg. Translated from the High-Dutch, in: Philosophical Transactions 49 (1755/1756), S. 61–69.