Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:§ 23
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§. 23.
Um also die Sache noch einmal kurz vorzustellen und verschiedenen Einwürfen zu begegnen, muß ich nur erinnern, daß das anlocken, auf |[96] fangen, zuspringen, anhäufen und ableiten der Gewittermaterie wohl zu unterscheiden sey.[1] Die Metalle locken allerdings die Gewittermaterie an sich: dies ist aber eben die Eigenschaft, welche wir zu Nutzen anwenden können. Denn, wenn wir Metall aussen am Gebäude herunter gehen lassen, so locken wir den Blitz nicht auf uns zu, sondern vom Gebäude ab in die Erde. Daß nun die Spitzen diese Materie in grösserer Entfernung auffangen als Metalle von anderer Gestalt, solches ist ein wahrer Vortheil, indem es, wie gesagt, nicht allein den Nutzen schafft, daß der Blitz nicht eine andere Ecke des Gebäudes treffe, wo er Gewalt ausüben würde, sondern auch eben dadurch das gefährliche plötzliche Zuspringen des Blitzes, und die Annäherung der Wolke, daraus der Schlag sonst entstehen würde, verhü|[97]tet wird *). Nur dann ist das Auffangen gefährlich, wenn die Gewittermaterie in dem Metalle sich anhäufen kann. Dies ist aber eben |[98] der itzige Zustand unserer Thürme und anderer Gebäude, davon wir die Gefahr abzuwenden wünschen, indem sie Stangen, Knöpfe, Wetterfahnen und anderes Metall haben, dadurch die Gewittermaterie angelocket wird, und an welchem sie sich sammlen muß, weil das Metall zerstreuet oder mit andern Körpern umgeben ist, durch welche sie nicht frey durchfähret. Ganz ein anderes geschiehet, wenn von der obern Stange an, das Metall bis ins Wasser oder in feuchte Erde, welche die electrische Materie annehmen, heruntergeführet, und diese also dadurch abgeleitet wird. Alsdann vertheilet sie sich augenblicklich, und wird nie angehäufet, wenn sie gemählig aus der Gewitterluft durch die Stange aufgefangen wird. Es lassen sich deshalben aus solchem Metalle mittelst Annäherung eines andern Körpers feine Funken ziehen *), und die Electricität zeiget nur etwa beym Eingange und Ausgange einen Schein, oder |[99] wo das Metall unterbrochen ist, ihre Funken. Nun kann zwar auf einmal eine Wolke mit so starker Electricität herankommen, daß die Spitze sie nicht in der Ferne gemählig aufzufangen vermag, sondern wie gewöhnlich, Blitz und Schlag entstehen. Allein, sogleich fähret doch die Materie durch das Metall ohne Schaden hin, und wird von dem Schaden, den sie sonst andern Körpern zufügen würde, abgeleitet *). Ja, wenn auch das Metall, welches also getroffen worden, gar zu dünne gewesen, und durch die schnelle Bewegung der durchdringenden Feuermaterie erhitzet, geschmolzen oder zerstäubet ist, so hat es doch noch, wie oben erwehnet worden, die Dienste der Ableitung von |[100] andern Körpern verrichtet. Wenn aber nur die Materie ungehindert sich weiter ausbreiten und verlieren kann, so ist eine mäßige Dicke des Metalles, wie etwa ein Gänsekiel, schon gemeiniglich zureichend gewesen, dem Schmelzen von einem Blitze zu widerstehen. Hingegen können allerdings andere, nämlich heftigere Würkungen vom Blitze bey abgesonderten, und mit verschiedener Art Körpern umgebenen Stücken Metall entspringen, von welchen die Electricität nicht abgeleitet, sondern darin angehäufet wird. So wundert es mich gar nicht, daß im Brigittenthurme zu London, eine eiserne Stange, welche 1 ½ Zoll dick, und 2 ½ breit war, von dem Wetterstrahle mitten von einander gebrochen worden. Sie lag in der Quere, war an beiden Seiten in starke Steinwände eingeschlossen, zwischen welchen sie 21. Zoll lang Raum, über sich aber gleichfals gehauene Steine liegen hatte. Daher blieb die electrische Materie darinn angehäuft, dehnte sie aus, stieß sie von den obern Steinen ab, bog sie nach unten zu, und zerbrach sie. Eben so verhielte es sich mit andern Stangen, deren Herr Wilson gedenket, und welche zerbrochen oder geschmolzen worden *). So werden auch Kreutze oder |[101] Helmstangen, welche nicht mit einem metallenen Dache verbunden sind, sondern auf einem Steine ruhen, oder mit Holz und Schiefern umgeben sind, oft vom Blitze zerbrochen *). Auch die Würkungen bey andern Stücken Metall, als einen Degen in der Scheide, Geld in der Taschen, Schnallen in den Schuhen, u. s. w. welche zuweilen vom Blitze geschmolzen worden, gehören zu dergleichen Anhäufung, und müssen vielmehr zu unserm Zwecke anrathen, als daß sie uns bey einer Ableitung durch Metall, welches bis auf die Erde reichet, irre machen könnten **).
|[97]*) Daß alles Metall, wenn es auch nicht zugespitzet ist, ja, bey einem heranfahrenden Schlage, auch wenn es durch hindernde Körper abgesondert ist, die Gewittermaterie anlocke, kann man aus oben angeführten Geschichten ersehen. (S. auch von dem Auffangen aus der Gewitterluft §. 21. p. 87. n. **.) Es ist also ein Mißverständniß, wenn einige sich noch bey dem Auffangen der Gewittermaterie durch spitze Stangen eine grössere Gefahr vorstellen. Vielmehr würde eine stumpfe Stange, dergleichen Herr Wilson (Phil. Trans. Vol LIV. p. 249[2]) unter dem Dache zu setzen angerathen hat, Gefahr von einem plötzlichen Blitze und Schlage erwecken. Die Vergleichung läßt sich schon aus den electrischen Versuchen erachten: ich kann es aber noch mit einer Geschichte, welche in den Phil. Trans. Vol. XLIX. p. 309.[3] angeführet wird, bestätigen. Der Blitz schlug in ein Haus zu Darking in Surrey durch das Dach gerade auf den Bügel einer Glocke, folgte sodann dem eisernen Drathe, welcher zu beyden Seiten von der Glocke in die Kammern geleitet war, und schmelzte etwas davon, hernach brach er bey einer Mauer in den Laden des Hauses durch, wo sich viel Eisenwaare befand, darinn er sich rings umher verbreitete und seine Spuren nachließ. Es wäre hingegen allerdings zu wünschen, daß, nebst der Veranstaltung einer gehörigen äussern Ableitung, die oberen Stangen und Kreuze auf unsern Thürmen mehr zugespitzet würden, um, gleich dem Thurme zu |[98] Plauzat, (davon oben §. 20.) die Gewittermaterie, wenigstens gröstentheils, gemählig ohne Gefahr aus den Wolken aufzufangen.
*) Eben so wird sich an einem Körper, den man bey Versuchen electrisiren will, nie so viel electrische Materie sammlen, daß man Funken herauslocken kann, wenn von solchem Körper eine Kette oder metallener Drath bis auf die Erde hänget, oder wenn man nur in einiger Entfernung dem Körper gegenüber, eine metallene Spitze hält, welche eine Ableitung nach der Erde hat.
|[99]*) Hr. Franklin erinnert selbst (Phil Trans. Vol. XLIX. p 306.[4]) daß man ihm Unrecht thue, wenn einige vorgegeben, er hätte eine gänzliche Verhütung aller Donnerschläge durch aufgerichtete Spitzen versprochen, indem er nur gemeinet, daß eine Zurüstung, wie er sie angerathen, entweder den Schlag durch das gemählige Auffangen der Spitze verhindern, oder, wenn ja ein Schlag entstünde, ihn durch die Ableitung ohne Schaden des Gebäudes oder Schiffes, in die Erde, oder ins Wasser führen würde. (S. auch seine Lett. V. p. 90 und Lett. XII. p. 117.) Die electrischen Versuche zeigen nämlich, daß wenn man eine Spitze einem electrisirten Körper langsam von ferne hähert, selbige ohne Schlag alle Electricität wegnimmt: nähert man sie aber mit einmal, so kömmt, wenn die |[100] Electricität stark ist, auch ein Schlag, wiewohl nicht so heftig, als auf einen stumpfen Körper.
*) Phil. Trans. Vol. LIV. p. 251.[5] da er nämlich Schwierigkeiten wegen der Sicherheit der metallenen Ableitungen machen will. Auch Herr Delaval scheinet (l. c. p. 233.[6]) zu zweifeln, daß dünne Stangen oder Drathe bey einer Ablei|[101]tung den Blitz zuverläßig aushalten möchten, da doch die verschiedenen hier angeführten Umstände zu erwegen sind. Indessen läugne ich nicht, daß solche Spitzen, als die auf dem Hause zu Philadelphia, davon oben §. 12., gar zu dünne gewesen sind.
*) S. z. E. Phil. Trans. Vol LII. P. II. p. 509.[7] und p. 514. da die Thürme von Steinen gemauert waren, und die oben erwehnten Beyspiele von Thürmen, die mit Schindeln oder Schiefern gedeckt waren. §. 11. p. 24. not ** und p. 25. not. **.
**) Ein anderes ist also, daß Menschen, die sich an einem Orte aufhalten, wo der Blitz hinfähret, wenn sich Metall an ihrem Leibe, oder nahe bey ihnen befindet, allerdings leichter Schaden nehmen können, als wenn sie nichts dergleichen an sich haben, dadurch er angelocket wird, und daran er sich sammlen kann.
Anmerkungen (Wikisource)
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- ↑ Phil. Trans. Vol LIV. p. 249 – Benjamin Wilson: A Letter to the Marquiss of Rockingham, with Some Observations on the Effects of Lightening, in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 246–253, S. 249.
- ↑ Phil. Trans. Vol. XLIX. p. 309. – William Child / Peter Collinson. A Letter concerning the Effects of Lightning at Darking in Surrey, from Mr. William Child to Mr. James Pitfold. Communicated by Mr. Peter Collinson, F. R. S., in: Philosophical Transactions 49 (1755/1756), S. 309–311.
- ↑ Phil Trans. Vol. XLIX. p 306. – Benjamin Franklin: Extract of a Letter concerning Electricity, from Mr. B. Franklin to Mons. Delibard, Inclosed in a Letter to Mr. Peter Collinson, F. R. S., in: Philosophical Transactions 49 (1755/56), S. 305–309, hier S. 306.
- ↑ Phil. Trans. Vol. LIV. p. 251. – Benjamin Wilson: A Letter to the Marquiss of Rockingham, with Some Observations on the Effects of Lightening, in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 246–253, hier S. 251.
- ↑ l. c. p. 233. – Edward Delaval: An Account of the Effects of Lightning in St. Bride's Church, Fleet-Street, on the 18th of June 1764: In a Letter to Mr. Benjamin Wilson, F. R. S. from Edward Delaval Esq; F. R. S., in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 227–234, hier S. 233
- ↑ Phil. Trans. Vol LII. P. II. p. 509. – William Borlase: An Account of a Remarkable Agitation of the Sea, July 28, 1761, and of Two Thunder-Storms in Cornwall: In a Letter to the Rev. Thomas Birch, D. D. Secretary to the Royal Society, from the Rev. William Borlase, M. A. F. R. S., in: Philosophical Transactions 52 (1761/62), S. 507–515, hier 509.