Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:§ 21
§ 20 <<< | >>> § 22 | |
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicken Sie bitte auf die entsprechende Seitenzahl.
|
§. 21.
Es fangen indessen auch Metalle, die nicht zugespitzet sind, ja auch andere Körper die Gewittermaterie aus der Luft auf, welches man nur nicht anders bemerken kann, als wenn man das Abfliessen derselben nach der Erde hin verwehret **). Wie viel aber aus der Höhe bloß |[88] durch einen dünnen metallenen Drath bey einer Gewitterluft aufgefangen, und daran, wenn der Abzug verhindert wird, angehäufet werde, kann man aus einem fast fürchterlichen Versuche des Herrn de Romas zu Nerac in Frankreich urtheilen. Er ließ einen grossen sogenannten Drachen von Papier, welches mit Oehl bestrichen war, an einer mit einem dünnen meßingnen Drathe umwundenen Schnur über 600. Fuß hoch, bey ziemlich starkem Winde, in die Luft fliegen, als Gewitterwolken daher zogen, obwohl kein Blitz, wie auch nur einiger Donner aus der Ferne, und wenig Regen an dem Orte ver |[88] durch einen dünnen metallenen Drath bey einer Gewitterluft aufgefangen, und daran, wenn der Abzug verhindert wird, angehäufet werde, kann man aus einem fast fürchterlichen Versuche des Herrn de Romas zu Nerac in Frankreich urtheilen. Er ließ einen grossen sogenannten Drachen von Papier, welches mit Oehl bestrichen war, an einer mit einem dünnen meßingnen Drathe umwundenen Schnur über 600. Fuß hoch, bey ziemlich starkem Winde, in die Luft fliegen, als Gewitterwolken daher zogen, obwohl kein Blitz, wie auch nur einiger Donner aus der Ferne, und wenig Regen an dem Orte ver|[89]spüret wurden. Damit nun die Gewittermaterie von der Drachenschnur, oder dem daran befindlichen metallenen Drathe, nicht abgezogen werden, und sich in die Erde verlieren möchte, so hatte er das Ende derselben an einer 3½ Fuß langen seidenen Schnur angebunden, und solche unter einem Vordache, damit sie nicht naß regnete, befestiget. Die Gewittermaterie häufete sich demnach so an, daß rund um die Drachenschnur ein steter Lichtcylinder gesehen wurde, welcher bey hellem Tage 3 oder 4 Zoll im Durchschnitte hatte *). Ein Strohhalm, der sich unter der Schnur auf der Erde befand, und einen Fuß lang war, ward davon angezogen, und folgte ihr viele Ellen hoch in die Luft **). |[90] Wenn nun dieser oder ein anderer Körper sich dem metallenen Drathe näherte, so brachen in der Entfernung von einigen Schuhen ziemliche Flammen mit einem Knalle, als ein Pistolenschuß, hervor. Es ward auch von den Anwesenden ein schwefelichter Geruch verspüret *).
|[87]**) Herr D. le Monnier in Frankreich hat schon 1752. bemerkt, daß ein metallener Körper, wenn er gleich nicht zugespitzet ist, und wenn er auch nicht aufrecht stehet, sondern wagerecht gelegt ist, wie auch andere Dinge, z. E. Holz, ein Mensch, der die Hand in die Höhe hielte, u. s. f. sogar nur in geringer Entfernung von der Erde, so viel electrische Materie aus der Gewitterluft sammleten, daß, wenn solche, durch Seide, Glas, Harz u. d. gl. abzufliessen verwehret |[88] wurde, die Funken und andere electrische Erscheinungen daran erreget werden konnten. (Mem. de l’Acad. des Scienc. 1752. p. 238 seq. Phil. Trans. Vol. XLVII. p. 548.[1] Nollets Lettres sur l'Electricité p. 12.). Allein Hr. Richmann hat doch (Nov. Comm. Petrop. T. IV. p. 336.) durch genaue Beobachtungen an seinem Electricitätszeiger erfahren, daß eine Kette, daran eine zugespitzte Stange befestiget war, mehr, oder in grösserer Entfernung von der Wolke, electrisirt wurde, als eine andere gleiche Kette ohne Spitze. Herr Nollet hat also nicht Ursache (Lett. VII. sur l’Electricité) die Erfindung mit den spitzen Stangen geringe zu schätzen, da er doch selbst die Eigenschaft der Spitzen, bey den künstlichen electrischen Versuchen zugestehen muß. Hr. Franklin hatte recht geurtheilet, und verdiente nicht von dem Hrn. Abbe (Lettr. VI.) sogar wegen seines Ausdrucks chicanirt zu werden, da er es eine Kraft der Spitzen (power of points) genannt hatte.
|[89]*) Man kann auch einigermassen mit electrischen Maschinen die Ueberhäufung der Electricität an einem Körper so weit treiben, daß sie sich besonders bey Ecken und Spitzen, in einem leuchtenden Dunstkreise verbreitet, und bey der Drachenschnur konnten die rauhen Fasern derselben zur Zerstreuung der Gewittermaterie dienen. Bey aller Anhäufung aber, wenn die Electricität nur gemählig auf den Körper gebracht, oder davon abgezogen wird, ist doch keine Gewalt zu spüren. Wir sehen also, daß nur die schnelle Bewegung der electrischen Materie, indem sie durch einen Körper durchfähret, oder von einem zum andern springt, die heftigen Würkungen hervor bringt.
**) Die anziehende Kraft, welches die erste Erscheinung war, die man bey den electrischen Versuchen beobachtete, ist nämlich gleicherweise bey |[90] der Gewitterelectricität zu spüren. Wenn eine Gewittermaterie herankommt, so siehet man auch oft auf dem Felde den Staub und leichte Sachen, als in einem Wirbel aufsteigen. Dergleichen Staubsäule hat Herr Wilke beobachtet, (davon in Herrn Hartmanns Anmerk. von der Gewitterelectricität p 24.) und ich glaube, man kann sie zu einem Vorboten einer nahen Gefahr vom Wetterschlage rechnen, weil sie schon einige Würkung des electrischen Dunstkreises der Wolke anzeiget.
*) Einige Beschreibung von diesem Versuche findet man (nach dem Gentlem. Magaz. 1756. Aug.) in dem Bremischen Magaz. 2ten B p. 114. noch stärker aber scheinen die Würkungen gewesen zu seyn, davon Herr Noller in den Letres sur l'Electr. P. II. Lettr. 17 redet. – Alle diese Materie ward bloß an dem dünnen metallenen Drathe angehäufet, weil der mit Oehl bestrichene papierne Drache nicht viel auffangen konnte. Herr Franklin hatte dergleichen Versuch schon zuvor gemacht, da er aber nur eine nasse hanfene Schnur gebrauchet, und über den Drachenrahmen ein seidenes Tuch gespannet hatte, so war die Würkung nicht groß gewesen, wiewohl er eine eiserne Spitze an des Drachen Kopf befestiget hatte. Wollte man noch mehr von der Gewittermaterie dabey auffangen, so |[91] müßte man den Drachen mit Flitterblech, oder wenigstens mit Goldpapier überziehen, einen metallenen Drath um die Schnur gewickelt haben, und die Electricität unten an einem andern Metalle, von grösserem Umfange, sammlen - Hr Kinnersley hat mit einem Drachen, in dessen Schnur ein dünner metallener Drath geflochten war, auch bey klarem trockenen Wetter, ohne daß eine Wolke zu sehen gewesen, etwas positive Electricität erhalten. (Phil. Trans. Vol. LIII. p. 88). Der Herr Nazeas hat alle Tage, von Sonnenaufgange an, bis etwa eine halbe Stunde nach ihrem Untergange, bey trockenem Wetter, ohne daß ein Gewitter in der Luft gewesen, einige wiewohl schwache Zeichen der Electricität an seinem ausgespannten eisernen Drathe bemerket. (Phil. Trans. Vol. XLVIII. P. I p. 378.[2] sq.) Eben dieses hat auch Hr. D. le Monnier, sogar im Octobermonate erfahren. Er hält auch dafür, daß der Thau nur die Ursache gewesen, weswegen die Electricität ohngefehr eine Stunde nach Sonnenuntergang sich nicht mehr gezeiget: denn, wenn er verhütete, daß die seidenen Schnüre, daran sein eiserner Drath befestiget war, nicht naß wurden und die Luft nicht gar zu feucht war, so äusserte sie sich fast beständig Tag und Nacht (Mem. de l'Acad. des Scienc 1752. p. 240. seq) - Der Schwefelgeruch, dabey einige zugleich etwas Knoblauch ähnliches spüren wollen, wird auch bey starken Funken der künstlichen Electricität wahrgenommen.
Anmerkungen (Wikisource)
Bearbeiten- ↑ Phil. Trans. Vol. XLVII. p. 548. – Guillaume Mazéas / James Parsons: Letters of the Abbe Mazeas, F. R. S. to the Rev. Stephen Hales, D. D, F. R. S. concerning the Success of the Late Experiments in France. Translated from the French by James Parsons, M. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 47 (1751/1752), S. 534–552, hier S. 548.
- ↑ Phil. Trans. Vol. XLVIII. P. I p. 378. – James Parsons / Guillaume Mazeas: Observations upon the Electricity of the Air, Made at the Chateau de Maintenon, during the Months of June, July, and October, 1753; Being Part of a Letter from the Abbe Mazeas, F.R.S. to the Rev. Stephen Hales, D. D. F.R.S. Translated from the French by James Parsons, M. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 48 (1753/1754), S. 377–384, hier S. 378.