Die Sage vom Dr. Faust im Lande Wursten

Textdaten
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Autor: Vogelsang
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Titel: Die Sage vom Dr. Faust im Lande Wursten
Untertitel:
aus: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden: Noch lebende Volkssagen und Legenden, S. 229–231
Herausgeber: Friedrich Köster
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: In Commision bei A. Pockwitz
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Erscheinungsort: Stade
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung: Aus dem Lande Wursten
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1. Die Sage vom Dr. Faust im Lande Wursten.

Merkwürdig ist es, wie die mittelalterliche Faustsage von ihrem heimischen Boden, dem mittleren Deutschland, heraus einen Absenker nach dem äußersten nördlichen Küstensaume unseres deutschen Vaterlandes, in’s Land Wursten hinein, getrieben hat. –

Die Wurster Faustsage ist ihren Hauptzügen nach diese: „Der Dr. Faust hat einen Bund mit dem Teufel geschlossen, demselben seine arme Seele verschrieben und dagegen außer vielem Gelde und Gute insbesondere noch dieses sich ausbedungen, daß er zu jeder Jahrszeit, im Winter, wie im Sommer, stets die schönsten, saftreichsten Kirschen in großer Fülle haben wolle, und daß ferner, so oft er ausfahre, stets unmittelbar vor und unter seinem [230] Wagen eine feste gepflasterte Chaussee sein müsse, die aber sofort hinter ihm zerfließe, so daß für andere Menschenkinder derselbe Weg, den er so eben passirt, in der früheren Unergründlichkeit vorliege. Der Teufel habe diese und andere Bedingungen denn auch getreulich erfüllt und zuletzt den Dr. Faust in die Hölle geholt. Das Haus, in welchem dieser letzte Vorgang stattgefunden haben soll, wird noch jetzt gezeigt. Es liegt im Kirchspiele Cappel am Oberstrich auf einer s. g. Hofstelle oder Worth. Die Sage fügt noch hinzu, in jenem Hause sei eine Kammer, durch deren Außenwand der Teufel mit dem Dr. Faust hinausgefahren sei, und an der inneren Fläche dieser Wand könne man noch jetzt das Blut des Mannes erblicken, das, so oft auch die Wand übergeweißt werde, dennoch immer wieder durch alle Tünche hervordringe und sichtbar werde.“

So die Sage, wie sie hier noch im Munde des Volkes lebt.

Die beiden oben erwähnten besonderen Bedingungen des Paktes haben gewiß ihren Entstehungsgrund in der Eigenthümlichkeit des Landes Wursten, das früher nur Weide und Kornland war und an Bäumen so gänzlichen Mangel hatte, daß außerhalb des Landes noch jetzt ja das Gerede geht, in demselben wachse kein einziger Baum, obwohl jetzt Obst-, Zier-, Nutz- und Schutzbäume dort reichlich sich finden und alljährlich noch angepflanzt werden. Da mochte denn in früheren Zeiten Obst und namentlich die schwerer zu transportirenden Kirschen als ein ganz besonderer Leckerbissen gelten. – Ebenso findet die Bedingung der stets vorliegenden Chaussee ihren hinreichenden Grund in der Beschaffenheit der Wege des Landes Wursten, das als ein angeschwemmtes Marschland sich fester Wege eben nie hat rühmen können; mithin war der Wunsch nach einer stets vorliegenden Chaussee ein ganz natürlicher. Merkwürdig ist aber ferner, daß ein dem Namen Faust oder Fust ziemlich gleichklingender Name von einer in früheren Zeiten eben im Kirchspiel Cappel wohnhaften angesehenen Wurster Familie geführt ist.

In Pratje’s Altem und Neuem V. 12. werden die Cappeler Viertels-Artikel vom Jahre 1620 mitgetheilt, [231] und wir finden dieselben unterschrieben von einem Eide Fouwes, Capitain und Voigt zu Dorum, „Karckswar und Erbgeseten tor Cappel;“ im Alten und Neuen VIII. 2. ist uns aufbewahrt Joh. Diedr. Hakens Quitung und Versicherung auf einen Vergleich wegen der Commenda S. Nicolai zu Cappel vom Jahre 1655, in welcher wir Eide Fouws und Johann Fouws antreffen. So haben wir also eine Familie Fouws, gewöhnlich wohl „Fuß“ ausgesprochen, und kommen damit dem mitteldeutschen Namen „Fust“ sehr nahe. Wie Leichensteine auf dem Cappeler Kirchhofe aber anzeigen, hat sich diese Familie späterhin selbst „Fust“ genannt, im Wappen eine „Faust“ geführt, und unter ihren Gliedern mehrere mit der Voigtswürde geehrt gesehen.

Als mit dem Vorstehenden in einiger Verbindung stehend, mag hier noch erwähnt werden, daß es jetzt noch ein s. g. Faust’sches oder Fust’sches Stipendium giebt, welches, zum Besten studirender Wurster bestimmt, auf einen im Kirchspiele Dorum belegenen Hof und dessen Einkünfte fundirt ist und zu welchem die Mitglieder und Seitenverwandte vieler angesehener Wurster Familien in und außer dem Lande Wursten berechtigt sind.