Die Madonna mit dem Kinde (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Die Madonna mit dem Kinde
Untertitel: Von Murillos
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Madonna and Child.     Madonna und Kind.
Maria med barnet.

[48]
Die Madonna mit dem Kinde.
Von Murillos.

Die an Poesie und Romantik reiche iberische Halbinsel nimmt in dem glänzenden Reigen der Malerei eine nicht unwichtige Stellung ein.

Der hellleuchtendste Stern unter den Heroen der spanischen Malerschule ist zweifelsohne derjenige des Bartolomeo Esteban Murillos. Dieser Fürst der spanischen Maler ward [49] im Jahre 1618 zu Sevilla geboren. Er erhielt die erste Anweisung zum Zeichnen von einem Verwandten, Juan del Castillo, und suchte sich, nur unvollkommen vorbereitet, selbst weiter auszubilden. Schon hierdurch legte er, obgleich er im Style der Florentiner, welcher damals in Spanien herrschte, arbeitete, den Grund zu der naturwahren Originalität, die uns vor seinen Werken fesselt. Murillos beabsichtigte, hingerissen von der Kunst Anton van Dyk’s, welcher damals in London wirkte, eine Reise nach England, um sich unter der Aegide dieses Meisters in Zeichnung und Colorit auszubilden; es traf jedoch die Nachricht von dem frühzeitigen Tode des großen Niederländers ein und Murillos begab sich nun im Jahre 1643 nach Madrid, um hier die Werke Van Dyk’s und diejenigen des Rubens, Tizian’s und Anderer zu studiren. Er copirte unter der Leitung seines berühmten Landsmannes und Freundes Velasquez viele Gemälde derselben, schloß sich aber in seinem Wirken an die breite, große Manier des Velasquez und des Ribera an. Aus dieser Periode stammen viele seiner Heiligenbilder, wodurch er sich bei seinen Studien Unterhalt verschaffte. Viele dieser Stücke gingen nach Amerika und auch sie verrathen schon die große Meisterschaft des Malers. Nach zwei Jahren kehrte Murillos nach Sevilla zurück, wo er nach vielen Anstrengungen 1660 eine Maler-Akademie gründete, welche sich sehr bald in Spanien und auch im Auslande Achtung verschaffte und von dem bedeutendsten Einflusse für den Aufschwung der spanischen Kunst wurde.

Von 1670–80 malte Murillos die acht großen Bilder der Werke der Barmherzigkeit. Sie waren für die Kirche des Hospitals San Jorge de la Caridad bestimmt. Die Aufträge des Klosters der Capuziner und der Kirche de los Venerables begeisterten Murillos zu ferneren großartigen Schöpfungen. Es sind diejenigen Gemälde, welche er in dieser Zeit schuf, seine ausgezeichnetsten: fast alle sechsundvierzig Bilder, welche die königliche Gallerie in Madrid von Murillos besitzt, entstanden während dieser Glanzperiode des Meisters.

Ebenfalls wurde damals das wunderbar schöne Gemälde welches eine der Hauptzierden der königlichen Gallerie zu Dresden ist, eine Madonna mit dem Kinde, von Murillos vollendet.

In dieser Madonna zeigt sich der Charakter des Genies des Murillos in seinem edelsten, reinsten Glanze. Zwar ist Murillos in seinen dem vollen, ächt nationellen Leben angehörenden Genrebildern, wie in dem berühmten Gemälde der beiden Betteljungen in der Münchner Pinakothek, von eigenthümlicher Poesie und er erreicht dadurch eine Wirkung, die, den Italienern unerreichbar, über das Genre eigentlich weit hinausgeht. Dennoch ist der durchweg edle Naturalismus Murillos’ selbst in Gemälden, wie das genannte, noch nicht auf die höchste Stufe gestellt, welche der Maler erreichen konnte. Diese Stufe ist in seiner Madonna wirklich erstiegen: es ist diejenige, wo der Naturalismus, die Charakteristik, zur Schönheit im wahren Sinne durchgedrungen ist. Bewirkt Murillos durch die edelste Klarheit seiner Formen das reinste Wohlgefallen, so fesselt er dagegen unwiderstehlich durch sein Colorit, durch die Harmonie seiner Tinten in welcher Kunst er die meisten Meister der italienischen Schule hinter sich zurückläßt. Durch diese Technik, welche, stets originell, den Beschauer fesselt, schleudert er in die Seele desselben dieselbe romantische Glut, die seine Werke fast ohne Ausnahme athmen. Diese Empfindung ergreift das Gemüth im hohen Grade vor seiner Madonna mit dem Jesuskinde . . . Sie ist irdisch wahr! aber dies irdische, der festen, lebenglühenden Erde angehörende Gefühl ist so edel menschlich, es entzückt uns so sehr, daß Menschen von vollendeter Bildung, sofern sie die heiße, ergreifende [50] Romantik nicht kalt verneinen, sicherlich in Zweifel sein werden, ob sie der poesiereichen Madonna Murillos’, dieser göttlichen Tochter der Erde, oder den klar-idealistischen Himmelsköniginnen des Rafael den Preis zuerkennen sollen.

Es ist bekannt, daß die Hauptstadt Aragons, das berühmte Zaragoza, in der Kirche der „Nuestra Sennora del Pilar“ (Unser lieben Frau zum Pfeiler) ein wunderthätiges Marienbild besaß, das auf einer Säule von feinem Jaspis stand. Der unsterbliche Verfasser des Don Quixote, Cervantes, soll hier seine so ausgezeichnete Hymne auf die heilige Madonna componirt haben. Aus dieser Hymne, welche ein herrliches Zeugniß für den gläubigen Sinn und die begeisterte Andacht des Dichters sowohl, als des ganzen spanischen Volkes ablegt, waren drei Strophen unter dem Bilde unserer Madonna mit dem Kinde angebracht, so lange dasselbe im Besitze Ludovico Haro de Guzman’s, Grafen von Olivarez, Neffen des großen Ministers, war.

Diese drei Strophen, in der Ursprache von wundervoller Schönheit, theilen wir hier mit; denn sie bilden eine herrliche dichterische Folie zu dem Gemälde Murillos’ und sind zu gleicher Zeit ein getreuer Spiegel der Ideen, welche das „allerchristliche“ Spanien bewegten.

„Gerechtigkeit und Gnade sind verbündet
In dir, o reinste Jungfrau, und sie haben
Durch ihren süßen Friedenskuß verkündet
Den nahen Herbst, das Füllhorn aller Gaben.
Des Aufgangs, der die heil’ge Sonn’ entzündet,
Aurora, kommst Du, jeden Blick zu laben:
Des Frommen Jubel und des Sünders Hoffen,
Zeigst Du nach Sturm und Nacht den Himmel offen.

„Du bist die Taube, droben hergesendet
Vom Anbeginn, bist die als Braut geschmückte,
Die reines Fleisch dem ew’gen Wort gespendet,
Die uns mit Heil und Segen stets beglückte.
Du bist der Arm des Herrn, der abgewendet
Das strenge Messer, welches Abram zückte,
Und uns zu des wahrhaften Opfers Flamme
Begabet hast mit dem unschuld’gen Lamme.

„Gedeih und bringe zeitig, schöne Pflanze,
Die Frucht, die das Gemüth mit Hoffnung weidet,
Zu tauschen jene Trau’r mit Feierglanze,
Die seit dem großen Fall es gleich umkleidet.
Der unermeßliche Tribut für’s Ganze,
Der, dessen Lösung einzig ächt, entscheidet,
Wird ausgeprägt in dir; ja, göttlich Wesen,
Du bist zur Weltherstellerin erlesen!“

Diese Madonna ist keine Moresken-Schönheit. Alt-Spanien, das edle, christliche, mit dem kastanienbraunen Haar und den gothischen Blauaugen, ist hier individualisirt.

Gesessen soll dem Künstler zu diesem Bilde Donna Maria Legañez, eine Verwandtin des Conquistadors von Tarragona, haben, und daß dieser, Graf Vasco Nunnez de Legañez, das unvermischteste germanische blaue Blut von ganz Castilien in den Adern trug, ist bekannt genug.

[51] Behandlung und Colorit sind durchaus an dieser Madonna südlicher, feuriger Natur. Mit einem Worte, dies Gemälde Murillos’ ist eine von jenen Schöpfungen des Genies, welche, nimmer erklärbar, oder jeder Kritik ein neues, großes Feld der Betrachtung und der Phantasie eine unerschöpfliche Fundgrube darbietend, ewig neu bleiben und durch den Zauber ihres Schönheitsadels wie ein lichter Stern verklärend in das Leben mit seinen vielfältigen, nicht selten dunkeln und trüben Gestaltungen blicken.

Um die Skizze über den spanischen Meister zu vollenden, bemerken wir, daß außer der königlichen Gallerie zu Madrid auch die Vaterstadt Murillos’ viele ausgezeichnete Werke von ihm besitzt, so den heiligen Antonius von Padua in der herrlichen Kathedrale; daß ferner Marschall Soult in Paris von seinen Feldzügen in Spanien her manches kostbare Bild heimbrachte, wie auch das Louvre gegen 40 Werke von seiner Hand besitzt. In England trifft man ebenfalls eine nicht geringe Anzahl Murillos’scher Stücke, sie sind aber verstreut. Fürst Esterhazy bewahrt eben so wie die Gemäldesammlung in Wien einige Gemälde, meist aus des Meisters früheren Perioden.

Murillos starb zu Sevilla im Jahre 1682. Es geht in Sevilla eine Sage, der Maler sei im Hospital daselbst sterbenskrank in den dürftigsten Umständen angekommen und habe einige Tage Pflege genossen, ohne seinen Namen zu offenbaren.

In der Beichte, kurz vor seinem Tode, habe er sich jedoch genannt.

– Ich bin Murillos! hatte er dem Pater und den Aerzten zugerufen.

Als man daran gezweifelt, soll Murillos eine Kohle von dem Rauchfasse des katholischen Ministranten genommen und mit fester Hand die Umrisse eines sterbenden Christus-Kopfes an die Mauer gezeichnet haben. Hiernach sei der Maler gestorben.

Soviel ist indeß gewiß, dieser Christuskopf, mag er gezeichnet sein von wem er will, war so vorzüglich, daß man über denselben einen Glasschrank machte und ihn lange als eine seltene Reliquie zeigte.