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Behandlung und Colorit sind durchaus an dieser Madonna südlicher, feuriger Natur. Mit einem Worte, dies Gemälde Murillos’ ist eine von jenen Schöpfungen des Genies, welche, nimmer erklärbar, oder jeder Kritik ein neues, großes Feld der Betrachtung und der Phantasie eine unerschöpfliche Fundgrube darbietend, ewig neu bleiben und durch den Zauber ihres Schönheitsadels wie ein lichter Stern verklärend in das Leben mit seinen vielfältigen, nicht selten dunkeln und trüben Gestaltungen blicken.

Um die Skizze über den spanischen Meister zu vollenden, bemerken wir, daß außer der königlichen Gallerie zu Madrid auch die Vaterstadt Murillos’ viele ausgezeichnete Werke von ihm besitzt, so den heiligen Antonius von Padua in der herrlichen Kathedrale; daß ferner Marschall Soult in Paris von seinen Feldzügen in Spanien her manches kostbare Bild heimbrachte, wie auch das Louvre gegen 40 Werke von seiner Hand besitzt. In England trifft man ebenfalls eine nicht geringe Anzahl Murillos’scher Stücke, sie sind aber verstreut. Fürst Esterhazy bewahrt eben so wie die Gemäldesammlung in Wien einige Gemälde, meist aus des Meisters früheren Perioden.

Murillos starb zu Sevilla im Jahre 1682. Es geht in Sevilla eine Sage, der Maler sei im Hospital daselbst sterbenskrank in den dürftigsten Umständen angekommen und habe einige Tage Pflege genossen, ohne seinen Namen zu offenbaren.

In der Beichte, kurz vor seinem Tode, habe er sich jedoch genannt.

– Ich bin Murillos! hatte er dem Pater und den Aerzten zugerufen.

Als man daran gezweifelt, soll Murillos eine Kohle von dem Rauchfasse des katholischen Ministranten genommen und mit fester Hand die Umrisse eines sterbenden Christus-Kopfes an die Mauer gezeichnet haben. Hiernach sei der Maler gestorben.

Soviel ist indeß gewiß, dieser Christuskopf, mag er gezeichnet sein von wem er will, war so vorzüglich, daß man über denselben einen Glasschrank machte und ihn lange als eine seltene Reliquie zeigte.




Adrian von Ostade in seiner Werkstatt.
Gemalt von ihm selbst.

Wie durch einen freundlichen Zauberschlag sind wir durch das Anschauen dieses Bildes um lange Jahre zurück versetzt und die alte Zeit der Blüthe niederländischer Malerei weht uns wie mit dem Athem des Lebens seltsam ergreifend entgegen.

Mit einer ähnlichen Empfindung, wie dieses Gemälde hervorruft, vermochte uns noch keines der zahlreichen Stücke, auf denen die Maler sich selbst darstellten, zu erfüllen. Der alte Rembrandt, welcher etwa fünfundzwanzig Mal seinen charakteristischen Kopf malte, kann uns namentlich durch das Bild, auf welchem er, seine Frau umschlingend, das blitzende Weinglas emporhebt, hinreißen. Metzu läßt sich in seinem Eigenbilde mit wahrer Gemüthlichkeit beschauen, und Mieris in seinem Atelier rückt uns die Außenseite dessen, woraus die strahlenden Blüthen der Kunst emporschossen, schon ziemlich nahe. Dennoch bleiben uns diese und viele

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)