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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[629]

Nr. 38.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Sturm im Wasserglase.

Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts.
Von Stefanie Keyser.

     (4. Fortsetzung.)

In diesem Sommer erfreute sich niemand der Gaben, die die Natur in ihrer sorglosen Größe immer wieder ausstreut: werden sie einmal gering geachtet, werden sie das nächste Mal um so höher geschätzt.

So streng das Geheimsiegel war, das die Lippen aller an der Regierung Beteiligten geschlossen hielt, dumpfe Gerüchte, unheimliche Ahnungen hatten sich dennoch verbreitet.

Schwere Zeitläufte werfen ihren Schatten voraus, und zwar erscheint derselbe dem Volk zuerst als Spukgestalt.

„Hat Sie es gehört? Es thut überall Anzeige, Frau Drommeterin!“ rief Fieke, während die Nadel in der Luft schwebte, statt das Loch in dem Strumpf, den sie vorhatte, zu verstopfen. „Der Lattermann zeigt sich.“

Der Lattermann, wie das Volk statt Laternenmann sagte,

Frische Forellen!
Nach einer Originalzeichnung von P. Bauer.

[630] war das Gespenst eines Mannes, der zur Strafe für einen Meineid umgehen sollte.

„Jeden Abend,“ fuhr Fieke fort, „wandert er, die lichterloh brennenden Schwurfinger erhoben, am Hochgericht auf und ab, und die Menschen stehen vor dem Thor und belauern den Spuk. Nicht einmal die Scharwache hat sich hinaus getraut. Nur“ – sie schluckte – „Märten ist hinüber gegangen; aber da ist der Lattermann verschwunden gewesen. Freilich, vor Märten hält keiner stand.“

Und beim Aufbruch sagte sie: „So, Frau Apothekerin, nun ist der letzte Strumpf versohlt. Ich will wünschen, daß Sie ihn gesund zerreißt, glanb’s aber nicht. Für mein Teil wär’ mir’s recht, wenn die Welt unterginge. Und ich nehme auch die Magenwurst nicht mit; wer soll sie denn essen?“

Sie wischte verstohlen eine Thräne ab. Seit dem Zank mit Märten legte sie vergeblich ein Abendbrot auf ihre Fensterbank. Der große Kuckuck, wie ihn spottweise ihre Kameradinnen nannten, holte nichts mehr.

Als die Feierabendglocke läutete, ging sie nach Haus. Immer bekam sie Herzklopfen, wenn das Türmchen vor ihr aufstieg.

Nein, er war wieder nicht daheim.

Alle Läden standen offen. Nur die alte Kartaune war zu sehen, die mit ihren schön verzierten Henkeln, wie mit trutzig in die Seite gestemmten Armen ihr den Rücken kehrend, ins Land hinausschaute.

Sie zog ihr dunkles Regentuch über den Kopf und weinte, während sie nach ihrem Häuschen schlich. –

Unter den Bürgern aber munkelte es von wirklichen Gefahren, die der Stadt drohen sollten.

Der Magistrat hatte eine geheime Sitzung gehalten, der Rentamtmann durch den Hofmaurer im tiefsten Schloßkeller eine Grube machen lassen, genau nach dem Maß der eisernen Geldkiste.

Und wer trotzalledem noch unbeschwerten Gemütes war, der saß erschüttert am nächsten Sonntag in der Oberkirche, als die Predigt begonnen hatte.

Mit seiner mächtigen Stimme, die auch den letzten Winkel des alten Gotteshauses füllte, rief der Superintendent seiner Gemeinde ein „Wacht auf!“ zu.

Er strafte die Häupter der Stadt, die vor drohenden Gefahren die Augen zudrückten, um nicht vom Faulbett aufgestört zu werden, die lässigen Diener, die berufen waren, Rat zu geben, aber Menschenfurcht über Gottesfurcht setzten, die eitlen Höflinge, die schwelgten und praßten und sich’s nicht anfechten ließen, ob zu ihren Festen vielleicht bald die brennenden Hütten des armen Landvolks als Feuerwerk leuchten würden.

Zuletzt führte er die Lichtgestalten der selig verstorbenen Frauen des Fürstenhauses vorüber: die heldenmütige Katharina, die den Spieß gegen einen Alba fällen ließ; die andere Katharina, die Schwester des großen Oraniers, deren Andenken in den Kirchen nnd Schulen gesegnet wurde, die fromme Gräfin Ludämilia, deren Lieder die Gemeinde sang.

Seine ihm anvertraute Herde war bis in die innerste Seele erschüttert.

Nur die Insassen des herrschaftlichen Standes bewahrten ihre höfische Fassung.

Der Kammerherr hatte geschäftig die Butzenscheibenfenster aufgeschoben und schrieb emsig auf kleine in das Gesangbuch gelegte Blätter.

Der Junker von Eichfeld hörte gar nicht, was vorging; er war versenkt in den Anblick Kilianes, die, ohne mit den Wimpern zu zucken und ihm einen Blick zu gönnen, auf ihrem kirchlich altväterischen Lehnstuhle thronte.

Ihr gegenüber, ebenso unbeweglich, saß Magdalene mit ihrer Mutter in dem geschnitzten Gestühl für die Geistlichkeit.

Die Superintendentin war so ergeben, wie Frauen werden, die das Schicksal neben starke thatkräftige Männer gestellt hat. Als sie des schreibenden Kammerherrn gewahr wurde, nickte sie leise, kummervoll vor sich hin.

Magdalenes Gesicht sah, immer blasser werdend, aus dem altersbraunen Rahmen heraus. Da also vollzog sich, was das kleine Billet, welches Struve an jenem traurigen Abend ihrem Vater übergab, verraten hatte. Ihr Blick huschte verstohlen hinüber zu Struve.

Seiu Gesicht war dem Prediger zugekehrt. Heute grüßten sie nicht wie sonst seine ernsten Augen.

Als aber ihr Vater nun von der Kanzel herab der Sakristei zuschritt, da erhob sich Strnve und verbeugte sich tief und ehrfurchtsvoll. Dann nahm er sein Gesangbuch anf. Sie war nicht mehr für ihn da.

Sie konnte das Lied nicht finden, so zitterten ihr die Finger. Der Mutter rollten Thränen über die Wangen, als sie es aufschlug.

Ihr Gatte hatte, zum Zeichen, daß er aufs äußerste gefaßt war, die Dichtung Paul Gerhardts gewählt, mit welcher dieser sich tröstete, als er für sein Bekenntnis in die Verbannung gehen mußte: „Befiehl du deine Wege.“

Und der streitbare Mann an der Orgel, Sebastian Bach, gab, von Begeisterung erfaßt, sein Bestes.

In immer neuer Gestalt brauste der Choral herab, umrankt von Tongewinden, wie man sie noch nie gehört hatte, durchflochten von Zwischenspielen, die sich in seligen Fernen zu verlieren schienen.

Aber wenn auch das Ohr von der herrlichen Musika gefangen wurde, zu folgen vermochte die ungelehrte und jetzt außerdem erregte Gemeinde nicht. Eine Stimme nach der andern schwieg. Der Gemeindegesang stockte. Ein angstvoller Augenblick plötzlicher Stille trat ein.

„Ach, das schlimme Omen!“ seufzte in einem der letzten Frauenstände Fieke.

Da – als öffne eines der vergoldeten Engelsköpfchen den Mund – erhob sich eine süße hohe Frauenstimme, und in die donnernde Orgel hinein klang es mit unfehlbarer Sicherheit: „Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.“

Die verwirrte Versammlnug fand sich wieder zurecht und schloß sich zum letzten Vers an.

Dann verließen die Kirchengänger eifrig flüsternd das Gotteshaus.

Auch Magdalene war mit ihrer Mutter auf den von zarten Gräsern überzogenen Pfarrhof hinaus getreten.

Sie war so blaß wie das Spitzenbusentuch, das sie über dem schwarzen Kirchenanzug trug. Warum hatte sie auf der Treppenstufe aus alter Gewohnheit sich umgeblickt? Sie konnte doch nun wissen, daß Christian ihr nicht wie sonst eine Reverenz machen, saondern an ihr vorbeisehen würde.

Die Menschen teilten sich; die Hofkutsche rasselte langsam hindurch, erfüllt von Lachen und Plaudern.

Auf dem Ehrenplatz saß Kiliane neben dem Kammerherrn. Sie hielt eine Bonbonnière auf den Knieen. Mutwillig zog sie plötzlich dem Kammerherrn die Papierblättchen aus dem Gesangbuch, vierteilte sie blitzschnell und begann ihre Zuckerplätzchen und Makronen einzuwickeln.

Dann warf sie fröhlich dieselben den Kindern, die am Wege standen und neugierig ihre landesüblichen Stumpfnäschen vorstreckten, zu.

Christian bekam ein ganzes Bündelchen, um das Marzipanherz gehüllt, das in seinen gezogenen Hut flog.

Der Kammerherr zappelte förmlich, aber Eichfeld auf dem Rücksitz hielt schützend seinen Hut zwischen ihn und die flinken Finger.

Dann steckte Kiliane begütigend dem Kammerherrn wie einem zornigen Papagei ein Pfeffernüßchen in den Mund und lachte übermütig, als er sich der Anziehungskraft der rosigen Fingerspitzen nicht erwehren konnte.

Magdalene sah noch, wie auch der Junker die Lippen hinhielt, um von Kilianes Hand eine Süßigkeit zu erhaschen, wie sie die dargereichte überzuckerte Kirsche erfaßten und dann an der zarten Hand trotz ihres Widerstrebens sich festzusaugen schienen, während es förmlich aus den großen grauen Augen loderte.

Ah, das war das Eichhörnchen des Sylvesterabends?

Die Kutsche rollte davon; mit der aufgeschriebenen Predigt trieb ein warmes Sommerlüftchen sein Spiel.

Den Rest barg eben Struve in seiner Westentasche.

Das alles sah Magdalene. Nun vernahm sie das erleichterte Aufatmen ihrer Mutter.

Für den Augenblick wenigstens war der Beweis gegen den Vater vernichtet, durch die koketten Künste einer Dame, über die sie sich hoch erhaben gedünkt hatte.

Und was hatte sie geleistet?

[631] Aus dem Stolz ihrer Tugend heraus, die ihr auf einnml hart und trocken erschien, herbe Worte gesprochen, an die sie jetzt nur mit Beschämung denken durfte.

Da ging er hin – war es möglich? – stracks auf Bärbchen Marei zu.

„Die Demoiselle Bachin ist dem Monsieur Bach gewachsen,“ sprach er mit seiner lauten Stimme, die nie etwas verhüllen wollte. „Die ganze andächtige Versammlung muß der Demoiselle dankbar sein für den erhebenden Trost, den sie mit ihrer schönen Stimme gespendet hat.“

Das Waldvöglein knixte lächelnd. „Daß ich die Gemeinde nicht umwerfen lassen darf, habe ich schon als Kind bei meinem seligen Vater gelernt. Die kleinen Waldteufel sangen oft genug ins Blaue hinein.“

Da entstand ein Gepolter auf der Orgeltreppe. Sebastian Bach kam herabgestürmt. Seine mannhafte Gestalt erschien, Freude im Angesicht, auf dem sich das Ungebändigte der einst unehrlichen vagabundierenden Spielleute zu einer stolzen Freiheit verklärt hatte.

Ohne auf die finstern Blicke der Gemeindemitglieder zu achten, die er durch seine Variationes irre geführt hatte, brach er sich Bahn durch sie und rief schon von weitem. „Base, Du bist’s gewesen, die neulich unter meinem Fenster gesungen hat! Ich habe die Stimme wiedererkannt.“

Sie kicherte wie eine Lachtaube. „Als Du herausschautest, war ich schon fortgelaufen. Nun kann ich’s nicht mehr leugnen. Hier der Herr Sekretarius hat mich dabei erwischt. Ich weinte, als ich Dich meines seligen Vaters Motette so schön spielen hörte; er glaubte, es sei mir ein Unglück geschehen.“

Jetzt lachten alle Drei.

„Nun mußt Du mit mir musizieren,“ befahl Bach. „Ich habe eine Kantate im Kopf.“

„Ach ja, ach ja,“ jubelte sie.

„Kannst Du von Noten singen?“

„Kannst Du eine Bachin so fragen?“

Die Welt versank für das Musikantenpärchen; es entflog in das Reich der Töne.

Mit einem wehmütigen Blick sah Struve ihm nach. Dann wandte auch er sich rasch und verließ den Pfarrhof.

Und Magdalene hatte im Vorübergehen auch das gehört. Sie krampfte die Hände um das Gesangbuch, als müsse sie sich an etwas festhalten.

Ihr eifersüchtiger Verdacht zerflatterte als Hirngespinst. Ungerecht, kleinlich stand sie vor Christians Augen, sie, die sich immer erhob, daß man sie keines Fehls zu zeihen vermöchte.

Mit zitternden Füßen folgte sie ihrer Mutter nach Haus.

Die blasse Frau legte ergebungsvoll das Gesangbnch an seine Stelle. „Dem Gedanken an den jungen Struve müssen wir Valet sagen. Solche Männer werben ehrlich, aber schmachten nicht lange einer Frau nach. Sie leben vor allen Dingen ihrem Amt, ihrer Pflicht, und wenn die Frau ihnen dabei liebevoll zur Seite steht, hat sie einen gesegneten Beruf. Schade, daß dieses Glück verscherzt ist. Ich wüßte Dich jetzt so gut bei ihm geborgen.“

Da richtete sich Magdalene auf. „Das wäre seit heute doch vorbei. Der Vater hat seines Amtes gewaltet und wird auch hinfüro sich nicht darin beirren lassen. Aber es wird ihm widerfahren wie allen, die mit der Wahrheit bei denen anklopfen, die nur die Schmeichelei zu hören gewohnt sind. Er wird endlich von Amt und Brot kommen. Auch“ – sie hielt inne: sie hatte „Christian“ sagen wollen – „auch Herr Struve hat ernste Folgen vorausgesehen. Ihn mit in das Schicksal unserer Familie ziehen, mich ihm als Last aufbürden, das wäre unserer, wäre meiner nicht würdig. Mein Platz ist jetzt an Eurer Seite, und ich hoffe zu Gott, daß ich wenigstens in Zukunft den rechten Weg, ohne zu schwanken, finden werde.“

Dann ging jede in ihre Schlafkammer, „um den Kirchenstaat abzulegen,“ sagten sie; in Wahrheit aber, um in einem stillen Gebet Kraft zu erringen. –

Auch Struve kehrte zurück in sein großes schönes Haus.

Es war ihm noch nie so öde vorgekommen wie jetzt. Die Menschen wissen oft selbst nicht, wie sehr ihre Phantasie ihre Umgebung belebt mit Gestalten, sie verschönt, bereichert. Sie merken’s erst, wenn der holde Zauber vorüber. Das Licht in der magischen Laterne war ausgelöscht.

Selbst sein anhängliches Gesinde machte lange Gesichter: vorüber die Hoffnung auf Hochzeit, auf alle die fröhlichen Feste, die Familien feiern.

Und neben dem Herzenskummer begleitete ihn noch eine andere nagende Sorge: am heutigen Tage lief die Frist ab, die Weimar in seinem Ultimatum gesetzt hatte.

Schließlich ging auch dieser Tag zu Ende. Tief verstimmt legte Struve sich nieder und schloß die brennenden Lider.

Da sah er aus der Dunkelheit das stille blasse Gesichtchen Magdalenes wie heute aus dem braunen Kirchenstuhl hervorschauen, unsäglich wehmütig, immer blasser werdend, zurückweichend – in die Ferne entschwindend. Er wollte rufen – die Zunge war ihm wie gelähmt.

Dann fuhr Kiliane im Wagen, daß die Hufschläge ihn im Kopf dröhnten, durch die Stube. Lachend, schäkernd zerpflückte sie alle seine wichtigen Aktenstücke, die wohlgeordnet auf dem Schreibpult lagen, und dazu hob Bärbchen Marei einen Triller an, immer stärker, immer lauter, daß er auffuhr.

Was waren das für unziemliche Träume von einem verständigen Mann mit rechtschaffenen Sitten?

Aber der Triller hielt an – der Morgen schien herein: es war Trompetengeschmetter!

Er warf sich schnell in sein Hauskleid und stürzte erschrocken an das Fenster.

Eben entschwand der Reiter um die Ecke: er trng die weimarischen Farben.

Der Kurier hatte die Nacht hindurch reiten müssen, um den Beginn der Feindseligkeiten anzuzeigen.

Das Schicksal hat eben seine besondere Art, die Menschen über ihre Leiden zu erheben: es legt ihnen noch schwerere auf, welche sie die ersten vergessen lassen.


In dem hohen Conseilsaal, von dessen Gobelinbehang die gelassenen Züge des weisen Salomo still herniederschauten, reihten sich um die grüne Tafel die zum Geheimenrat berufenen Würdenträger.

Am untersten Ende saß der Geheimsekretarius Struve, den Blick voll Mißachtung auf die lässigen Räte gerichtet.

Mit einer Miene, die aus Bestürzung, Niedergeschlagenheit und Verlegenheit zusammengesetzt war, sagte der Kanzler: „Der Versuch, durch Hinzögerung Weimar nach und nach gefügiger zu machen, ist fehlgeschlagen. Der Kurier hat ein Schreiben des Herzogs gebracht, darin er erklärt, den Knoten mit dem Schwert zerhauen zu wollen.“

„Unerhört! mit Waffengewalt den ruhigen harmlosen Nachbar zu bedrohen!“ tönte es klagend um die Tafelrunde. „Welche Verlegenheit!“ „Was sollen wir thun?“

„Es muß sofort ein Kurier mit einem unterthänigen Pro memoria nach Aachen geschickt werden,“ stotterte ein Hofrat.

„Der braucht sechs Tage hin, sechs Tage her,“ antwortete verzweifelt der Rentamtmann, den Schweiß von der Stirn trocknend. „Unterdessen haben wir den Feind längst hier und sind schon halb aufgefressen.“

„Dann wollen wir in Weimar die Abwesenheit des Fürsten melden und unterthänigst um Aufschub bitten,“ riet schlotternd ein Kammerrat.

Der Kapitän der Schloßwache lachte in seinen steif gewichsten Bart. „Das ist nicht Kriegsbrauch. Sie werden sich hüten und warten, bis wir mit allem fertig sind.“

„So werben wir Bundesgenossen,“ ließ sich eine bebende Stimme vernehmen. „Gotha zum Beispiel.“

„Das ist zu groß für uns,“ wehrte vorsichtig eine ebenso ängstliche ab.

„Es dürfte uns gehen wie dem Frosch, der Schutz beim Storch suchte. Aber Hildburghausen hat auch ein Kriegsheer auf die Beine gestellt.“

„Von Generälen, Obersten, Majors und höchst distinguierten Uniformen für die Mannschaften in blau und karmoisin; aber es stecken keine Kerle drin,“ brummte der Schloßhauptmann.

„Und kann uns kein anderer Hof mit einem Zug Gardereiter zu Hilfe kommen?“ klang es wie ein Notschrei.

„Gardereiter haben meistenteils bequastete Spieße aber keine Pferde; nur kleine Kinder reiten auf Stöcken,“ schallte es dagegen.

[632]

Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde.
Nach einem Gemälde von Chr. Speyer.

[633] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [634] „Hm, hm,“ machte der Kanzler. „Solche Erwägungen dürfen wir zur Ruhe stellen. Schutz- und Trutzbündnisse abzuschließen – davon steht nichts in meinen Vollmachten.“

Der hohe Rat war ratlos.

Struve saß vor seinem Stoß starken grauen Aktenpapieres, ohne die Feder zum Protokoll zu rühren.

Diese Stunde, wo er im Namen der Regierung, der er diente, tiefste Demütigung empfand, war für ihn zugleich die Stunde einer Erleuchtung. Er sah ein, daß weltliche Ordnungen, die ihm bisher unverletzlich erschienen waren, zusammen brechen konnten wie morsche Stäbe.

„Nun, was rät Er?“ fragte der Justizienrat. „Er ist doch sonst immer mit Mund und Feder bei der Hand.“

Struve stand rasch auf und sprach: „Wir müssen allsogleich einen Boten nach Sondershausen abordnen. Die nächsten Agnaten sind auch am nächsten am Geschick unsrer Landschaft beteiligt. Ihre Pflicht und ihr Vorteil heischen gleichermaßen, dafür mit einzutreten, daß selbige nicht verarmt. Der Erbprinz Günther ist nicht nur ein weiser, sondern auch ein entschlossener Herr. Er wird ohne Zögern in Weimar sich für uns verwenden, und man wird seinem Wort Gehör schenken, da es Aussicht auf eine Verständigung in der kommenden Zeit eröffnet. Und diese Hilfe ist rasch erreichbar. Nach Sondershausen kommt unser Kurier in einem Tag. Ebenso schnell kann eine Botschaft von dort gen Weimar gelangen.“

Einen Augenblick saßen die Herren still, überlegend. Aber immer bedenklicher spannten sich die Brauen. Ein Schütteln der Perücken begann, ein abfälliges Murmeln, das in den Worten endlich sich Luft machte: „Den Nachfolger anrufen?“ „Es würde als Konspiration mit dem nächsten Erben gegen unsern Herrn aufgefaßt werden!“ „Wir würden in die tiefste Ungnade fallen!“

Struve fuhr glühend empor. „Was will eine Ungnade besagen gegen das Bewußtsein, weibisch furchtsam seiner Pflicht gefehlt zu haben? Die Seufzer derer auf sich geladen zu haben, zu deren Schutz und Schirm man bestellt ist, von deren Steuern man bezahlt wird. Wer den Titel Rat führt, der sollte eingedenk sein, daß ihm obliegt, dem Herrn des Landes, der nicht wie Gott allwissend und allgegenwärtig ist, aufklärend und zum Rechten zuredend zur Seite zu stehen – nicht aber ein Jaknecht zu sein.“ Er schleuderte das Wort, vom Zorn übermannt, in die Versammlung hinein.

Hochauf fuhren auch die andern. „Beschimpfung der Vorgesetzten!“ „Gelbschnabel!“ „In Arrest schicken!“ stürmte es durcheinander.

„Es war keine bestimmte Beschuldigung, nur allgemeine Reflexion,“ wehrte der Kanzler, entsetzt, daß man sein Arbeitspferd einsperren wollte.

„Die Herren sehen,“ fuhr Struve mit erhobener Stimme fort, „daß mit Schweigen ein Recht nicht aus der Welt geschafft wird. Und wie Sie auch sich wehren mögen, das Ende wird doch ein gütlicher Vergleich sein. Man wird Opfer bringen müssen, um dasselbige abzulösen.“

„Schweig’ Er mit Seinen landesverräterischen Anschlägen,“ krähte der Justizienrat.

Der Kanzler schnitt abermals die Diskussion ab. Voll Würde an seiner langen Nase herabsehend, sagte er: „Kommen wir zur Sache. Ein Pro memoria für Seine Durchlaucht auszuarbeiten, liegt dem Herrn Hofrat ob.“

Struve krampfte die Finger um seinen Gänsekiel. Durch den Hofrat hatte er das Wort „Schneckengang der Justiz“ begreifen lernen.

„Ferner haben wir die Milizen einzuberufen, daß sie ihrer Pflicht gemäß das Land schützen, soweit ihre Kraft reicht. Herr Kriegsrat, das ist Seines Amtes. Benachrichtige Er die Offiziere des Defensionswerkes: den Hauptmann und Mehlhändler, die Lieutenants, als da sindt der Beutlermeister, der Leineweber und der Schlosser, und halte Er Beratung mit ihnen. – Einer der Herren muß auch nach der Augustenburg fahren und Ihro benachrichtigen von der drohenden Kriegsgefahr. Ich ersuche den Herrn Schloßhauptmann, diesen Auftrag zu übernehmen. Sonst haben wir in beregter Sache für jetzt nichts mehr zu thun.“

Er verbeugte sich zur Entlassung.

Die zornglühende Stirne über seinen Stoß Papier beugend, schrieb Struve mit vor Empörung fliegenden Fingern das Protokoll und die gefaßten Beschlüsse nieder.

Von den hochmögenden Räten wurde er keines Blockes gewürdigt.


Krieg! Das Wort durchlief die Stadt. Alle alten Greuelgeschichten des Dreißigjährigen Krieges wachten wieder auf. Die schrecklicheu Historien von den Einfällen der Franzosen in der Pfalz, von dem Zug der Türken bis vor Wien, die vor ein paar Jahrzehnten die Menschen mit Entsetzen erfüllt hatten, gingen wieder von Mund zu Mund. Hießen doch noch alle Bluthunde an der westlichen Grenze nach dem französischen General Melac, wurde doch noch immer im Kirchengebet Schutz gegen die Türken erfleht.

Der alte Stelzfuß, der als Reiterbube die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges mitgemacht hatte, war die gesuchteste Persönlichkeit.

Bei seiner Abendpfeife am Thorturm, den er als Ruheposten bewohnte, um Feuersbrünste durch Stürmen anzuzeigen, umlagerte ihn ein großer Kreis, der atemlos lauschte, wie die Kroaten kleine Kinder am Spieß gebraten hatten. Es mußte aber bald zum Klappen kommen; denn der Stelzfuß war bereits bei Kriegsvölkern des fernen Ostens angelangt, welche stählerne Schnäbel und Klauen hatten und mit Ketten gefesselt waren, bis sie auf den Feind losgelassen wurden. Eine Steigerung war kaum denkbar.

So rasch die Kriegsereignisse in den Erzählungen der Einwohnerschaft vorwärts schritten, so langsam rückten die Verteidigungsanstalten der Residenz von der Stelle.

Der alte Schloßhauptmann ließ täglich an der verrosteten und verquollenen Zugbrücke der Neidecke ölen und schrauben. Sie wich und wankte nicht.

Die Leibgardisten verstanden wohl den Spieß bei Staatsaffairen zu pflanzen, nicht aber ihn zur Verteidigung des Schlosses, die ihnen oblag, zu fällen. Die Milizen verantworteten sich, sie könnten ihre Kraut- und Rübenäcker nicht unbestellt lassen; die Schornsteine müßten doch gefegt werden, „auf daß der Stadt kein Schaden geschicht“.

Als sie dann mit längst veralteten Waffen aufzogen, wurde männiglich klar, was eigentlich die Benennnug Spieß- und Schildbürger bedeutete.

Der Stadtlieutenant ließ zwar Schwanzkugeln gießen und prahlte: „Ich schieße die Weimarischen, daß ihnen der Rauch aus dem Hals geht!“ und der ergraute Stadtwachtmeister ließ seinen großen Säbel schleifen und rückte seinen Dreispitz auf Krakehl. Aber als man endlich die Stadtsoldaten hinter ihren Wollspinnrädern hervorgebracht hatte, thaten sie sich auch nur durch die roten Nasen hervor, die sie durch eifrige Inanspruchnahme von gebranntem Magenwasser sich zugezogen hatten. Die Schlösser an ihren alten Musketen gingen entweder nicht auf oder nicht zu.

Da wurden die weniger gangbaren Thore vermauert, damit nicht eine Zersplitterung der Streitmacht stattfand.

Denn also war es zu jener Zeit bestellt um die Wehrhaftigkeit des heiligen römischen Reiches deutscher Nation.

Nächtlicher Weile drang Schaufelklang aus den Kellern und Gärten.

Auch der Superintendent begab sich eines Tages mit Kirchner und Kastenknecht ganz in der Stille nach den Gruftgewölben der Kirche hinab, um altem Brauch gemäß die goldenen und silbernen Altargeräte unter morschen Holztruhen und kupfernen Särgen zu verbergen.

Da tönte gedämpft von oben Orgelklang und Gesang herab. Die Kirchendiener erschraken und horchten. War das auch Spuk?

Aber als sie langsam empor stiegen aus den Räumen des Moders wurde der Schall immer stärker und klarer.

„Alles, was Odem hat, lobet den Herrn!“ jubilierte eine hohe Stimme, und die Orgel umschlang die Melodie mit so behendem Tongerank, als tanze ein Riesengeschöpf aus der Urzeit einen fröhlichen Reigen.

Das waren doch nicht die kleinen Kurrendeschüler, mit denen der Kantor musizierte!

Aufs äußerste befremdet, betrat Olearius durch die Pforte des Kreuzganges sein Gotteshaus.

„Ruhe!“ gebot er mit mächtiger Stimme.

[635] Die Musik brach ab; nur dumpf brummte die Orgel nach. „Wer singt da oben?“

„Hochehrwürden, ich bin’s, die Marei Bachin,“ zwitscherte es herab.

„Wir probieren die erste Stimme meiner neuen Kantate,“ erklärte Sebastian Bach eilig, als sei damit die Sache erledigt, und wendete sich wieder seinen Noten zu.

„Ist es je erhört worden, daß in einer Kirche ein Frauenzimmer sich unterfängt, auf der Orgel seine Stimme zu erheben? Singe Er mit Seiner Base, wo Er will, nur nicht in der Kirche. Hier fungieren der Schülerchor und die Adjuvanten,“ donnerte Olearius so kräftig empor, daß die kunstvoll sich aufbauenden Fugensätze, die in der Seele des jungen Kantors mächtig erklangen, übertäubt wurden.

„Ich kann es mit den dummen Jungen nicht aushalten,“ rief er trotzig herab, die schön gewölbte Musikerstirn unmutig kraus ziehend.

„Wer das Geld nimmt, kann auch die Plage auf sich nehmen. Ich werde die Sache im Konsistorium zur Sprache bringen.“ Und mit dröhnenden Schritten entfernte sich der Superintendent.

Bach ließ sich wieder an der Orgel nieder.

„Nun, Meister,“ wendete er sich an den Bälgetreter, „mache Er, daß Er wieder auf seine Välge kommt.“

„Er will weiter musizieren?“ fragte dieser versteinert.

Bach hörte ihn nicht. Sein Geist kehrte gleichsam heim zu seinen Tongebilden. Leise gab er die Melodie an.

Bärbchen Marei blickte ihn halb furchtsam, halb andachtsvoll an. „Die Dissonanzen dürfen doch nicht in der Luft hängen bleiben,“ antwortete sie mit schüchtermem Scherz für ihn. „Sie könnten spuken.“

Der Bälgetreter haspelte sich wieder auf seine Bälge hinauf.

Als gebe es nirgends schwierige Verwicklungen, unlösbare Hindernisse, führte Sebastian Bach die abgebrochenen Stimmen zu einer mächtigen in sich ruhenden Harmonie.

Dann verließ er stumm die Kirche.

Bärbchen Marei trippelte bang neben ihm her. Mit dem Ahnungsvermögen der Liebe fühlte sie: die Antwort auf die Strafpredigt des Superintendenten stand noch bevor, und sie würde keine gefügige sein.

Plötzlich sagte er: „Ich melde mich nach Mühlhausen; dort suchen sie einen Kantor.“

Es fuhr ihr durch alle Glieder.

Er sah nicht, wie sie erblaßte. –

Ein paar Stunden später war in dem Kantorenhäuschen die Sippe Bach versammelt.

„Hat Er denn wenigstens bescheidentlich Urlaub genommen, auf daß nicht die ganze Familie allhier durch Ihn in Verruf kommt?“ mahnte scharf die Muhme Wedemannin, eine ehrsame ältliche Jungfrau, die auf einem mit schwarzem Leder bezogenen Stuhl am Fenster saß.

„Urlaub?“ fragte Sebastian zerstreut und kramte in den Fächern seines Schreibtisches Noten zusammen. „Hier, mein Vetter Ernst vertritt mich. Er mag die Sache besorgen.“

Ernst Bach, ein junger schmächtiger Mann, der den Orgelschlüssel bereits an sich genommen hatte, sagte schüchtern: „Die Herren könnten mich anfahren.“

„Ich will zu dem Herrn Sekretarius Struve gehen,“ erbot sich Bärbchen Marei. „Er ist ein guter Herr.“ Ihre Stimme erstarb. Die Erinnerung an die selige Frühlingszeit, wo sie unter dem Rosenbusch gesungen hatte, ging wie ein Stich durch ihr Herz.

Sie bog sich auf die feinen gewalkten Strümpfe nieder, die sie in ein Ränzel packte; Thränen fielen mit hinein.

„Wo will Er denn herbergen, wenn Er so in die Nacht hineinläuft?“ fragte geringschätzig die Wedemannin.

„Bei einem der Vettern in Wechmar oder Molsdorf, Bindersleben oder Erfurt,“ überlegte Sebastian.

Die Muhme nickte voll Mißachtung. „Ja, ja, wo zehn Meilen in der Runde ein Orgelist spielt, ein Hausmann vom Turm bläst, ein Stadtpfeifer dudelt, ist es gewiß ein Bach. Und immer nur auf einem Bein gesessen, immer in der Welt herum geflattert. Er wird es noch bereuen, Vetter Sebastian, daß Er die schöne Stelle so hinwirft. 84 Gülden und sechs gute Groschen, Korn, Holz und Haustrunk ungerechnet. Hat der verstorbene Kantor in Mühlhausen eine Tochter hinterlassen, muß Er sie heiraten ohne Barmherzigkeit. Das ist bei Euch Kantoren so Brauch.“

Bärbchen, die mit thränenden Augen weiter gepackt hatte, fuhr auf. „Das ist gewiß nicht wahr; sprich doch, Bastel!“

Sebastian lachte. „Auf diese Weise hat allerdings Buxtehude in Lübeck die Stelle an der Marienkirche erhalten. Wie hieß es doch in seinem Hochzeitscarmen:

„Zwar es kam ihm sauer an,“ sang er nach einer gravitätischen Melodie.

Die Muhme rümpfte die Nase. „Ein recht feiner musikalischer Scherz.“

„Hab’ ein Auge auf die Instrumente, Bärbchen,“ sagte er, sich dieser zuwendend.

„Was hilft ein Auge, wenn die Weimaraner sie spolieren wollen?“ fragte die Wedemannin ärgerlich.

„Weimaraner spolieren?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf.

„Sie kommen doch als Feinde,“ schrie die Muhme, als habe sie es mit einem Tauben zu thun.

Er wachte auf aus seiner Zerstreutheit. „Such’ den Stabstrompeter auf uud bitte ihn, daß er sich der Sache annimmt. Ich kenne den Mann, habe ganze Abende mit ihm musiziert, als ich noch in Weimar war.“

Jungfer Wedemannin schlug die Hände über den Kopf zusammen. „Zu der rohen Soldateska schickt Er das junge Mädchen!“

Sebastian sah sie verwundert an. „Der Stabstrompeter ist ein sehr braver Bratschist.“

Sie zuckte verächtlich die Achseln. „Er wird aus Seinem musikalischen Dusel erst aufwachen, wenn sein Cembalo den letzten Seufzer ausgehaucht hat und seinen Violinen der Leib eingetreten ist.“

Bach wurde nun doch bedenklich. „Ich kann ja die beste mitnehmen. Leg’ sie in den Kasten, Bärbchen Marei, wir schnallen den oben auf das Ränzel.“

Bärbchen bettete schon die kostbare Geige in den Kasten. Sie breitete die Decke darüber, die sie für seinen Liebling gearbeitet hatte. Ein Stückchen veilchenblaue Seide von dem Brautkleid ihrer Mutter hatte sie mit Epheublättern verziert, die aus Pergament geschnitten und mit Seide und Goldfäden überstickt waren.

„So, nun ist alles in Ordnung!“ sagte Sebastian, den Riemen des Ränzels schnallend.

Die Muhme schlug abermals die Hände zusammen. „Das soll Ordnung sein!“ Sie deutete auf die rings durcheinander liegenden Kleider, Wäschestücke, Noten.

Bärbchen Marei begann, still aufzuräumen.

Er nickte ihr zu und nahm das Ränzel auf die Schultern. „Lebt wohl zusammen!“

„Behüt’ Gott!“ sagte Bärbchen Marei.

„Glückliche Reise!“ riefen die andern, und alle gaben ihm das Geleite vor die Thür.

Noch weilten seine Gedanken bei seinem alten Freund Buxtehude. Leise sang er vor sich hin dessen Kampflied gegen den Fürsten der Hölle: „Trotz! Trotz! Trotz! Dem alten Drachen!“

Die Wedemannin war noch bei der Mühlhäuser Kantorentochter. „Wenn sie auch ein alter Drache ist,“ meinte sie, „er nimmt sie doch, wenn die Orgel neu und schön ist.“

Bärbchen Marei sah ihm nach, die Hand schützend über die braunen Augen haltend, während er rüstig davon wanderte in den warmen Abend hinein.

Das Waldvöglein hatte seinen Sommer gehabt, da es singen und jubilieren durfte. Nun wird der kalte Winter kommen. Da wird es verstummen.

Wer fragt danach? Das hatte die Natur nun einmal so eingerichtet.

Die Drossel fiel ihr wieder ein, die sie als Kind in einem „Vahlsgebüwere“, wie man auf dem Wald die Vogelbauer nennt, bewahrte. Als im Herbst die rufenden Stimmen der davonziehenden Gefährten durch die Tannen hallten, saß die braune Sängerin dicht an die Holzstäbchen gedrückt und sah mit einem Blick so voll Sehnsucht hinaus, daß es sie barmte und sie ihr das Thürlein öffnete.

Das war ein Jubelruf, mit dem sie entflog, so hell, so selig – die glückliche Drossel!

Bärbchen Marei aber mußte in ihrem „Vahlsgebüwere“ bleiben. Sie setzte sich in ein Winkelchen und weinte sich satt.

(Fortsetzung folgt.)

[636]

Taubstumm geworden.

Von Dr. Rudolf Haug.


Taubstumm werden?“ fragst du verwundert, verehrte Leserin; du hattest gedacht, ein Taubstummer würde immer als solcher geboren. Nein, dem ist nicht so! Nicht von den Unglücklichen, die mit diesem Gebrechen behaftet zur Welt kommen, wollen wir heute sprechen, sondern auf die Armen, die als Vollsinnige die erste Zeit ihres Lebens verbrachten und nachträglich erst Gehör und Sprache verloren, auf ihre Leidensgeschichte wollen wir einen kurzen Blick werfen.

„Herr Doktor! ich weiß nicht, was das mit meinem Jungen ist“ – so spricht mich in der Klinik eine junge Mutter an, indem sie mir einen scheinbar kerngesunden, pausbäckigen Knaben von fünf Jahren vorführt – „er will gar nicht sprechen lernen; ich glaube, er hat eine schwere Zunge. Meinen Sie nicht, daß es besser würde, wenn man ihm die Zunge löste? Er muß aber auch schlecht hören, denn ich kann ihm rufen, schreien, läuten, es geht ohne Eindruck an ihm vorbei, und das Sprechen hat ganz aufgehört. Früher hat er auf alles aufgepaßt, auf das kleinste Geräusch, und hat auch schon ganz nett angefangen, nachzuplappern. Aber ich dachte, er entwickelt sich eben ein bißchen langsam; jetzt bin ich aber doch ängstlich geworden.“

Ich untersuche das Kind und kann, obschon das Trommelfell und die Teile des sogenannten Mittelohrs sich vollständig normal verhalten, feststellen, daß es auf beiden Seiten taub, gänzlich taub für alle und jede Tonwelle ist. Das Kind ist taubstumm und wird es bleiben zeitlebens!

Ich setze der armen Mutter so schonend als möglich mein trauriges Resultat auseinander, sie ist zu Tode erschrocken und Thränen stürzen ihr aus den Augen, als sie ihren Einzigen, ihren Liebling nur noch als einen halben Menschen weiß.

Wie aber ist es gekommen, daß das Kind, das doch über zwei Jahre gut, recht gut gehört hatte, taub geworden ist?

Im Alter von zweieinhalb Jahren war der Knabe, nach Aussage der Mutter, nur kurze Zeit unter starkem Fieber und heftigen Kopf- und leichteren Rückenschmerzen, begleitet von Bewußtlosigkeit, krank gewesen, hatte dabei kaum über das Ohr geklagt, allein als er aufstehen sollte, konnte er sich nicht erheben, er fiel um bei den Gehversuchen, ebenso litt er noch einige Zeit an Schwindel. Das alles verlor sich bald, aber die Empfindungslosigkeit gegen Töne und Geräusch aller Art, die schon während und besonders nach der Erkrankung auffiel, schwand nicht mehr; das Kind war durch eine Hirnhautentzündung taub geworden. Das ist eine und zwar eine der häufigsten Ursachen der erworbenen Taub- und Stummheit.

Ein anderes Bild.

Vor mir steht ein vierzehnjähriges, sonst gut und kräftig entwickeltes Mädchen, das mich mit scheuem, unstetem und mißtrauischem Blicke mustert. Sie hatte früher schon über ein Jahr die Schule besucht und war bei dem Lehrern wegen ihrer raschen Fassungsgabe, ihrer Aufmerksamkeit und ihres Fleißes beliebt gewesen und hatte ihren Platz immer unter den Ersten gehabt. Da bekam sie an ihrem siebenten Lebensjahre das Scharlachfieber, währenddessen sich eine Ohrentzündung auf beiden Seiten entwickelte, die das Trommelfell zerstörte. Deswegen war sie aber damals noch nicht taub, sie hörte allerdings schlechter, aber man konnte noch ganz gut mit ihr reden. Die Eiterung, die sich eingestellt hatte, ließ man ruhig fortschreiten, ohne sich um sie zu kümmern; „es wird schon gut werden von selbst, wenn sie sich entwickelt,“ hieß es. Statt dessen aber ging die Sache einen ganz anderen Weg – der Eiter fraß die Knochen an, die Gehörknöchelchen faulten heraus und von Tag zu Tag nahm ihr Gehör ab, bis sie völlig taub war. Anfänglich sprach sie noch klar, bald aber wurde die Stimmgebung monoton, verschwommen, dann schließlich rauh und unartikuliert; jetzt stößt sie rauhe, harte, unverständliche, tierähnliche, grunzende Laute aus, sie ist taubstumm geworden durch eine vernachlässigte Ohrerkrankung.

Verallgemeinern wir diese zwei der Wirklichkeit entnommenen Fälle, so können wir sagen, daß es in frühester oder früher Kinderzeit erworbene schwere Allgemeinerkrankungen, wie Gehirnhautentzündung, Mumps – auch der scheinbar so harmlose und gutartige Tölpel oder Mumps kann völlige Taubheit zur Folge haben – Scharlach, Diphtherie, Masern sind, aus denen die Kinder, je nach Lage der Umstände, als Taube hervorgehen und, wenn diese Ertaubung vor dem achten Jahre etwa eintritt, taubstumm werden können. Das ist das Gewöhnliche; viel seltener kommt es vor, daß ein Kind sein Gehör durch einen Sturz, Fall, durch Verletzung des Ohres bei den Versuchen, eines hineingeratenen Fremdkörpers habhaft zu werden, durch plötzlichen Schreck oder ererbte Krankheiten verliert.

Wie kommt denn nun eine solche erworbene Taubstummheit überhaupt zustande? Das ist das Wichtigste und Interessanteste für uns. Zu dem Zwecke müssen wir aber zurückgreifen auf die Art und Weise, wie wir hören und sprechen lernen.

Das Ohr kommt gleich dem Auge so ziemlich vollentwickelt zur Welt, deshalb sieht aber und hört ein Neugeborenes noch nicht völlig – es müssen sich erst beide Funktionen allmählich entwickeln. Die Außenwelt, alles was uns umgiebt, ist es, was die Schulung unserer Sinnesorgane bewirkt. Aus unserer Umgebung dringen die Schallwellen als Töne oder Geräusche auf das jugendliche Ohr ein, es in einer gewissen Weise erregend. Jetzt wird das vorher gewissermaßen stumpf gewesene Sinnesorgan zur Aufmerksamkeit gezwungen, es empfängt die Töne nicht nur, sondern es leitet sie weiter auf das Centralorgan über, woselbst sie die Empfindung des Hörens auslösen. Je öfter nun dieser Weg der Sinnesleitung betreten wird, je häufiger er also geübt wird, um so schärfer und deutlicher werden allmählich die einzelnen Klangbilder vernommen und voneinander unterschieden werden müssen. Es werden mithin jetzt die Töne in ihrer verschiedenen Qualität und Reihenfolge ins Gehörcentrum übertragen und von diesem aus findet ein entsprechender Eindruck auf eine andere Gehirnpartie, das Sprachcentrum, statt; von diesem letzteren aus werden sie weiterhin auf reflektorischem Wege auf die den Sinneseindruck auslösenden nervösen Bahnen im stimmerzeugenden Apparate, im Kehlkopf, übergeleitet: das junge Menschenkind versucht den Schalleindruck durch die Stimme wiederzugeben, am Anfange noch unsicher, bald aber treffend.

Dazu kommt nun noch ein weiterer außerordentlich wichtiger Umstand; alle Eindrücke auf unser Gehirn von außen her, mögen sie sein welcher Natur sie nur immer wollen, hinterlassen in ihm Erinnerungsbilder, und es liegt auf der Hand, daß, je öfter solche Sinnesreize eingeleitet werden, das Bild derselben ein um so klareres, schärferes und zugleich mehr und mehr festes, unverrückbares und unvergeßliches werden muß. Was früher viele Mühe gekostet hat, bis es verstanden wurde, durch diese Einübung wird es im Augenblicke gehört und auch richtig erklärt, bezw. gesprochen.

Wir haben instinktiv angefangen zu sprechen. Das aber wiederum beruht auf dem jedem Geschöpfe der Tierwelt eigenen, mehr oder weniger ausgesprochenen Nachahmungstriebe; er ist es, der uns alles, Sprechen, Hören, Sehen, Fühlen und Deuten, im Laufe der Zeit durch die immer und immer wiederkehrende Benutzung und Uebung der betreffenden Nerven lehrt. Und all diese verschiedenen und verschiedenartigsten Bilder muß das jugendliche Gehirn notwendig in sich aufnehmen, um das Vollmaß zur Bildung der Begriffe zu erreichen, ohne welche eine ersprießliche Weiterentwicklung einfach unmöglich ist. Nun ist es aber durch die Erfahrung, durch die mannigfachsten Beobachtungen erhärtet und zweifellos richtig, daß nahezu der gesamte geistige Bildungsstoff dem sich ausbildenden menschlichen Individuum, dem Kinde, nicht auf dem Wege des Sehens, sondern eben hauptsächlich auf dem des Hörens zugeführt wird. Die weitaus größte Anzahl der Begriffe wird uns sowohl in der Familie als in der Schule durch Vermittlung des Ohres, durch die Worte der Eltern und Geschwister sowie der Lehrer eingeprägt.

Die natürliche und unabweisbare Folge einer in der allerfrühesten Kindheit erworbenen sehr hochgradigen Schwerhörigkeit oder Taubheit muß daher darin bestehen, daß ein Kind, das überhaupt keine Töne und Geräusche zugeleitet erhält, vermöge der Funktionszerstörung des Gehörorganes auch keine das Hören betreffenden Erinnerungsbilder sammeln und auf die Sprachsphäre überleiten kann; es wird der Weg zum Sprechen nicht betreten

[637]

Zur Sauregurkenzeit in Lübbenau.
Nach einer Originalzeichnung von F. Müller-Münster.

[638] werden können: das Kind wird taubstumm, es lernt überhaupt nicht sprechen.

Taubstummheit kann aber auch, wie unser zweiter Fall zeigt, als spät erworbene auftreten, wenn ein Kind nicht nur zu sprechen begonnen, sondern sogar schon die Sprache geläufig beherrscht hatte; dies tritt ein bei einer Ertaubung im Alter von etwa sechs, sieben Jahren.

Aber wie kann das sein, fragst du, daß eine einmal vorhandene Sprachfähigkeit wieder völlig erlischt?

Der Grund hiefür ist einfach genug. Es sind bei einem Kinde in dem genannten Lebensabschnitte die Bahnen, wenn ich mich so ausdrücken darf, noch nicht so ausgetreten, so gründlich begangen, es haften die Erinnerungsbilder noch nicht so unverrückbar fest in ihrem Centraldepot; es werden, wie ein nicht mehr gebrauchter Weg auf einer Wiese von Gras überwuchert wird und bald unerkenntlich ist, die vorhandenen Erinnerungsbilder mehr und mehr erblassen, da von außen keine neuen mehr eingeführt und die alten nicht wiederholt werden, bis sie endlich infolge des Reizmangels gänzlich verschwinden; die Nervenbahnen werden des Leitens mehr und mehr ungewohnt, sie veröden.

Sehr falsch wäre es, glauben zu wollen, daß bei solch taubstumm Gewordenen gleichwie bei den taubstumm Geborenen irgend etwas am Stimmapparate fehle, was beim Volke oft seinen fälschlichen Ausdruck findet in dem Angewachsensein der Zunge, weshalb „die Zunge gelöst werden müsse“, etwa wie bei einem Star, dem man das Sprechen beibringen will; der Kehlkopf, die Stimmbänder, die Zunge, das alles ist für gewöhnlich bei einem Taubstummen völlig normal in Ordnung und doch kann er nicht sprechen.

Die Sprache wird durch das Ohr beherrscht, geleitet; das Ohr lehrt uns die unendliche Modulationsfähigkeit unseres Stimmorganes; ein schöner Gesang, ein guter ansprechender Vortrag ist nur dem möglich, der im Vollbesitz seiner Gehörsfunktion ist.

Man mag mir da vielleicht entgegenhalten, Beethoven, der große Heros, war ja auch taub und hat trotzdem noch seine wunderbaren musikalischen Tonwerke zu schaffen vermocht. Gewiß war Beethoven in späteren Jahren, nachdem sich die Erkrankung schon frühzeitig in geringerem Grade eingestellt hatte, taub. Er hat auch seine eigenen Werke nicht mehr hören können, aber bei ihm waren die Tonbilder in all ihren feinsten, nur denkbaren Abstufungen mit einer solchen wunderbaren, unverwischbaren Klarheit noch zur Zeit des guten Hörens eingeprägt worden, daß die Erinnerung an sie in Verbindung mit der ihm eigenen echt künstlerischen Genialität es ihm ermöglichte, alles innerlich Erlebte, musikalisch wiedergeboren, in die wahre, hehre, mit ergreifender Macht auf das Gemüt des Hörers eindringende Formgestaltung zu bringen.

Wäre aber bei Beethoven diese Taubheit nicht erst im gereiften Alter bei lange völlig intakt entwickeltem Organismus aufgetreten, sondern schon in früher Kindheit, so wäre der große Künstler, der selbstschaffende, formende Genius unfehlbar überhaupt nicht zur Entwicklung gelangt: wir hätten nie einen Beethoven unser eigen nennen können.

Indes müssen wir immer festhalten, Beethoven war eine jener genialen gottbegnadeten Ausnahmenaturen, denen eben manches gelingt, was einem gewöhnlichen Durchschnittsmenschen in seiner Lage nicht mehr zu erreichen möglich ist.

Uebrigens wäre man sehr falscher Meinung, wollte man glauben, das Leiden habe keinen Einfluß auf die Schaffenskraft und besonders auf die Schaffensfreudigkeit des Tonheros gehabt; diese Taubheit war der böse Dämon, der Fluch, der ihn der Verzweiflung nahe brachte, der aus ihm einen mißtrauischen, einsamen Mann machte, dem beinahe jede Lebensfreude vergällt schien.

Welch’ gewaltigen Einfluß das Ohr auf die Sprache, ja auf das ganze Thun und Lassen, auf die ganze Existenz hat, können wir noch häufig genug bei Erwachsenen, die infolge irgend welcher Erkrankung hochgradig schwerhörig oder taub geworden sind, beobachten. Während beim Kinde sich die Sprachfähigkeit völlig verliert, indem die Stimme, mehr und mehr rauh, bis zur unartikulierten, tierischen Stimmgebung herabsinkt, sehen wir beim Erwachsenen, meist nicht gar lange Zeit nach Verlust des Gehörs, die Sprache ganz gleichmäßig eigenartig monoton werden, es fehlen alle Hebungen und Senkungen des Rhythmus, dazu wird sie noch recht oft hackend, skandierend, stockend, so daß man einen derartigen Patienten sofort erkennt, sobald er nur den Mund aufmacht. Dabei verfallen solche Personen sehr leicht in zwei Extreme; die einen schreien unnatürlich, ohne Veranlassung laut, da sie annehmen, andere Menschen verständen ebenso schlecht wie sie selbst, oder aber, andere wieder sprechen übermäßig leise in dem Glauben, sie steigerten ihre Stimme in einer für den Durchschnittsmenschen unangenehmen Stärke. Aber auch in geistiger, psychischer und moralischer Beziehung äußert die Taubheit einen sehr ungünstigen Einfluß; es macht sich bei allen Tauben eine gewisse Aengstlichkeit, außerordentliche Empfindlichkeit, Mißtrauen und Mißmut neben einer gewissen Unklarheit und Verschwommenheit bemerkbar, was eben alles einfach ein Resultat des Bewußtseins ihres Zustandes ist; sie halten sich für nicht vollwertige Menschen und sind deshalb zuweilen ungerecht gegen sich und andere. Sie geraten deshalb in den Ruf, boshaft, bösartig oder beschränkt und verstockt zu sein, obschon sie thatsächlich nichts weniger als das sind.

In Wirklichkeit sind sie arme bemitleidenswerte Menschen, sie sind „vom Menschlichsten im Leben, vom Leben mit den Menschen“, von dem harmonischen Zusammenwirken mit unserer Mitwelt bis zu einem gewissen Grade ausgeschlossen, es wird ihnen das Dasein, der Lebensgenuß in einer bitteren Weise vergällt, ganz abgesehen von den schweren Folgen, die durch das Nichtmehrausübenkönnen eines Berufes und dergleichen erwachsen können.

Kehren wir zu unseren Taubstummen zurück und werfen, ehe wir zum Schlusse kommen, noch einen kurzen Blick auf die Verbreitung der Taubstummheit überhaupt, der angeborenen sowohl als der erworbenen.

Nehmen wir die Bevölkerung der gesamten Erdoberfläche zu 246 Millionen Menschen an, so hat sich an der Hand der statistischen Untersuchungen ergeben, daß sich hierunter 191000 Taubstumme befinden; es treffen also im Durchschnitte auf je 10000 Menschen 7,7 Taubstumme. Den niedrigsten Prozentsatz mit 3,35 Taubstummen auf je 10000 Einwohner zeigen die Niederlande, den höchsten die Schweiz mit 24,5; Deutschland steht mit 9,66 dieser Unglücklichen auf je 10000 seiner Bewohner ebenso wie Oesterreich etwas über der Durchschnittsziffer. Gewiß recht bedeutende Zahlen! Als Eigenheiten dürfen wir nicht unerwähnt lassen, daß das männliche Geschlecht im allgemeinen überwiegt und daß die Taubstummheit in Gebirgsgegenden häufiger zu finden ist als auf dem Flachlande.

Und nun fragst Du mich zum Schlusse, kann man denn einem solch’ furchtbaren Leiden nicht abhelfen, nicht vorbeugen?

Bis zu einem gewissen Grade lassen sich beide Fragen bejahen.

Wenn wir auch den verheerenden Folgen einzelner das Ohr betreffenden Erkrankungen wie Gehirnhautentzündung, Mumps so ziemlich machtlos gegenüberstehen, so könnte und kann doch noch viel gerettet werden durch eine sorgsame Ueberwachung und durch eine geradezu peinlich durchzuführende Schulung des etwa noch vorhandenen Restes von Gehörsinn, indem man mit solchen armen Kleinen tagtäglich häusliche Sprachübungen anstellt, ihnen langsam, laut und deutlich zuerst nur die Vokale vorspricht und dann langsam allmählich auf Worte, die die Namen von in der Umgebung befindlichen Gegenständen, Personen, Tieren bezeichnen, übergeht; dabei soll immer auf den betreffenden Gegenstand mit dem Finger gedeutet und das Wort so lange wiederholt werden, bis es wirklich nachgesprochen ist. Es ist wunderbar, welch günstige Erfolge man da noch, freilich nur bei niemals erlahmendem Fleiß und Eifer, erzielen kann; aber Geduld erheischt es, und wieder Geduld und dann erst recht die Geduld eines Engels! Das wäre vor allem die Aufgabe der Mutter eines solch unglücklichen Kindes; sie kann es vielleicht dadurch noch der drohenden geistigen Nacht entreißen. Und überhaupt ist diese Methode, bei der man zugleich die Kinder lehren kann, die Lautbildung von den Lippen abzulesen – eines der Haupthilfsmittel aller hochgradig Schwerhörigen und Tauben – die beste, einfachste, sicherste und erfolgreichste, aber auch mühevollste!!

Viel besser dran sind wir bei den z. B. nach Scharlach entstandenen Gehörleiden; hier kann eine zur rechten Zeit richtig eingeleitete ärztliche Hilfe außerordentlich viel erreichen, ja in vielen Fällen kann das Gehör, auch wenn es schwer erkrankt gewesen war, wieder ganz oder wenigstens nahezu ganz hergestellt werden; es kann hier der Taubheit und mit ihr der Stummheit vorgebeugt werden. Leider aber geschieht dies nur in einer verhältnismäßig geringen Anzahl; man sieht den Ohrenfluß sogar für etwas Heilsames an, das die bösen Säfte vom Körper ableitet und [639] um keinen Preis vertrieben werden darf, da er sich sonst auf die Augen oder innere Organe schlägt. Dieses – ich bitte zu verzeihen, wenn ich angesichts der traurigen, so häufigen Folgen etwas heftig werde – verwünschte Gehenlassen hat schon manches jungblühende Menschenleben geopfert, hat schon Tausende von Existenzen untergraben, ihre Entwicklung verhindert. Es ist ja zweifellos besser geworden in den letzten Jahrzehnten, aber immer werden noch oft genug die furchtbaren Folgen solcher Ohrerkrankungen zu wenig beachtet.

Ganz abgesehen von der Taubstummheit als Folge möchte ich hier nur ganz kurz darauf hingewiesen haben, daß solche Ohreiterungen nicht bloß bezüglich der Zerstörung der Hörfunktion ins Auge gefaßt werden dürfen; es wohnt ihnen allen eine unmittelbare Lebensgefahr inne und keiner, der an einem ungeheilten Ohrenflusse leidet, ist auch nur einen Tag sicher, daß er nicht einer vom Ohr aus sich entwickelnden Blutvergiftung oder einer Entzündung, die sich auf das Gehirn fortsetzt, zum Opfer fällt; er gleicht, wie ich andernorts einmal gesagt habe, einem Manne, der mit brennender Cigarre auf einer offenen Pulvertonne sitzt.

Aus diesem Grunde haben auch die Lebensversicherungen ihr besonderes Augenmerk auf alle gerichtet, die mit Ohrenfluß behaftet sind, sie werden grundsätzlich nicht aufgenommen.

Zu Beginn der Erkrankung muß der Hebel angesetzt werden, da kann und wird beinahe immer eine Heilung zu erzielen sein! Später, wenn das Leiden monate- und jahrelang gedauert hat, ist es sehr, sehr schwer, ja oftmals wegen der bereits erreichten Zerstörungen gar nicht zu heilen, und die Eltern müssen sich gar oft in einem solchen Falle an die Brust schlagen und sagen „Zu spät; unser Kind ist ein geistiger Krüppel durch unsere eigene Säumnis!“ Wenn es tot auf der Bahre vor ihnen liegt, dann freilich wird das bittere Weh der Selbsterkenntnis, der Selbstanklage gar manches Elternherz durchwühlen, allein zu spät, zu spät! –


Die braune Marenz.

Erzählung von Charlotte Niese.

     (2. Fortsetzung.)

Am folgenden Nachmittage kamen Milo und ich aus der Privatstunde, in der wir nachgesessen hatten. Das kam daher, weil wir uns gänzlich in der Zeit versehen hatten und eine halbe Stunde zu spät gekommen waren. Eine Viertelstunde ließ Herr Sörensen uns immer hingehen, weil er unsre leichtsinnigen Neigungen, jedem fliegenden Vogel nachzusehen und bei der Gelegenheit lange stehen zu bleiben, kannte. Aber eine halbe Stunde Verspätung mußte er bestrafen und alle Entschuldigungen halfen uns nichts.

Das Nachsitzen war aber für uns eine Folter, und als wir die dumpfige Schulstube verlassen hatten, waren wir in etwas gereizter Stimmung. Ich sagte, Milo sei schuld daran, daß wir zu spät gekommen seien, und Milo behauptete, wenn ich nicht den Schmetterling auf Frau Dornings Grab betrachtet hätte, dann würde er die Zeit nicht verpaßt haben.

„Aber ich wollte doch sehen, ob der Schmetterling wie Marenz aussähe!“ verteidigte ich mich. „Die Leute sagen, sie würde jetzt auch so fein werden wie ein Schmetterling, wo sie vorher eine braune –“

„Ach was!“ unterbrach Milo mich. „Sieh mal, da fliegen zwei Störche!“

Darauf stellten wir uns hin und sangen:

„Adebahr, Du goder, bring uns en lütten Broder.
Adebahr, Du bester, bring uns ne lütte Swester.“

Und darauf wurden wir wieder sehr vergnügt, obgleich wir gar keinen Grund zur Freude hatten. Denn wenn man nachgesessen hat, muß man doch eigentlich wenigstens eine Stunde hinterher traurig sein.

Aber das Wetter war so schön, und da es auch noch früh am Nachmittage war, so lag die Welt mit ihren Freuden im Sonnenschein vor uns. Der Weg führte hinter der Straße, an einigen Gärten und Wiesen entlang. Verwöhnte Leute, die aus großen Städten kamen, fanden nicht viel an diesem Wege, der bei uns „hintenum“ hieß – aber für uns bot er viel Sehenswertes.

Da waren zwei kleine Gewässer, die uns viel Spaß machten. Das eine lag etwas zurück und sein Wasser war dunkelblau. Hier spülte der Färber Weiß seine Wollsachen, die alle indigoblau waren, und er selbst war auch schon ganz blau geworden. Wir fragten ihn einmal, weshalb er Weiß hieße und nicht Blau – da spritzte er uns mit dem blauen Wasser und wir liefen jubelnd davon.

Das zweite Wasser lag hart am Wege und seine Farbe war grau, manchmal sogar schwarz, besonders dort, wo die Bäume standen, die den Teich an drei Seiten einfaßten. Hier hielten sich häufig einige Waschfrauen auf, die ihr Zeug spülten und an einem festen Tische klopften. Sie sprachen viel bei dieser Beschäftigung und es war manchmal ganz interessant, ihnen zuzuhören. Aber sie jagten uns wohl fort; oder sie erzählten uns von einem Gespenst, das hier am späten Abend auf dem Tische sitzen und schreien sollte. Abends gingen wir nun grundsätzlich nicht „hintenum“, aber am hellen Tage sahen wir auch manchmal nach dem Gespenst aus, weil wir fest glaubten, uns im Sonnenscheine nicht zu fürchten. Wir haben es leider niemals gesehen.

Milo meinte aber an diesem Nachmittage, seinen Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen. Als wir uns dem kleinen Waschtümpel näherten, faßte er meinen Arm und flüsterte eifrig: „Dort sitzt das Gespenst!“

Aber er irrte sich. Es war die braune Marenz, die auf dem großen Waschtische saß und starr in das dunkle Wasser blickte. Sie bemerkte uns gar nicht, sondern knöpfte wie mechanisch ihre rosa Kattunjacke auf und zu. Der Schatten eines großen Baumes fiel auf sie und wir konnten ihr Gesicht nicht ordentlich sehen – aber wir bemerkten doch, daß sie ganz sonderbar aussah.

„Guten Tag, Marenz!“ riefen wir. „Willst Du hier waschen?“

Sie fuhr ein wenig zusammen und sah uns verstört an.

„O – Kinners, seid Ihr das? Geht man nach Hause!“

Ihre Stimme klang müde und sie knöpfte wieder an der Jacke.

Einen Augenblick betrachteten wir sie zweifelnd. Sie sah so anders aus wie sonst, sie lachte nicht und ihre Augen lachten auch nicht. Dann liefen wir die Stufen hinunter, die zum Teiche führten und setzten uns neben sie auf den Tisch.

„Magst Du hier gern sitzen?“ fragte ich. „Hier spökelt es, und ein Geist läuft hier manchmal herum, ein furchtbarer Geist!“

„Das ist eine Waschfrau, die hier ins Wasser gesprungen ist, weil sie – weil sie –“ Milo, der diese Worte gesprochen hatte, gab mir einen Puff, daß ich beinahe auch ins Wasser plumpste. „Sag doch schnell, weshalb sie ins Wasser gegangen ist!“

Aber ich wußte es leider nicht mehr.

„Ich glaube, sie hatte gestohlen!“ sagte ich aufs Geratewohl und Milo lachte verächtlich.

„Dummes Zeug, es war ganz etwas anderes! Nun weiß ich es, ihr Bräutigam war weggelaufen!“

„Und nun spökelt sie!“ ergänzte ich.

Marenz hatte bis dahin kein Wort gesagt – nun wandte sie mir ihr blasses Gesicht zu.

„Ich mag abers nich spökeln!“ sagte sie mit einem leisen Schauder.

„Nein!“ – ich dachte einen Augenblick nach. „Weißt Du, wenn ich ein Geist wäre, würde ich immer nur am Tage spökeln – das muß lustig sein. O – ich würde die Leute schon erschrecken! Aber des Nachts möchte ich nicht spökeln!“

„Ein Geist muß aber gerade des Nachts spökeln,“ rief Milo. „Das ist gerade seine Strafe, nicht wahr, Marenz, wenn die Waschfrau sich hier ertränkt hat, dann muß sie auch bestraft werden. Am Tage zu spökeln ist keine Strafe – das ist ein Vergnügen, nicht wahr, Marenz?“

Aber Marenz antwortete nicht. Sie strich sich die blonden Haare aus der Stirn und sah schweigend vor sich hin.

Und wir beide sprachen noch eine Zeit lang über die Gespenster, die in der Stadt umgehen sollten. Marenz saß dabei und äußerte gar keine Ansicht, was uns einigermaßen erstaunte, [640] weil sie sonst so viel sprechen konnte. Und als wir ihr von einem Geist erzählten, der auf den Händen gehen sollte und von verschiedenen Menschen gesehen worden war, da schlug sie gar nicht die Hände über dem Kopf zusammen, wie das sonst ihre Gewohnheit war, sondern sie sah immer wieder in das häßliche Wasser.

„Du hörst gar nicht zu, wenn wir Dir etwas erzählen!“ bemerkte Milo jetzt etwas empfindlich. „Was hast Du nur? Und weshalb knöpfst Du Deine Jacke immer auf und zu? Willst Du Dich ausziehen? Das thut man doch sonst nur in seiner Schlafstube.“

„Ja, ich wollte mir ausziehen!“ murmelte Marenz. „Die Jacke is mich denn doch zu schade!“

„Wofür? Sie ist ziemlich schmutzig, finde ich. Wofür ist sie zu schade? Mag Herr Dorning sie nicht leiden?“

Das Mädchen war plötzlich zusammengefahren.

„Herr Dorning –“ wiederholte sie und ihre weißen Zähne gruben sich in die Unterlippe. „Ich wollt, was ich tot wär!“ murmelte sie nach einer Weile.

Wir betrachteten sie wieder.

„Sag mal, Marenz – magst Du ihm wirklich keinen Kuß geben, und ist es wahr, daß Du hungern mußt, wenn Du das nicht willst? Ich möchte aber nicht hungern!“

Ich hatte gesprochen und die Gefragte wandte plötzlich den Kopf nach mir, während sie mich bis dahin gar nicht angesehen hatte.

„Was die Leute nich allens wissen!“ sagte sie finster. „Nu weiß so’n Kind wie Du das all, was bei uns ins Haus passiert! Ja, was die ohlsch Oltem is, die kann ja den Mund nich halten! – Was will er von mich?“ rief sie plötzlich wild auf. Ich hab ihn nix gethan – nich das Allergeringste! Was kann ich dafor, daß ich sein Geld finde und er mir nachher wiedersieht! Darum brauch ich ihm doch nich zu nehmen und Frau Olten braucht mir nich zu slagen und einzusperren und mich kein Essen zu gönnen, bloß, weil ich ihm nich will! Was soll ich mit ihn? Wenn er jedwede Nach auf seine Thalers liegen und slafen kann, denn is es ja gut – ich kann es nich! Ich will mein Slaf nich hergeben, mein Slaf und mein Frieden bloß um ein Berg Thalers zu haben, Oltensch sagt, weil ich aus’n Armenhaus komm, sollt ich mir bedanken, daß mir so’n Glück geboten wird. Du lieber Gott! Will ich nich zehnmal lieber ins Wasser – ins Armenhaus gehen, as – –“ sie schauderte wieder zusammen und wir hörten ihr zu mit der ganzen Andacht von Kindern, die etwas vernehmen, von dem sie nur die Hälfte verstehen.

„Du willst Herrn Dorning also nicht heiraten?“ fragte ich weiter – „dann heirate doch Johann Kühl –“

Milo unterbrach mich. „Ach nein, der war neulich böse auf Marenz! Weißt Du nicht mehr? Er war mit ihr hingefallen!“

„Das hat er Euch verzählt?“ Marenz schien Herrn Dorning zu vergessen und wurde ganz rot. „Ja, da konnte ich doch nix bei thun, wo er mir mit einmal wegrutschte! Denn tanzen kann er nich besonders. Abers darum –“ sie seufzte – „darum is er doch gut – so gut! Abers er will nu doch nix mehr von mich wissen, wo Oltensch das so gut for mir besorgt hat!“

Sie lachte ein wenig bitter und sah darauf träumend in den Himmel.

„Vorgestern und den Tag vorher is er zweimal an unsern Laden vorübergegangen und hat ümmer in Fenster eingekuckt, weil daß er mir doch gewiß sprechen und fragen wollt, ob das wahr wär, was die Leutens von mich verzählen. Abers ich durfte nich aus die Thür gehen – Oltensch paßte auf mir und is nich mal zum Slafen gegangen. Und ich hat so’n Sehnsucht, ein klein Wort mit Johann zu snacken. Wo ich ihm doch sagen wollt, daß ich den alten Kerl nich haben mag und auch nich mag, daß Oltensch mannichmal so gräsig freundlich mit mich is. Ich soll denn patuh mit sie in ihr beste Stube sitzen, wo all die gehäkelten Deckens liegen, und denn verzählt sie mich, was ich mich allens kaufen kann, wenn ich Dorning sein Frau bin! Abers das will ich nich werden – nie und nimmer, und Johann muß das auch von mich glauben, daß ich an sowas nich denk! Abers sagen wollt ich ihn das doch gern mal, weil daß alle Mannsleutens mannichmal so verdreht sind uud Slechtes von einen denken. Wie er nu gestern abend wieder an uns’ Hausthür vorbeigeht und die Ohlsch gerade nich bei die Hand is, lauf ich eilends hinaus und ruf: ‚Johann Johann, komm flink mal her!‘ Er kommp denn auch snell an; wie ich aber gerad den Mund aufthun will, da faßt mich ein an die Schulter und schieb mir weg. Da is das Oltensch, und sie stellt sich in Hausthür und schreit ganz laut: ‚Ja Johann, komm man mal her und kuck Dich den reichen Herrn Dorning sein Braut an! O – was is sie einmal glücklich und was haben die beiden sich einmal lieb! Willst auch zu Hochzeit, Johann, denn will ich Dich woll ne Einladung besorgen!‘ Abersten Johann hört ihr gar nich mehr, der hat sich auf die Hackens rumgedreht und is fortgegangen. Nich einmal hat er sich umgesehen. Nich einmal!“

Marenz atmete tief auf und preßte die Hände zusammen.

Wir saßen ganz still, und weil sie so traurig aussah, so hatten wir viel Mitleid mit ihr.

„Wenn Du Johann morgen wieder siehst, dann kannst Du ihn vielleicht sprechen!“ tröstete ich sie, aber sie lächelte sonderbar.

„Morgen? Weiß Du, wo ich morgen bin?“ Wieder blickte sie in das trübe Wasser, über das gerade ein kurzer Windstoß fuhr.

„Was soll ich noch auf diese Welt?“ murmelte sie halb für sich. „Johann mag mir nich mehr leiden und Oltensch quält mir vielleich so lang, bis ich es nich mehr aushalten kann und den alten dicken Mann noch nehme! Mit all die harten Thalerns, an die man sich ümmer stoßen thut!“ Sie schüttelte sich. „Abers jeden und jeden Tag Prügels und slechte Worte und denn kein ein, der sich um mir kümmert! Und wenn ich ihm nehm, denn sterb ich sowieso – da kann ich ja –“

„Wenn Du Herrn Dornings Frau wirst, dann kannst Du jeden Sonntag in der Kirche schlafen!“ bemerkte Milo. „Da brauchst Du nicht auf Speziesthalern zu sitzen – da sind bloß Holzbänke!“

„In Kirche?“ Marenz blickte unwillkürlich nach dem großen Kirchturm, der hoch in den blauen Himmel ragte und den man von unserem Platze so gut sehen konnte. Die Dohlen umkreisten ihn schreiend. Sie hatten ihre Nester unter dem Kupferdache und sie dachten wahrscheinlich, der Turm stände ihretwegen da.

„Ich bin gern in Kirche gegangen,“ sagte Marenz nachdenklich. „Uemmer hatt ich nich Zeit. Abers wenn ich Zeit hatt, denn war es schön, bannig schön. Die Predigt und das Singen und Allens!“

Sie seufzte tief auf und Milo nickte.

„Ich mag das Singen am liebsten. Und weißt Du, was ich auch gern möchte? Mit den andern Jungen zu singen, wenn jemand begraben wird! Das ist wunderhübsch! Aber ich bin noch zu klein dazu – ich darf noch nicht mitsingen!“

„Wenn jemand begraben wird!“ Marenz sprach die Worte unwillkürlich nach und dann sah sie wieder in das Wasser.

„Ich weiß nich, was ich soll!“ murmelte sie. „Kein Mensch hilft mir – kein ein, und wenn ich ihm heirate, denn werd ich elend, ganzen elend!“

Sie brach plötzlich in Thränen aus, und wir hatten sehr viel Mitleid mit ihr, obgleich wir ihren Kummer nicht verstanden. Aber wenn erwachsene Leute weinten, wurden wir immer gerührt und Milo rieb bereits an seinen Augen, während ich ein unangenehmes Gefühl im Halse fühlte.

„Weine doch nicht so,“ bat ich kläglich. „Es geht alles wieder über, sagte Herr Sörensen, als wir vorhin auch so weinten. – Sieh mal, fliegt da nicht Dein Kanarienvogel?“

Ein gelber Vogel war nämlich eben an uns vorbeigeschlüpft. Marenz schüttelte den Kopf, aber sie trocknete doch ihre Thränen.

„Der is in sein Bauer in meine Stube! O -“ sie fuhr in die Höhe. „Ich hab ihm gestern und heute gar kein Wasser gegeben, ich hab da nich an gedach! O, was bin ich slecht! Nu muß er am Ende sterben und allens kommp von den alten gräsigen Kerl den Dorning! Ich wollt, daß der hier im Wasser läge!“

Und sie ballte beide Hände mit zorniger Gebärde. Dann stand sie auf und strich sich die Haare aus der Stirn.

„Mein klein Tier soll nich verdursten! Is blos ein Weibchen und hat kein Swanz – abers Weibchens haben auch Gefühl! Adjüs ok, Kinners!“

Sie faßte uns beide an der Hand und sah uns mit seltsamem Blick an.

„Adieu, Marenz!“ sagten wir. „Es war sehr nett, mit Dir hier zu sitzen!“ setzte ich hinzu, und Milo meinte: „Ein andermal mußt Du aber nicht so weinen!“

Sie lachte kurz auf und ging davon, während wir uns nach der entgegengesetzten Richtung wandten.

[641]

Kriegsgefangen.
Nach einer Originalzeichnung von G. Schöbel.

[642] Unser Heimweg führte über den Kirchhof und da die Sonne noch hoch stand, so beschlossen wir, einmal nach einem Vogelneste zu sehen, daß sich in der Mauer am unteren Ende des Gottesackers befand. Als wir eilfertig den Weg hinabliefen, rannten wir beinahe einen Mann um, der gemächlich vor uns herschritt und einen Kranz aus Buchsbanm trug.

„Kinners, Kinners!“ schalt er verdrießlich, „habt Ihr denn kein Augen im Kopf?“

Aber er schalt zu spät. Wir waren doch gegen ihn angeprallt und hatten ihm den lässig angefaßten Kranz aus der Hand gestoßen. Nun sammelten wir ihn wieder auf und murmelten eine flüchtige Entschuldigung; aber damit war er nicht zufrieden.

„Was’n Manier!“ schalt er. „So auf’n Kirchhof zu spengtakolieren, wo man still und bescheiden gehen muß!“

Es war Herr Dorning, der uns diese strenge Ermahnung gab, und an Anbetracht seiner Speziesthaler, die auch uns Kindern Achwng abnötigten, standen wir bescheiden still und hörten ihm andächtig zu.

„Ich kann Dir ja den Kranz tragen!“ meinte Milo und Herr Dorning wurde etwas weniger ungnädig.

„Nn, for meinswegen! So’n Buchsbaum is auch ümmer klebrig – ich mag das Kram nich in Hand haben. Abers weil heut ihr Geburtstag is –“

„Wo soll der Kranz hin?“ fragte Milo.

Der Gefragte deutete zögernd und unwirsch auf das Grab seiner Frau.

„Nu natürlich, dorten, wo das hohe Kreuz steht! So’n Kreuz is hier nich auf’n ganzen Kirchhof! Fünfhunnert Bankthalers und denn das Gitter! Smiedeeisen!“

Er war wieder ganz vergnügt geworden und er klimperte mit einigen Thalern in der Tasche.

„Was kuckst mir an?“ fuhr er mich plötzlich an. Wahrscheinlich war ihm mein unverwandtes Anstarren nicht gerade angenehm.

„Ich dachte an den Schmetterling!“ sagte ich etwas bestürzt. „Du weißt, der Schmetterling auf dem Kreuz. War Deine erste Frau ein Schmetterling?“

Er lachte. „Nee, das nu gerade nich – abers –“

„Soll der Schmetterling denn Marenz vorstellen?“ unterbrach ich ihn eifrig, während er plötzlich stehen blieb und dröhnend auflachte.

„Das is drollig! Was’n Gedanke! Und was weiß so’n Ding wie Du von Marenz! Da bist zu dumm zu!“

Diese letztere Bemerkung reizte mich.

„Ich bin nicht dumm!“ sagte ich trotzig. „Du willst Marenz ja heiraten, das weiß ich ganz gut!“

„Nu natürlich, das kannst auch gern wissen!“ Dorning hatte beide Hände in die Hosentaschen gesteckt und lachte noch immer. „Heiraten is’n ehrliche Sache und wenn ich so’n armes Ding glücklich machen will, denn kann kein Christenmensch da was gegen sagen. Sollst mal sehen, was Marenz lustig wird, wenn sie erst bei mich auf mein feine Stelle wohnt!“

„Heute weinte sie!“ bemerkte Milo, der bis dahin geschwiegen hatte. Dorning zuckte die Achseln.

„Deerns heulen ümmer,“ bemerkte er dann gleichmütig. „Nu laß uns man weiter gehen!“

Aber er blieb doch stehen, weil ihm ein plötzlicher Gedanke kam.

„Seid Ihr denn bei Marenz gewesen?“

Wir verneinten.

„Da unten saß Marenz und weinte. Unten am Wasser, wo die Frauen immer waschen!“

Er runzelte die Stirn.

„Dumme Deern! Wo kann sie heulen wenn ich ihr doch bald heiraten thu! So’n Glück wie sie hat! Und denn weint sie? Ich will ihr kriegen!“

Er sah so finster aus, daß ich beinahe Angst vor ihm hatte nnd Milo anstieß, um gemeinsam fortzulaufen, aber Herr Dorning hielt mich plötzlich am Arme fest.

„Nee, da is nix von Weglaufen!“ sagte er, „Du sollst for mir nach Oltens gehen und sagen, daß sie auf Marenz passen! Sie soll nich wieder hier irgendwo rumsitzen und weinen! Das will ich nich! Hast mir verstanden? Da bringt sie mir ja in Snackerei, wo sie doch so’n banniges Glück hat. Ich hätt kein Zeit mehr, heut zu kommen, und Frau Olten sollt man auf ihr passen! Nu geh!“

Aber ich schüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht zu Frau Olten; die mag ich nicht leiden. Die schlägt Marenz!“

„Dummheit!“ brummte er. „Und Du bist erst rech dumm!“

Das war das zweite Mal, daß er mir Dummheit vorwarf, und ich wurde sehr beleidigt.

„Marenz mag Dich auch nicht leiden!“ rief ich heftig. „Die will Dich gar nicht heiraten! Sie mag Johann viel lieber; aber Frau Olten ist schlecht gegen Johann gewesen, obgleich der viel netter ist als Du!“

Milo nickte. „Ja, der ist netter,“ meinte er. „Das finde ich auch. Der ist lange nicht so dick wie Du und denn auch wohl jünger!“

„Viel jünger, natürlich!“ wiederholte ich. „Marenz hat auch so geweint!“

„Ja, die arme Marenz!“ sagte Milo und Herr Dorning stand ganz unbeweglich und sah bald Milo, bald mich an. Dann räusperte er sich und schüttelte den Kopf.

„Herr Du meines Lebens! Was seid Ihr for unartige Kinners! Sowas is mich in mein ganzen Leben nich vorgekommen! Na, wenn ich Euern Vater mal zu sehn kriege, den will ich was verzählen. Sowas von Lügen! O du meine Zeit!“

Seine letzten Worte regten uns sehr auf. Wir waren zur unbedingten Wahrhaftigkeit erzogen und jede Lüge, wenn sie einmal vorkam, wurde sehr bestraft. Nun wollte Herr Dorning unserem Vater sagen, daß wir lögen, wo wir doch die Wahrheit gesprwchen hatten.

„Wir lügen nicht!“ riefen wir beide.

„Marenz hat geweint!“ wiederholte Milo und ich setzte in höchster, ohnmächtiger Erregung hinzu:

„Ich wollte, daß Du im Wasser lägest, wie Marenz es möchte!“

Nach dieser Aeußermng wandte ich mich kurz ab, um davonzulaufen Herr Dorning hatte mich aber wieder am Arm gefaßt und ließ nicht los.

„Was hat Marenz gesagt? Sie will, daß ich in Wasser liege? Will sie an mein Leben?“

Er war ganz blaß geworden.

„Sie sagte, ich wollte, der alte gräsige Kerl läge hier im Wasser!“ wiederholte ich in dem angenehmen Gefühl, mit meinen Worten Eindruck zu machen.

In seiner Empörung ließ er mich jetzt los und fuhr mit der Hand über sein breites Gesicht.

„Du mein Heiland! Den alt gräsigen Kerl hat sie gesagt? Von mich? Von Krischan Detlef Dorning, vor den alle Leutens den Hut abnehmen? Und in Wasser will sie mir haben, wo gerade in Wochenblatt ein Geschichte steht, daß ein Frau ihren Mann totgeslagen hat? Da sollt ich mir in Gefahr begeben? Ich? Wo gerade die Saat auf meine Felders so gut steht und ich mich neue Starkens[1] gekauft habe, und ich mir so auf die Ernte freue! Der alt gräsige Kerl! Und Oltensch lügt mich ümmer was vor! Die sagt jedweden Tag, sie kommp sich, sie thut man so, sie schaniert sich, sie kann es nich aushalten vor Liebe! Denn will sie mir in Wasser smeißen! Was’n Segen, daß ich mir noch nich fesgemacht hab, wo ich noch ne Pattie in Holstein in Aussicht hab! Mit Geld und allens – bloß daß sie nich mehr jung is und Marenz vielleich ein büschen mehr nach was aussieht!“

Er seufzte kurz auf, schüttelte den Kopf und sah sich langsam um.

„Na Kinners, nu geht man nach Hause! Was’n Segen, daß ich nich in mein Elend renne, wo die Welt so angenehm is und ich die neuen Starkens aus Angeln kriege! Und denn wollt ich mir in Lebensgefahr begeben, wo ich gerade die Geschichte in Wochenblatt lese? Kinners und Narren reden die Wahrheit – man gut, daß ich Euch gesehen hab! Nee doch, nee doch! Der alt gräsige Kerl!“

Langsam ging er davon. Den Kranz, den Milo noch in der Hand hielt, vergaß er; auch sah er kein einziges Mal nach dem Grabe hin, dessen Kreuz so viel Geld gekostet hatte.

Wir sahen ihm mit einem sehr beklommenen Gefühl nach, weil wir uns nicht ganz klar waren, ob wir sehr artig oder sehr unartig gewesen waren. Aber wir brachten den vergessenen Kranz [643] nach Frau Dornings Grab, weil ihr Geburtstag war, und dann nahmen wir uns klüglich vor, zu Hause nichts von unserem Erlebnis zu erzählen.

Diese Vorsicht war insofern überflüssig, als wir, zu Hause angekommen, ziemlich erregt empfangen wurden. Man hatte uns bereits gesucht, erklärte uns für unverbesserliche Herumtreiber und hörte gar nicht einmal auf unsere Entschuldigung, daß wir wirklich gar keine Zeit gefunden hätten, eher zu kommen. Es war nämlich schon ziemlich dunkel geworden und man schickte uns ohne weiteres zu Bette.

So kam es, daß wir über diesem häuslichen Sturm, der unser unschuldiges Haupt traf, gar nicht mehr an die braune Marenz und an Herrn Dorning dachten. Auch wurden wir am folgenden Tage von so verschiedenen Seiten zur Artigkeit und Folgsamkeit ermahnt, daß sich wirklich eine kleine Wolke über unsere sonst so ungetrübt heitere Stimmung legte. Jürgen war auch verdrießlich, weil er gleichfalls irgend eine Sünde begangen hatte, und so dauerte es wohl einen halben Morgen, ehe wir die schöne Heiterkeit wieder fanden, die uns sonst selten verließ. Als wir aber vergnügt wurden, da hatten wir auch die Erlebnisse des gestrigen Tages fast vergessen.

„Es ist alles nicht wahr!“ sagte Heinrich im Tone großer Entrüstung. Er kam gerade aus der Schule und warf seinen Ranzen auf den Tisch, daß es krachte.

„Was ist nicht wahr?“ fragten wir.

„Nun, daß Herr Dorning die braune Marenz heiraten will. Das ist nur ein dummes Gerede gewesen und Christoph Olten sagt, seine Mutter würde sehr böse, wenn jemand sie frage, wann Marenz heirate. Sie kommt dort auch aus dem Dienst – Frau Olten will sie nicht länger behalten!“

Nein, es war alles nicht wahr. Herr Dorning saß im Wirtshause und verwahrte sich mit lauter Stimme, daß er jemals solch armes Mädchen habe heiraten wollen. Er hätte sie ein paarmal in die Backen gekniffen – das wäre alles gewesen, und er wundere sich, daß die Leute solch dummes Zeug glauben könnten!

Die andern aber versicherten ihm, daß niemand von ihm, dem reichen und klugen Herrn Dorning, so etwas Dummes erwartet hätte.

Worauf er dann mit der Hand auf den Tisch schlug, laut auflachte und einen Rundgang „ausgab“.

So erzählten die älteren Brüder, die es von erwachsenen Bekannten erfahren hatten, und jeder, der gedacht, Herr Dorning würde ein blutarmes Mädchen heiraten, schämte sich über seine eigene Leichtgläubigkeit. Marenz kam zum August aus dem Dienst bei Oltens, das erzählte man sich auch, uud als ich ihr einmal mit ihrem Brotwagen begegnete, redete ich sie darauf an.

„Nun, Marenz, willst Du von Oltens fort? Mama sucht auch zum August ein neues Mädchen!“

Marenz war sehr blaß und schmal geworden, aber sie nickte mir freundlich zu.

„Hast all gehört, daß ich abgeh? Ja, die Ohlsch will mir nich mehr – kein Mensch will mir mehr!“

Sie lachte ein wenig; aber in ihren Augen ftanden Thränen.

„Weinst Du, daß Herr Dorning Dich nicht will?“ fragte Jürgen, der plötzlich hinter mir aufgetaucht war, und sie schüttelte den Kopf.

„O nein - da is ein Gotteswunder passiert – ich mein, das muß daher gekommen sein, weil ich uns’ Herrgott so furchbar gebeten hab, er sollt mich doch helfen. O, was bin ich verkehrt gewesen! – Den einen Tag da meint ich, daß ich sterben mocht, abers –“ sie sah mich an und eine feine Röte stieg in ihre Wangen, „da is denn doch nix aus geworden, und war man gut, daß ich mir noch an denselbigen Tag ans Beten machte, wo den nächsten Morgen Brief kam von Herr Dorning, daß er mir nich wollte. Das wär ein Irrtum gewesen von seine Seite, schrieb er, und er hätt sein Leben auch lieb! – O, was hab ich mir gefreut, as Oltensch mich den Brief vorgelesen und ihn mich nahstens um die Ohrens geslagen hat – was hab ich mir gefreut! Bloß, daß ich nich begreifen kann, wie allens gekommen is! Abers, der alte Gott lebt noch, das is die Hauptsache, und er hat nich gewollt, daß ich zu die schrecklichen Thalers sollt, wo man ümmer Nach und Tag mit hüten muß!“

Sie setzte ihren Wagen wieder in Bewegung, Jürgen aber lief ihr nach.

„Haut Frau Olten Dich oft?“ fragte er und Marenz zuckte die Achseln.

„Mits Hanen is ße nich mehr so doll, wo sie ümmer so’n Snirren in den rechten Arm hat, was sie die Kraft nimmt. Abers sie smeißt mir gern mit’n Küssen, oders mit’n Swarzbrat, sie trifft abers nich gut. Das sollt’ mich auch schon einerlei sein, wenn sie man bloß nich so gräslich über Johann snacken und allens mögliche von ihn sagen wollt!“

Sie seufzte tief auf, während Jürgen rief:

„Sag das doch mal an Johann Kühl – der wird sie schon kriegen!“

„Sagen!“ Die Thränen stürzten ihr aus den Augen. „Wo kann ich ihn das sagen, wo er fort is! Mit Schiffer Meislahn nach Lübeck und Frau Olten sagt, Lübeck liegt in Rußland; ich abers kann nich herauskriegen, wo Rußland is! Und er is gegangen mit all die slechten Gedankens an mich – o, du lieber Gott, ich freu mir ja so, daß Herr Dorning mir nich will, wo ich das ja auch so gut begreifen kann – abers, daß mein Johann nu auch nich wieder kammt –“ sie konnte nicht weiter sprechen und fuhr schnell davon.

Schweigend sahen wir ihr nach, und dann beschlossen wir, unseren Vater nach der genauen Lage von Rußland zu fragen und Marenz darüber Bescheid zu bringen.

In den nächsten Tagen fanden wir keine Gelegenheit, zu ihr hinzugehen, und als wir uns dann nach dem Oltenschen Hause begaben fanden wir einen großen Menschenhaufen vor dem Hause, von dem wir erfuhren, daß Frau Olten der Schlag gerührt habe. Sie hatte irgend jemand, man wußte nicht genau, ob es der Bäckerbursche oder Marenz gewesen war, durchprügeln wollen und bei dieser Beschäftigung war sie hingefallen.

Ein solches Ereignis war natürlich für die ganze Stadt interessant, und auch wir standen einen Augenblick und betrachteten uns das Oltensche Haus, als wenn wir es noch niemals gesehen hätten; dann aber begaben wir uns wieder heimwärts, denn wir wollten doch die ersten sein, die unserer Familie die große Neuigkeit mitteilten.

Danach sahen wir die braune Marenz lange nicht. Sie fuhr nicht mehr aufs Land hinaus, sonderm besorgte die Wirtschaft, die Bäckerei und pflegte Frau Olten, die nämlich nicht gestorbeu war, sondern bald wieder im Lehnstuhl saß und sich im Werfen weiter übte. Sie war sehr verdrießlich geworden und quälte das ganze Haus, wie Christoph Olten den Brüdern klagte.

„For meinswegen hätt sie gern sterben können,“ vertraute er Heinrich an; „wo sie nu doch so gräslich is und uns allen slecht behandelt! Wenn Marenz nich da wär, denn wüßt ich nich, was aus allens werden sollt, und Vater hat schon gesagt, sie darf auf keinen Fall aus’n Dienst bei uns gehn! Sie kann gut arbeiten!“

Ja, das konnte sie. Auf der Straße sah man Marenz nicht mehr, kaum einmal vor der Thür; sie hatte so viel zu thun, daß auch ihr Gesicht einen ganz anderen Ausdruck bekam. Früher hatte sie immer so freundlich und sorglos ausgesehen – jetzt blickten ihre Augen ernsthaft und ihr roter Mund schien das Lachen verlernt zu haben.

„Du denkst wohl immer darüber nach, wieviel die Zwiebacke kosten!“ sagte Jürgen vorwurfsvoll zu ihr. Er und ich waren ausgeschickt, um dieses Gebäck einzuholen, und Marenz zählte sie sorgsam in den Korb: „Ein, zwei, drei, vier –“

Sie schlug die Augen auf und lächelte ein wenig.

„Da muß ich woll über nachdenken, wo Frau Olten das nich mehr kann!“

„Kann sie Dich noch schlagen?“ erkundigte Jürgen sich weiter und Marenz schüttelte den Kopf.

„Jedweden Tag wird sie swächer! Gestern wollt sie mir mit’n Weinglas smeißen, abers es rutschte sie man bloß so aus die Fingerns!“ sagte sie traurig. „Ich denk da oft an, wie schön es war, as sie noch hauen konnt! – Nu is das allens vorbei!“

Sie hatte so viel Mitleid mit der alten Frau, die in Kissen gepackt im Nebenzimmer saß und fortwährend vor sich hin schalt, daß auch wir nichts sagen mochten.

(Schluß folgt.)     


[644] Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Schwarzwälder Forellen.

Von J. J. Hoffmann.0 Mit Illustrationen von P. Bauer.

Sie wünschen?“ fragt der Ochsenwirt von Schapbach eine mit der Frühpost bei ihm angekommene Gesellschaft von Sommerfrischlern, welche sich für einige Tage bei ihm zu Gast gemeldet hatte.

„Zunächst eine kleine Stärkung, Wein mit etwas kaltem Aufschnitt, zum Mittagstisch jedoch eine tüchtige Portion frischer Bachforellen. Sie haben doch welche?“

„Gewiß,“ entgegnet der Wirt, „Forellen stehen dem Herrn Professor nach Belieben zur Verfügung, mein Vorrat wird täglich erneuert.“

„Nun, das ist ja köstlich, da werden wir von dem verlockenden Anerbieten wohl ausgiebig Gebrauch machen, nicht wahr, meine Lieben?“ und dabei wandte sich der Herr Professor zu einigen neben ihm stehenden Damen, welche sich unterdessen neugierig in der großen Gaststube umgesehen und verwundert bald die getäfelte Decke und die merkwürdigen Vögel rings an den niedern Wänden betrachtet hatten.

Der Professor war ein namhafter Gelehrter einer Hochschule, der alljährlich mit Frau und Töchtern einen Teil der Ferien in irgend einem schönen und stillen Fleckchen des Schwarzwaldes zu verbringen pflegte; heuer aber erstmals ins liebreizende Schapbacherthal gekommen war.

„Wenn der Herr Professor vielleicht selbst Liebhaber vom Angeln wären,“ wandte sich der Ochsenwirt wieder zuvorkommend an seinen Gast, „ich habe eigene Fischerei und —“

„Danke freundlichst,“ entgegnete dieser; „dieser Sport zählt gerade nicht zu meinen Liebhabereien, doch, wenn meine Töchter dem Vergnügen ihre freie Zeit widmen wollen – nun, wie meint Ihr, Meta und Ella?“

„Ach, Papa, das wäre herrlich!“

„Gut, gut!“ wehrte der Professor weiteren Freudenausbrüchen.

Aufbruch zum Fang mit dem Handnetz.

Dann zogen sich die Gäste auf ihre Zimmer zurück, um sich für die Dauer ihres Aufenthalts einzurichten.

An der Mittagstafel nahmen auch noch andere Fremde teil, und bald entspann sich eine lebhafte Unterhaltung über die verschiedenen Arten des Forellenfanges im Schwarzwald.

„Nach meinem Dafürhalten ist die Angelfischerei, wie solche nach dem jetzigen System fast allerwärts betrieben und namentlich vom bayrischen Fischereiverein nach Wilhelm Bischoffs Anleitung empfohlen wird, allen andern Methoden vorzuziehen,“ behauptete Mister Macdonald.

„Sie mag wohl manches für sich haben,“ entgegnete dem gegenüber Forstrat Lauterbach, „immerhin aber ist die Angelfischerei doch nur gewissermaßen ein Sport, eine Art Liebhaberei, und wenn unser Herr Gastgeber bei Erneuerung seiner Forellenbestände ausschließlich auf die Angel angewiesen wäre, so würde unsere Tafel in diesem Artikel oft sehr dürftig bestellt sein, nicht wahr, Herr Ochsenwirt?“

„Ganz richtig, Herr Forstrat,“ bestätigte der Gefragte, „auch würden unsere Fischpächter mit der Angelfischerei nur schwer zu ihrer Rechnung gelangen. Dies wissen dieselben recht wohl. Deshalb überlassen unsere einheimischen Fischer dieses Vergnügen den Fremden und verlegen sich hauptsächlich auf die sogenannte Raubfischerei. Dies füllt die Legel, die Fischtonne, und versorgt die Abnehmer jederzeit mit dem notwendigen Bedarf.“

„Wie? Raubfischerei?“ riefen betroffen etliche Stimmen zugleich aus der Tafelrunde. „Das wäre ja fast nicht glaublich!“

„Die Sache verhält sich ganz und gar nicht so schlimm, als die Herrschaften annehmen,“ entgegnete mit freundlichem Lächeln der Forstrat, „und von ,rauben‘ in schlimmerem Sinne ist dabei gar keine Rede. Es ist vielmehr ein Massenfang mit Hilfe verschiedenartiger, netzförmiger Geräte. Auch hierbei unterscheidet der Schwarzwälder ein doppeltes Verfahren. Hat er sofort eine Bestellung auszuführen, so bedient er sich beim Fange der sogenannten Watte oder des Handnetzes. Man nennt das sackförmige an zwei Stäben angebrachte Netz auch Hamen. Hat aber der Fischer zur Lieferung genügend Frist, so macht er sich’s bei diesem Geschäfte etwas bequemer, er wendet die Legnetze, die sogenannten Reusen an und läßt die Forellen von selber ins Garn schwimmen.“

„Ach, das ist ja sehr interessant,“ erwiderte da die Frau Professor, und zum Gastwirt gewandt, setzte sie noch hinzu: „würde sich nicht etwa Gelegenheit bieten, einem solchen Fang beiwohnen zu können?“

„Gewiß,“ gab der Ochsenwirt zur Antwort, „die Wattfischerei kann zu jeder Tageszeit vorgenommen werden, wenn sich die Herrschaften so sehr dafür interessieren, will ich gleich heute nachmittag ein Wattfischen veraustalten.“

„Bravo! Angenommen, Herr Ochsenwirt!“ schallte es zustimmend.

Während sich die Tafelgesellschaft noch über das bevorstehende Vergnügen unterhielt, schickte der Wirt einen seiner Jungen zum Müllerandres im Unterthal mit dem Auftrag, sich mit seinen Leuten nach 2 Uhr am Schappenwehr einzufinden.

Mehr braucht man dem Müllerandres nicht zu sagen, denn er weiß dann schon, um was es sich handelt. Mit emsiger Geschäftigkeit rüstet auch sofort Lisbeth, die schmucke Fischermaid, das erforderliche Gerät zusammen, Toni, ihr Bruder, wirft seine Bücher, über denen er sich gerade gelangweilt hat, etwas rascher als sonst in seinen Schulranzen, und bald befinden sich Vater, Tochter und Bruder auf dem Wege zum Wehr.

Jugendfrisch und heiter, wie der helle Sonnenschein, schreitet Lisbeth, die Fischtonne über die Schulter gehängt und die Wasserkelle in der Hand, ihren Begleitern rüstig voran, und dabei trällert sie ihr Liedchen, so froh und vergnügt, als wäre die ganze Welt nur zu Lust und Freude geschaffen und sie selbst darin die Glücklichste.

Lisbeths munterer Gesang lockt auch alsbald die Kurgäste im „Ochsen“ auf die Straße. Man schloß sich an und unter Sang [645] und Scherz in bester Erinnerung kam die Gesellschaft an der Bachschleuse an.

Am Wehr.

Während es sich die Herren und Damen nach Möglichkeit am Uferrande bequem machen, füllt Lisbeth ihre Tonne zur Hälfte mit Wasser, indessen der Fischer und sein Sohn die Watte in stand setzen. Die Watte, womit der Fischer die Forelle einfangen will, ist ein sackartiges Netz und in der Weise an zwei Stäben angebracht, daß sich die Oeffnung zwischen denselben befindet. Durch Nähern oder Auseinanderhalten dieser Stäbe kann die Oeffnung nach Belieben verengert oder erweitert werden.

Nun ist es eine eigene Sache mit der Wattfischerei, sie erfordert viel Geschick und Umsicht. Die Fische haben eben auch ihren Instinkt und wittern die Gefahr, die ihnen nicht nur von den Menschen, sondern auch von Feinden aus dem Tierreich droht. Deshalb halten sie sich bei hellem Tage meist unter Steinen verborgen, wo sie, von außen ungesehen, stundenlang still stehen. Je nach der Form oder Lage des betreffenden Steines muß der Fischer das Netz so vor den Schlupfwinkel bringen, daß es eine Art Trichter bildet. Durch eine zweite Person – hier in unserm Fall des Fischers Sohn – wird dann die Forelle entweder durch einen Stock oder mit den Händen in das Netz gescheucht. All diese Kunstgriffe sind nun dem Müllerandres längst kein Geheimnis mehr. Toni aber, der sich bei dieser Fangweise oft gar wichtig zu machen sucht, zeigt sich bei seiner Hantierung manchmal etwas übereifrig. So auch diesmal. Durch eine ungeschickte Bewegung hat er wider Willen dem bedrängten Fische zur Freiheit verholfen, und nun schneidet er über seine Heldenthat ein gar drolliges Gesicht, während sich Lisbeth in neckischer Weise über den armen Schelm lustig macht. Ein strenger Blick des Vaters ruft Toni aber wieder zur Sache. Dort unter jenem runden Steine hat der Flüchtling Unterschlupf gesucht, und jetzt heißt es aufgepaßt, daß er nicht ein zweites Mal dem Netze entwischt.

Vorsichtshalber legt Toni seinen Stock beiseite und greift diesmal mit den Händen zu, und richtig – ein kunstgerechter Griff, und die Forelle schießt wie erwünscht dem Vater ins vorgehaltene Garn. Triumphierend hält drauf Toni den schnalzenden Fisch in die Höhe. Es ist ein Prachtexemplar von bereits 11/2 Pfund. Dann trägt er den Gefangenen eilig zu Lisbeth, welche schon die Tonne zu dessen Aufnahme bereit gestellt hat. Höchst mißvergnügt schießt die Forelle im engen Behälter umher, wird aber zusehends ruhiger, als einige frische Wassergüsse aus der Kelle ihren Rücken kitzeln.

Fang mit dem Handnetz.

Während darauf Vater und Sohn ihr Geschäft mit günstigem Erfolge fortsetzen, versammeln sich die Kurgäste bei Lisbeth, um den schönen Fisch und dessen anmutige Bewegungen zu bewundern. Immer frische Gefangene bringt Toni herbei, einmal sogar zwei zugleich. Das Getriebe und Gezappel in der Tonne wird immer lebhafter und bewegter, so daß die Damen sich daran kaum satt sehen können. Endlich, nachdem so ziemlich das ganze Wehr abgesucht war, hielt der Fischer den Fang für genügend, denn ein paar Dutzend stattliche Forellen waren in der Tonne beisammen. Die Gesellschaft rüstete sich jetzt zum Heimgang. Lisbeth und Toni stritten sich zunächst darum, wer die Fische tragen dürfe. Inzwischen nahm aber der Vater die Last selbst auf den Rücken, während die Geschwister die Geräte zu tragen bekamen.

Vor dem Brunnengehäuse im Hofe des Ochsenwirts, im Fischweiher, wurde die Tonne ihres lebenden Inhaltes wieder entleert. Zehn der schönsten Fische aber wurden für den Abendtisch zurückbehalten.

Drinnen in der Wirtsstube fand sich die Gesellschaft wieder [646] zum Vesperimbiß zusammen. Auch der Fischer mit den Seinen mußte an der Tafel Platz nehmen.

Das Ausnehmen am Morgen.

Die Unterhaltung drehte sich natürlich um Fischerei und da der Müllerandres für den Rest des Tages nicht wohl mehr eine andere Beschäftigung in Angriff nehmen konnte, beschloß man, auf den Abend auch noch die andere Art des Forellenfanges praktisch kennenzulernen, die Fischerei mit Reusen oder Legnetzen. Diese Reusen sind länglich runde, um Reifen maschig geflochtene Körbe und so eingerichtet, daß die Fische durch die große Mündung hinein, aber nicht wieder heraus können, sie werden entweder durch Pfähle festgehalten oder durch Steine beschwert, an den geeigneten Stellen im Wasser versenkt. Meistens sind sie aus Holzreifen und Garn, manchmal aber auch aus Draht und Weiden hergestellt. Das Auslegen derselben geschieht bei Eintritt der Dunkelheit, da die Forellen im Sommer bei Nacht den Bach aufwärts wandern.


Nach der Verabredung mit dem Fischer sollten heute an zwei Stellen solche Reusen ausgelegt werden, und zwar im Prozeßbächle, hinten im Zinken Holdersbach, und dann im Wolfbach, unmittelbar bei der untern Mühle. Letzteres war der nähere Platz, und dahin begab sich auch die Gesellschaft vor Anbruch der Dämmerung. Ganz wie zufällig hatte sich auch der Fischer von Seebach eingefunden, und jetzt konnte es nicht fehlen, denn der „Seebenfischer“ gilt in der Fischerzunft für eine Autorität, deren Rat selbst der Müllerandres nicht zu verachten pflegt.

An Ort und Stelle wurde nun unter des Seebenfischers Anleitung zunächst mittels der verfügbaren Steine quer durch den Bach eine Art Damm hergestellt, in dem man aber einige Lücken ließ, durch welche die wandernden Fische den Oberlauf passieren könnten. Gerade bei diesen Lücken aber versenkten dann die Fischer die Reusen als Fallen für die Forellen, die beim Aufwärtsschwimmen dem Fischer nun geradeswegs ins Netz gehen mußten.

„Aber das ist doch gar zu hinterlistig, wie den lieben armen Tierchen da mitgespielt wird,“ meinte mitleidig Fräulein Ella.

„Ja, Fräulein Mamsell,“ entgegnete jedoch der weniger empfindsame Müllerandres, „deswegen sind’s halt Fisch!“

„Und wie lange bleiben diese Reusen eigentlich hier liegen?“ fragte Meta.

„Bis vor Tagesanbruch,“ antwortete der Seebenfischer; „dann nimmt man die Gefangenen heraus und legt die Reusen in entgegengesetzter Richtung wieder an dieselben Stellen, damit auch von den bachabwärts wandernden Forellen wiederum ein Teil uns zur Beute werde.“

Das Legen der Netze am Abend.

„Bei solchem Raubsystem muß doch natürlicherweise eine starke Abnahme des Fischbestandes eintreten,“ bemerkte Mister Macdonald, indem er rückhaltlos seine Mißbilligung zu erkennen gab.

„Dies ist durchaus nicht der Fall,“ entgegnete der Seebenfischer, „einmal vermehren sich die Forellen ohnedies sehr stark, sodann ist jeder Fischpächter gesetzlich angehalten, alljährlich einige tausend Brütlinge auf seiner Strecke einzusetzen, von denen freilich eine namhafte Anzahl den größeren zur Nahrung dient, denn die Forelle ist eben ein Raubfisch. Uebrigens währt die Forellenfischerei auch nicht das ganze Jahr über, sondern es besteht eine dreimonatige Schonzeit, vom 10. Oktober bis 10. Januar, während welcher Forellen weder gefangen noch feilgeboten werden dürfen.“

Eher als die Zuschauer erwartet hatten, waren die Fischer mit dem Auslegen der Reusen fertig geworden. Von einem weiteren Besuch am Holdersbach wurde für heute Abstand genommen.

Das Einbringen der nächtlicherweile gefangenen Fische besorgten andern Tags zu früher Morgenstunde der Müllerandres und sein Sohn allein.

Es ist dies immer ein Kapitalvergnügen für den Toni, zumal wenn der Fang gut ausgefallen ist.

Behutsam wird dann eine Reuse nach der andern aus dem Wasser gehoben und die gefangenen Fische werden durch ein im Bauche des Korbes befindliches Thürchen herausgenommen. Hat der Fischer einen größern Austrag auszuführen, so legt er, wie bereits angedeutet, die Reusen an die andere Seite der Durchlaßstellen des Dammes, um auch von den bei Tag bachabwärts wandernden Fischen sich ebenfalls seinen Teil zu holen.

Die Kurgäste im „Ochsen“ saßen noch beim Frühstück, als Lisbeth die mit den Reusen eingefangenen Forellen herbeibrachte und sofort im Fischweiher den Tags zuvor gefangenen beigesellte.

Neugierig drängte man sich hinzu, um sich, wie unser Bild S. 629 zeigt, an dem Geplätscher der behenden Tiere zu erfreuen. Da erscholl Peitschenknall von der Thalstraße her. Ein leichtes Gefährt mit einem großen Faß kam vom Dorfe herunter und hielt unmittelbar vor des Ochsenwirts Brunnen.

[647] Der Neuangekommene war der Fischhändler Huber von Haslach. Er hatte drüben im Kaltbrunn einen größeren Vorrat von Forellen geladen und war früh morgens von dort aufgebrochen, um vor Eintritt der heißen Tageszeit mit seiner feuchten Last noch zu Hause einzutreffen. Bis er dies Ziel aber erreicht, muß er noch eine bedeutende Strecke zurücklegen. Ein so weiter Transport ist aber den Forellen, welche an frisches, fließendes Wasser gewöhnt sind, nicht zuträglich, das Wasser muß deshalb von Zeit zu Zeit erneuert werden. Wie der Fischhändler dies bewerkstelligt, hat der Maler auf unserem nebenstehenden Bilde so anschaulich und naturgetreu dargestellt, daß eine weitere Erklärung nicht notwendig ist. Nur was man auf der Illustration nicht sehen kann, möge hier noch kurz erläutert werden. Während nämlich das Faß von oben mit frischem Wasser gefüllt wird, muß das matt und unbrauchbar gewordene durch einen Ablaß entfernt werden. Dabei hat aber der Fischhändler große Vorsicht zu beobachten, denn dem offenen Spundloch würden sich die Forellen sofort nähern und den Abfluß dadurch verstopfen. Deshalb treibt er ein keilförmiges Stück Holz in das Spundloch ein, so daß die Fische nicht unmittelbar vor die Oeffnung gelangen können.

Forellenhändler am Dorfbrunnen.

Die Aufmerksamkeit der Kurgäste wendete sich nun ausschließlich dem Fischhändler und seiner Hantierung zu. Und in der That, der kraftstrotzende Mann verdient vollauf das Interesse, welches ihm namentlich von den Damen zugewendet wurde, als der Ochsenwirt sie im Vertrauen versicherte, daß die Lebensgeschichte des Händlers wohl Stoff zu einem kleinen Roman gebe. Und dem allgemeinen Drängen gern nachgebend, erzählte er, wie der Mann als bescheidener aber intelligenter Schulgehilfe eines benachbarten Schwarzwalddörfchens einen Teil seiner Mußestunden der Forellenfischerei widmete. Regelmäßig brachte er seine Ausbeute nach Haslach. Eines Tages aber gelang dem jungen Mann ein ganz außerordentlicher Fang. In seinem Netze hielt er – einen Goldfisch? Nein, aber das Herz der bildhübschen Tochter des reichen Fischhändlers. Da aber eine schöne Fischerin ohne Herz nicht leben kann, so schenkte sie dem kühnen Fischer zu dem gefangenen Herz ihre Hand und der Vater dazu seinen Segen. Der solchermaßen beglückte Schulgehilfe hing nun den Bakulus an den Nagel und übernahm das Geschäft seines Schwiegervaters. Und wer in Haslach die freundliche Fischhändlerin gesehen, hat auch sofort die Ueberzeugung gewonnen, daß dieselbe ihre Wahl noch nie bereut hat, trotzdem sie gleich der Forelle ihrer schönen Heimat eine Beute des „Raubfischers“ geworden ist.


Blätter und Blüten.


Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) Man weiß, daß Kaiser Wilhelm II. Soldat durch und durch ist, und besonders zeigt sich dies gelegentlich der allherbstlich stattfindenden Manöver. Da tritt die Eigenschaft des Monarchen als „oberster Kriegsherr“ ganz in ihr Recht, und mit ihr zugleich erfüllt sich die Wahrheit des bekannten Wortes: „Willst du Frieden haben, so bereite dich für den Krieg vor.“ Mehr wie jemals sind die Manöver jetzt eine Probe der Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit der Offiziere wie Mannschaften auf den Ernstfall. Der Kaiser hat im Hinblick auf mögliche kriegerische Verwicklungen vielfache Umwandlungen in der Armee geschaffen, und wenn auch häufig der einzelne davon hart betroffen und allen Volksschichten manch schweres Opfer auferlegt wurde, so hat sich entschieden während der letzten Jahre die Schlagfertigkeit der gewaltigen deutschen Heeresmassen ganz bedeutend gehoben, und die fremden Militärbevollmächtigten, welche stets den großen Manövern beiwohnen, sind voll der Anerkennung über all das, was sie in diesem „Krieg im Frieden“ erfahren und beobachtet haben. Nicht zuletzt über die Hingabe des Kaisers an seine militärischen Pflichten – man muß ihn gesehen haben, etwa wie ihn der Maler unseres Bildes darstellt: in der Garde-Kürassier-Uniform auf feurigem Rosse über das Manövergelände sprengend, daß seine Umgebung, zu der auch der Leibgendarm mit der purpurseidenen Kaiserfahne gehört, kaum zu folgen vermag, scharfen Blickes die Truppenbewegungen verfolgend und häufig durch ein kurzes Kommando selbst eingreifend. Um die geringste Einzelheit kümmert er sich dann, er behält jede Compagnie, die im Bereiche seines Blickes ist, im Auge und überzeugt sich oft persönlich, ob seine Befehle auch in den kleinsten Beziehungen richtig ausgeführt wurden. Wiederholt hat er selbst die Vorpostenstellungen noch in den letzten Momenten geändert, wie er sie auch durch nächtliche, sehr überraschende Besuche gelegentlich kontrolliert. Denn persönliche Müdigkeit scheint er in jenen Manövertagen nicht zu kennen, oft verläßt er schon um drei oder vier Uhr morgens sein Quartier, um erst in der sechsten oder siebenten Abendstunde dorthin zurückzukehren. Die dazwischen liegende Zeit bringt er größtenteils auf dem Pferde zu; ein guter und sicherer Reiter, taucht er, meist völlig unvermutet, mit seinem Stabe bald hier und dort auf, greift überall ein und bekümmert sich stets angelegentlich in erster Linie um die Mannschaften, für deren leibliches Wohl er sichtlich Sorge trägt.

In der Kritik ist der Kaiser sachlich und ruhig; so wohlwollend er tüchtige Leistungen anerkennt, so scharf versteht er auch zu tadeln, und manch höherer Truppenführer mag dem laut über das Feld ertönenden Signale, welches zur Kritik ruft, nur bangen Herzens folgen. Denn nicht immer geht es so gelinde ab wie dereinst bei einer in der Nähe Spandaus vorgenommenen Manoverübung, wo die Verteidigung einer Stellung ziemlich verunglückt war und es bei der alsbald folgenden Kritik nicht an beklommenen Mienen fehlte. „Ja, meine Herren,“ sagte da der Kaiser, „jene Position ward wenig gut gehalten, ich kann Ihnen nur sagen“ – erneutes Herzklopfen an verschiedenen Stellen – „daß Sie mit den Mannschaften im Ernstfalle einfach ... im Wurstkessel gewesen wären!“ Das Berliner Wort, lächelnd vorgebracht, erlöste plötzlich diesen und jenen sonst so gefürchteten Hauptmann und Major von seinen Beklemmungen und ließ den schon im Geiste erblickten „blauen Brief“ schnell wieder verschwinden. So ernst es auch der Kaiser mit seiner Pflichterfüllung als oberster Kriegsherr nimmt: sein Wunsch ist es sicherlich wie der des deutschen Volkes, daß es in langer Zeit nicht nötig zu sein braucht, die „Probe auf das Exempel“ im Kriegsfalle zu machen. P. L-g.     

Der Gedenk- und Aussichtsturm auf dem Schlachtfelde von Gravelotte, von dessen Projekt wir den Lesern bereits in Nr. 5. des l. J. Mitteilung machten, ist nun vollendet. In der Reihe von Gedächtnisfeiern an die siegreichen Schlachten bei Metz, welche am 17. und 18. August in der alten Moselfeste und in deren Umgebung festlich begangen wurden, bildete die Einweihung des auf dem hÖchsten Punkte des Schlachtfeldes bei St. Hubert sich erhebenden Turmes den Hohepunkt. Am Nachmittag des 18. August gegen vier Uhr harrte eine vieltausendköpfige Menge dem Beginn der Feier. Von Straßburg waren Staatssekretär von Puttkamer und Unterstaatssekretär von Schraut zur Vertretung derselben herbeigekommen, der Statthalter Fürst Hohenlohe-Langenburg war durch den Grafen Zeppelin vertreten; aus Metz war der Kommandierende General Graf Häseler mit der gesammten Metzer Generalität und vielen Offizieren anwesend. 27 Vereine mit ihren Fahnen bildeten einen weiten Kreis um den festlich geschmückten Turm. Nachdem die Militärmusik mit dem Choral „Nun danket alle Gott“ die Feier eröffnet hatte, trat Generallieutenant von Arndt, der Vorsitzende des Baukomitees, auf die Stufen vor dem Turm, um mit einer warm empfundenen Ansprache das Bauwerk an die Landesregierung zu übergeben. Die Uebernahme seitens der Regierung erfolgte durch den Bezirkspräsidenten Freiherrn von Hammerstein. In seiner Antwort führte er aus, wie das monumentale Bauwerk als ein Zeichen der Dankbarkeit emporrage für die vor einem Vierteljahrhundert hier im heißen Kampfe fürs Vaterland gefallenen deutschen Krieger, als ein Gedenkturm, dessen Anblick den Besucher der Schlachtfelder an die Großthaten derer erinnern soll, die hier den ewigen [648] Schlaf schlummern. Wie General von Arndt seine Anspräche mit einem Hoch auf den Kaiser geschlossen hatte, so schloß Präsident von Hammerstein mit einem solchen auf das Vaterland, das die heutige Generation zu schirmen ebenso bereit sein müsse wie die Sieger von 1870. Und „Deutschland, Deutschland über alles“ ertönte zum Schluß der gemeinsame Gesang der Festversammlung.

Aussichtsturm bei Gravelotte und Gruppe mit dem Festkomitee.
Nach Aufnahmen von Hofphotograph Eugen Jacobi in Metz.

An der Stelle, wo sich das Bauwerk befindet, bei Point du jour, hat vor 25 Jahren der Kampf am hartnäckigsten gewütet. Aus freiwilligen Spenden All-Deutschlands aufgebaut, erhebt sich der Turm kraftvoll und schlank 30 Meter vom Boden. Die Aussicht von ihm umfaßt nicht nur die Schlachtfelder und Metz, sondern reicht weithinein in die anmutige Mosellandschaft. Die Gruppe, welche unser zweites Bildchen zu Füßen des Turmes zeigt, vergegenwärtigt diejenigen, die sich um das Zustandekommen des Bauwerks am meisten verdient gemacht haben: der Präsident des Baukomitees General von Arndt und die ausführenden Mitglieder Sachs, Jacobi, Wahn, Weisert bilden die vorderste Reihe.

Kriegsgefangen. (Zu dem Bilde S. 641.) Die Garde versteht sich darauf, Kriegsgefangene zu machen, das hat sie vor fünfundzwanzig Jahren bewiesen. Solche Ueberlieferungen pflanzen sich fort, und auch im Manöver kann man Kriegsgefangene machen. Der Sergeant Kulicke hat erst gestern eine Geschichte zum besten gegeben, die er einmal im „Soldatenfreund“ gelesen, wie der alte Kaiser Wilhelm, als er noch ein junger Prinz war, beim Manöver von einer Feldwache der Gegenpartei gefangen genommen worden sei, die dafür ganz besonders gelobt wurde. „Um so was fertig zu bringen, muß man aber immer auf dem sogenannten Kiwih sein und mehr strategische Schneidigkeit haben wie ihr schläfrigen Kerls!“ war freilich Kulickes Zusatz gewesen. Trotzdem aber bietet sich den beiden tapferen Kriegern auf unserem Bilde doch ebenfalls Gelegenheit, einen Kriegsgefangenen zu machen, und zwar noch nach Beendigung des heutigen Manövers. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und der „Affe“ begann bedenklich zu drücken, als es endlich hieß „Gewehr in Ruh! Halt!“ Die Mannschaften rücken ab und suchen ihre Quartiere auf, so auch jene beiden. Das Söhnchen ihres Quartiergebers hat sich zu Ehren der erwarteten Soldaten in kriegerischen Schmuck geworfen. Der Kleine hat sich den Helm mit dem wallenden Busch, den ihm das Christkindchen vorige Weihnachten gebracht, aufgesetzt, seine hölzerne Flinte zur Hand genommen und stolziert nun so vor dem elterlichen Gehöfte auf und nieder. Beim Näherkommen gewahren ihn die beiden Marssöhne, und um sich einen Spaß zu machen, schleichen sie leise näher und stürmen dann ganz überraschend mit lautem Hurra und mit gefälltem Gewehr auf den kleinen Soldaten los, ihn für ihren Kriegsgefangenen erklärend. Der aber läßt jetzt erschrocken die Flinte fallen und fängt mächtig an zu heulen, so daß die beiden Mühe haben, ihn wieder zu beruhigen, indem sie ihm versichern, das sei ja nur ein „Ulk“ gewesen. Da ist das kleine Mädchen doch viel tapferer, das mit dem jüngsten Brüderchen auf dem Arme dem Vorgange zuschaut. Sie lacht über den furchtsamen älteren Bruder und ist offenbar – gleich der Mehrzahl der erwachsenen Evastöchter – der Ansicht, daß die Krieger mit „zweierlei Tuch“ gar nichts Furchtbares und Schreckenerregendes an sich haben – im Gegenteil! Sie würde deswegen auch gewiß nicht weinen, wenn die schmucken Soldaten sie kriegsgefangen nehmen wollten. F. R.     

Im Zeichen der sauren Gurke. (Zu dem Bilde S. 637.) Wer in den letzten Sommerwochen von der Reichshauptstadt aus dem kühlen Kamme des Riesengebirges zustrebt, dem bietet sich unterwegs, da wo er es vielleicht am allerwenigsten vermutet, mitten im tiefsten Sande der sandigen Mark, ein eigenartiges und vergnügliches Schauspiel. Der Zug hat eben ein unermeßlich ödes Heideland durchbraust, unverfälschte „Lüneburger“ Heide, jämmerlich arme Kiefernwaldungen, die aus schierem, blendend weißem „Brandenburger Schnee“ traurig aufstreben – da verändert sich wie mit einem Zauberschlage das Landschaftsbild, eine Vegetation voll Ueppigkeit und Kraft verdrängt plötzlich die melancholische Armut, wir umfahren das berühmte Spreewaldgebiet! Und nun winken schon die im dunklen Grün versteckten, roten Dächer der Hauptstadt dieses Wendenländchens, Lübbenaus, herüber, die Spreekanäle leuchten blau auf, fruchtbare Niederungen breiten sich weit vor unseren Blicken … gesegnete Gefilde, voller Anmut, Schönheit und Reichtum! Kennten wir nicht die Rolle, die Lübbenau und sein „Hinterland“ im Haushalte Berlins spielen, so würde sie uns doch in der nächsten Minute klar sein. Der kleine Bahnhof ist dicht besetzt von schmucken Wendendirnen, die in großmächtigen Körben das kostbarste und bezeichnendste Produkt der Jahreszeit, die saure Gurke, den neugierigen Reisenden darbieten; im Nu entwickelt sich ein schwunghafter Handel, das erfrischende Labsal findet reißenden Absatz. Man merkt es der Gurke an, daß sie noch nicht ganz „abgelagert“ und mild durchsäuert ist, aber just ihr herber, sozusagen unreifer Geschmack zieht die Käufer an. Und gern läßt man sich nachher im Coupé von einem Eingeweihten darüber belehren, weshalb uns gerade hier die durststillende Frucht gleichsam als Symbol des ganzen Städtchens und Ländchens entgegengetragen wird, von welcher Bedeutung die Gurke und ihre Verwandten für diesen reizvollen Erdenwinkel sind.

Lübbenau, die Handelsempore des Spreewaldes, sendet Jahr um Jahr 85000 bis 90000 Centner Gurken in die nichtwendische Welt, zumeist nach Berlin, daneben etwa 15000 Centner Meerrettich, ebenso viele Centner Mohrrüben, 13000 Centner Zwiebeln und noch reichlich 27000 Centner anderes Gartengemüse. Die Gurken- und Zwiebelkultur des wendischen (Ober-) Spreewaldes ist alt, und seit Jahrhunderten schon versorgt er Berlin mit diesen schätzbaren Früchten. Bedenkt man, daß aller nun bebauter Boden des einstigen Urwaldes, 1600 Hektar etwa, erst durch langwierige Aufschüttung und Düngung dem Wasser und dem Sande abgewonnen werden mußte, so gönnt man dem fleißigen Wendenvölkchen gern sein Gurkenmonopol und den Ertrag seines redlichen Mühens. Und in der saftigen, säuerlichen Frucht, die dem vom brütendem Coupédunst erschöpften Vergnügungszügler neuen Humor verleiht und ihn zu allerhand naheliegenden Scherzen begeistert, erblickt der sinnende Reisephilosoph vielleicht auch etwas wie einen Gruß des geheimnisvollen Spreesumpfwaldes, der auch an wunderlieblichen Sagen und seltsam schönen Bräuchen so merkwürdig reich ist.R. N.     

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Inhalt: Sturm im Wasserglase. Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Stefanie Keyser (4. Fortsetzung). S. 629. – Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde. Bild. S. 632 und 633. – Taubstumm geworden. Von Dr. Rudolf Haug. S. 636. – Zur Suaregurkenzeit in Lübbenau. Bild. S. 637. – Die braune Marenz. Erzählung von Charlotte Niese (2. Fortsetzung). S. 639. – Kriegsgefangen. Bild. S. 641. – Schwarzwälder Forellen. Von J. J. Hoffmann. S. 644. Mit Abbildungen S. 629, 644, 645, 646 und 647. – Blätter und Blüten: Kaiser Wilhelm II. auf dem Manöverfelde. S. 647. (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) – Der Gedenk- und Aussichtsturm auf dem Schlachtfelde von Gravelotte. S. 647. (Zu dem Bilde S. 648.) – Kriegsgefangen. S. 648. (Zu dem Bilde S. 641.) – Im Zeichen der sauren Gurke. S. 648. (Zu dem Bilde S. 637.)


Nicht zu übersehen! 0 Mit der nächsten Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 75 Pf. bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.

Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.

  1. junge Kühe.