Die Gartenlaube (1895)/Heft 39
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Nr. 39. | 1895. | |
Sturm im Wasserglase.
Der Feind ist im Anmarsch!“
Es war Märten, der, am andern Morgen mit langen Schritten zum östlichen Thor der Stadt herein kommend, so rief.
Der Ruf pflanzte sich fort. Aus allen Häusern stürzten die Leute. Das Volk lief ihm nach; vor ihm her ging das Schreckenswort.
Auf dem Markte sammelte sich die Menge. Der Magistrat trat auf den Altan des mit den Bildnissen der Weisheit und öffentlichen Wohlfahrt geschmückten Rathauses.
„Wo hast Du ihn gesehen?“ schrieen die Leute auf Märten ein.
Der knuffte die Menschenmauer mit seinen starken Fäusten zurück, daß er Luft bekam, und hob an: „Gestern abend sah ich von meiner Turmluke aus Feuerschein in der Richtung nach Weimar hin. Das müssen Wachtfeuer sein! dachte ich; denn die Röte streckte sich weit hin und war nur schwach.“
„Der verdammte Stelzfuß hat gewiß geschlafen!“ brummte der Rat der Stadt.
[650] „Heut’ morgen ging ich an die Arbeit in die Hopfengärten, und da die andern frühstückten, wanderte ich hinüber, wo der Feuerschein gewesen war.“
„Da bist also von der Arbeit gelaufen,“ zankten die Besitzer der Hopfengärten.
Unbewegt fuhr Märten fort: „Da sah ich die Bescherung. Lange Züge Husaren – hübsche Kerle!“
„Ach Gott! ach Gott!“ seufzten die Mütter.
„Baumlange Grenadiere, die Granaten werfen.“
Die jungen Bürger in feinen Schnallenschuhen kratzten sich hinter den Ohren.
„Sie fluchten das Blaue vom Himmel herunter; denn die Kanonen waren in dem Hohlweg stecken geblieben und versperrten den Durchzug. Ueber die Hecken konnte die Reiterei nicht weg. Da saßen sie noch fest, als ich zurück ging.“
„Gott sei Dank!“ atmete ringsum alles auf.
„Ich habe zwar alle Wegweiser herumgedreht, aber lange hält das nicht vor. Heut’ abend haben wir den Feind vor den Thoren.“
Schreiend liefen die Weiber nach Haus zu ihren Kindern. Die Männer hoben die Fäuste gegen die Räte auf ihrem Altan. Die perorierten untereinander, daß die großen Allongeperücken nickten.
Märten ergriff die ihnen aus den Händen gefallenen Zügel. Auf die zu feine Tüftelei folgt stets die rohe Kraft.
„Vor allen Dingen muß gestürmt werden,“ klang seine Stimme über das Getümmel, „damit jeder weiß, woran er ist.“ Nach allen Seiten rannte junges Volk den Türmen zu. „Und die Lärmtrommel muß gerührt werden, daß die Milizen zusammen kommen.“ Da begannen schon die großen Trommeln zu rasseln.
„Und wir schießen auch mit Kanonen,“ kommandierte Märten.
„Die sind ja verrostet, und wir haben keine Munition,“ wandte der alte Stadtwachtmeister ein, während er seinen großen Säbel martialisch dicht unter die Arme schnallte.
„Die Kartaune in meinem Hohenmauertürmchen ist geladen,“ beharrte Märten.
„Seit dem Dreißigjährigen Kriege,“ rief entsetzt der Stadtwachtmeister. „Wer die abfeuert, ist ein Kind des Todes. Wir haben schon oft beraten, wie wir den gefährlichen Schuß herausbringen könnten.“
„Den will ich schon herausbringen,“ lachte Märten. „Lunten werdet Ihr doch haben?“ Und er zog an der Spitze einer Schar nach der Rüstkammer im Rathaus.
„Art läßt nicht von Art,“ sagte der Bürgermeister. „Wie sein Vorfahr im Bauernkriege Rädleinsführer gewesen ist, bis man ihn allhier gehenkt hat, so thut der Nachkomme nichts lieber als Rotten machen, an die Glocken schlagen.“
Auf dem Laubengang des Regierungsgebäudes rannten die Justizien-, Kammer- und anderen Räte zusammen, schlotternd, zähneklappernd.
Ein Amtsbote brachte die Nachricht, daß ein Haufen Volkes, den gewissen Märten an der Spitze, die Thore der Stadt schließe.
Thatkräftiges Handeln hat für schwankende Menschen eine Ansteckungskraft.
Der Kanzler, die eine Hand auf den Degen gestemmt, die andere unter dem Jabot verborgen, damit niemand seine fliegenden Finger sehen sollte, sprach mit atemloser Stimme: „Die Thore der Neidecke sollen ebenfalls geschlossen werden. Meine Herren, ich schließe bis auf weiteres die Amts- und Regierungsstuben. Gebe Gott, daß wir uns froher wiedersehen.“
„Rette sich, wer kann,“ antworteten die Räte und stiebten mit brennenden Köpfen auseinander.
Der Kanzler aber erklärte, daheim angelangt, kategorisch: „Ich schließe auch meinen Alkoven.“
Die Glocken wimmerten unaufhörlich.
Die Milizen zogen mit ihren alten Feuerrohren leichenblaß und schlotternd nach den Thoren. Die Bürger bargen ihre Töchter auf dem Hausboden und befahlen ihnen, in der Not sich auf die Fallthür zu setzen. –
In der Superintendentur hatte Olearius die Entscheidung getroffen. „Jeder gehe seiner Pflicht nach. Und im übrigen lassen wir Gott walten.“ Damit zog er sich zurück, um nach seinen Worten zu thun, die nächste Predigt auszuarbeiten.
Aber kaum hatte der ernste Mann die Thür seines Zimmers hinter sich geschlossen, so stieg seine würdige Hausfrau nach dem Oberboden hinauf, um zur Dachluke hinaus dem heranziehenden Feind entgegen zu spähen, begleitet von Fieke, die da meinte, den alten Talar zu wenden, sei noch später Zeit.
Nur Magdalene trennte, blaß und still wie jetzt immer, weiter mit feinem Messerchen die schweren Tuchfalten auf.
Da klopfte es an die Thür.
Sie erschrak bis ins tiefste Herz. So klopfte – er.
Mit zitternden Knieen ging sie und öffnete.
Ja, da stand Christian Struve vor ihr, ernst, aber gefaßt, und seine schönen Augen sahen sie voll Zärtlichkeit an.
Es wollte wie Jubel trotz allem in ihr aufwallen, aber sie besann sich und senkte das Haupt.
„Magdalene!“ rief er. „Ich kann jetzt nicht fern von Ihr sein. Will Sie mir nicht das Recht geben, daß ich über Ihr wachen, Sie schützen darf?“
Die großen Augen schauten aus dem blassen Gesichtchen ihn schmerzvoll an. „Ich darf nicht,“ sagte sie leise, aber fest.
Er faßte ihre Hand. „Soll ich auch in dieser schweren Stunde umsonst bitten?“ rief er.
Sie zog leise die Hand zurück. „Es kann nicht sein,“ flüsterte sie tonlos. „Mir ziemt nur, den Herrn Sekretarius um Verzeihung zu bitten, daß ich Ihn mit kleinlichem Verdacht beleidigte. Aber die Trübsal der Stunde darf ich nicht nützen um meinen Freund in gefährliche Bande zu verstricken.“
Er ließ verzweifelt die Hände sinken.
Da – dröhnte ein furchtbarer Kanonendonner über die Stadt hin. Die Fenster klirrten, ein Geprassel folgte, daß der Boden unter den Füßen bebte.
Ein Schrei – und Magdalene lag in Christians Armen. Sie klammerte die Hände um seinen Hals und rief: „Nun, in Gottes Namen! wenn’s denn einmal zu Ende geht, dann darf Er mit niemand sterben als mit mir.“
Christian hatte die Arme fest um Magdalene geschlungen. Beide vergaßen danach zu fragen, was eigentlich unter Donnerschall sich ereignet hatte in der Welt draußen, wußten nur, daß es trotz Kriegsgraus wie eine große Erlösung gekommen war, als sie an seinem Herzen ihre festverschlossene Liebe ausweinte, und er leise die Lippen auf den roten bebenden Mund drückte.
Draußen lief das ganze Haus zusammen.
Der Superintendent war von seiner Predigt aufgestört worden, die Mutter kam atemlos herein – und blieb stehen starr und stumm.
Da richtete Struve das Haupt auf und streckte ihr die Hand hin. „Wir sind einig, hochverehrte Frau Mutter, und nichts soll uns mehr trennen.“
„Wie ist das so schnell gekommen?“ fragte sie.
„Schnell?“ entgegnete Struve leise lächelnd. „Der Donnerschlag war unser Freiersmann.“
„Gott segne euch!“ sprach sie zitternd.
Auch der Vater kam herab und legte die Hand auf das Haupt seines Kindes.
Jammerrufe unterbrachen sie. Sie eilten an die Fenster. Draußen redeten die Menschen auf die hinausgelaufene Fieke ein.
„Märten hat die alte Kartaune abgefeuert, und bei dem Schuß ist das ganze Türmchen, in dem sie steht, mit niedergegangen. Der Feind aber ist unversehrt geblieben.“
„Ist Märten mit verunglückt?“ rief Struve erschrocken und eilte der schreiend davon rennenden Fieke nach.
„Und Ruh’ ist nicht hinieden,“ sprach ergebungsvoll die Superintendentin. Die Verlobung ihres starrköpfigen Töchterchens war endlich zustande gekommen. Nun stand wieder der Feind vor den Thoren, und die Stadt fiel ein.
An der Hohenmauer ballte sich ein Menschenknäuel zusammen Das Türmchen war ein Schutt- und Steinhaufen. Wie der Held auf seinem Schild lag die alte Kartaune darauf, mit dem Mundstück im tiefen Wallgraben, ihre beiden reich verzierten Handhaben triumphierend aus dem Geröll spreizend. Das Bodenstück, eine schön geformte Traube, ragte aus dem obersten Steingeröll hervor.
Fieke umkreiste mit fliegenden Haubenbändern laut jammernd die Trümmerstätte. „Ach, mein armer Märten! Und wir sind in Unfrieden geschieden! Hörst Du mich noch?“ rief sie in das Geröll hinein. „So greift doch an und räumt ab!“
Leichenblaß, aber umsichtig schon mit Hacke und Spaten versehen, kam Struve an.
[651] „Angefaßt!“ rief er, warf den Rock ab und begann zu schaufeln.
Die Männer sahen sich an, zuckten die Achseln – am Leben konnte er ja doch nicht mehr sein. Aber sie griffen zu.
Fieke lag auf den Knieen. Die geschickten kleinen Hände mühten sich, die Steine wegzuwälzen. Ihre Augen brannten. Zum erstenmal stand das Zünglein still.
Das war nun das Ende. All ihre Lebtage hatten sich ihre Gedanken nur um Märten gedreht.
Sie hätte so gern für ihn gearbeitet und auch gedarbt; ein bißchen Hunger war weiter nichts, wenn man’s trug für einen Menschen, den man so lieb hatte. Und nun sollte alles vorbei sein? Sie sollte nie wieder ihren Riesen lebendig vor sich sehen? Er sollte tot sein? Unversöhnt von ihr geschieden?
Ein Thränenstrom ergoß sich über ihr Gesicht. Ihre Hände krallten sich in den Mörtel.
Da tönte dumpfer Ruf aus dem Trümmerhaufen. – Alle horchten auf – „Sachte, daß die Dachsparren nicht vollends zusammenknicken; ich sitze darunter wie die Ratte in der Falle.“
Nun wurde mit frischem Mut ans Werk gegangen, und bald wühlte sich ein dicker rotblonder Kopf unter dem weiland Festungstürmchen hervor, ein paar breite Schultern folgten, endlich der ganze Riesenkerl.
Er schüttelte sich den Staub und Schutt ab und lachte. „Hab ich’s nicht gleich gesagt, daß ich den Schuß herausbringen wollte?“
Fieke lag noch auf den Knieen. Sie betete ein heißes leises Dankgebet.
Dann richtete sie sich auf, und den Staub von Märtens Wams mit ihrem Schürzchen abwedelnd, sagte sie: „Ich will ja gern die hundert Meißenschen Gülden in Hellern zusammenscharren; aber iß nur meinen Braten wieder.“
Er lachte und nickte versöhnt.
„Vorderhand ißt Du Wasser und Brot im Bürgergewahrsam!“ zankte der durch den Donnerschlag herbeigetriebene Stadtschreiber.
„Dafür, daß Du uns auch noch eine Bresche in die Mauer gelegt hast, durch welche der Feind um so leichter herein kann.“
Kriegerische Musik schallte vom anderen Ende der Stadt her und schnitt ihm die Rede ab. Knattern folgte – das war, Granatenfeuer!
„Da sind sie!“ schrie das Volk und stob davon.
Der Stadtschreiber eilte ebenfalls dorthin.
„Wo kriechst Du nun unter?“ fragte Fieke ängstlich.
Er streichelte ihre Apfelbäckchen. „Jetzt schläft es sich hinter der Hecke besser als in einem dicken Daunenbette.“
„Wie ein Strolch!“ jammerte sie und hielt ihre andere Wange hin.
„Verfüge Dich in mein Haus, Märten,“ sagte Struve. „Um dieses gesegneten Kanonenschusses willen sollst Du nicht ins Elend geraten. Denn, Kinder! Ich habe mich unter seinem Hall versprochen und bin der glücklichste Mensch unter Gottes Sonne. Der Himmel verzeihe mir die Sünde in der schweren Zeit.“
„Du verdienst es,“ sagte Märten so bestimmt, als sei er sich des Vorrechtes bewußt, welches das Wort verleiht: Volkes Stimme, Gottes Stimme.
Und da Struve durch eine eilige Besichtigung sich überzeugte, daß das Gerümpel die Lücke so gut verschanzte wie vorher der gebrechliche Turm, so verließ er mit den andern die Trümmerstätte, um dem neu heranziehenden Unglück die Stirn zu bieten. –
Der Kanonenschuß hatte der weimarischen Armee nicht so viel Schrecken eingejagt wie den Bewohnern der durch ihn verteidigten Stadt.
Kriegerische Traditionen haften im Leben eines Volksstammes. Der Ruhm des Herzogs Bernhard warf noch seinen verscheinenden Glanz auf die Feldzeichen, unter denen mit Trompeten die Husaren, mit Trommeln und Pfeifen die Grenadiere heranzogen. Sie antworteten sofort durch ein kleines Granatenfeuer, das aber gleichfalls keinen Schaden anrichtete.
Ein junger Husarenrittmeister, der die Avantgarde führte, courbettierte auf seinem Schimmel bis vor das geschlossene Stadtthor. Der Kalpack war über die schwarzen Augenbrauen gedrückt, ein schwarzes Bärtchen mit keck emporgedrehten Spitzen saß in dem bräunlichen Gesicht. Der rote Dolman umschloß eine elastische Gestalt, mit hochmütiger Grazie trug er den Pelz auf der Schulter.
„Oeffnet das Thor!“ rief er zu dem Wachttürmchen hinauf. „Und ich rate Euch: laßt das Schießen mit Kanonen sein, widrigenfalls Ihr Euch die Folgen selbst zuzuschreiben haben werdet!“
Der alte Stelzfuß fragte zu der Luke hinaus: „Wer da?“
Der Husar lachte. „Gut Feind.“
Der Alte schüttelte den Kopf. Das war ihm im Dreißigjährigen Kriege nicht vorgekommen.
„Wir müssen erst den Bürgermeister fragen,“ entgegnete der Stadtwachtmeister und zog seinen Säbel, wie er es bei dem Husaren sah.
Dieser blitzte die beiden Knasterbärte mit seinen schwarzen Augen an. „Euer Bürgermeister hat unserem Herzog an erster Stelle zu gehorchen. Wir sind geschickt worden, Euch das einzutränken. Also aufgemacht! Oder wir hauen das Thor ein! – Die Sappeurs vor!“
Die Milizen murrten: „Lieber gar! Das schöne neue Thor, das kaum so viel Geld gekostet hat!“
„Ob wohl je ein Bürgermeister auf der Stätte sich befindet, wo er gerade nötig ist?“ seufzte der Stadtwachtmeister.
„Besser ist’s, man ergiebt sich auf Gnade und Ungnade, als man wartet den Sturm ab, wie Magdeburg zeigt,“ riet der Stelzfuß.
Und da niemand Einspruch erhob, schloß er das Thor auf.
Die Kriegsvölker ergossen sich in die Stadt.
Aber es waren nicht zuchtlose Franzosen, grausame Spanier, wilde Türken; es waren nachbarliche Thüringer, die einzogen.
Der die Truppen kommandierende Major gab dem Bürgermeister und Rat der Stadt, die dem Gewalthaufen entgegengingen, die Versicherung, daß gute Manneszucht gehalten werden solle.
Der Schrecken begann sich zu legen.
Struve begab sich heim.
In alle Häuser drängte die Soldateska, die Quartierbillets in den Händen; vor den Bäcker- und Metzgerläden hielten bereits Fouragewagen; vor den vergitterten Fenstern des Rathauses, hinter denen die Stadtkasse sich befand, zog eine weimarische Wache auf Posten.
Er nickte ernst vor sich hin: die Aussaugung der Landschaft hob an. Er erreichte gerade sein Haus, als der junge Rittmeister der Husaren von dem Schimmel sprang und die Zügel seinem Burschen zuwarf. Er war mit einem ganzen Reiterzug in das Struvesche Besitztum einquartiert.
„Von Krainsberg, Rittmeister bei des Herzogs von Weimar Leibhusaren,“ stellte er sich vor, damit kund gebend, daß er Offizier von Familie, nicht von „Fortune“ sei. Dabei flogen seine Augen erwartungsvoll an alle Fenster. Blankgeputzt, mit feingefältelten weißen Vorhängen halb verhüllt, sahen sie ehrbar, öde auf ihn hernieder. Und es war nur Gesinde, das zur Hausthür herausschaute.
„Der Herr Rittmeister muß mit der Wirtschaft eines Junggesellen fürlieb nehmen,“ sagte Struve, der den Blick erriet. „Wenn selbige auch zum längsten gedauert hat, und ich verhoffen darf, in nicht ferner Zeit Hochzeit zu machen,“ fuhr er fort. Wes sein Herz voll war, ging sein Mund über.
„Hochzeit?“ riefen Köchin und Bediente und vergaßen die Husaren.
„Eine Hochzeit?“ riefen auch diese und drängten vergnügt heran.
„Ciel!“ sprach Krainsberg, „eine heitere Aussicht, daß Er eine fröhliche Hochzeit auszurichten gedenkt! Es wird mir hoffentlich bald vergönnt sein, der Demoiselle Braut meinen Respekt zu bezeugen.“
Eine leichte Röte flog über das Gesicht des Sekretarius bei dem Gedanken, daß diese dreisten Augen sein schönes Lenchen mustern sollten. Aber jetzt kam ihm zum erstenmal die diplomatische Schule seines Herrn zu statten, der über unliebsame Dinge hinwegzugleiten pflegte.
Ohne auf die erbetene Visite weiter einzugehen, lud er durch eine höfliche Handbewegung den Offizier ein, in das Haus zu treten, wies die Leute an, wo ihre Pferde unterzubringen waren in den weitläufigen Stallgebäuden, befahl, die große Unterstube und Kammer für die Husaren herzurichten, und bedeutete seine Dienstboten, den Tisch mit massivem Silbergeschirr zu decken. Er gedachte zu zeigen, daß auch er Geheimsekretarius von Familie, nicht von Fortune war.
Nachdem Krainsberg sich seiner Wehr und Waffen entledigt hatte, stopfte er eine der Thonpfeifen, welche auf zinnernem Teller [652]
neben der Tabaksbüchse lagen, und schlenderte hinunter, um nach den Pferden zu sehen, die von den Leuten im Hof gestriegelt wurden.
Es war ein wonniger Tag, der zur Rüste ging. Der Duft der Nelken und Levkojen, welche auf den schnurgeraden Rabatten blühten, erfüllte die Luft; auf den Beeten standen wie in Reih’ und Glied Kohlrabi und Salatköpfe; aus dem Laub der Bäume leuchteten rote Kirschen. Die Hühner gingen auf ihrem Leiterchen in den Stall; die Enten schnatterten noch am Brunnen herum, und aus den Ställen kam die Magd mit gefülltem Milcheimer. War das ein wohlhäbiger Haushalt! All das gehörte diesem respektablen Sekretarius, und dazu war er Bräutigam!
Wie sie wohl aussah, um die er vorhin so verlegen errötete?
„He!“ rief er Märten an, der eben mit Hacke und Harke aus dem Garten kam. „Gehört Ihr hier in die Wirtschaft?“
Märten blieb stehen. „Ja, ich bin eingeladen, hier zu wohnen.“ Er legte auf das „Ich“ einen solchen Nachdruck, daß der andere fühlte, er war der ungebetene Gast.
Er musterte verblüfft den jungen Riesen in dem groben Linnenwams. „Ihr gäbet einen strammen Grenadier ab. Unser Werbeoffizier zahlt ein schönes Handgeld.“
„Danke!“ sagte Märten wegwerfend. „Ich diene nur, wem ich will; jetzunder meinem Freunde Struve.“
„Sehr honett!“ erwiderte Krainsberg lachend. „Aber da Ihr so intim mit dem Herrn Sekretarius steht,“ fuhr er, eine vertrauliche Miene annehmend, fort, „könnt Ihr mir wohl sagen, ob die Braut von Eurem Freunde schön ist?“
Märten sah ihn an wie ein scharfer Haushund den Fuchs, der um den Hühnerstall schleicht. „Das kann Ihm ganz gleichgiltig sein,“ erwiderte er und ging in das Haus.
„Das wollen wir einmal sehen,“ brummte Krainsberg.
Da schlüpfte ein junges Mädchen aus dem Haus, mit einem Gesichtchen, weiß und rot wie reifende Preißelbeeren. Eilig wollte sie vorüber huschen.
Aber er hielt sie an ihrem Kopftüchlein fest wie ein Schopftäubchen. „Wohin so schnell, schönes Kind?“
Sie stieß einen hellen Schrei aus.
Sofort erschien Struve in der Thür. Er sah seinen Gast so ernst an, daß dieser unwillkürlich seine Beute fahren ließ.
Dann hatte sich Struve schnell gefaßt. „Verzeih’ Sie, Demoiselle,“ sprach er zu dem erschrockenen Mädchen, welches die Frisur wieder in Ordnung brachte, „daß ich Sie unbegleitet gehen ließ. – Es ist nämlich,“ fuhr er zum Rittmeister gewendet fort, „die Tochter unsres weiland berühmtesten Kantors.“ Er geleitete sie nach dem Hofthor.
„Was den Urlaub Ihres Vetters betrifft, so wird die Sache bestens geordnet werden.“
[653] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.
Sie knixte dankbar; er verbeugte sich respektvoll. Dann war sie fort.
Struve ging in sein Haus zurück, stumme Mißbilligung in jeder Miene seines ernsten Gesichtes.
„Mille tonnerres!“ fluchte Krainsberg leise und drehte sich erbost auf den Hacken seiner bequasteten Stiefel herum.
„Au!“ schrie abermals eine weibliche Stimme.
Er hatte Fieke einen Stoß versetzt, die zur Gartenthür hereingeschlüpft war und hinter ihm weg ins Haus wollte.
„Hab’ ich der Jungfer weh gethan?“ girrte er, allen Verdruß vergessend, zuthunlich. „Soll ich ihr ein spanisches Kreuz drücken? Das ist für alles gut.“ Er wollte sie umfassen und ihr das Heilmittel auf Stirn, Mund und Wangen küssen.
„Nehm’ Er sich in acht, das Ihm nicht sein eigenes Kreuz eingedrückt wird,“ schrie Märten, mit geballten Fäusten aus der Hausthür stürzend.
Fieke rettete sich hinter ihn. Auch Struve kam wieder herbei.
Einen Augenblick sahen die drei jungen Männer sich wütend an.
Dann fragte Struve. „Fieke, was willst Du?“
„Märten die Sonntagswäsche bringen,“ antwortete sie, schon wieder ganz gefaßt. „Und dem Herrn Sekretarius die Muster und Maße von seiner Herzallerliebsten. Er wird ihr doch den Staatsanzug schenken wollen zu den Brautvisiten. – Das ist das Leibband“ – sie hielt einen perlfarbigen mit Blumen gestickten Gürtel hin, der auf eine selten schlanke Mädchengestalt deutete. „Den Handschuh habe ich gestohlen“ – eine Kinderhand nur fand Platz in dem seidnen Filetgewebe. „Da ist ein Schuh; winzig, nicht wahr? Sie müssen von der Farbe des Kleides sein. Und hier die Weite der Spitzenfalbel um den Hals.“
Struve nahm ihr rasch den reizenden Kram ab und verbarg ihn in seiner Brusttasche. Das Blut stieg ihm in die Stirn bei den Blicken, die der Husar darauf richtete. „Es ist gut. Laßt Euch in der Küche einen Vespertrunk geben!“
Fieke knixte vor Struve, hob das Näschen gegen den Rittmeister und trollte fort.
Langsam folgte Märten, den Blick immer noch kampflustig auf Krainsberg gerichtet.
Der Rittmeister sah verwirrt und zornig zugleich Struve an. „Will Er denn alle hübschen Mädchen allein für sich haben?“
Struve verbeugte sich stumm, gehalten. „Sein Diener, Herr Rittmeister.“ Er ging ins Haus.
Die Thonpfeife zerschellte auf dem Pflaster des Hofes. „Na warte! in Deinen Hühnerstall will ich einmal hineinfahren!“ murmelte Krainsberg.
„Und dieser Wüstling will Lenchen eine Visite machen?“ [654] dachte Struve empört und ließ sich wieder an seinem Schreibpult nieder. Die Arbeit häufte sich ihm.
Sein Kanzler saß inzwischen, eine turbanartige weiße, mit grünem Band umwundene Nachtmütze auf dem Kopf, in seinem Alkoven auf einem Sorgenstuhl. Da war er sicher vor dem fremden Kommandeur, brauchte ihm nichts abzuschlagen, und es konnte ihm auch kein unbedachtes Wort entwischen. Die Geschäfte packte er seinem Sekretarius auf.
Dazu läutete die Klingel an der Struveschen Hauspforte von früh bis spät, und die alte Köchin mußte dreimal täglich weißen Sand streuen, wenn es sauber auf Treppe und Vorsaal bleiben sollte.
Der Hausherr saß auf dem mit aschfarbigem Tuch beschlagenen Sessel, von dem aus schon sein Großvater guten Rat gespendet hatte, und stand den Hilfe heischenden Bewohnern der ganzen Landschaft Rede.
Da kamen kleine Handwerker aus den Winkelgäßchen, die die Einquartierung nicht unterbringen konnten, ohne selbst auf die Straße gesetzt zu werden, große Bürgerinnen in goldenen Hauben, denen die lumpigen Weiber der Korporale und Feldwebel ungeziemend begegnet waren, und Bauern in Zwilchkitteln und Holzschuhen aus den benachbarten Orten, denen der Kriegskommissar große Lieferungen an Stroh und Hafer auferlegt hatte.
Struve riet, machte selbst Bittschreiben für sie, half aus der grünseidnen Börse oder dem großen Kessel, der unten in der Küche brodelte, tröstete und gab für den dankbaren Kratzfuß einen warmen Händedruck auch dem Aermsten, wie das von je unter dieser von starken Balken getragenen Decke Brauch gewesen war.
Dann ließ der weimarische Kommissar unter Trommelschlag Mandate anheften, daß der Herzog sich sein Oberlehnsrecht vorbehalte. Märten, an der Spitze seines Haufens junger Leute, folgte und nahm mit der Ruhe, die von jeher Riesen eigen gewesen ist, dieselben wieder ab.
„Wir haben genug an einem Herrn,“ verkündigte der Nachkomme des Rädleinsführers.
Die Weimaraner widersetzten sich, das Volk lief zusammen.
Der Lärm hallte bis in Struves Arbeitsstube. Er warf die Feder hin und kam gerade recht, seinen wild gewordenen Freund von einem Totschlag abzuhalten und durch kluge Reden und ein gespendetes Fäßchen Bier die beleidigte Mannschaft zu besänftigen.
Endlich erschienen auch Herren vom Stadtrat und klagten ihr Leid. Sie hatten im guten Glauben, daß die Gerechtsame der Oberlehnsherrschaft mit der Erhebung ihres Landesherrm in den Fürstenstand wegfallen würde, die fälligen Termine nicht mehr bezahlt, welche nun durch die Exekutionstruppen rücksichtslos eingetrieben werden sollten.
Wie durften sie wagen, jetzt, da die Bürgerschaft ohnedies durch die Einlagerung bedrückt war, die verhaßte Steuerglocke zu läuten?
„Käme doch der Kurier aus Aachen zurück!“ seufzte Struve aus tiefstem Herzen.
Endlich langte er an.
Als Struve, atemlos vor Spannung, in die Wohnung des Kanzlers eilte, war der Herr nicht zu sprechen, er wartete einen seiner kritischen Schweiße ab, die sich immer in besorglichen Stunden bei ihm einstellten. Doch übersandte er ihm durch einen Boten das eingelaufene Schreiben.
Beim Lesen wurde Struve leichenblaß.
Es enthielt den Befehl, den Rechten des Landesherrn nichts zu vergeben, im übrigen sich zu gedulden. In diesem Augenblick könne kein Entschluß gefaßt werden. Warum nicht, erfuhr niemand.
Auch der Kurier wußte nichts auszusagen. Er hatte Seine Durchlaucht gar nicht zu Gesicht bekommen.
In seiner Studierstube ging Struve rastlos hin und her. War jetzt der Gehorsam, den das Gesetzbuch dort vorschrieb, Pflicht? Oder hatte der denkende Mensch einem Gesetz zu folgen, das der Herr aller Herren gegeben, dem Gesetz, seinen leidenden Mitmenschen beizustehen?
Es war ein schwerer Kampf, den er mit sich selbst durchrang. Als es dämmerte, war sein Entschluß gefaßt.
Er ließ sich den dunklen leichten Mantel geben, dessen weite Falten seine Gestalt verhüllten, und verließ das Haus.
An diesem Abend schien das Licht in dem Geheimstüblein des Bürgermeisters noch um Mitternacht in die Finsternis hinaus.
Als der nächste Tag zur Rüste ging, befahl Struve Märten, die Thür zu seiner Studierstube wohl zu bewachen, nur den Bürgermeister und den Rat der Zwölfe einzulassen.
Stumm, verhüllt langten die hochmögenden Herren an, und dann schallte dumpfes Gemurmel heraus.(Fortsetzung folgt.)
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Madonna di Campiglio.
Wie in der longobardischeu Heldensage sich das Germanentum mit römischem Wesen vermengt, so webt um die Zinnen der Brenta-Alpen zwischen der Etsch und dem Gardasee die Erinnerung an gar viele deutsche Kaisergestalten, die von hier in die blauen Ebenen des Südens hinabschauten. Nach dem Wesen der Zeiten und der Dinge haben sich freilich die Beweggründe verändert, durch welche die Kaiser und Kaisersöhne nach diesen Bergen gezogen wurden. Weil der Himmel, der über diesem Lande liegt, ein milderer ist, darum kann der Mensch mit seinen Wohn- und Gaststätten höher in die lichte Bergwelt hinaufrücken. So liegen die herrlichen, jetzt so in Mode gekommenen Gastansiedelungen von Madonna di Campiglio und von San Martino di Castrozza beide höher als alle Sommerfrischen des deutschredenden Tiroler Landes. Beide waren einmal Klöster und haben jenen angedeuteten Wandel mitgemacht, der aus dem Wesen der Dinge hervorgeht, gleich wie die Fürsten und Gewaltigen Deutschlands jetzt nicht mehr kommen, um sich in den Schluchten herumzuschlagen oder um mit eiserner Gewalt nach der eisernen Krone der Longobarden zu trachten, sondern um in kühlen Lüften und im Harzhauch des Lärchwaldes Labsal und Erquickung zu suchen. Auf jenen Wandel weisen auch allerlei Plätze in Campiglio mit ihren Namen hin: von dem sogenannten Lager Karls des Großen an bis zum Kaiserin Friedrich-Platz, vom Barbarossa in der Etschklause bis zum Wiesenplan, auf welchem der Held von Wörth von den letzten goldenen Herbsttagen seines Daseins umglänzt wurde.
Hoch oben in Wälschtirol zwischen hohen Dolomitwänden liegt die so berühmt gewordene Sommerfrische von Madonna di Campiglio, eine Alpenidylle, auf welche es ringsum niederfunkelt von weit herab reichenden Schneefeldern. Eine Reihe von Wasserfällen stürzt aus den Gebieten unzerstörbaren Winters auf den grünen Plan von Hochthälern herab, welche sich von hier aus strahlenförmig und zum Teil in ebener Richtung in mehrere der mächtigsten Alpenmauern hineinziehen. In den Boden dieser Hochthäler sind, keiner tiefer als achtzehnhundert Meter über dem Meere, sechzehn jener unbeschreibbaren Seen eingebettet, in welchen sich der lichte Schimmer des Firns, das zackige Profil der Hochgipfel und der Wandel der Wolken wunderklar spiegelt. Und dieses herrliche Hochthal prangt noch mit jungfräulichen Reizen, ist von der Kultur unberührt geblieben. Keine Stadt erfüllt es mit ihrem Qualm und Rauch und geschäftigem Lärm, nicht einmal ein schlichtes Dorf ist in ihm zu finden – um ein Kirchlein aus alter Zeit schart sich nur eine Gruppe von Häusern, die bestimmt sind, Gäste aufzunehmen. Dieses am Rand des Thales erbaute Anwesen (vergl. die Abbildung S. 655), zu dem der duftige Hochwald hinabsteigt und vor dem krystallhelle Wasser rauschen, ist eine herrliche Herberge für die Erholungsbedürftigen, die fern vom Lärm der Städte Ruhe und Gesundung am Jungbrunnen des Hochgebirgs suchen.
1553 m über dem Meeresspiegel, also nur ein wenig niedriger als der Gipfel des Herzogenstands in Bayern liegen diese großen Gaststätten von Campiglio und noch immer ist der Zugang zu ihnen für den verwöhnten Reisenden unserer Tage kein leichter zu nennen. Das Dampfroß erklimmt nicht diese Höhen, und wenn einer in einem „Landauer“ oder sonst einem bequemen Reisewagen heute in Campiglio ankommen will, so muß er zuvor in demselben eine achtzig Kilometer lange Straßenstrecke von Trient ab – über Le Sarche und Pinzolo, das Rendena- und das Nambinothal hinauf – zurücklegen. Wird aber einmal die Straße, die schon [655] heute von Bozen ab über den herrlichen Mendel-Paß in den „Sulzberg“ (Val di Sole) zum Dorf Dimaro führt, von diesem Orte aus nach Campiglio vervollständigt sein, so werden nicht wenige Besucher dieser Hochalpen sich entweder auf dem Hin- oder Rückwege dieser letzteren Strecke bedienen. Sie stellt zugleich die kürzeste Verbindung zwischen Bozen und dem Gardasee dar. Schon heute kann man bis Dimaro fahren und dann den Saumweg über den Paß Campo Carlo Magno benutzen. Verweilen wir bei ihm einen Augenblick; denn sein Name weckt geschichtliche Erinnerungen. Die alten Ureinwohner der Thäler Südtirols, die Etrusko-Rhäter, wurden durch die Flut der Völkerwanderung aus ihrer Ruhe aufgerüttelt; germanische Scharen kamen über die Berge und germanisches Blut mischte sich mit dem romanischen. Heidnisch blieb aber das Land, und als später christliche Bekehrer in das Rendenathal kamen, erlitten sie hier den Märthrertod; denn zäh und hartnäckig hielt das Volk an seinen alten Göttern und ihrem düstern Dienst. Da zog, wie die Sage berichtet, König Karl mit 4000 Lanzen durch die Val camonica über Campiglio in das Rendenathal. Er bezwang die Hochburgen der heidnischen Herzöge und Herren, taufte die Besiegten und gründete Gotteshäuser … Doch wer vermag die Wahrheit der Sagen noch zu verbürgen? Aus einer viel späteren Zeit, aus dem 12. Jahrhundert fließen die ersten geschichtlich verbürgten Nachrichten über Campiglio. Danach war der Ort ehemals ein Hospiz, das im Zeitalter der Kreuzzüge von einem gewissen Raimund zur Pflege der Kranken und zum Schutze der Reisenden „in dieser einsamen und unwirtlichen Gegend“ gestiftet wurde, „woselbst man die Fremden oftmals ausgeraubt und erschlagen hatte“. In jenen Tagen des Mittelalters schlugen die Jtalienfahrer ganz andere Wege ein als jetzt. Weil es dort, wo wir heute eine Eisenbahn oder wenigstens eine Poststraße sehen, nur Wegverbindungen gab, die nicht viel besser waren als die Saumpfade über die Hochgebirge, so fanden sich die Leute nicht veranlaßt, diesen letzteren auszuweichen. Sie pilgerten sozusagen in der Luftlinie, denn die Schwierigkeiten oben und unten waren dem Grade nach nicht sonderlich voneinander unterschieden. Heutzutage machen wir der Bequemlichkeit wegen gern die großen Umwege mit, welche unsere Straßen um die breit ausgelagerten Gebirgsmassive herum einschlagen. So pilgerten damals die Wallfahrer, welche nach Welschland trachteten, vom Fuße des Brenners aus zumeist über das Jaufengebirge, und sodann Dimaro zu, von wo sie durch das „Waldthal“ (Val Selva), welches der Bach Meledrio durchrauscht, zum Hospiz gelangten.
Dabei überschritten sie in geringer Entfernung die etwas über dasselbe erhabene Hochfläche, über die einst Karl der Große in das Rendenathal gezogen war. – Das sind die Anfänge von Campiglio.
Die Jahrhunderte folgen einander, aber sie gleichen sich nicht. Mit der Verbesserung der Wege in den bequemeren Thalsohlen fiel für manchen die Veranlassung weg, einen siebzehnhundert Meter hohen Paß zu überschreiten. Außerdem aber änderten sich auch die Sitten und Meinungen der Menschen in anderer Weise. Die Wallfahrten in dem Umfange, wie sie früher gebräuchlich waren, verringerten sich. Die Brüder und Schwestern des Hospizes mögen sich nicht gut aufgeführt haben und das Kloster wurde zu Anfang des 16. Jahrhunderts aus verschiedenen Erwägungen aufgehoben; Madonna di Campiglio wurde ein einfaches Stift, welches der Bischof von Trient nach Gutdünken verleihen konnte. Aus jenen Tagen der Romantik sind heute nur noch die Kirche und ein Turm übrig.
Mit den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts kaufte ein italienischer Holzhändler Namens Righi aus Pinzolo einen Teil der Hochwälder, mit welchen damals die Gegend von Campiglio noch allenthalben dicht bedeckt War. Es waren die Liegenschaften des ehemaligen Hospizes, die er erstand. Um die Wälder entsprechend ausbeuten zu können, legte er auf seine eigenen Kosten von Süden her eine Fahrstraße nach der einsamen Siedelstätte, die nur noch einen Zufluchtsort für arme Hirten, Köhler und Holzschläger der Umgebung bildete. 1872 benutzte dieser unternehmende Holzhändler die Baureste des alten Hospizes, um unter der Aegide der damaligen „Società alpina del Trentino“ ein Gasthaus für Touristen und Sommerfrischler zu bauen. Dasselbe fand auch, namentlich aus den Kreisen des genannten südtiroler Alpenvereins, Zuspruch, brannte aber schon im Jahre 1877 ab, und kaum, als das Gebäude aus den Trümmern neuerstanden war, starb sein Erbauer.
Inzwischen war für jene Gegend eine neue Zeit angebrochen. Bis dahin hatten sich nur wenige Touristen in die herrlichen Einöden gewagt. Nun nahm die Sektion Leipzig des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins an der Erschließung dieses wunderbaren Hochgebirgs den regsten Anteil; sie legte am Mandrongletscher eine Schutzhütte an, sie lockte Touristen und Sommerfrischler in diese so erhabenen, fast neuentdeckten Berge und Thäler.
Da hatte auch ein Deutscher, Herr Franz Oesterreicher, welcher damals das „Hotel Trento“ zu Trient besaß, die Vorzüge dieser waldigen Berggegend erkannt. Er kaufte, was von der Ansiedlung noch übrig geblieben war, und legte so den Grund zum Entstehen eines Kurorts, der zwar auch heute noch im wesentlichen nur aus Hotelgebäuden besteht, aber bereits seit einigen Jahren an Ruf mit den berühmten Ortschaften des Engadin wetteifert.
[656]Vor wenig Wochen war in den Zeitungen zu lesen, daß Herr Oesterreicher neben einem seiner Gebäude einen neuen Speisesaal herstellen lassen will, der Raum für nahezu zweihundert Personen bieten soll. Diesen Raum zu gewinnen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die alte Kirche des ehemaligen Hospizes abreißen zu lassen, für welche er, selbstverständlich auf seine Kosten an anderer Stelle eine neue und schönere herstellt. Wo früher fromme Ordensbrüder still ihre Andacht hielten, werden jetzt befrackte Saisonkellner und elegante Kellnerinnen ihr Wesen treiben.
Nicht minder verschieden, im Vergleich zu jenen längst vergangenen Tagen, sind die Gäste, die damals hier ein Obdach suchten, und die heutige Sommerkundschaft des Hauses. Damals waren es mühselige Menschen mit Pilgerstab und Pilgermuschel am rauhen Gewande, heute Besitzer großer eiserner Kassen, Gelehrte und Würdenträger, von denen mancher ein Ordensband sich an seinem eleganten Gehrock anheften könnte. Bei allem dem herrscht ein freundlicher, geselliger Ton im Hause und auch um diesen macht sich der Wirt desselben verdient. Als einer der genauesten Kenner der Gegend und hervorragender Bergsteiger, stellt er sich gern selbst an die Spitze gemeinschaftlicher Ausflüge seiner Gäste und begleitet dieselben auf die umliegenden Höhen, auf welchen sich die Einblicke in die Eiswelt der tridentinischen und lombardischen Alpen aufthun.
Ja, empfehlenswert ist ohne Zweifel Madonna di Campiglio. Wer in behaglichster Weise in Lüften, wie sie hier wehen, einen Sommer verträumen will, der gehe in dieses von den Eisfeldern der Brenta-Alpen umstarrte deutsche Haus. Hier sind alle Register des Hochgebirges aufgezogen! Wasserfälle, wie die von Valasinella, Dolomittürme, die zu den höchsten von Tirol gehören, weite Gletscher, von welchen die Granitwälle des Adamello und der Presanella überlagert sind, und nicht weniger als sechzehn Hochseen, von deren Umrahmung der hier abgebildete Nambino-See eine zutreffende Vorstellung giebt, können nach kurzem Gange erreicht werden. Lohnend ist namentlich ein Abendausflug zu dem letzteren See. Man gelangt zunächst zu seinem östlichen Teil, [658] aus dem die schäumende nach ihm benannte Sarca sich zu Thal ergießt. Wir können den Bach auf einer einfachen Brücke überschreiten und auf einem neu angelegten Weg einen Rundgang um den See machen. Doch bleiben wir am Westende stehen und warten hier den Sonnenuntergang ab. Wundervoll ist dann der Anblick. Tiefe Schatten haben sich bereits über dem Thalkessel mit dem See gesenkt, aber droben glüht in goldenem Scheine der Abendsonne das rote firnübergossene Dolomitgestein der Brentakette und klar spiegelt sich das feurige Bild in der dunklen Flut des Lago Nambino.
In Anbetracht einer solchen landschaftlichen und wirtlichen Ausstattung dieser Sommerfrische, deren „Saison“ von Anfang Juni bis Anfang Oktober reicht, erscheint es begreiflich, daß dieselbe trotz ihres kurzen Bestehens bereits von Kaisern und Königen wiederholt besucht worden ist. Von diesen Persönlichkeiten haben sich selbstverständlich allerlei Erinnerungszeichen erhalten. Zum Andenken an den Besuch des Kaisers Franz Josef erhielt die höchste Spitze der Brenta-Gruppe ihren Namen. Die Umtaufe wurde erst vor wenigen Wochen vollzogen. Auf dem Weg zur Hochfläche des Spinale gemahnt der „Kaiserin Elisabeth-Platz“ an den Besuch der Landesherrin. Tafeln erzählen von der Anwesenheit des Kaisers und der Kaiserin Friedrich. Die letztere hat auch die früher Cima Groste genannte Marie Valerie-Spitze bestiegen, auf die man schön hinschaut, wenn man vom Lager Karls des Großen gegen Osten blickt. Kaiserin Friedrich hat die Kinder des Herrn Oesterreicher gemalt und ihm die Bildnisse als Andenken geschenkt.
Die eigentliche Hochtouristik hatte merkwürdig lange diese herrliche Gegend gemieden. Zutreffend bemerkt hierüber das Specialwerk über Madonna di Campiglio von M. Kuntze und E.-Pfeiffer, daß, bevor Jul. Payer in den sechziger Jahren das Gebiet des Adamello-Presanella-Stockes durch seine kartographische Anfnahme erschlossen, dieser prächtige Teil Südtirols der Touristik fast so unbekannt war wie das Gebiet des Elborus im Kaukasus. Aber erst seit der Eröffnung der 1879 am Madrongletscher von der Sektion Leipzig des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins errichteten Schutzhütte hat sich der Zuzug der deutschen Alpenwanderer stärker geltend gemacht, von Jahr zu Jahr wachsend, und mit Freuden begrüßen auch sie das Vorhandensein eines so behaglichen Stützpunkts für ihre Alpenfahrten, wie ihn Campiglio bietet. Uebrigens besteht etwas entfernt vom „Grand Hotel des Alpes“ noch ein einfaches Wirtshaus, das Albergo alpino, früher Osteria Palu genannt, und in ersterem genießen die Mitglieder alpiner Vereine Vorzugspreise.
Die gewaltigste Bergansicht, die sich in der Nähe von Campiglio darbietet, ist die von der Fahrstraße im Nambinothal, welche sich etwas oberhalb des Dorfes Sant’ Antonio di Mavignola den erstaunten Blicken auf die firngekrönte Königin der Brentagruppe, die Cima Tosa, öffnet. Diesem höchsten Berg der gewaltigen Dolomitenkette dicht vorgelagert und ihm zugehörig, wie ein Turm zum Dom gehört, ragt die Felsenzinne des Crozzon di Brenta empor, der mit furchtbarer Steilheit in firnbedeckten Felsabsprüngen zur Tiefe fällt. Unser Bild auf S. 656 hält diesen Eindruck fest. Unterhalb der Straße braust und schäumt es empor: die Abflüsse der gewaltigen Gletscher suchen sich hier ihr Bett. Auf dem Monte Spinale, dessen aussichtsreiches Plateau von Campiglio aus in einer guten Stunde erreicht wird, läßt sich die Brentagruppe in . ihrem Aufbau prächtig übersehen. Da zeigt sich dem Auge, daß die Cima Tosa den roten Felsturm des Crozzon di Brenta wirklich überragt. Unser Bild von dieser Ansicht (S. 652 und 653) läßt auch deutlich den Zusammenhang der Cima Tosa mit der ihr zur Linken vorgelagerten Cima di Brenta erkennen. Zwischen ihnen klafft ein tiefer Spalt, die Bocca di Brenta, der als Uebergang zum Molvenosee hinüber von rüstigen Bergsteigern benutzt wird. Mut bedarf es hierzu nicht, aber fester Sohlen und ausdauernder Beine. Gewaltig und rauh ist ihm zu Seiten die Landschaft, in wilder Zerklüftung ragt das Kalkgestein, Schotterhaufen setzen sich bis in den Schnee hinein fort, Eiswülste ragen in die Wolken oder sperren hier und dort Wannenthäler ab.
Drüben erscheint in unbeschreiblicher Farbe der See von Nembia. Da einst Scheffel als einer der ersten deutschen Neuentdecker in diese Gegend kam, löste sich der Eindruck seiner düsteren Einsamkeit in einem humoristischen Lied auf, das sich in seinen Reisebildern aus den Tridentinischen Alpen findet:
„O, zürne nicht, See von Nembia,
Im felsstarr schweigenden Thale,
Daß ein Mensch dich zu besuchen kam
Auf rotgrauem Animale.
Ich kenne dich, See von Nembia,
Ich lese aus deinen Zügen;
In ungekannter Schöne willst
Du nur dir selber genügen!
Fahr’ wohl denn, See von Nembia,
Und mög’ dich der Himmel bewahren
Vor allen Töchtern Albions
Und nordischen Referendaren!“
Versetzen wir uns nun wieder nach Campiglio, so haben wir die erwähnte Hochfläche des Spinale als nächsten Spaziergang. Schön blickt man von dort gegen Nordwesten in das Thal der Seen, von welchen der Nambino- und der um fünfhundert Meter höher gelegene Serodolisee die schönsten sind. Die großartige Bergaussicht zu beschreiben wäre ein vergebliches Unterfangen. Behagliche Schlenderer werden von Rastbänken, deren nächste Umgebung die Namen hervorragender Persönlichkeiten führt, eingeladen. Große Blumenpracht entfaltet sich hier und rings umher blinken durch die Fichtenwipfel blauschimmernde Eishänge. Harzduft und Quellenhauch erzeugen in diesem Alpengarten eine Luft, die belebend wirkt wie keine Arznei. Es begreift sich demnach, wie in der Gegend sowohl als unter Fremden die Ueberlieferung sich festgesetzt hat, daß ein Aufenthalt auf diesen Höhen die Frauen verjünge.
Nadelwald umgiebt allenthalben die Fläche des Spinale. Als vor einigen Jahren eine Gesellschaft von Herren und Damen sich auf ihr erging, nahm ein Amateurphotograph die wanderfrohe Gruppe auf. Am nächsten Tage wurden die Abdrücke unter die Genossen verteilt. Nicht gering war ihr Erstaunen, als sie wahrnahmen, daß, ungesehen von ihnen, ein Bär hinter dem Waldsaum her kostenfrei sich hatte mit abkonterfeien lassen.
Meister Petz ist allerdings ein nicht seltenes Wild in diesem Hochgebirge, in das er über die lombardischen Eisfelder herüberkommt – und häufiger als die Gemse. Es halten sich unter den eleganten Sportsmen, die Campiglio besuchen, auch immer einige aristokratische Bärenjäger auf, und der Wirt seiner Gaststätten hat mehrere dieser Tiere, die in dem Hochthal erlegt wurden, als Thürhüter und dergleichen ausgestopft, wirksam aufgestellt. Ob der mitphotographierte Bär in der That noch Herr seiner Bewegungen gewesen war, oder ob er der Sippe dieser Thürhüter angehört hatte, scheint noch unklar. Ich möchte letzteres annehmen. Die Spaziergänger von Campiglio sind wenigstens noch von keinem wirklichen Bären behelligt worden.
Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
Eildampfer der Zukunft.
[660]
Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
Die braune Marenz.
(Schluß.)
Der Frühling war vergangen, und als der Sommer kam, ging Herr Dorning mit einer sehr aufgeputzten Dame durch die Straßen unserer Stadt. Das war seine neue Frau, die er allen Freunden mit der Bemerkung vorstellte, sie habe fast ebensoviel Geld wie er selbst. Er sah sehr zufrieden aus und seine Frau gleichfalls. Sie war allerdings sehr häßlich und hatte vorne nur einen Zahn; aber sonst schien sie sehr nett zu sein. Wenigstens behaupteten dies alle Leute, die mit ihr zusammenkamen, und wenn man so viel Geld hat, wie Herr Dorning und seine Frau, dann wird man auch meistens nett gefunden.
Wir gingen dem Hofbesitzer aus dem Wege, wenn wir ihm gelegentlich begegneten. Ich hatte immer das unangenehme Gefühl, er könne mich noch einmal bei meinem Vater verklagen, weil ich doch unartig gegen ihn gewesen war. Als ich ihn aber einmal auf dem Jahrmarkt beim Karussell traf, nickte er mir sehr freundlich zu und wollte mir einen Schilling schenken, denn ich war gerade in Geldbedrängnis, weil ich mein Vermögen in der Kuchenbude verjubelt hatte. Aber der Schilling von Herrn Dorning gefiel mir doch nicht und ich schob mich eilig in die Menschenmenge, die vorm Polichinellkasten stand.
Es war der Sommermarkt im Juli, an dem eigentlich niemals etwas los war, meistens regnete es sehr an dem Tage und dann kam kein Mensch vom Lande. Diesmal aber war es schönes Wetter und von allen Seiten kamen die Wagen. Ich war bald
[661][662] vom Polichinellkasten zurückgetreten und ging langsam nach Hause. Mein Weg führte mich am Oltenschen Hause vorüber. Dort stand Christoph in der Thür und winkte mir eilig zu.
„Nu is mein Mutter tot. – Ganz snell is das gangen! Sag es man an Heine! – Grad an’n Markttag!“ setzte er etwas verdrießlich hinzu, während er nach dem Marktplatze horchte, von wo man zwei Drehorgeln arbeiten hörte.
Ich stand einen Augenblick still und sah neugierig in den leeren Bäckerladen. Großen Eindruck machte mir die Nachricht nicht. Frau Olten hatte nach ihrem Schlagfluß zu lange gelebt, als daß wir ihr noch große Teilnahme schenken konnten. Aber als ich weiter ging, mußte ich doch an Marenz denken. In der letzten Zeit war sie uns langweilig geworden, weil die erwachsenen Leute sie so gelobt hatten. Sie war so gut gegen die kranke Frau gewesen, so tüchtig im Geschäft, so ehrlich und fleißig; niemand hatte etwas an ihr auszusetzen, selbst unsere Tante nicht, die früher auf sie böse war, weil sie soviel lachte.
Nur wir Kinder mochten es nicht, wenn jemand so gelobt wurde. Wir konnten ja nichts dagegen einwenden, aber solche Tugendspiegel wurden uns gewöhnlich als Beispiele vorgehalten und als es erst hieß: „Ja, wenn Ihr noch einmal so werdet wie Marenz, dann könntet Ihr Euch freuen und wir würden glücklich sein!“ Da war es mit unserem Interesse für Marenz halbwegs vorbei. Nicht ganz; aber wir liefen nicht mehr so viel nach dem Oltenschen Hause, und wie wir ihr eines Tages wieder begegneten, da war es herbstlich und auf dem Kirchhofe lagen viele welke Blätter. Dort war es nämlich, wo wir Marenz sahen. Sie trug das alte, braune Kleid unserer Tante, das wir ihr als Trauerkleid empfohlen hatten, und sie ordnete das Grab der Frau Olten. Wir sahen ihr eine Weile zu, ehe wir sie anredeten. Aber sie war so blaß geworden, daß es sogar uns auffiel.
„Fehlt Dir was, Marenz?“ Sie fuhr ein wenig zusammen.
„Was sollt mich fehlen!“ sagte sie dann.
Aber in ihren Augen standen Thränen, als sie mit einem kleinen Messer einige Zweige abschnitt.
„Gehst Du gar nicht mehr zu Tanz, Marenz?“ fragte Jürgen, der soeben von unserem Mädchen eine glühende Beschreibung eines Ballfestes gehört hatte.
Sie schüttelte den Kopf. „Wer sollte mir mitnehmen?“
„Ist Johann Kühl nicht mehr da?“
„Der?“ sie sah in den Himmel, an dem die Herbstwolken zogen. „Der is ja gar nich von Lübeck nach Haus gekommen. Hat sich da verheuert auf’n anner Schiff. Bäcker Olten sagt, das is in die Südsee gegangen, oders nach Engelland – ich weiß nich, wo all die Länders liegen!“
Marenz hatte tonlos gesprochen und wir empfanden das Bedürfnis, sie auf andere und angenehmere Gedanken zu bringen.
„Sei nicht traurig,“ tröstete Jürgen.
„Chriswph Olten sagt, sein Vater will Dich bald heiraten – Du paßt so gut für das Geschäft! Dann brauchst Du nicht mehr an Johann Kühl zu denken!“
Marenz hatte sich auf das Grab gesetzt und die Hände um ihre Kniee gelegt. „Nee,“ sagte sie halblaut, während um sie herum die dürren Blätter raschelten; „nee, denn brauch ich ja nich mehr an ihm zu denken!“
Wir gingen davon.
„Marenz ist gar nicht mehr lustig und gar nicht mehr nett!“ sagte Jürgen, und ich nickte. „Nein, sie ist gar nicht mehr nett!“
Ich hatte mein Taschentuch verloren und lief zurück, um zu sehen, ob ich es vielleicht bei Marenz hätte fallen lassen. Da kniete sie vor dem Grabe Frau Oltens und hatte den Kopf tief auf die Brust geneigt.
„O mein Johauu, mein Johann,“ schluchzte sie, „was läßt Du mir so ganz allein!“
Leise ging ich wieder davon und konnte nicht begreifen, was sie eigentlich wollte.
Einige Tage später fuhren wir nach dem Sunde. So heißt die Wasserstraße, die unsere Insel von dem Festlande trennt und die ein jeder passieren muß, der uns besuchen will. Manchmal ist der Sund sehr freundlich und lieblich anzuschauen. Dann ist sein Wasser blau, er hat kleine Wellen, und auf ihm mit einem Boote zu fahren ist ein großes Vergnügen. Manchmal aber macht er ein böses Gesicht, hat graue, riesige Wogen, schleudert seinen gelblichen Gischt weit aufs Land hinaus und die Leute, die auf seinem Rücken fahren sollen, stehen am Ufer, reiben sich die Hände und sehnen sich glühend nach einer festen Brücke, auf der man von einer Landseite zur andern spazieren kann. Solche Brücke wird es aber wohl niemals geben und es wäre auch schade für die Fährpächter und die Bootsleute, die breitspurig mitten im Seetang stehen und über die ängstlichen Landratten lachen.
Als wir an einem grauen Herbsttage am Sunde anlangten, um einen Gast abzuholen, war gerade ein Wetter, das die Ueberfahrt sehr unangenehm zu machen drohte. Der Wind fuhr von allen Seiten über das Wasser und der Fährpächter stand an der Landungsbrücke und sah durch sein Fernglas nach der andern Seite. Dort hingen an einem Maste allerhand Signale, und während er sein Glas langsam wieder zusammenschob, meinte er:
„Der kommp noch lang nich – der is bang! Kommt man ein in Stube!“
„Soll ich ihm holen?“ fragte eine ungeduldige Stinnme neben ihm. Aber der andere schüttelte den Kopf. „Nee, laß man Johann – was die Landrattens sind, die schreien ümmer so gräsig auf’n Wasser, und denn werden die Segels scheu!“
Wir lachten sehr über diesen Witz, der auch für uns bestimmt war, aber wir betrachteteu uns doch auch den jungen Mann, der neben dem Pächter stand und der uns gar nicht zu sehen schien.
Er war ganz in Oeltuch gekleidet und hatte sich den Südwester fest über die Augen gezogen. Wir erkannten ihn aber doch.
„Guten Tag, Johann Kühl,“ sagte Jürgen; „wo kommst Du denn her? Bist Du nicht in der Südsee?“
„Nee!“ sagte der Angeredete mürrisch. „Ich bin von Lübeck auf Kiel mit’n Dampfer gefahren, un nu such ich mich was anners!“
„Sein Onkel ist gestorben, da hat er sich sein Geld geholt!“ bemerkte der Fährpächter, der mehr für die Unterhaltung schien als Johann.
„Bist Du denn reich geworden?“ erkundigten wir uns; er aber wandte sich verdrießlich ab und erwiderte kein Wort.
Nachher aber, als wir uns in den Schutz einer kleinen Düne gesetzt hatten, um in den feinen Sand ein Loch zu graben, da stand Johann Kühl plötzlich wieder hinter uns. Er knotete an einigen Tauenden und schien uns gar nicht zu sehen, als Jürgen ihn aber fragte: „Bist Du gar nicht in der Stadt gewesen, Johann?“ da schüttelte er den Kopf und setzte sich dann zu uns.
„Was soll ich in Stadt?“ fragte er. „Da is nix los for mir!“ –
Er schwieg wieder uud wir gruben weiter, während der Wind über unseren Köpfen dahinpfiff und die Masten der Signalstange sich hin und herbogen.
„Wo geht es denn die junge Frau Dorning?“ fragte er plötzlich in höhnischem Ton und wir sahen ihn etwas erstaunt an.
„Der geht es ganz gut, glaube ich,“ versetzte ich. „Sie ist sehr nett!“
„Ja, sehr nett!“ versicherte Jürgen. Johann lachte kurz auf. „Nu, natürlich; Geld mach immer nett!“
„Sie hat aber nur einen Zahn!“ bemerkte Milo jetzt in vorwurfsvollem Ton. Dieser Bruder hatte immer sehr viel Sinn für ein schönes Aeußere. Johann schob seinen Südwester in den Nacken uud sah ihn starr an.
„Bloß einen Zahn?“ fragte er. „Wo kann das einmal angehn! Einen Zahn?“
Wir nickten. Ja, das war einmal so, und wir konnten nichts dabei machen.
„Der wird aber auch so bald nicht ausfallen!“ sagte Jürgen, der wohl das Gefühl hatte, Johann trösten zu müssen. „Er ist ziemlich lang und sieht sehr stark aus!“
„Du meine Zeit!“ Johann sah hilflos von einem zum andern. „As ich ihr zuletzt sah, da hatte sie ja noch alle Zähnens – ich dach, in die Jahrens wär sie noch nich, daß das so snell gehen kunnt!“
„Sie ist ziemlich alt!“ versicherte ich; „Marenz sagte neulich, sie wäre wohl fünfzig!“
„Marenz!“ Johann war aufgesprungen und setzte sich wieder hin. „Das is ja gerade Marenz, nach die ich frage –“
„Nach Marenz? Aber Marenz ist ja nicht Frau Dorning. Herr Dorning hat sich eine Frau aus Holstein genommen; er wollte Marenz nicht haben! Sie dient noch bei Bäcker Olten!“
[663] „Sie is nich Frau Dorning?“ Der Südwester war Johann vom Kopf gefallen und sein blondes dichtes Haar wehte ihm ums Gesicht – er merkte es aber nicht.
„Marenz is nich verheiratet?“ wiederholte er noch einmal.
„Nein, sie ist nicht verheiratet, aber Christoph Olten sagt, sein Vater will sie haben!“
Johann sprang auf. „Nu slag ein Dunnerwetter ein – is der Mann ein Türke, daß er zwei Frauens haben kann? O – was’n Geschichte, was’n Geschichte!“
Wir erzählten dann von Frau Oltens Schlagfluß und von ihrem Tode. Auch davon, daß wir an Marenz vieles jetzt auszusetzen fanden.
„Sie ist gar nicht mehr nett!“ wiederholten wir alle drei, und Jürgen setzte hinzu: „Frau Olten hat sie so oft geschlagen und sie hat sie kein einziges Mal wiedergeschlagen! Ist das nicht dumm von ihr? Christoph Olten erzählte es mir und er sagte mir auch, daß Marenz trauriger gewesen wäre als er, wie seine Mutter starb. Ist das nicht sonderbar? Und lachen thut sie auch nicht mehr. Nein, ich kann sie nicht mehr nett finden!“
„Ich auch nicht!“ setzte ich hinzu und dann sprangen wir auf und liefen nach dem Wasser. In der Ferne kam nämlich ein Boot angeschwankt, und wir wollten doch gern sehen, wie unser Besuch ans Land kam. Johann lief plötzlich mit uns.
„Meinst, daß sie Olten nimmt!“ schrie er mir ins Ohr, denn der Wind erschwerte sowohl Sprechen wie Hören. Ich nickte, dann fiel mir etwas ein; als ich es aber Johann mitteilen wollte, war er ebenso schnell verschwunden, wie er gekommen war.
Unser Gast kam an, und da er auf der Wasserreise naß geworden war und unbeschreibliche Angst dabei ausgestanden hatte, so schalt er uns auf der Rückfahrt so furchtbar aus, daß wir in einer etwas gedrückten Stimmung zu Hause anlangten. Wir hatten eigentlich gehofft, er würde uns etwas mitbringen – er aber schien so froh, sich selbst heil mitgebracht zu haben, daß wir ihm vollständig als Nebensache erschienen.
Im elterlichen Hause angelangt, wurde der Gast etwas milder, und obgleich er uns nichts mitgebracht hatte, so schenkte er uns einige Schillinge, damit wir ein Vergnügen haben sollten. Milo wurde mit diesem Kapital ausgeschickt, um kleine Pfeffernüsse zu holen, die es bei Bäcker Olten sehr gut gab. Wir wollten „Poch“ darum spielen.
Aber es dauerte sehr lange, ehe er wiederkam, und dann war er so aufgeregt, daß er zuerst gar nicht sprechen konnte. Als er sich etwas erholt hatte, fing er an unaufhaltsam zu reden.
„Haben wir nicht an Johann Kühl gesagt, daß Marenz gar nicht mehr nett wäre? Und glaubt Ihr, daß er darauf gehört hat? Wie ich in Oltens Laden komme –“ er holte tief Atem und seine Augen nahmen einen Ausdruck großen Entsetzens an – „ja, wie ich in den Laden komme, da sitzt Johann Kühl auf dem Ladentisch und Marenz ganz furchtbar dicht neben ihm. ,Für drei Schillinge Pfeffernüsse. Von den kleinsten, aber recht viele!‘ Das sag ich wohl dreimal – aber glaubt Ihr, daß Marenz mir zugehört hat? Sie hat den Kopf an Johanns Schulter gelegt und geweint. Was bedeutet das num? ,Für drei Schillinge kleine Pfeffernüsse, aber recht viel!‘ sag ich noch einmal! Und da hat Johann Marenz einen Kuß gegeben! Hatte ich davon etwas gesagt?“
„Wo sind die Pfeffernüsse?“ hieß es von allen Seiten und er brach in Thränen aus.
„Länger konnte ich das nicht mit ansehen – ich bin zu Bäcker Fritzen gelaufen; der hat mir welche gegeben, und die mußte ich doch einmal probieren, weil ich nicht wußte, ob Ihr die auch möchtet! Und da kam Otto Lawerentz und probierte auch und da – und da –“
Unter lautem Schluchzen wurde ihm ein zusammengeknülltes Stück Papier entwunden, in dem sich noch vier kleine Pfeffernüsse befanden. Die übrigen waren auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Daß Marenz an diesem Unfall schuld war, lag auf der Hand, nein, sie war gar nicht mehr nett!
Wir zürnten ihr eine ganz lange Zeit; aber leider machte sie sich gar nichts aus diesem Zorn, und als sie uns eines Tages erzählte, wie alles gekommen sei, wie Johann sie gefragt habe, ob sie wirklich den Bäcker Olten lieber heiraten wolle, da hörten wir ihr doch mit Spannung zu.
„Er is schon doll gewesen von wegen das Galopptanzen mit Hannes!“ erzählte sie. „und denn dachte er auch sonstens Böses von mich, wie die Männers nu einmal sind. Abers nu will er von sein büschen Geld ein klein Segeljacht kaufen und mir denn heiraten!“
„Kinners abers,“ setzte sie hinzu und sah dabei so vergnügt wie ehemals aus; „zu mein Hochzeit müßt Ihr kommen! Ich mein’, ich könnt nich lustig sein, wenn Ihr nich dabei seid, wo Ihr doch allens for mir gethan habt!“
Wir wußten nicht, daß wir etwas für sie gethan hätten, aber die Einladung nahmen wir mit vielem Vergnügen an.
„Was ziehst Du denn auf Deiner Hochzeit an, Marenz?“ fragte ich, und sie sah nachdenklich aus.
„Ich weiß das selbstens nich, Kind. Das alt braune geht nich mehr, und an die rosa Jack is auch nix mehr. Ich hab ja ein paar Thalers; bloß, daß ich mich ja auch ein büschen for die Wirtschaft anschaffen möcht. Mein Johann muß allens und allens bezahlen – liebe Zeit – ich bin ja nich for Geld, abers ein paar Thalers häbt ich ganzen gern! Na, mein Johann sagt, das is allens einerlei; da will ich mir auch nicht weiter quälen!“
Sie lief singend davon und wir mochten sie plötzlich wieder so gern leiden wie früher, denn wir hatten das Gefühl, etwas für sie sorgen zu müssen und wenn man für jemand sorgen muß, dann drückt dieser sich ganz allmählich in das Herz des Sorgenden hinein. Wir verschafften ihr auch allerlei nützliche Sachen für den Hausstand, auch für ein Traukleid sorgte meine Mutter, und Marenz freute sich über jede Kleinigkeit. Aber blutarm blieb sie darum doch, und die erwachsenen Leute, die immer so klug sind, sagten, es sei ein Unsinn, daß die beiden schon heiraten wollten.
Aber die Hochzeit ward doch bald, denn Bäcker Olten, der mit Marenz plötzlich sehr unzufrieden geworden war, wollte sie nicht mehr im Hause behalten und da mußte sie schon heiraten.
Es war ein Sonntag im November, als Johann Kühl und Marenz zum dritten- und letztenmal in der Kirche aufgeboten wurden. Sie wurden also von der „Kanzel geschmissen,“ wie die Leute es nannten, und sie saßen beide ganz verklärt vor Freude in ihrem Seemannsstuhl und hörten ihre Namen vor aller Welt nennen. Auch vor Herrn Dorning und Frau, die auf ihrem Honoratiorenplatz in der Kirche saßen und etwas verschlafen aussahen. Denn sie schliefen beide öfters, wenn auch nicht regelmäßig, in der Kirche, und die Leute sagten, sie langweilten sich miteinander, gerade wie Herr Dorning sich früher mit seiner ersten Gattin gelangweilt habe.
Nun war der Gottesdienst zu Ende und in dem Gedränge, das an der Thür entstand, kamen Jürgen und ich dicht hinter Dornings heraus. Wir wollten an ihnen vorübergehen aber Herr Dorning, den die scharfe Novemberluft wohl erfrischt hatte, rief uns plötzlich an:
„Nu, Kinners, wie geht das Euch? Auch ein büschen zur Kirche?“
Wir gaben ihm die Hand und auch Frau Dorning, die uns freundlich anlächelte. Sie zeigte dabei einen Muud voll schneeweißer Zähne und wir waren so überrascht von dieser Naturerscheinung, daß wir sie unverwandt anblickten.
„Sind Deine Zähne so schnell wieder gewachsen?“ fragte ich und Herr Dorning lachte laut auf.
„Nu kuck an! Was nich allens sehen kannst!“ rief er. „Ja – sind das nich feine Zähnens? Schenk ich mein Frau auch verträglich zu Weihnachten und kosten ein Berg Geld!“
„Nun hast Du gerade so schöne Zähne wie Marenz! Nicht wahr, Herr Dorning?“ sagte Jürgen und Herr Dorning murmelte einige Worte, die wir nicht verstanden.
„Was for’ne Marenz meint Ihr?“ griff jetzt Frau Dorning in die Unterhaltung ein. Wir gingen noch immer zusammen den langen Kirchsteig hinunter und da sie mich bei der Hand gefaßt hatte, konnte ich nicht fortgehen.
„Marenz ist die braune Marenz!“ sagte ich. „Wir kennen sie schon lange – Herr Dorning auch. Sie hat sein Geld wiedergefunden, viel Geld, und nachher wollte er sie heiraten – nicht wahr, Herr –“
„O, was’n Unsinn!“ rief Herr Dorning mit lautem Auflachen. „So – nu adjüs ok – grüß Vater vielmals – lauft man snell nach Hause!“
„Nee, nee!“ bemerkte Frau Dorning. Sie hielt mich ganz fest und nickte ihrem Manne ein wenig zu. „Laß mir man hören, was das for’n Geschiche war! Ich hab all die Glockens von so was läuten hören! Dein Swester hat mich auch was Aehnliches verzählt –“
[664] „Gott, Dorette,“ unterbrach Herr Dorning sie, „was willst die alten Lügens hören! Und noch dazu aufn Sonntag, wo man doch den Herrgott wohlgefällig sein soll! Wir haben ja auch gar kein Zeit! Ich wollt mich ja noch Sweine kaufen –“
„Denn kauf Dich man Sweine, mein Detlef!“ bemerkte seine Frau ruhig. „Das is natürlicherweise uns’ Herrgott aufn Sonntag wohlgefälliger, as wenn ich mich mit’n unschuldigen Kind unterhalte. Ich geh hier ein büschen auf und nieder mit die Kleinens und Du kannst Dich ein Swein kaufen!“
„Du liebe Zeit, Dorette!“ sagte Herr Dorning noch einmal und sah uns wenig freundlich an. „Da is auch nix zu verzählen. Die Deern – Marenz heißt sie ja woll, hat mich mal ein paar Thalers wieder gebracht –“
„Achthundert Spezies!“ bemerkte Jürgen und Frau Dorning machte große Augen.
„Achthunnert Spezies? Da hast sie doch was Ordentliches für gegeben?“
„Nu, natürlich, Dorette –“
„Einen halben Bankthaler,“ erzählte Jürgen weiter, „und nachher noch einen ganzen, als Herr Dorning Marenz heiraten wollte!“
„Halt den Snabel!“ schrie der Hofbesitzer meinen Bruder an, seine Frau aber schob ihren Arm in den seinen.
„Sweig man ganzen still, mein Detlef,“ sagte sie gemütlich. „Meinst, daß ich vierzehn Tage auf die Insel gewesen bin und hab nix von das hübsche Mädchen gehört, das Dir nich wollte? Dein eigen Swester, die mir nich ausstehen kann, hat mich das snell genug beigebogen, wie Du das woll begreifen wirst. Ne, sie hat Dir nich gewollt, was Du auch dagegen sagen magst, und wie ich das hübsche Mädchen heute in Kirche sah, hab ich das auch begriffen. Denn wenn man jung is und hübsch, denn mag man keine alte und kahle Männers!“
„Du bist auch alt!“ murrte er.
„Ganz gewißlich!“ gab sie ruhig zurück. „Dafor paß ich auch besser for Dir und ich paß auch besser, weil ich Geld hab, – da mach ich mich gar nix aus, daß Du beinah die klein Deern genommen hättst – über sowas ärgere ich mir nich, wo das doch nich passiert is. Wo ich mir aber über ärgere, das is, daß Du Dich von so’n arme Deern hast was schenken lassen. Denn sie hat Dich was geschenkt – wo sie Dich die achthunnert Speziesthalers wiedergebrach hat und Du – –“
„Sie war bannig zufrieden,“ schrie Herr Dorning; „und Deine Sache is das nich –“
„So? das is nich meine Sache, wo ich Dein angetraute Frau bin und allens mit Dich tragen soll? Freud und Leid und Krankheit will ich for meinswegen gern mit Dich tragen; abers Spott und Hohngeschrei, das mag ich nich. Da bin ich nich bei hergekommen, mein klein Detlef, wo unser Familie woll an hundert Jahrens auf denselbigten Hof sitzt!“
„Was willst denn?“ fragte ‚klein Detlef‘ ein wenig kleinlaut, während seine Frau uns zunickte.
„Nu geht man nach Hause, mein Kinners. Ihr braucht mich nix mehr zu verzählen – was mein Detlef und ich zu snacken haben, da braucht Ihr auch nich beizustehen!“
Wir liefen erleichtert davon, und dennoch spielten wir lange Zeit nach dieser Unterredung ein Spiel, das „Dorette und Detlef“ hieß und das sehr hübsch war.
Vierzehn Tage später durften wir wirklich an dem Hochzeitsmahle von Johann Kühl und Marenz teilnehmen. Es fand in Schmidts Gasthof, einem nicht gerade sehr eleganten Hotel statt; aber da Herr Schmidt der Bruder von Johann Kühl seiner angeheirateten Cousine war, so that er es etwas billiger. Es war ein feierlicher Tag. Zuerst die Trauung in der Kirche, wo Marenz so weinte, daß sie uns beinahe ansteckte, und dann das Mittagessen, an dem außer uns noch einige Gäste, z. B. Hannes Bergmann und Christoph Olten teilnahmen. Johann hatte Hannes eigentlich nicht einladen wollen, er war noch immer böse, daß der besser Galopp tanzte als er. Aber Hannes hatte sich selbsl eingeladen, und da er ein Gedeck mit sechs Servietten und ein Pfund Tabak schenkte, durfte er auch nicht übergangen werden. Christoph Olten schenkte einen ziemlich großen Sack mit Mehl und vier Schwarzbrote. Es ging bei uns das Gerücht, er habe beides seinem Vater gestohlen; dies war aber nicht wahr. Vater Olten wußte von dem Geschenk Bescheid und hatte auch nichts dagegen, weil Christoph sonst so schrecklich weinen würde, wie er Bekannten gegenüber erklärte.
Das Essen war wunderschön. Zuerst gab es Weinsuppe mit Rosinen darin, dann Gänsebraten und dann Reispudding. Bei der Weinsuppe wurde ich leider krank, und Milo beim Gänsebraten, Jürgen aber arbeitete sich tapfer durch alles hindurch und sagte, es hätte ihm niemals so gut geschmeckt. Auch gefiel es ihm so, daß man von allem wenigsteus drei Portionen essen mußte. An der dritten Portion Weinsuppe hatte nämlich mein Magen Schiffbruch gelitten. Aber zum Reispudding kam ich wieder und das war mein Glück, denn nun fing die Fröhlichkeit erst an. Bis dahin hatten alle Gäste ganz still gesessen und nur unglaublich viel gegessen. Auch das Brautpaar war still und beklommen und Marenz hatte noch gar nicht gelächelt. Aber bei dem Reispudding kam der Wein, „echten alten Boddoh“, wie Herr Schmidt sagte, und Hannes fing an, einige Witze zu machen.
Plötzlich öffnete sich die Thür und Frau Dorning trat ein. Wir sahen sie alle sehr erstaunt an, sie aber nickte uns zu mit der schönen Unbefangenheit, die der Besitz von vielen Speziesthalern geben soll.
„Kuck mal an,“ sagte sie ruhig, „was’n vergnügte Gesellschaft! Ich will auch nicht lang stören!“
Dann ging sie auf Marenz zu, die sich errötend erhoben hatte und nun ihren kleinen einfachen Brautschleier aus dem Gesicht schob.
„Nu, mein Deern,“ sagte die reiche Frau; „ich hab gehört, Du hättst Hochzeit und ich bin gekommen, Dich zu gratulieren. Kennen thue ich Dir ja nich, abers gehört hab ich von Dich und gesehen hab ich Dir auch!“
Sie sah einen Augenblick freundlich in das hübsche Gesicht der jungen Braut und fuhr dann fort:
„Herr Dorning hat mich verzählt, was Du forn ehrliche Deern bist und daß Du sein Geld so schön wiedergebracht hast. Er wollt Dich schon ümmer was schenken; bloß, daß er so viel mit sein Wirtschaft zu thun hatt. Wo er abers hörte, daß Du heiraten wolltst, hat er mich kein Ruh mehr gelassen, daß ich Dich unser Geschenk bringen sollt. Gotts Seegen, klein Deern, sei man ümwer brav und ümmer so gut, wie Du gewesen bist, denn wird uns’ Herrgott Dir auch beschützen!“
Frau Dorning setzte einen kleinen Beutel vor Marenz hin, klopfte sie auf die Schulter und war dann wieder verschwunden.
„Was’n Frau!“ sagte Hannes Bergmann bewundernd. „Bei die möcht ich woll in Dienst sein!“
Mit diesen Worten war das Schweigen gebrochen, das bis dahin über der Gesellschaft gelegen hatte. Der Beutel wurde geöffnet, und als sich in demselben hundertundfünfzig harte Bankthaler besaudeu, da tanzte Marenz ganz allein Galopp durch den Saal. Ihr Mann aber ließ Herrn Dorning hoch leben und alle sagten, solchen Mann gäbe es gar nicht mehr auf der Insel.
Leider wurden wir in diesem Augenblicke geholt und ich kann daher das Ende des Festes nicht beschreiben. Schön muß es aber gewesen sein, denn Marenz sagte später immer: „Kinners, Kinners, so’n Hochzeit as ich, so’n Hochzeit hat gewiß der König in sein Sloß nich gehab – o – was war es prachvoll! Und mein Johann hat mit mich getanzt, und is bloß einmal hingefallen. Abers geärgert hat er sich ganzen und gar nich! Nee – ich wollt man bloß, daß alle Leutens so’n Hochzeit hätten wie die braune Marenz!“
Die braune Marenz ist wirklich so glücklich geworden, wie man es in diesem unvollkommenen Leben werden kann, und unsere Freundin ist sie auch geblieben, so lange wie wir auf der Insel waren. Das will viel sagen, denn gewöhnlich verändern sich die Leute, wenn sie heiraten, und werden „eklig“, wie Jürgen sagt. Aber Marenz blieb wie sie immer gewesen war, und deshalb schätzten wir sie sehr hoch.
Herrn und Frau Dorning haben wir auch noch oft wieder gesehen. Die letztere war immer nett und freundlich gegen uns, Herr Dorning aber sah uns gewöhnlich nicht, wenn wir ihm begegneten. Manchmal wunderten wir uns über seine Gleichgültigkeit, wo er doch früher freundlich gegen uns war; im allgemeinen aber trösteten wir uns mit der Bemerkung, daß es verschiedene Menschen auf der Welt geben müsse, sonst würde sie zu langweilig. Nette Menschen wie die braune Marenz und weniger nette wie Herr Dorning. Letzterem gönnten wir alles Gute; aber daß wir die braune Marenz lieber leiden mochten, wird uns gewiß niemand übelnehmen.
[665]
Alle Rechte vorbehalten.
Vor der Berufswahl.
Obgleich kaum ein anderer Frauenberuf so rein weibliche Neigungen und Fähigkeiten voraussetzt wie der der „gebildeten Stütze“, so ist doch keiner von allen so mangelhaft besetzt als gerade dieser. Nicht der Zahl nach – bekanntlich bewerben sich um jede freie Stelle Dutzende von Mädchen –, aber der sprichwörtlich gewordenen ungenügenden Leistung nach, die gewöhnlich weit unterhalb dessen bleibt, was eine Hausfrau von ihrer „Stütze“ verlangen darf.
Der Grund der beklagenswerten Thatsache liegt in der Art, wie dieser Beruf gewöhnlich ergriffen wird. Kaum jemals denkt ein siebzehnjähriges Mädchen daran, „Stütze“ werden zu wollen. Sie lebt entweder die bekannten sechs bis sieben „Wartejahre“ in dem halbmüßigen Vergnügungstreiben der höheren Stände, beschäftigt mit unnützen kleinen Handarbeiten und Liebhaberkünsten, oder in den beschränkten Verhältnissen der ärmeren Familien, ohne Begriff von dem, was ein gut situierter Hausstand an Kenntnissen und Fähigkeiten erfordert. Der Mangel einer Versorgung oder die plötzlich hereinbrechende Lebensnot veranlaßt dann beide, sich als gebildete Stütze anzubieten, in der stillschweigenden Annahme, daß hierzu keine besonderen Kenntnisse nötig seien, indem man unter Leitung der Hausfrau arbeite, die einem das Erforderliche schon täglich sagen werde.
Und somit beginnt die dornenvolle Laufbahn des „Fräuleins“. Ihre Unbewandertheit, oft schon in den kleinsten Dingen, wie Lampenrichten und Staubwischen, erregt erst das Staunen, dann den Aerger der Hausfrau, es zeigt sich, daß sie nichts vom Kochen und Schneidern versteht, die Erledigung aufgetragener Besorgungen verrät einen schlimmen Mangel an Warenkenntnis, sie vermag nicht, sich bei den Nachhilfestunden den Kindern gegenüber in Respekt zu setzen – es wäre das auch eine Kunst bei den zahlreichen Mißbilligungen von seiten der Mama, welche diese tagsüber mit anhören! Und so sitzt denn das Fräulein, welches in dieser Familie herzliche Behandlung, Anschluß, etwas Geselligkeit vielleicht, erhofft hatte, abends, wenn die kleinen Plagegeister endlich im Bett sind, einsam in ihrem Zimmerchen und benetzt den Brief an ihre fernen Lieben mit heißen Thränen. Sie fühlt sich verkannt, mißhandelt und geringgeschätzt, sie bereut es tausendmal, „Stütze der Hausfrau“ geworden zu sein.
Wenn sie, anstatt zu weinen, ruhig nachdenken wollte, so müßte ihr bald klar werden, daß alle die bitteren Erlebnisse die Folge ihrer eigenen großen Untüchtigkeit sind. Wer also in diesem Beruf ein gutes Fortkommen finden will, der muß es praktischer angreifen.
Drei Lehrjahre mindestens sind unerläßlich, sie müssen ausgefüllt werden mit Erlernung aller häuslichen Verrichtungen, sowie mit der Uebung in Dienstfertigkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, welche allen aus der Schule kommenden Mädchen ohne Ausnahme so sehr not thut!
Vollständige Kenntnis aller Zimmer- und Hausarbeit, nebst der Fähigkeit, sie mustergültig vorzumachen, ist das erste, was gelernt werden muß. Hierauf folgt Kochen bis zur vollen Selbständigkeit, Früchteeinmachen etc., Feinbügeln und Feinwaschen, Nähmaschinenarbeit und Schneiderei. Auch ein paar Monate im Kindergarten sollten jedenfalls noch dazu kommen, sie tragen künftig reiche Frucht! In den erstgenannten scheinbar nur körperlichen Fertigkeiten steckt viel geistige Uebung, auch bleibt bei richtiger Einteilung noch Zeit genug zur inneren Fortbildung und zur körperlichen Erholung.
Ein so vorgebildetes Mädchen kann dann schon in ihrer ersten Stelle einen guten Gehalt verlangen, denn sie leistet ja unendlich mehr als die vielen, welche im geheimen Bewußtsein ihrer Unfähigkeit den „Gehalt als Nebensache“ bezeichnen. Von vornherein muß sie sich aber klar machen, daß ihre Stellung zwischen Herrschaft und Gesinde keine leichte ist, sondern ein bedeutendes Maß von Takt und Selbstbeherrschung, gepaart mit ruhiger Festigkeit, erfordern. Den Dienstboten imponiert nur sachverständige Arbeit und tadelloses Benehmen, nicht das hochmütige Fräulein-Gebahren, das sich für dies und jenes zu vornehm hält. Ein gutes Einvernehmen mit ihnen muß angestrebt werden und ist durch freundliche Teilnahme und Hilfe bei kleinen Versehen zu erreichen. Wo aber Ungehöriges geschieht, da ist strenge Mahnung notwendig und, fruchtet diese nicht, Bericht an die Hausfrau. Zu ihr muß sich die Stütze unter allen Umständen halten, selbst wenn der Verkehr mit ihr manchmal seine Schwierigkeiten haben sollte. Nicht alle Frauen behandeln ihre Hausgenossen mit Güte und Rücksicht, aber auch die launenhaftesten begreifen bald, wie wertvoll eine sehr tüchtige Kraft im Haushalt ist, und hüten sich, sie zu verlieren. Zweifellos liegt in dem Verhältnis zur Frau der wichtigste Punkt der ganzen Frage: ist es gut und freundlich, so kann der Aufenthalt im fremden Hause alle Härten verlieren. Ein großes Bindeglied sind ja auch die Kinder: selbst verzogene und unartig gewordene ändern sehr schnell ihr Benehmen dem liebenswürdigen und heiteren Mädchen gegenüber, die ihnen nach gut gemachten Aufgaben noch etwas erzählt oder die kleinen Kunstfertigkeiten lehrt, welche alle Kinder entzücken, ein Spiel mit ihnen macht u. dergl. Die Kindernatur bleibt, allen modernen Zuständen zum Trotz, ewig dieselbe und ist immer mit denselben Mitteln zu behandeln und zu erziehen. Und die Mutter, mag sie selbst schlecht erzogen und unvernünftig sein, ist derjenigen dankbar, die jene anzuwenden versteht. In wievielen Häusern schaltet aber eine gemütvolle, verständige Frau, welche solche Fähigkeit nach threm vollen Wert würdigt!
Dann kommt nach und nach der Familienanschluß von selbst, welchen so viele Eltern als erste Bedingung für ihre Tochter beanspruchen. Ganz ungerechtfertigterweise, wie sogleich hinzugesetzt werden muß. Es ist keiner Familie zuzumuten, eine ihnen völlig Fremde in die Vertraulichkeit ihres abendlichen Zusammenseins aufzunehmen, und die Forderung davon beruht auf einem sentimentalen Ineinandermengen von Geschäfts- und Gemütsverhältnis, welches immer schlechte Früchte trägt. Das junge Mädchen, welches sich auf eigene Füße stellt, muß imstande sein, seine letzten Abendstunden ohne Thränen zur Lektüre, zum Briefschreiben, zur Fortbildung oder zu Handarbeiten zu verwenden. Bei der Abmachung ihres Verhältnisses soll sie nicht vergessen, sich hierfür einen angemessenen im Winter geheizten Raum auszubedingen. Geselligkeit, welche so viele im stillen ersehnen, hat sie, wenigstens in den ersten Zeiten, bis man sie näher kennt, nicht zu erwarten. Der heimliche Wunsch danach, genährt durch die vielen Gouvernantenromane mit glänzendem Heiratsausgang, lähmt ihre Arbeitsfreudigkeit, macht sie ungerecht gegen die Familie und unzufrieden mit ihrer Stellung. Viele, sonst recht brauchbare Mädchen, haben sich diese schon durch zu große Anschlußbedürftigkeit erschwert: taktvolle Zurückhaltung führt jedenfalls viel sicherer zum Ziel als verfrühte Herzensergießungen. Die junge Stütze vergesse nie, daß sie vorläufig unter Fremden ist; bei Annahme ihrer Stelle hatte sie es in der Hand, sich einen freien Nachmittag in der Woche auszubedingen und kann diesen benützen, um ihre eigenen Bekannten zu sehen. Daß sie bei solchen Ausgängen vorsichtig sein muß und nur mit Personen von gutem Ruf verkehren darf, bedarf keiner näheren Ausführung.
Aber auch hinsichtlich der Kleidung soll sie stets vor Augen haben, daß sie sich in einer bescheidenen und dienenden Stellung befindet. Der ganze Billigkeitsstaat von hochgesteckten bunten Hüten, halbseidenen Blousen und Jäckchen aus schlechtem Baumwollsammet, mit welchen arme Mädchen das „Fräulein“ zu markieren suchen, ist zu vermeiden. Die Hausfrauen haben wohl kein Mittel, eine derartige Toilettenwahl zu verbieten, sie sehen aber äußerst ungern ihre Kinder in Gesellschaft eines so auffallend gekleideten Mädchens ausgehen. Wahre Bildung wird es verstehen, auch mit unscheinbaren Stoffen und Farben ein nett und zierlich sitzendes Kleid herzustellen und im einfachen Paletot und Hut als wirkliche Dame zu erscheinen. Der Putz macht ja dieselbe nicht, sondern das hohe Pßichtgefühl, das gute Benehmen, die vollkommene Lauterkeit der Denk- und Handlungsweise und das Bewußtsein, daß man durch nichts erniedrigt werden kann, solange man sich nicht selbst erniedrigt.
Wie die Verhältnisse heute in Deutschland liegen, bei der großen Ueberfüllung der verschiedenen Lehrerinnenberufe, würden viele Mädchen wohlthun, sich in der angegebenen Weise zum Beruf einer Stütze der Hausfrau vorzubereiten. Wenn die freie Station [667] mit in Anrechnung gebracht wird, steht sie sich nicht schlechter als die weiblichen Hilfskräfte in Läden und Gewerbsbetrieben, das Leben in der Familie aber mit seinen wechselnden Beschäftigungen ist gesünder als jene Thätigkeiten und, im Fall gegenseitiger Zufriedenheit, menschlich angenehmer.
Es fehlt heute, trotz der entschieden verminderten Arbeitslust, noch nicht an einfach-tüchtigen Menschen, allein es sollen ihrer auf allen Gebieten unseres Lebens wieder viel, viel mehr werden! Und so mögen denn die jungen künftigen „Stützen“ vor allem nach einer zweifellosen Tüchtigkeit trachten, dann wird es ihnen nicht am guten Fortkommen und nicht an der inneren Zufriedenheit fehlen, welche
der Lohn jeder treu erfüllten Pflicht ist! R. Artaria.
Blätter & Blüten.
Bitte um Fahrstühle. Die meisten unserer Leser werden die schönen
Sommertage benutzt haben, soweit es ihre Berufsgeschäfte und Pflichten
erlaubten, sich in Gottes freier Natur zu ergehen. Und wer schlecht zu
Fuße war, der hat sich hinausfahren lassen in Wald und Feld, um die
Luft zu genießen. Aber allen ward es nicht so wohl. Es giebt viele
Kranke, die nicht gehen und ihrer Armut wegen auch nicht fahren können,
die den heißen Sommer in verdorbener Stubenluft zubringen mußten
und auch keine Aussicht haben, in den paar sonnigen Tagen, die der
Winter bringt, einmal ins Freie hinauszukommen. Und wie leicht könnte
diesen nach Luft schmachtenden Unglücklichen oft aus allernächster Nähe
geholfen werden!
In manchem Hause steht ein unbenutzter Fahrstuhl auf dem Boden oder sonstwo herum, dessen Besitz es diesen Armen erwöglichte, in die frische Luft zu gelangen, wodurch ihr trauriges Los ihnen erleichtert, ihr Gesundheitszustand gebessert würde. Wenn doch jeder, der schon einmal durch Krankheit an dem Gebrauch seiner Glieder behindert war und dabei die Wohlthat, einen Fahrstuhl zu besitzen, kennengelernt hat, aus Dankbarkeit für die wiedererlangte Gesundheit das alte Gefährt drangeben und einen leidenden Mitmenschen damit glücklich machen wollte! Seit vielen Jahren bittet die „Gartenlaube“ um diese unbenutzt stehenden Fahrstühle, um sie unbemittelten Kranken zur Verfügung zu stellen. Und ihr Bitten ist gottlob nicht ungehört verklungen. Wir konnten dank der Opferfreudigkeit unserer Leser so manchem Schwergeprüften die Freude bereiten, nun wenigstens zeitweilig seinem Schmerzenslager entrinnen zu können. In Nachstehendem teilen wir einige Fälle mit, aus denen so recht der Segen spricht, den die edlen Geber mit ihrem Geschenk bewirkt haben.
Ein am ganzen Körper gelähmtes junges Mädchen, dessen Krankenbett nicht weit von der Wiege des sächsischen Fürstenhauses, in Wettin, steht, war seit 9 Jahren nicht aus ihren vier Wänden herausgekommen. Ueber das Glück, welches ein von uns dorthin gesandter Fahrstuhl bereitete, wird uns von einem Augenzeugen geschrieben: „Was will meine Freude gegen das unaussprechlich große Glück sagen, von welchem dieses arme Mädchen beseelt wurde, als ich ihr den Stuhl übermittelte. Der Freudenausbruch erreichte einen Höhepunkt, der durch die schwache Feder schwer wiederzugeben ist. Dieser selige Augenblick, den ich hier in dem kleinen niedrigen Stübchen der schwer heimgesuchten Kranken erlebt habe, wird mir während meines ganzen Lebens unvergeßlich bleiben.“
Eine kränkliche Waschfrau in Witten a. d. Ruhr hat mit ihrer Hände Arbelt drei Kinder zu ernähren. Zwei von ihnen sind seit ihrer Geburt verwachsen und gelähmt, das jüngere außerdem blödsinnig. Diese unglücklichen Geschöpfe mußten noch in ihrem 11. bezw. 15. Jahre von ihrer Mutter im Kinderwagen gefahren werden. Auch hier brachte der zur Stelle geschaffte Fahrstuhl die langersehnte Hilfe.
Indem wir einer kleinen Gemeinde in der Nähe Bremerhavens einen Fahrstuhl überwiesen, wurde 7 armen Ortsangehörigen zugleich geholfen. Der Pastor des Orts hat die Sache in die Hand genommen und überläßt nun den Kranken das Fahrzeug zeitweise und abwechselnd zum Gebrauch.
Auch einem deutschen Kriegsmanne, der im großen Feldzuge vor 25 Jahren siegreich für sein Vaterland stritt und dabei seine Gesundheit einbüßte, konnten wir erfreulicherweise zu einem Fahrstuhl verhelfen. Der Arme, welcher durch die „monatelangen naßkalten Bivouacs vor Metz“ und die darauffolgenden Strapazen der Wintercampagne gänzlich gelähmt, dabei auf einem Auge erblindet, auf dem andern infolge der Lähmung schwachsichtig ist, dankt in rührendsten Worten für das große Glück, das ihm bei seinem „furchtbaren Leiden“ durch Ueberlassung des Fahrstuhls widerfahren sei.
Und nun mit dem Dank für alle Geber zugleich die erneute herzliche
Bitte an die Leser und Freunde der „Gartenlaube“, an diesem segensreichen
Wohlthun sich auch fernerhin freudig zu beteiligen! Noch ist so manche
Thräne zu trocknen, so mancher Seufzer zu stillen. Und darum sind uns
Anerbietungen von gebrauchten aber noch guten Fahrstühlen
und Geldspenden zur Anschaffung solcher jederzeit willkommen.
Die Redaktion.
Das Simson-Wappen der Universität Helmstädt. Die studentische Bezeichnung aller Nichtstudenten als „Philister“ findet im „Büchmann“ verschiedene Erklärung. Nach einem Jenenser Chronisten soll der Brauch infolge einer Leichenrede aufgekommen sein, die im 17. Jahrhundert ein Geistlicher in Jena am Grabe eines Studenten gehalten hat, der in einem Streit zwischen Studenten und Bürgern erschlagen worden war. Die Stelle aus dem „Buch der Richter“ „Philister über Dir, Simson!“ habe der Rede als Text gedient. Eine andere und wohl die wahrscheinlichere Erklärung führt den Ursprung der Redensart auf die alte Universität Helmstädt zurück, welche den mit dem Löwen kämpfenden Simson im Wappen führte. Alle Häuser daselbst, welche in irgend einer Beziehung zur Universität standen, waren, wie das Universitätsgebäude selbst, mit diesem Wappen geschmückt, das in dem starken Helden, der dem Löwen den Rachen aufreißt, die Wissenschaft symbolisierte. Die Helmstädter Studenten hätten sich nach diesem Wappen als „Söhne Simsons“ bezeichnet, und im Gegensatz dazu sei die Bezeichnung „Philister“ für die nichtakademischen Bürger aufgekommen. Dieses Wappen, wie es über dem Hauptportal des Helmstädter Universitätsgebäudes zur Darstellung gelangte, wo es noch heute zu sehen ist, veranschaulicht unsere Abbildung. Hat auch ein Machtwort Napoleons I. schon 1809 die alte braunschweigische Stadt des akademischen Charakters beraubt, der ihr im 16. Jahrhundert verliehen worden war, so stehen doch die Gebäude noch als Zeichen ihrer einstigen Blüte und Bedeutung als alma mater. Dieselben haben neuerdings ihrer kultur- und kunstgeschichtlichen Bedeutung wegen eine vollständige Restauration erfahren. Der Universitätsbau wurde 1593 bis 1612 aufgeführt, seine Innenräume wurden nach Oxforder Muster angelegt und waren in der Zeit der Blüte der Universität im 17. Jahrhundert als die schönsten ihrer Art in Deutschland geschätzt. Der Grundriß bildet ein 90 Meter langes und 361/2 Meter breites Viereck, das den Kollegienhof umschließt. Das Hauptgebäude ist in der Mitte mit einem schlanken Treppenturm und an den Seiten mit zwei Renaissancegiebeln geziert und hat hohe breite mit Maßwerk eingerahmte Fenster. Ein besonders hervorragender Schmuck für den ganzen Hof sind die herrlichen in rein deutscher Renaissance ausgeführten Portale, von denen vor allem der Haupteingang, der direkt in die große Aula führte, als ein Meisterwerk gelten kann, das den Steinarbeiten am Heidelberger Schlosse wenig nachsteht. Die Ornamentik über dem Thor umgiebt das Simson-Wappen, dessen Ansicht wir nach einer photographischen Aufnahme wiedergeben.
Wettfahren von Gardepionieren in selbstgefertigten Fahrzeugen. (Zu dem Bilde S. 665.) Das Wasser hat bekanntlich keine Balken; um aber größere und kleinere Flußläufe dennoch jederzeit rasch für Truppen überschreitbar zu machen, dafür sind die Pontoniere da. Sie schlagen Brücken
[668] entweder aus mitgeführtem und vorbereitetem Material (Ponton- und Bockbrücken), oder wissen geschickt Feld- und sogenannte Behelfsbrücken aus an Ort und Stelle vorgefundenen Brettern, Balken, Stangen, Fässern etc. herzustellen. Die Pontoniere bilden in den meisten Heeren besondere Truppenteile, während sie in Deutschland den Pionierbataillonen eingefügt sind. Alljährlich finden größere Pontonierübungen an einem der deutschen Ströme statt, so z. B. in diesem Herbste auf dem Rhein zwischen Bonn und Plittersdorf; außerdem aber hält jedes Bataillon seine Uebungen ab, die hohe Anforderungen an jeden einzelnen stellen, um der gesamten Truppe die für den Kriegsbrückenbau erforderliche Geschicklichkeit und Rührigkeit zu geben. Neben solchen stark „schlauchenden“ Uebungen giebt es immer aber auch solche, die – obwohl den Endzweck aller Friedensmanöver nicht ganz beiseite lassend – dennoch mehr unterhaltender Art sind und dem soldatischen Humor und der frohen Laune der Mannschaften hinreichenden Spielraum zur Entfaltung geben. Eine solche stellt unser Bild auf S. 665 dar: ein Wettfahren von Gardepionieren auf sclbstverfertigten Fahrzeugen, das bei den diesjährigen Uebungen auf der Oder bei Schwedt veranstaltet wurde. Den Mannschaften waren zwanzig Minuten Zeit gegeben, worin jeder für sich aus den vorhandenen Materialien (Tonnen, Brettern, Latten etc.) ein Boot zu fertigen hatte. Auf Kommando wurden dann alle diese Fahrzeuge, die zum Teil von recht abenteuerlicher Gestalt waren, in das Wasser gebracht und mit ihnen ein Wettfahren nach dem vorher festgesetzten Ziele begonnen. Die Mehrzahl der Fahrzeuge bestand aus in Balken eingebauten Tonnen, die sich als vorzüglich tragfähig erwiesen. Andere Pioniere benutzten ein mit einem Zeltdach aus Segeltuch überzogenes Lattengestell als Kahn oder trieben ein schnell zusammengebundenes Floß vor sich her.
Dort hat einer ein prächtig schwimmendes großes Waschfaß aufgetrieben; jener begnügt sich sogar mit einem durchgesägten Baumstamm, weil sein Fahrzeug nicht rechtzeitig fertig wurde. Es kam vor, daß verschiedene dieser „elenden Werkzeuge“ um mit Maria Stuart in dem großen Monolog des 3. Aktes zu reden – sich bei dem raschen Rudern wieder in ihre Einzelbestandteile auflösten, so daß die Insassen ins Wasser fielen und hinterher schwimmen mußten. Erhöht wurde der allgemeine Eifer durch die vom Bataillon ausgesetzten Preise. Die nicht mitrudernden Pioniere liefen am Ufer nebenher und suchten ihre Compagniekameraden durch Zurufe und Gebärden anzufeuern; das Offizierscorps hatte sich am Ziele auf Pontons aufgestellt. Nach der Entscheiduug und Preisverteilung erhielt der Erbauer des originellsten Fahrzeuges noch einen besonderen Ermunterungspreis. Zu erwähnen ist noch, daß die Wettkämpfer sich auch ihre Ruder selbst hatten herstellen müssen, so daß also die ganze Veranstaltung nicht bloß als heiteres Zwischenspiel Abwechslung in den Ernst der Uebungen bringen, sondern zugleich auch die Findigkeit anregen und das technische Geschick des einzelnen herausfordern sollte. F. R.
Neue Bekanntschaft. (Zu dem Bilde S. 649.) Fünfjährige Menschenkinder pflegen im allgemeinen klüger zu sein als einmonatige Hundekinder. Aber wenn die beiden da sich einbilden, dem gutmütigen dicken Gesellen und Spielfreund diesen rotlackierten Vierfüßler für ein Pferd aufbinden zu können, so haben sie seinen durch vierwöchentlichen Anschauungsunterricht ausgebildeten Hofverstand doch bedeutend unterschätzt.
Erstaunt und mißtrauisch beobachten seine trüben Aeuglein die vergeblichen Aufmunterungsbewegungen dieses Geschöpfes, und um die schweigsame Schnauze schwebt unverkennbar die Bemerkung: „Lieber Himmel, was sich die Menschen doch alles weismachen lassen! Das halten die für ein Pferd!“ … Hier ist also unstreitig das Hundekind der klügere Teil. – Ob der Maler, der Kinder und Hunde so köstlich darzustellen versteht, die kleine Scene vom Hofwinkel aus belauschte? Meinen sollte man’s, denn die Charakteristik der drei kleinen Kameraden ist ihm vortrefflich gelungen! Br.
Die Gesellschaft „Prunklosta“. In einer großen Hauptstadt unseres Deutschen Reiches lebt ein Freundeskreis von Gelehrten, Künstlern, Offizieren, Beamten und Privatleuten, welcher sich durch eine ganz eigentümliche Art von Mut von den übrigen Gebildeten unterscheidet. Nicht um den Mut ihrer Meinung handelt es sich – den haben ja, Gott sei Dank, noch genug Hauptstädter, sondern um den Mut, der vielbeklagten und nie abgestellten Gesellschaftsüppigkeit kurzer Hand den Garaus zu machen. Wie schwer lastet der unsinnige Zwang der „standesgemäßen Bewirtung“ auf vielen sorgenvollen Familienvätern, mit welch unwürdigen und traurigen Opfern müssen die feinen Braten und teueren Weine der jährlichen „großen Gesellschaft“ hinterher aufgewogen werden! Aber „der einzelne kann sich nicht ausschließen!“ heißt es regelmäßig, wenn diese Frage erwogen wird, „es liegt einmal so in den Zeitverhältnissen, die alte Einfachheit läßt sich nicht mehr wiederherstellen.“ So sprechen die Mutlosen, die Herzhaften aber sagen: „Warum nicht? Es kommt auf eine Probe an.“ Und diese Probe ist in dem besagten Kreise glänzend ausgefallen, er genießt heute als Gesellschaft „Prunklosia“ eines wohlverdienten Ansehens, denn seine Zusammenkünfte zeichnen sich durch vortreffliche Unterhaltung aus, obschon oder weil die Bewirtung nicht die Hauptsache ist. Suppe, Braten und Gemüse, hinterher eine süße Speise, also was jede der Familien an ihrem eigenen Tisch genießt, machen den durch Gesellschaftsbeschluß festgesetzten Küchenzettel aus und alle vierzehn Tage sieht ein anderes Familienzimmer zu Mittag den fröhlichen Kreis, der es seinen Hausfrauen so leicht macht, Gäste zu bewirten. Möchten doch an recht vielen Orten im Deutschen Reich Zweigvereine dieser wohlthätigen Gesellschaft entstehen und ein entsprechend einfaches Programm auch für Abendgesellschaften ausarbeiten. Wer nicht den Mut besitzt, aus eigenem Antrieb bei seinen Freunden dafür zu werben, der berufe sich auf die „Gartenlaube“! Sie hat schon manche gute Neuerung vertreten und empfiehlt diese hier aufs wärmste der deutschen Familie! Bn.
Otto der Schütz. (Zu dem Bilde S. 661.) Eine der liebenswürdigsten Dichtungen, welche die rheinische Sagenwelt der deutschen Litteratur erblühen ließ, Gottfried Kinkels „Otto der Schütz“, darf in Kürze als Buch ihr fünfzigjähriges Jubiläum feiern. Wie oft auch in diesem Zeitraum der Geschmack des Tags sich gewandelt hat, der herzerfrischende Sang vom Niederrhein hat inzwischen nichts an Wirkungskraft und Beliebtheit eingebüßt, und der Cottasche Verlag kann heute der 74. Auflage des Vorjahrs die 75. Auflage folgen lassen. Der ewigfrische Wellenschlag unseres herrlichen Rheinstroms hallt wieder in den melodischen Rhythmen des anmutigen Epos; die romantische Stimmung, welche der Anblick der alten Burgen seiner Ufer weckt, hat in ihm reizvolle Gestalt und kraftvolles Leben gewonnen. So hat das Lied vom Meisterschuß des jungen Thüringer Landgrafensohns, der auf der Flucht vorm Kloster ungekannt nach Cleve zum Grafen Dietrich kommt und dort die Liebe von dessen holder Tochter Elsbeth gewinnt, sich auch als ein Meisterschuß des Dichters bewährt. Gottfried Kinkel schrieb das Gedicht in hochgestimmter Jugendzeit und das frohe Kraftgefühl, das ihn damals beseelte, fand darin seine Spiegelung. Deshalb gab er auch dem Buche zum Schluß das energische Motto: „Sein Schicksal schafft sich selbst der Mann“, ohne zu ahnen, in welchem Umfange er kurze Zeit später als begeisterter Patriot und Freiheitskämpfer für diesen Grundsatz werde eintreten müssen.
Unser Bild vergegenwärtigt den Augenblick, wo der jugendschöne Fremdling aus dem Thüringer Land die Armbrust zum Meisterschuß ansetzt. Das Wort des Grafen hat jedem Schützen das Recht zuerkannt, sich beim Feste um den von ihm gestifteten goldnen Becher und den Ehrenkranz in seiner Tochter Hand zu bewerben. Alle Anwesenden, vor allem der Graf und schön Elsbeth, sind mit Spannung auf den Ausgang erfüllt; alle zweifeln, daß ein so junges Blut den Schuß ins Schwarze, den der vielbewährte Förster Hugo gethan, noch übertrumpfen könne. Doch Otto setzt die Armbrust an –
„Er drückt – der Bügel mächtig klingt,
Lautschwirrend sich die Sehne schwingt,
Es saust der Bolz – er hat getroffen!“
Und besser noch als der des Försters! Die Ehre des Tags ist sein und sein der Kranz, den ihm nun das liebliche Grafenkind aufs Haupt setzt, während sein Auge dem ihren zum erstenmal begegnet. Der Blick, der ihn trifft, besiegelt sein Schicksal, das nach Ueberwindung von mancherlei Fährlichkeit ihn zum glücklichen Gatten der schönen Tochter des Rheinlands macht. Es ist dem Maler unseres Bildes gelungen, den zarten poetischen Duft, der über der Scene schwebt, auch seiner Darstellung zu verleihen.
Inhalt: Sturm im Wasserglase. Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Stefanie Keyser (5. Fortsetzung). S. 649. – Neue Bekanntschaft. Bild. S. 649. – Madonna di Campiglio. Von Heinrich Noé. S. 654. Mit Abbildungen S. 652 und 653, 655, 656 und 657. – Eildampfer der Zukunft. Von W. Berdrow. S. 658. – Die braune Marenz. Erzählung von Charlotte Niese (Schluß). S. 660. – Otto der Schütz. Bild. S. 661. – Wettfahren von Pionieren in selbstgefertigten Fahrzeugen. Bild. S. 665. – Vor der Berufswahl. Warnungen und Ratschläge für unsere Großen. Die „Stütze der Hausfrau“. Von R. Artaria. S. 666. – Blätter und Blüten: Bitte um Fahrstühle. S. 667. – Das Simson-Wappen der Universität Helmstädt. Mit Abbildung. S. 667. – Wettfahren von Gardepionieren in selbstgefertigten Fahrzeugen. S. 667. (Zu demm Bilde S. 665.) – Neue Bekanntschaft. S. 668. (Zu dem Bilde S. 649.) – Die Gesellschaft „Prunklosia“. S. 668. – Otto der Schütz. S. 668. (Zu dem Bilde S. 661.)
Preis in elegantem Ganzleinenband 1 Mark.
Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1896 bringt u. a. die neueste Erzählung von W. Heimburg: „Großmutters Whistkränzchen“ mit Illustrationen von Fritz Bergen, ansprechende und humorvolle Erzählungen von E. Lenbach und A. v. Freydorf, unterhaltende und belehrende Beiträge von E. Peschkau, Dr. H. Diez, L. Holle u. a., ferner zahlreiche Illustrationen von hervorragenden Künstlern, Humoristisches in Wort und Bild und viele praktische und wertvolle Kalender-Notizen und Tabellen zum Nachschlagen bei Fragen des täglichen Lebens.
Bestellungen auf den Gartenlaube-Kalender für das Jahr 1896 nimmt die Buchhandlung entgegen, welche die „Gartenlaube“ liefert. Post-Abonnenten können den Kalender durch jede Buchhandlung beziehen oder gegen Einsendung von 1 Mark und 20 Pfennig (für Porto) in Briefmarken direkt franko von der