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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1891
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[449]

Nr. 27.   1891.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.




Im Laube versteckt.

Im bewegten Laube
Welch Zittern und Hüpfen,
Drängen und Schlüpfen,
Welch blätterbedecktes
Hauchen und Lauschen!
Es rückt sich,
Es drückt sich,
Als bärg’ es verstecktes
Wonnetrunkenes Küssetauschen

Bedecke nur, süße Verschwiegenheit,
Deine beseligte Heimlichkeit!

Du selber, mein Auge, sollst nicht wissen,
Als ginge nur meine Seele vorbei,
Was all dies heimliche Kosen sei,
Was in den Blättern so emsig beflissen
Mit Schmachten und Flüstern so eng, so traut
Sich schmieget und wiegt und webt und baut.

Glaube nur, glaube,
Daß bald im seligen Muttertraume
Es wärmt und brütet
Im lauschenden Laube,
Bewacht und hütet
Athmendes Leben
In lindem Flaume,
Bis sich reckt und dehnt
Ein Leben und Streben
Und nach Lüften sich sehnt
Junges flatterndes Luftgefieder –
Und jetzt ein Jubel erwachender Lieder!
Wie rauscht er hinaus,
Ueber Garten und Haus.

Bis ihr alle daheim und draußen wißt.
Was im Laube versteckt gewesen ist.
 J. G. Fischer.




[450]
Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Baronin Müller.

Roman von Karl v. Heigel.
1.

Das Städtchen Hohenwart liegt auf dem linken Flußufer in der Ebene, aber nahe dem Hochgebirge. Als dort sich zutrug, was wir erzählen wollen, war die Regelung des Strombettes noch nicht vollendet; zu Zeiten ergoß sich das Gewässer über das weidenbestandene Ufergeröll in die angrenzenden Auen und überfluthete die Stege, welche durch das Ueberschwemmungsgebiet zum Fährhaus führten; eine Fähre nämlich vermittelte damals allein den Verkehr mit den jenseits gelegenen Dörfern. Abgesehen von diesen unwirthlichen Gestaden machten Stadt und Gelände einen freundlichen Eindruck, einen malerischen – im üblichen Sinne – allerdings nicht. Das offene Land bot dem Auge einige wenige Forsten, zahlreiche Dörfer, da und dort ein Herrenhaus auf einem Hügel, Wiesen, Aecker, Bruch. Wenn ein abendrother Himmel über der Ebene lag und die Gebirgswand mit glühendem Schein überkleidete, war das Bild wirkungsvoller.

Hohenwart hat eine ehrwürdige Vergangenheit, allein die Ringmauer ist längst gefallen. Dafür umgeben wohlgepflegte Baumanlagen das Städtchen, das durch einen immer friedlichen bräunlichen Bach in zwei Bezirke getheilt wird. Die Häuser sind den Bedürfnissen der Gegenwart angepaßt, nüchtern, säuberlich gehalten, sonnig, beinahe jedes hat einen Vorgarten. Hohe Giebelhäuser mit Erkern, unregelmäßigen Lichtöffnungen und wunderlich geformten Wasserspeiern giebt es nur noch auf dem Marktplatz, über dem der Stadtberg mit der alten Burg Derer von Hohenwart sich erhebt. Der Marktplatz liegt am südlichen Abhang; im Osten führt eine breite Straße sachte bergan, man läßt die Baumgruppen des „Schloßkellers“ und das „Kurhaus“ tief unter sich. Oben angelangt, wird man alsbald gewahr, daß die Burg zum Theil Ruine ist. Durch den gewölbten Thorweg tritt man in einen grobgepflasterten Hof, wo eintönig ein Brunnen plätschert. Die Seitenflügel des gewaltigen Baues mit ihren offenen Bogengängen nach dem Hofe sind gut erhalten, dagegen ist das westliche Quergebäude nur noch hohläugiges Getrümmer. Eine schmale steinerne Treppe, mit bemoosten Schindeln überdacht, führt vom Hof zu den Bogengängen im ersten Stock, zur Kanzlei des Amtsgerichts im nördlichen Flügel, zu den Wohnungen des Richters und des Amtsdieners im südlichen. Die Räumlichkeiten über dem Thorweg, sowie diejenigen im Erdgeschoß und im zweiten Stock sind unbewohnt, die meisten davon auch unbewohnbar.

In dieser hohen Warte hatte der Amtsrichter Vitus Müller viele Jahre lang als Junggeselle gehaust, einsam, freudlos und schnell alternd. Doch nachdem er die Oberstenwitwe Ida Freiin von Gatterburg geheirathet hatte, war’s mit der Verlassenheit und Düsterkeit droben vorbei. Denn die „Frau Baronin“, wie die Frau Amtsrichter Müller mit freigebiger Höflichkeit nach wie vor genannt wurde, brachte außer einer hübschen Einrichtung ihre Tochter Verena mit. Das liebliche Mädchen hatte Sinn für Häuslichkeit – nicht eben von der Mutter –, Geschmack und eine geschickte Hand. Die hohen Zimmer mit ihren Erkern und Alkoven, ungleichen Fenstern und schwarzgewordenen Deckenbalken wurden nach und nach ein Heim, das jeden Gast entzückte und in dem sogar die anspruchsvolle Oberstin sich zeitweilig behaglich fühlte. Um die Gitterstäbe vor den Fenstern rankte sich Grün, und der Bogengang vor der Wohnung des Richters war sommers ein Blumengarten. Zuweilen wandelte Verena dort auf und ab, wenn die Herren vom Gericht zur Arbeit gingen. Dann blieb Assessor Tannhauser, der an „rheumatischem“ Zahnschmerz litt und die Halle sonst zugig fand, so lange vor der Thür, bis drüben die Liebliche ihn erblickte und seinen Gruß erwiderte; und der kühnere Referendar Haspinger mit dem großen Schnurrbart that im ähnlichen Fall seine Anwesenheit und seine Sehnsucht durch Räuspern kund.

Vitus Müller machte noch immer verwunderte Augen, wenn er sich an seine Häuslichkeit in den Junggesellenjahren erinnerte.

„Es war die alte Heimath noch,
Und alles war ein andres doch.“

Auch an sich selbst erfuhr er die Künste Verenas. Sie bürstete ihm den Rock, und wenn es den höchsten Glanz galt, auch das Haar; sie schlang seine Halsbinde in einen gefälligeren Knoten und drängte ihm zu Besuchen mit sanftem Zwang Handschuhe und Cylinderhut auf. Ein Elegant wurde er allerdings nicht mehr, schon die Brille und die Art, wie er sie trug, gaben ihm etwas Altmodisches und Steifes; und obgleich er gut gewachsen, groß und breitschulterig war, ging er, der Vierziger, doch gebückt wie ein Alter. Frau Ida, die nur um wenige Jahre jünger war als ihr Mann, hielt sich noch stramm wie ein Lieutenant. Sie war eine schöne Frau, dunkelhaarig, dunkeläugig, die Gesichtsfarbe nicht gerade lebhaft, aber ohne krankhafte Blässe.

Hohenwart hat als Sommerfrische für Sparsame einen guten Ruf. Wer seiner Sparsamkeit ein ärztliches Mäntelchen umhängen will, geht wegen der „Moorbäder“ hin. Frau Oberst von Gatterburg hatte die Moorbäder gebraucht und war dem Amtsrichter im Kurgarten aufgefallen, wo er bei schönem Wetter seinen Nachmittagskaffee zu trinken pflegte. Die trauernde Witwe that es ihm an, so – wenigstens ungefähr so hatte er sich das Weib gedacht, das er zur Frau wünschte.

Ida war in Wahrheit eine trauernde Witwe. Aus guter Familie, doch mittellos, hatte sie sehr jung einen österreichischen Offizier geheirathet. Die Stellung der üblichen „Kaution“ war ihnen erlassen worden. Ihr Mann rückte vor, wurde Oberst, wurde geadelt. Aber sein plötzlicher Tod versetzte Mutter und Kind in eine schwierige Lage. Vermögen war nicht da, dagegen eine unglaubliche Fülle unbezahlter Rechnungen. Eine Zeitlang lebte die Witwe auf dem alten großen Fuße weiter. Dann kam für das verwöhnte Glückskind die Wende. Sie sah sich bedrängt, hilflos, vor einer düsteren Zukunft. Gegen solche Leiden halfen auch die Moorbäder nicht.

Die Bekanntschaft der Frau in Schwarz hatte der Richter rasch gemacht, beinahe ebenso schnell gewann er ihr Vertrauen. Er war ernst, doch ohne Strenge, ein guter Mann. Sie bat ihn um Rath, und Vitus Müller übernahm es, ihre verworrenen Angelegenheiten zu ordnen. Zum ersten Mal wurde er feurig, in einem endlosen Schriftwechsel beredt, findig, sogar listig. Ida hätte keinen geschickteren Anwalt bekommen können – jedenfalls keinen so billigen. Sie blieb bis Mitte Dezember in Hohenwart. Als sie dann den Tag der Abreise „unwiderruflich“ festsetzte, gewann Vitus den Muth, um ihre Hand anzuhalten.

Die Frage traf sie nicht unvorbereitet, sie hatte diese Wendung vorausgesehen und langher bedacht.

Amtsrichter Müller! Gegen den Namen hatte sie nichts einzuwenden, sie kannte die Schwächen der Kleinstädter hinlänglich, um beruhigt zu sein, daß sie „die Frau Baronin“ bleiben werde. Gegen den Mann ließ sich nur bezüglich des äußeren Menschen etwas sagen. Man wird diesen äußeren Menschen erziehen. Ida war dem Richter Hochachtung wie Dankbarkeit schuldig; sie fühlte für ihn so warm, als sie überhaupt empfinden konnte. Die Aussicht, jahrelang, vielleicht für immer in Hohenwart zu leben, hatte nichts Schreckliches für sie. Eine Oberstin ohne Regiment ist in einer großen Stadt eine Flagge auf Halbmast. In Hohenwart dagegen war Frau von Gatterburg die vornehmste, die eleganteste, die erste Dame. Allerdings bleibt eine schöne Frau auch in einer Großstadt schön, und wenn sie ihren Witwensitz nach Wien oder München verlegte, würde vielleicht – doch da fiel ihr Blick auf das Kind, das sich erstaunlich rasch zum Fräulein entwickelte. In der Nähe dieses Frühlings überkam sie ein herbstliches Frösteln. Nein, sie wollte nicht mehr in die Ferne schweifen! … Das alles war von ihr überlegt und geprüft worden, dennoch verlangte sie vom Freier vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit.

Der Amtsrichter war ein stiller Mann. Im Kasino blieb er nur so lange, bis er die Zeitungen gelesen hatte; wenn er am Stammtisch im „Schloßbräu“ erschien, spielte er mit dem Notar Schach; zu allen Gesprächen, die sich nicht um Rechtsfragen drehten, schwieg er. Trotzdem wußte ganz Hohenwart, wie es ihm ums Herz war; sie nimmt ihn nicht, sagte jedermann.

Aber sie nahm ihn.

Nun prophezeite man eine unglückliche Ehe, allein auch diese Weissagung wollte sich nicht erfüllen. Vielleicht würde die Häuslichkeit ohne Verena weniger angenehm geworden sein. So schwärmte er nach fünfjähriger Ehe für seine Frau nicht weniger als vor der Heirath, nach seiner Weise: seine Liebe war ein Lied [451] ohne Worte. Er fand es selbstverständlich, daß seine Frau die erste Rolle spielte, daheim und überall. Sie stellte ihn völlig in den Schatten, doch er fühlte sich in diesem Schatten geborgen.

Ida gewann ihrem bescheidenen Lose bald die heitere Seite ab. Als Oberstin hatte sie mit ihrem Aufwande groß gethan, jetzt flunkerte sie mit ihrer Sparsamkeit. Das eine machte ihr genau soviel Vergnügen wie das andere. Auch sie entging dem Schicksal aller Zuzügler in einer Kleinstadt nicht: sie wurde von denjenigen angefeindet, von welchen sie es am wenigsten erwartet hätte. In Hohenwart lebte ein Major a. D. namens Langbein; wegen eines Fußleidens trug er Filzschuhe, schon das machte ihn harmlos. Seine Frau dagegen galt als die böseste Zunge im Städtchen, man nannte sie den Drachen von Hohenwart. „Der Kampf mit dem Drachen“ gehörte bald zu den Lebensaufgaben der Baronin. Wenn ein Unerfahrener die beiden Damen in der allerhöflichsten, ja in zärtlicher Weise mit einander verkehren sah, hielt er sie sicherlich für Freundinnen; in Wahrheit war jede Begegnung der beiden eine Schlacht. In der Regel blieb der Sieg bei der schneidigen Baronin.

Alles in allem war Ida mit ihrer neuen Heimath zufrieden. Nur die Abwesenheit der bewaffneten Macht trübte ihr Glück. Das Gesuch um eine Besatzung, das der Gemeinderath von Zeit zu Zeit an das Kriegsministerium richtete, wurde von ihren heißen Gebeten begleitet. Leider hatte entweder die Baronin keinen Einfluß im Himmel oder der Himmel keinen Einfluß auf den Kriegsminister, das Militär kam nicht. Und damit ward Frau Ida besonders im Blick auf ihre Tochter um eine Hoffnung ärmer. Denn das stand fest bei ihr, daß nur ein angehender General würdig sei, einen Schatz wie ihre Verena heimzuführen. Das Kind war herangewachsen und besaß alle Reize eines jungen Mädchens, ja einen Zauber mehr: bei aschblondem Haar hatte sie dunkle Brauen und Wimpern. Auch ihre Augen schienen schwarz zu sein; wer den Blick tiefer darein versenkte, entdeckte, daß sie blau waren, blau wie der Gardasee an seinen schönsten Tagen. Männer machten diese Erfahrung nicht ohne Gefahr. Manchen erinnerte die ganze Erscheinung an Bilder der venetianischen Schule; jugendliche Enthusiasten fanden sie einfach unvergleichlich, da sie zu ihrer Schönheit hin herzensgut, heiter und natürlich war.

Endlich, im fünften Jahre der richterlichen Ehe, zeigte sich das ersehnte Segel: nach Hohenwart kam zwar keine Besatzung, aber ein Lieutenant. Unerwartet trafen eines Tages Seine Excellenz der Präsident a. D. von Imhof und sein Sohn Helmut, Premierlieutenant im Regiment „Erbprinz“, im Kurhaus ein. Der Präsident war ein Studienfreund des Amtsrichters, den er tief unter sich gelassen hatte. Dafür sah er allerdings noch um zwanzig Jahre älter aus als Vitus Müller. Er machte mit seinem Sohne einen Anstandsbesuch im Schloß, war eisig gegen den Freund, um so aufmerksamer gegen Mutter und Tochter. Namentlich die Baronin machte Eindruck auf ihn, und da es seinem Sohne mit der Baronesse ähnlich erging, so entspann sich ein reger Verkehr von Haus zu Haus. Ida zeigte nicht die geringste Ehrfurcht vor dem Präsideuten; eben deshalb fand er sie „außerordentlich“. „Wie kommt der einfältige Müller zu dieser Frau?“ fragte er sich.

Müller war von seinen Vorgesetzten nie verwöhnt worden. Wenn sie ihm Aufmerksamkeit schenkten, war es nicht in freundlichem Sinne. Auch vom Präsidenten hatte er besondere Liebenswürdigkeit nicht erwartet und trug daher an dessen kühler Herablassung nicht schwer. Er gab dem Freunde seinen Titel und Auskunft, wenn er gefragt wurde, aufdrängen mochte er sich nicht. Dagegen schloß er den Sohn ins Herz. Dieser Helmuth war ein hübscher brauner Junge, weder Dichter noch Denker, nicht einmal musikalisch, aber frisch und muthig, Soldat mit Leib und Seele. Und da vorläufig Soldaten noch nöthig sind, so konnte man dem Fünfundzwanzigjährigen eine glänzende Zukunft voraussagen. Für Verena verknüpfte sich mit dem ritterlichen Eindruck, den Helmuth auf sie machte, die Erinnerung an ihren verstorbenen Vater, und dieser Umstand erleichterte den Sieg, den der junge Krieger rasch über ihr jungfräuliches Herz davontrug.

Frau Ida las im Gemüth der Tochter besser, errieth die Gefühle auch des Lieutenants früher als das Mädchen selbst. Obgleich sie über ihre Entdeckung mehr als glücklich war, verhielt sie sich doch mäuschenstill und wartete, bis die Gluth in Flammen ausbrechen werde.

Eines Abends hatte man in großer Gesellschaft einen Ausflug nach dem nächsten Wäldchen gemacht; die jungen Herren – der Referendar mit dem blonden Schnurrbart war auch dabei – überboten einander an Liebenswürdigkeit und gesellschaftlichen Talenten, die Mädchen waren munter wie Sperlinge und sangen dennoch im nächsten Augenblick die allerschwermüthigsten Lieder. Die Luft war weich und würzig, als man zum Heimweg aufbrach; und als der Mond unter Gewölk verschwand, blitzten Tausende von Johanniskäfern in den feuchten Wiesen auf. Verena trug einige Blumen an der Brust, in die Kelche hatte sie Leuchtwürmchen als Diamanten gesetzt. Helmuth ging neben ihr; anfangs waren sie überaus gesprächig, dann verstummten beide. Und doch war Verena der Weg nie so kurz geworden; zu ihrer Ueberraschung fand sie sich plötzlich daheim und mit den Eltern allein, der Stiefvater sagte gähnend gute Nacht. Dann kam der große Augenblick für die Baronin. Nach wenigen Fragen hing Verena an ihrem Hals und schluchzte.

„Bist Du ihm denn gut, ernsthaft gut?“

Verena nickte.

„Und er Dir auch?“

Verena nickte aufs neue und drückte sich fester an die Mutter.

„Hat er Dir’s gesagt?“

„O Mama, wie kannst Du glauben – aber ich weiß es – O, er würde für mich sterben und ich für ihn!“

„Und was würde dann aus mir?“ meinte lächelnd die Baronin. „Aber tröste Dich, Kind, und habe Vertrauen zu mir, es wird alles gut werden!“

Auch der Präsident merkte aus vielen Anzeichen, daß der Liebesfrühling für seinen Sohn angebrochen sei; er nahm Helmuth ins Gebet, und dieser erklärte mit gewohntem Freimuth und jugendlichem Feuer: „Verena oder keine!“

Alle Welt nannte den Präsidenten gemüthlos. Seinem Sohne gegenüber war er das sicherlich nicht, das einzige Kind war seine einzige Schwäche. Nach einigem Besinnen ließ er sich bereit finden, den Wünschen des Sohnes nachzukommen. Warum auch sollte er Verena nicht zur Schwiegertochter wünschen? Sie besaß alle Eigenschaften, um einen Mann glücklich zu machen, und war außerdem Baronesse. So fuhr er denn eines Mittags in Helmuths Begleitung zur Burg und brachte die Werbung in aller Form und Feierlichkeit an.

Der Amtsrichter, der jetzt erst von der Sache erfuhr, war erstaunt, doch wie zu erwarten stand, beurtheilte er das Verhältniß im Sinne seiner Frau. Nur meinte er, hätte Verena auch ihn ins Vertrauen ziehen sollen.

„Das war ihr verboten,“ versetzte Ida kampfbereit. „Wenn ein Mann mit Amtssorgen überhäuft ist wie Du, muß die Familiensorgen seine Frau auf sich nehmen.“

Und Vitus küßte ihr dankbar die Hand.

Die Einwilligung ward also gern gegeben, und es fehlte nichts zum Glück und zum Bündniß der Liebenden als die „Kaution“. Denn in einem Punkt waren der Präsident und der Amtsrichter Schicksalsbrüder: sie hatten beide keine Reichthümer gesammelt. Allein die Baronin vertraute auf die Sterne, die junger Liebe hold sind, und auf den Onkel!

In Hohenwart wohnte ein alter Hagestolz, namens Furtenbacher, ein Bruder der Mutter ihres Mannes. Er hatte in Wien als Hutmacher ein kleines Vermögen erworben, als Häusermakler es weise vergrößert und sich dann in seiner Geburtsstadt Hohenwart zur Ruhe gesetzt. Da galt er für so reich, daß man nur unter vier Augen erfahren konnte, er sei „eigentlich“ ein unleidlicher, selbstsüchtiger Brummbär, welcher kaum für etwas anderes als für seinen Magen lebe. Mit Hilfe dieses Hutmachers sollte das Hinderniß gehoben werden, das sich der Vereinigung der jungen Leute in den Weg stellte. Gegenwärtig war er in Karlsbad, während der Kur hatte er sich alle Briefe verbeten. Doch eine sichere Bürgschaft seiner baldigen Rückkehr tröstete Frau Ida: die ausgezeichnete Köchin des Onkels war in Hohenwart zurückgeblieben.




2.

„Ist mein Mann allein?“ fragte die Baronin den Amtsdiener Strobel, der schläfrig im Vorzimmer des Amtsgerichts saß und Akten heftete, Strobel sprang auf und nahm eine militärische [452] Haltung an; er hatte gewaltigen Respekt vor der ehemaligen Oberstin, „denn auch wir haben gedient,“ pflegte er zu sagen.

„Zu Befehl, Frau Baronin! Wir sind heute allein. Der Herr Referendar trat gestern seinen Urlaub an, und der Herr Assessor ist wieder leidend.“

Ida trat ins Zimmer ihres Mannes, er stand an einem Tisch inmitten des Gemaches und zählte Werthpapiere in eine eiserne Handkasse.

„Grüß’ Gott, liebe Ida,“ sagte er freundlich, „ich stehe gleich zu Diensten … Zweitausendachthundert, neuenhundert – dreitausend – stimmt!“ Er legte die Scheine in die Kasse und schloß sie ab.

„Hast Du heimliches Geld?“ fragte Ida scherzend.

„Du lieber Gott, ich! … Mündelgelder und so weiter! Und jetzt nimm Platz und erzähle! Du kommst doch vom Bahnhof? Ist Helmuth wieder zurück?“

„Ja, aber weißt Du, wie lange sein neuer Urlaub dauert?“

„Drei Wochen?“

„Acht Tage! sage: acht Tage! Muß ein sehr unliebenswürdiger Kommandeur sein, dieser Herr Oberst. Vrenerl wurde blaß wie die Wand und jetzt weint sie in ihrer Stube.“

Der Amtsrichter fuhr mit der etwas zittrigen Rechten über den Scheitel. „Arme Maus!“ murmelte er. „Doch am Ende liegt seine Garnison nicht aus der Welt.“

„Beinahe. Ein Brief nach Rom braucht nicht so lange wie einer nach Germelsheim. Und die Hochzeit? Excellenz und ich haben Helmuths stürmischen Bitten nachgegeben und sie auf des Erbprinzen Geburtstag im August festgesetzt.“

„So kommt Helmuth im August her oder wir reisen hin. Uebrigens würde es nicht besser sein, die Hochzeit auf unbestimmte Zeit zu verschieben, bis – Du weißt – bis das Geschäftliche geordnet ist?“

„Verschieben?“ rief Ida. „Eine Hochzeit aufschieben und eine Verlobung aufheben, ist fast gleichbedeutend. Das bringt Unglück. Excellenz und ich haben uns ins Geschäftliche getheilt. Er übernahm die Eingabe und ich verbürgte mich mit meinem Wort, daß die Haftsumme zu jeder Stunde bereit liegt.“

„Hm, Du scheinst mir –“

„Ach, geh’ mir mit Deinen Bedenken; rathe, wer noch angekommen ist!“

„Etwa schon der Erbprinz?“

„Nein, Onkel Anton.“

„Das freut mich.“

„Mich auch. In demselben Zug mit Helmuth. Wenn das nicht ein Fingerzeig Gottes ist –“

„Der Ausdruck ist stark. Ihr habt den Onkel doch begrüßt?“

„Freilich haben wir, ich und Verena. Doch da hat er aus Karlsbad einen abscheulichen Köter mitgebracht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf das Thier gerichtet. Wir konnten nicht zehn Worte mit ihm reden und an eine Vorstellung Helmuths war nicht zu denken.“

Frau Ida legte die Hand auf die Schulter ihres Mannes und lehnte sich schmeichelnd an ihn: „Nicht wahr, lieber Vitus, Du sprichst morgen mit dem Onkel?“

Der Amtsrichter seufzte aus tiefster Brust.

„Schon morgen? Höre, liebe Ida, der Schritt will überlegt sein. Vor allem, nimm Platz!“

Während er seinen eigenen Stuhl für sie herbeiholte, sah sie ihn prüfend an.

„Du hast Ausflüchte!“

„Keine Ausflüchte, aber Einwände,“ vertheidigte er sich, als sie beide einander gegenübersaßen. „Onkel Anton will vorsichtig behandelt sein, er ist ein Sonderling und vor allem kein Freund des Militärs.“

„So streichst Du statt des Sohnes den Vater heraus! Die Excellenz ist dem Onkel jedenfalls dem Namen nach bekannt. Zwar ist der Präsident einstweilen in den Ruhestand versetzt, doch wenn Euer – Verzeihung! – unser Fürst heute stirbt, ist Herr von Imhof als der Liebling des Erbprinzen morgen Minister. Glaube mir, das verfängt bei dem alten Junggesellen! Zu unserem Bedauern, sagst Du ihm dann, haben wir – ob Du oder ich, würde ich zweifelhaft lassen – haben wir nicht die ganze Summe bereit; doch da wir so glücklich sind, einen liebenswürdigen, ungeheuer reichen Onkel zu besitzen, hoffen wir – und so weiter! – Unsere Bitte kann Herrn Furtenbacher nur schmeichelhaft sein. Zudem bist Du sein einziger Verwandter, sein Erbe.“

„Wenn er letztwillig nicht anders verfügt.“

„Er denkt nicht dran,“ rief Ida sorglos. „Onkel Anton gehört zu meinen Eroberungen. Auch wollen wir das Geld nicht zum Geschenk. Mein Witwengehalt deckt die Zinsen weitaus und wenn wir uns einschränken –“

„Das kannst Du nicht,“ entgegnete Vitus aufrichtig. „Das sollst Du nicht,“ setzte er zärtlich hinzu. „Ich werde mit dem Onkel reden.“

In diesem Augenblick vernahmen sie einen Wortwechsel im Vorzimmer. Jemand wollte gemeldet werden und der Amtsdiener verweigerte es. „Aber die Frau Baronin,“ klagte der Fremde, und die anfangs weinerliche Stimme wurde laut und aufdringlich, „die Frau Baronin, so liebenswürdig, so gütig –“

Der Richter drückte auf die Tischglocke. „Die Stimme ist mir bekannt,“ sagte er. „Ist seine letzte Strafe schon abgesessen? Wie die Zeit vergeht!“

„Wen meinst Du?“ fragte Ida; doch da trat der Amtsdiener schon ins Zimmer. Nicht allein, er hielt einen blassen, schlechtgekleideten Burschen am Arm.

„Schön, daß Sie ihn gleich mitbringen!“ rief Müller. „Sieh! sieh! der Schreiber Franz! Wieder ’mal losgelassen?“

Der Bursche machte dem Amtsrichter eine Verbeugung, eine zweite, tiefere vor dessen Frau.

„Ja, Herr Richter, ich wurde heute hierher abgeschoben,“ antwortete er und begann, den befreiten Arm zu reiben. „Da wollte ich den Tag nicht vorübergehen lassen, ohne mich bei Ihnen gehorsamst zu melden und unterthänigst um Arbeit zu bitten. Es ist nämlich mein unabänderlicher Entschluß, mich zu bessern. Aber von guten Vorsätzen kann man nicht leben.“

Er stockte, drehte seinen Hut hin und her und schielte nach der Amtsrichterin. „Ich würde in der Amtsstube vorm Versucher sicherer sein als auf der Landstraße. Wenn Sie es noch einmal mit mir probieren würden –“

„Nach Jahr und Tag vielleicht,“ erwiderte Müller, „wenn Du Deine Besserung bewiesen hast.“

Der Amtsdiener, dessen Geduld mit dem „nichtsnutzigen Subjekt“ zu Ende war, blickte den Richter fragend an. „Noch eins,“ sagte dieser. „Erneuere Deine alte Bekanntschaft mit dem ‚Pfannen-Gide‘ nicht! Sie hat Dir kein Glück gebracht.“

„Herr Amtsrichter –“ versetzte der Strolch und hob die Schwurfinger empor, dann ließ er sich vom Amtsdiener gutwillig abführen.

„Willst Du es nicht noch einmal mit ihm versuchen?“ fragte Ida, als sie mit ihrem Mann allein war.

„Unmöglich. Ich könnte Dir ein Dutzend Paragraphen nennen, gegen die er sich vergangen hat. Seine Eltern waren brav, er genoß eine gute Schule, hatte als Hilfsschreiber sein reichliches Brot; kurz, er beging die strafbaren Handlungen ohne jeden Zwang, nichts also entschuldigt ihn.“

„Und mit solchen Leuten hast Du täglich zu thun! Ich bitte Dich, mach’ ein Fenster auf! Der Mensch brachte Gefängnißluft mit sich.“

Vitus Müller öffnete eins der vergitterten Fenster, welche auf den Stadtplatz gingen. „Sieh! sieh!“ bemerkte er schmunzelnd, „auf dem Rathhause hat man die Flagge gehißt. Das nenne ich Ergebenheit! Der Erbprinz fährt nur durch und zwar bei Nacht –“

„Aber der Zug hat hier Aufenthalt.“

„Fünf Minuten; auch hat sich der Prinz allen Empfang verbeten.“

„Wir gehen doch hin?“

„Wenn Du meinst – obwohl –“

„Was ‚obwohl‘? Freilich müssen wir hin. Und Männchen zieht sein Amtskleid an!“

Der Richter sah seine Frau erschrocken an.

„Das versteht sich eigentlich von selbst,“ fuhr diese fort, „denk’ nur, der Erbprinz!“

„Ich bin unserm Fürstenhaus sicherlich ergeben, doch eben die wahre Treue drängt sich nicht auf.“

„Glaube mir, die Excellenz erscheint mit allen Orden!“

„Aber ich bin keine Excellenz und habe keine Orden!“

„Weil Du zu bescheiden bist. Man wird immer für das genommen, für was man sich ausgiebt.“

[453]

Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.

Auf der Lauer.
Nach dem Gemälde von M. Wunsch.

[454] „Dann würde der Schreiber Franz als Ehrenmann behandelt werden, und dennoch hält ihn jeder für einen Spitzbuben.“

„Das ist ein häßlicher Vergleich.“

„Ich wollte nur erklären, daß die öffentliche Meinung verhältnißmäßig selten irre geht. Man sieht mich in Hohenwart – und hier ist meine Welt – für einen rechtschaffenen Mann und gewissenhaften Beamten an. Das genügt mir.“

„Das ist lange nicht genug für den rechtlichsten, liebenswürdigsten, fleißigsten aller Männer!“ rief Ida gerührt.

„Nicht das, sage: den glücklichsten!“

„Wirklich? … Aber jetzt schließen wir –“ schließen wir „die Bude“, lag ihr auf der Zunge, doch sie wußte, daß ihr Mann die burschikosen Ausdrücke nicht liebte. „Alles versammelt sich im Schloßkeller. Helmuth mit Kameraden in Civil, die heute noch über die Grenze hinüber ins Gebirge wollen, ist schon dort, und wie ich Onkel Anton kenne, wird sein erster Gang der nach dem Keller sein. Die Bekanntschaft der beiden macht sich dann von selbst.“

„Wenn Helmuth dem Onkel nur gefällt –“

„Der liebe Junge muß ihm gefallen!“

Vitus seufzte über die Zuversichtlichkeit Idas und sah scheu über die Brille weg in ihre dunklen Augen. Mit diesem überlegenen Blick und dieser stolzen Haltung erinnerte sie ihn mehr denn je an die „Frau Oberst“ und er fühlte sich gedrückt. Doch bei der Stimme, die jetzt im Vorzimmer laut wurde, erhellte sich sein Gesicht. Verena! Er hielt der eintretenden Stieftochter beide Hände hin und blickte ihr verschmitzt in die Augen.

„Ist er da?“

„Ja, Papa, aber nur noch auf kurze Zeit, dann –“

„Dann geht mein Töchterchen mit ihm!“

„O Papa!“

(Fortsetzung folgt.)




Der Weinberg der Zukunft.

Von B. Ost.


In einer Reihe von Lesebüchern für die erste Schuljugend findet sich die Erzählung, daß Friedrich der Große ein so leidenschaftlicher Verehrer frischen Obstes gewesen sei, daß seine Hofgärtner ihm zu Weihnachten frisch vom Baum gepflückte Kirschen gezogen hätten, und daran anknüpfend die weitere Legende vom sparsamen Kronprinzen, welcher, erschrocken darüber, daß ein Teller solcher Weihnachtskirschen fünf Dukaten koste, die Kirschen zu verkaufen und das Geld den Armen und Kranken zu geben befahl. Wie in so vielen derartigen Geschichtchen ist der Kern Wahrheit, welcher darin steckt, nur ein sehr geringer. Die heutige Gärtnerei ist nicht imstande, zu Weihnachten frische Kirschen hervorzuzaubern, trotz aller Verbesserungen, und die Gärtner Friedrichs des Großen haben dies Treibkunststück auch nicht geleistet.

Gerade in den letzten Jahren hat die Gärtnerei zwar gelernt, die Blüthezeit einer Reihe von Pflanzenarten wirklich nach Belieben zu verschieben, aber zwischen Blüthe und Frucht ist noch ein weiter Weg, der vielleicht eines Tages auch erschlossen werden wird, bisher aber noch nicht offen liegt.

Die ersten Blüthenpflanzen, welche die Gärtnerei von ihrer Gewohnheit, nur zu einer bestimmten Jahreszeit ihre Blüthenpracht zu entfalten, abgebracht und denen sie dafür eine beliebige Blüthezeit bestimmt hat, waren die Hyazinthen. Seit mehr als einem Jahrhundert haben diese sich schon in ihr Schicksal gefunden, statt im März oder April nach Kommando im Dezember zu blühen, allenfalls auch noch vier Wochen früher. Im Jahre 1867 aber erhielt Professor Münter in Greifswald auf der Pariser Ausstellung einen Ehrenpreis für ein im August blühendes Beet dieser Blumen. Von da an war man in der Lage, an jedem Tage im Jahre Hyazinthen in Blüthe zu haben. Praktische Verwerthung aber hat der Müntersche Versuch nicht gefunden, und erst zwanzig Jahre später wurde er von gärtnerischer Seite wiederholt mit dem schönsten unserer Frühlingskinder, dem Maiglöckchen oder Springauf, welches heute ebenso willig im Sommer, Herbst oder Winter wie sonst im Frühling blüht.

Noch leichter hinwegzutäuschen über den Wechsel der Jahreszeiten ist unsere Gartenrose, aber auch für sie bestand ein Zeitraum von drei Monaten, in welchem keine oder nur unvollkommene Rosenblüthen zu erreichen waren. Das wesentliche Verdienst, diese Lücke für die Rose und für zahlreiche andere Blüthenpflanzen zum Verschwinden gebracht, die Kunst der gärtnerischen Treibereien von Blüthe und Frucht auf einen ganz neuen Standpunkt erhoben zu haben, gebührt dem deutschen Ingenieur Carl Eduard Haupt, welcher seit zehn Jahren seine Kenntnisse in den Dienst der Gärtnerei gestellt hat. Die Hauptschen Gewächshäuser in Brieg und die in ihnen betriebenen Kulturen haben längst über Schlesiens und Deutschlands Grenzen hinaus Weltruf erlangt und sind für die Gärtnerei zur Hochschule geworden in des Wortes bestem Sinne.

Haupt hat seine Gewächshauskulturen 1878 als Liebhaber begonnen, indem er sich ein kleines Pfirsich- und Weintreibhaus bauen ließ. Bald aber wurde aus dem Gelegenheitsgärtner ein Fachmann, welcher seinen Kulturen zu Liebe die Direktion der von ihm in Brieg geleiteten Chamottefabrik niederlegte und sich ausschließlich der Treibgärtnerei zuwandte.

Heute zeigen die Gewächshäuser des königlichen Gartenbaudirektors Haupt eine Fläche von 50000 Quadratmetern Glas und umschließen so ausgedehnte Anlagen von Wein, Pfirsichen, Rosen, Azaleen, Orchideen zu Treibzwecken wie kein zweites derartiges Anwesen. Aus dem kleinen Versuchsgarten ist ein Weltgeschäft geworden, welches ganz Deutschland mit seinen Erzeugnissen versorgt und Wien, Warschau, selbst London in seinen Absatzkreis gezogen hat. Diese Erfolge sind erreicht worden durch Verbesserungen im Bau der Gewächshäuser, der Heizung, Lüftung, Bewässerung und durch verständnißvolles Eingehen auf die Lebensbedürfnisse der Pflanzen.

Die Einzelheiten haben in erster Linie für den Fachmann Bedeutung, wir wollen hier nur hervorheben, daß die Hauptschen Häuser innen Eisenkonstruktion, nach außen – der Abkühlung wegen – Holzbau zeigen, daß alle und jede Bewässerung durch unmittelbar an der Wasserleitung angebrachte Spritzbrausen geschieht (die Gießkanne ist für Haupt ein veraltetes Werkzeug), daß die Häuser keine Doppelfenster besitzen, also denkbar hell sind, daß die Pflanzengestelle und Spaliere in der Art der neueren Bibliothekgestelle gebaut sind, daß frische Luft in die Häuser eingebracht wird, daß die Temperaturen möglichst hoch gehalten werden (ein Centralkessel, Haupts Patent, versorgt das Röhrennetz des gesammten Gartens mit heißem Wasser) und daß eine für den ersten Anblick geradezu verblüffende Masse von Dungstoffen den Pflanzen zur Aufnahme geboten und von ihnen verdaut wird. Was die Pflanzen aber unter einem solchen Meistgebot von günstigen Bedingungen an Wuchs, Blüthen und Früchten leisten, das ist geradezu fabelhaft.

Einjährige Rebschößlinge haben 2 bis 4 cm Durchmesser, 2 bis 10 m Länge und tragen schon Früchte; ebenso erstaunlich wachsen Pfirsiche und Rosen. Wer im Januar und Februar die Hauptschen Rosenhäuser betritt, der glaubt in Aladins Wundergarten zu stehen: draußen Eis und Schnee, hier drinnen viele Hunderte köstlicher Rosen, in erster Linie natürlich der gelbe Marschall Niel (man spricht richtig Ni-él), aber auch alle Schattierungen von weiß und roth, dazu ein Duft wie in Schiras oder dem gesegneten Thale von Kasanlik. Weit über diesen Erfolg hinaus aber geht eine andere Errungenschaft Haupts, die Azalee, das schöne Kind Chinas, gezwungen zu haben, jahraus jahrein zu blühen, während grade diese köstliche Bukettblüthe bisher in unseren Gärten eigensinnig auf ihrer heimathlich gewohnten kurzen Blüthezeit bestand. Im Verlauf von acht Jahren hat Haupt es erreicht, an jedem Tage des Jahres blühende Azaleen zu haben, deren Blüthen daneben noch prächtig groß, fest und andauernd geworden sind. Weit über fünfzigtausend Orchideenbüsche liefern ihre barockschönen Blüthen, aber alle diese Massen reichen nicht aus, der Nachfrage Genüge zu leisten.

Dem rastlosen Geiste dieses Pfadfinders der Gärtnerei sind jedoch seine Triumphe, die besten Blüthen, die ersten Erdbeeren, die ersten Pfirsiche, die ersten Weintrauben in Deutschland zu ziehen, nicht ausreichend, und als Sohn des weinbauenden Naumburg schwebt ihm als Ideal vor, in der norddeutschen Ebene trinkbaren Wein zu bauen.

Auch diese Aufgabe hat Haupt gelöst.

Das Klima Deutschlands ist mit Ausnahme des Südwestens und einiger besonders begünstigter Lagen kein Weinbauklima.

Einst wurde allerdings bis an die Ostsee, längs der Oder, ja bis an die Weichsel Wein zum Keltern gebaut. Daß es ein ausgemachter Säuerling war, ist nicht zu bezweifeln. Wenn er doch getrunken wurde, so muß man zum Verständniß dieser Thatsache festhalten, daß die „alten Rittersleut“ – und auch die Bürger – so gescheit waren, diesen Rebensaft nur gekocht und gewürzt zu genießen. Der Name Weinberg findet sich sehr oft in unserem Nordosten und ist immer ein Zeichen dafür, daß an der betreffenden Stelle früher wirklich Weinbau getrieben wurde. Unzählbar ist die Fülle der guten und schlechten Witze, welche sich an die nordöstlichen Weinberge knüpft, besonders an die noch bestehenden oder erst in jüngerer Zeit eingegangenen. Vom Kloster Leubus sagt das Lied:

„Es heißt im Volkesmunde, hier fließt der schles’sche Rhein,
Auch wächst hier in der Runde ein ganz besondrer Wein.
Zwar hat man nie vernommen, daß jemand welchen trinkt,
Weil der ihn nur bekommen, der einen Giftschein bringt.“

Und in Grünberg wurde bekanntlich aus „Lacrymae Christi“, „Lacrymae Petri“ – „wer ihn getrunken hat, geht hinaus und weint bitterlich.“ So würde auch der Wein von Brieg nicht ungerupft davonkommen, wenn ja auch in Wahrheit alle diese Weine besser sind als ihr Ruf. Allein Haupt hat niemals daran gedacht, Keltertrauben in Brieg im Freien zu ziehen, sondern sein Ideal war, unter den möglichst billigen Verhältnissen einen „Weinberg unter Glas“ herzustellen.

In den Jahren 1883 und 1884 ist nun dieser Weinberg zur Thatsache geworden, allerdings nicht als Berg, sondern als Ebene von 5 Ar [455] Größe. Diese Fläche ist umgrenzt auf drei Seiten von fünf Meter hohen Glaswänden in Eisentragkonstruktion mit Holzsprossen, während nach Norden hin eine einfache Bretterwand den Schutz der Kulturfläche bildet. Ein flaches, wenig geneigtes Glasdach schließt den Weinberg nach oben ab. Eine Heizvorrichtung wurde anfänglich nicht eingelegt, dann aber im nassen Sommer und Herbst nachgebaut, um auch den Feuchtigkeitsgehalt der Luft regeln zu können. Wärme braucht dem Weinberge auf künstlichem Wege nicht zugeführt zu werden, denn schon die Wirkung der einfachen Verglasung erhöht die Innentemperatur um 8 bis 10 Grad. Im Innern enthält der fast quadratische Kastenbau zwölf eiserne Doppelspaliere von 4,5 bis 5,0 Metern Höhe, welche gleichzeitig das Dach tragen. An diesen Spalieren gedeihen in einfachem Längsschnitt – „Vertikal-Cordonform“ sagt der Deutsche – 360 Weinstöcke der edelsten Sorten: Riesling, Traminer, Muskateller, Spätburgunder, deren Setzlinge aus den besten Lagen bezogen wurden.

Das Erdbeet, in welchem die Reben wurzeln, ist 1,2 Meter tief und ruht auf einer 25 cm hohen Schuttlage; in dieser aber liegt ein Netz von Drainröhren, welches durch senkrechte Aufsatzrohre mit der oberen Luft und einem Zugschornstein in Verbindung steht. Durch diese Vorrichtung wird die erwärmte Luft in den Untergrund gesaugt, welchen sie durchlüftet und erwärmt. Der ursprünglich schwere Lettenboden dieses Weinberges ist durch reichliche Zufuhr von Sand, Kalk, Bauschutt, Dungstoffen und Salzen locker, durchlässig und fruchtbar gemacht worden. Selbstverständlich kann man durch Zufuhr zerkleinerter Gesteine, Schiefer etc. jede beliebige Bodenmischung herstellen. Bewässert wurde der Weinberg anfänglich durch 36 Brausen, welche an Gummischläuchen von den Wasserleitungsröhren herabhingen, da aber selbst dieses praktische Spritzverfahren immerhin noch eine erhebliche Arbeit erheischte, so ahmte Haupt den Naturvorgang nach und erfand eine Regenvorrichtung, durch welche, nach Aufdrehen eines einzigen Hahnes, in wenigen Minuten der ganze Weinberg in einen dichten Nebelsprühregen eingehüllt wird, den man beliebig lange sich ergießen lassen kann.

Dieser Regenapparat ist ein wahres Columbus-Ei. Einen Meter unter dem Weinbergsdache laufen nämlich über den Rebspalieren kupferne Wasserleitungsrohre, welche oben in Entfernung von je einem halben Meter fein gelocht sind. Die hier austretenden feinen Wasserstrahlen treffen gegen kleine Siebe aus Drahtgaze, die 25 cm über der Spritzöffnung stehen, und werden bei diesem Durchgange in einen wirklich nebelartig feinen Sprühregen aufgelöst, ohne daß Schlagfalltropfen entstehen, welche den Boden festschlagen oder auslaugen.

Ein Weinberg unter Glas.
Nach einer Zeichnung von E. Schmidt.

Die in so nachdrückliche Pflege genommenen Reben wuchsen geradezu wunderbar, und schon 1885 konnte Haupt den ersten Wein aus seinem Weinberge keltern. Die Trauben waren in dem künstlichen Klima zur vollen Edelreife gediehen und gaben einen Most, dessen Zuckergehalt höher als der von Johannisberg und Aßmannshausen war, während die Säureprozente geringer als in den meisten Erzeugnissen des Rheingaues blieben. 1886 brachte eine tüchtige Ernte und 1887, welches im übrigen zu den schlechtesten Weinjahren gehörte und am Rhein stellenweis gar keinen oder nur ganz geringwerthigen Wein gab, lieferte im Hauptschen Weinberge einen zarten, normalen Most. Das Mostgewicht der besten Rheinweine liegt zwischen 90 bis 115° der Mostwage, die Hauptschen Weine hatten 95 bis 115° bei 0,55 bis 0,62° Säure, während der Johannisberger 0,45 bis 0,72° Säure hat. In der Zwischenzeit haben die „Haupt-Weine“ ihre Lagerreife durchgemacht und sich zu hochedlem Getränke entfaltet, welches von erfahrenen Weinprüfern als etwas hervorragend Gutes anerkannt wird.

Aber selbst wenn dieses Ergebniß nicht erreicht würde, wenn nur ein einfacher, guter Tischwein in den Hauptschen Weinbergen gekeltert werden könnte, wäre Haupts Zweck erreicht: ein gutes Volksgetränk billig liefern zu können.

In dem Weinberge in Brieg liefert das Ar Grundfläche bei normaler Ernte vier Hektoliter Wein, da die Höhe der Reben und ihr Massenansatz ein ganz anderer ist als im Freien. Nach Anrechnung aller Kosten des Hausbaues, der Arbeit, der Dungstoffe, der Bodenrente, des Tilgungsbetrags, der Kellerbehandlung etc. stellt sich der Selbstkostenpreis des Liters Wein für Haupt auf noch nicht volle sechzig Pfennig. Hierzu kommt aber, daß unter diesen Anbauverhältnissen jedes Jahr eine sichere Ernte ergiebt, auch wenn draußen der Winzer seine mühsam erzogenen Trauben halbreif keltern oder im Frost verderben lassen muß. Im Hauptschen Weinberge giebt es keine Spätfröste, welche die Blüthe ruinieren, keine Dürre, welche die Beeren austrocknet, keine Nässe, welche sie am Stocke faulen läßt, alles geht programmmäßig nach dem Willen des Pflegemeisters. Der junge Trieb beginnt schon einige Wochen eher als im Freien, und im Herbst kann die Beere ihre volle Edelfäule am Stock erlangen. Der Schrecken des Weinbaues aber, die Reblaus, ist im Hauptschen Weinberge ein machtloser Schatten, denn im Nothfalle ist die Kulturfläche spielend unter Wasser gesetzt.

Je nach den Sorten, welche gebaut werden, kann die Kultur große Massen billiger Weine liefern oder die edelsten Qualitätsweine zum Verschnitt minderwerthiger Landweine. Jeder Ertrag wird dabei leicht noch durch Zwischenkulturen erheblich erhöht. In den Hauptschen Weinbergen steht zwischen je zwei Reben eine Rose, welche von März bis Mai ihre Blüthen als Marktware liefert, und Bohnen geben einen gleichfalls nicht zu unterschätzenden Nebenertrag. Jeder Boden, gleichviel ob Sand oder Lehm, ist nunmehr für die Weinkultur ausnutzbar. Er wird durch Be- und Entwässerung, durch Zufuhr des nöthigen Dungstoffes in urbare Fläche umgewandelt. Sonst fast werthlose Strecken werden es, besonders wenn der Anschluß an schon vorhandene Wasserleitungen möglich ist, zu hohen Renten bringen, und selbst theuere Böden in der Nähe größerer Städte geben einen Ertrag, wie ihn vorläufig keine andere Anlage zu geben vermag.

Die Weinbergskultur unter Glas hat so große und einleuchtende Vortheile, daß sie sich rasch Bahn brechen wird. Die Anlagen sind einfach, nicht übertrieben theuer, die Arbeit im Weinberge ist eine verhältnißmäßig viel geringere und billigere als im Freien, und die Kellerkosten sind dieselben.

Die neue Idee der Hauptschen Weinberge ist kein Phantasiebild, sondern das Ergebniß eines kühl rechnenden, sicher denkenden Geistes, so sonderbar sie auch im ersten Augenblick erscheint, so sehr sie auch zu Verketzerungen und zum Bespötteln verleitet. Sie ist der allein sichere Weg, dem übermäßigen ungesunden Schnapsgenuß entgegenzuwirken, indem sie billigen guten Wein liefert. Kleinigkeiten werden ja noch verbessert werden, aber der Gedanke selbst ist gut und klar auf dem allein sicheren Boden des Versuches nunmehr durchgeführt. Wenn es im bekannten Liede heißt:

„Denn um zu trinken solchen Wein,
Muß man geborner Schlesier sein“,

so wird der „Haupt-Wein“ die Welt in kurzer Frist belehren, daß Schlesien ein wirkliches Weinland ist, in welchem der Winzer Regen und Sonnenschein nach Belieben regelt. Haupts Idee wird nicht bloß die Weinberge der deutschen Ordensritter wieder beleben, sondern sie wird auch auf jetzt fast werthlosem Oedland die edelste Kulturpflanze ziehen und eröffnet der Gärtnerei und der Landwirthschaft ein neues, sicheres Erwerbsfeld.

[456]

Polizei und Verbrecherthum der Reichshauptstadt.

Von Paul Lindenberg. Mit Abbildungen von L. Manzel.
II.
Die Kriminalpolizei. – Grüner Wagen. – Der Polizeigewahrsam. – List wider List.

Unsere Leser haben aus der Schilderung unseres ersten Artikels in Nummer 15 eine Vorstellung gewonnen von dem vielumfassenden Organismus der Berliner Polizei. Fast möchte ihnen dabei das Bild eines jener sagenhaften Ungeheuer aufgestiegen sein, mit welchen einst die erregbare Phantasie seefahrender Stämme ferne Meere bevölkerte, eines jener Riesenkraken, der zahllose Arme zumal nach seiner Beute ausstreckt, um sie mit unentrinnbarer Sicherheit zu umgarnen. Nun, die Polizei kann sich den Vergleich mit diesen unheimlichen Geschöpfen gefallen lassen, sofern man sich bewußt bleibt, daß es ja nur die Schädlinge der menschlichen Gesellschaft sind, auf welche sie es abgesehen hat. Auf keinen Theil des Ganzen dürfte aber das Bild von dem tausendarmigen Fabelwesen besser zutreffen als auf die Kriminalpolizei. Wir müssen uns zunächst, um dies anschaulich zu machen, wieder etwas mit der Zergliederung dieses Körpers befassen.

Das Kriminalkommissariat bildet, wie wir bereits in unserem ersten Aufsatz kurz hervorgehoben haben, eine besondere Gruppe der umfangreichen vierten Polizeiabtheilung, welche sich mit dem gesammten Sicherheits- und Sittendienst Berlins zu beschäftigen hat, und zerfällt wiederum in drei Kriminalpolizei-Inspektionen; an deren Spitze steht je ein Inspektor, dem mehrere Kriminalkommissare sowie eine größere Anzahl von Kriminalwachtmeistern und -schutzleuten zugetheilt sind, während die oberste Leitung in den Händen des „Chefs der Kriminalpolizei“ ruht, gegenwärtig in denen des Grafen Pückler, eines ebenso umsichtigen und pflichteifrigen, wie gegen seine Untergebenen liebenswürdigen und gerechten Beamten. Die erste Kriminalinspektion umfaßt acht Bezirkskommissariate, welche in Anlehnung an die acht Bezirkshauptmannschaften Berlins eingerichtet sind und die minder wichtigen Sachen bearbeiten, namentlich Gelegenheitsdiebstähle, Körperverletzungen, Hausfriedensbrüche, Beleidigungen, strafbaren Eigennutz etc. Die zweite Inspektion bearbeitet die Anzeigen derjenigen Vergehen und Verbrechen, bei denen eine ausgebreitete Personalkenntniß die Ermittelung insofern erleichtert, als bei bestimmten Vergehen und Verbrechen – wir nennen nur Einbrüche, Taschen-, Kolli-, Laden-, Schlafstellen- und Marktdiebstähle, gewerbsmäßiges Hazardspiel, Hochstapelei etc. – der Thäter von vornherein in bestimmten Kreisen bekannter Personen zu suchen ist. Die dritte Inspektion beschäftigt sich mit Anzeigen über betrügerischen Bankerott, mit Postunterschlagungen und -schwindeleien, mit Wuchersachen, Wechselfälschungen, Münzverbrechen, Häuserschwindel und Patentverletzung.

Der Geschäftsgang dieses Kriminalkommissariats, welches seinen Sitz im Polizeipräsidialgebäude hat, ist folgender: die Anzeigen über vorgekommene Vergehen und Verbrechen werden zunächst in den einzelnen Polizeirevieren erstattet, von denen zweiundachtzig über ganz Berlin verstreut sind, und diese lassen die Meldungen, Protokolle etc. auf dem vorschriftsmäßigen Wege der Centralbehörde zugehen; hier werden sie dem Chef vorgelegt und von diesem je nach ihrer Abart einer der drei Inspektionen, bei der ersten je nach dem Thatort einem ihrer acht Bezirke zur Bearbeitung überwiesen. Der Vorsteher der zweiten Inspektion, mit welcher wir uns hier besonders zu beschäftigen haben, zur Zeit Herr von Meerscheidt-Hüllessem, theilt wiederum die ihm zugegangenen Sachen den bei ihm beschäftigten Kriminalkommissaren und Wachtmeistern zu und behält sich von vornherein die Einwirkung auf die Bearbeitung und die Schlußprüfung vor. So ist er stets über alle in der gewerbsmäßigen Verbrecherwelt vorkommenden Bewegungen unterrichtet und kann jederzeit seinen Kriminalkommissaren wie seinen Mannschaften die entsprechende Hilfe gewähren.

Bei besonders wichtigen Angelegenheiten erhält selbstverständlich diese zweite Inspektion telegraphische Nachricht seitens der einzelnen Polizeireviere. Nehmen wir an, bei einem der letzteren sei ein Mord oder Raubmord angezeigt worden; sogleich wird durch eine Ordonnanz der Bezirksphysikus zur Stelle gerufen; der Chef der Polizei, das Kommando der Schutzmannschaft, die Polizeihauptmannschaft, zu welcher das betreffende Revier gehört, der Chef der Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft, die Kriminalabtheilung und das Leichenkommissariat – sie alle werden durch Depeschen benachrichtigt. Währenddessen ist der Vorstand jenes Polizeireviers mit den gerade verfügbaren Schutzleuten an den Thatort geeilt und hat ihn derart abgesperrt, daß alles so erhalten bleibt, wie man es vorgefunden hat; in kürzester Frist erscheinen dann die Beamten der benachrichtigten Behörden, hauptsächlich der Kriminalabtheilung und Staatsanwaltschaft, und veranlassen das Weitere; der Reviervorsteher aber, zumeist ein Polizeilieutenant, muß umgehend seine Berichte über das am Thatorte Gesehene und Gehörte an den Polizeichef, an den Oberregierungsrath (Stellvertreter des ersteren und Dirigent der ersten Polizeiabtheilung), an die Staatsanwaltschaft und an die Kriminalabtheilung erstatten. Letztere entfaltet alsdann eine fieberhafte Thätigkeit; vor allem werden jene Kriminalbeamten, die sich zur Zeit nicht im Dienst befinden, telegraphisch von dem Ereigniß unterrichtet mit der Verfügung, sich aufs schleunigste im Präsidialgebäude einzustellen; hier laufen alle Fäden zusammen, oft ein kaum entwirrbares Netz bildend, in welchem der Schuldige gefangen werden soll. Tag und Nacht herrscht die unermüdlichste Rührigkeit: Berathungen werden abgehalten, einzelne Verhaltungsmaßregeln ertheilt, Zeugen vernommen, Verdächtige vorgeführt, Aussagen protokolliert und verglichen, Depeschen nach auswärts gesandt und empfangen – eine auch den Unbetheiligten mitreißende nervöse Aufregung durchzittert gewissermaßen jenes der Kriminalabtheilung eingeräumte Viertel des gewaltigen Polizeipalastes und läßt erst nach, wenn die Kunde von der Ergreifung des Thäters durch den Blitzfunken hierher übermittelt wird.

Der Thäter oder – um den Einzelfall zu verlassen – alle diejenigen, welche sich eines Verbrechens oder Vergehens schuldig gemacht oder in irgend einer Weise durch Lärm, Trunkenheit, Mißhandlung, Widerstand etc. öffentliches Aergerniß erregt haben, werden dem nächsten Polizeirevier eingeliefert, dessen Vorsteher das Protokoll aufnimmt; können die bei leichteren Ueberschreitungen Betroffenen einen Ausweis beibringen, so werden sie alsbald wieder entlassen; die anderen werden in dem Arrestlokal oder bei schweren Vorkommnissen in der Einzelzelle so lange in Haft behalten, bis sie nach dem Polizeipräsidialgebäude verbracht werden. Das letztere geschieht vermittelst des sogenannten „Grünen Wagens“, welchem die Berliner mancherlei Spitznamen, wie „Grüner Anton“, „Grüner Heinrich“, „Kriminalequipage“ u. s. w., gegeben haben. Sieben solcher Wagen sind fast stets unterwegs, da jeder von ihnen im Laufe von vierundzwanzig Stunden viermal nach den Polizeirevierwachen fährt, welche Gefangene beherbergen. Die Nachricht, daß Gefangene vorhanden sind, kommt dem Polizeipräsidium telegraphisch in denkbarster Kürze zu: nur die Nummer des Reviers und die Zahl der Gefangenen vor einem „G“ wird mitgetheilt. Die Wagen gehen früh um acht, dann mittags um zwölf, abends um acht und nachts um zwei Uhr ab und kehren je nach der Entfernung möglichst rasch mit ihrem lebenden Inhalt wieder zurück. Jeder von ihnen kann sechzehn bis achtzehn Insassen

[457] aufnehmen, oft aber sind es mehr und die Arretierten müssen dann dichtgedrängt und stehend die Fahrt zurücklegen. Es kommt auch vor, daß die Wagen nicht auf einmal die Menge der Arrestanten fortbringen können und zweimal ihren Weg machen müssen. Ihre innere Einrichtung besteht aus einer rings um die Wand laufenden Sitzbank sowie aus zwei zellenartigen Verschlägen für gefährliche Subjekte. Neben diesen Verschlägen, und zwar dicht an der vergitterten Thür, hat der begleitende Schutzmann seinen Platz. Außer nach dem Polizeipräsidialgebäude befördern jene grün angestrichenen, in auffälliger Kastenform gebauten, schwerfälligen, fensterlosen Gefährte die Gefangenen auch nach Orten außerhalb, nach den Gefängnissen im Moabiter Kriminalgericht, in Plötzensee und Rummelsburg, und bringen ebenso die erkrankten Verhafteten nach der Charité, wo eine besondere Abtheilung für sie eingerichtet ist.

Der Grüne Wagen vor einem Polizeirevierbureau.

Rollt der „Grüne Wagen“ in den an seiner Rückseite von den Polizeigefängnissen abgeschlossenen Hof des Präsidialgebäudes herein, so wird hiervon durch ein Klingelzeichen die Schutzmannswache unterrichtet, und zwölf Schutzleute nebst einem Wachtmeister eilen herbei und stellen sich an der Thür des Wagens auf; dann erst wird diese geöffnet, der den Wagen begleitende Schutzmann meldet dem Wachtmeister mit lauter Stimme die Zahl der Fahrgäste und reicht ihm die von den Polizeirevieren ihm eingehändigten Schriftstücke über die Verhafteten.

Das Ausladen des Grünen Wagens im Hofe des Polizeipräsidiums.

„Aussteigen!“ – schon drängen sich an der Thür die Arretierten, eine buntgemischte Gesellschaft, in ihren einzelnen bald eleganten bald verlumpten Erscheinungen das Elend, Laster und Verbrechen der Millionenstadt verkörpernd: hier ein alter, gebrechlicher Mann, der kaum die hohen Trittbretter herunterzuklettern vermag, weniger aus Altersschwäche als wegen des Schnapsdusels, der sein Gesicht flammend geröthet hat; dann einige Vagabunden, echte Baßermannsche Gestalten, deren Kleidung deutlich das häufige Logieren bei „Mutter Grün“ verräth; dort mehrere vor Ermattung und Furcht zitternde bejahrte Frauen und Männer, die beim Betteln ergriffen wurden; dann junge Burschen, einer von ihnen noch mit der Militärmütze auf dem Kopf, die wegen groben Unfugs abgefaßt wurden und auch hier in ihrem Benehmen eine grenzenlose Frechheit zur Schau tragen; neben ihnen ein armer, verhärmt ausschauender Blödsinniger, der auf der Straße gefunden [458] wurde und fortwährend leise vor sich hinspricht, dabei mit den Händen lebhaft gestikulierend; einige auf Abwegen ergriffene Mädchen, diese mit pelzbesetzter Sammetjacke und mächtigem Federhut, jene in dünnem Kattunkleidchen, ein Umschlagtuch um Kopf und Oberkörper gehüllt.

Aber auch für Humor ist gesorgt, obgleich für einen verzweifelt unfreiwilligen: welch’ merkwürdige Erscheinung klettert dort aus dem Wagen? Ein absichtlich vorgeschobener Capothut bedeckt den Kopf, zerrissen hängt der Schleier herab, ein weiter, ängstlich zusammengeraffter Radmantel läßt ein grün und weiß gestreiftes Kleid vorschimmern, und beim Heruntersteigen enthüllt sich uns ein Paar sehr kräftiger, mit starken Zugstiefeln bekleideter Füße.

„Welchen Vogel bekommen wir denn da wieder?“ sagt der Wachtmeister und betrachtet aufmerksam die Gestalt.

„Die schwarze Minna!“ meint der Schutzmann.

„Ah, ein alter Bekannter, auch ’mal wieder ertappt?“

Die Mädchen kichern verstohlen, und die Vagabunden raunen sich einige spöttische Bemerkungen zu, „die schwarze Minna“ aber scheint sich sehr ungemüthlich zu fühlen und nicht zu wissen, zu welcher der beiden bereits gesondert stehenden Gruppen sie sich gesellen soll.

„Geh man zu Deinem Geschlecht, schwarze Minna,“ sagt der Wachtmeister und zeigt auf die Strolche – denn die „schwarze Minna“ ist ein Mann, der es liebt, in weiblicher Verkleidung seine abenteuerlichen Fahrten zu unternehmen.

Doch der Wagen ist noch immer nicht geleert – der Schutzmann steigt hinauf und schiebt die Riegel der kleinen Zellen zurück, aus jeder tritt ein Mann, der erste mit den gefesselten Händen ein auf einem Einbruch ertappter, gewaltthätiger Verbrecher, während der andere, sein Gefährte, den Aufpasser machte und dabei mit ergriffen wurde. Die Schutzleute haben enger den Wagen umschlossen, die übrigen Arretierten blicken neugierig auf den Einbrecher.

„’S ist der Kellner-Justav,“ sagt einer der Pennbrüder, „det wird wohl wieder n’ paar Jahre Zuchthaus jeben.“

Der den Spitznamen „Kellner-Gustav“ führende Verbrecher kümmert sich nicht um seine Umgebung; gleichmüthig starrt er vor sich hin auf den Boden, er weiß, daß kein Leugnen möglich ist, da er auf frischer That ertappt wurde, und daß ihn auf geraume Frist die Zuchthausmauern wieder einschließen werden; höchstens sinnt er darüber nach, wie er seinen Genossen, den er natürlich gar nicht kennen will, mit dem er aber schon oft genug „gearbeitet“ hat, durch ein kunstvolles Lügengewebe befreien kann.

Die beiden stehen abseits und werden nun, nachdem der Wagen seines lebenden Inhalts entledigt ist, von mehreren Schutzleuten sofort zur Kriminalabtheilung verbracht. Die übrigen Arrestanten haben sich schon in eine männliche und eine weibliche Gruppe zusammengefunden und werden unter Bedeckung nach dem nahen Männer- oder dem Frauengewahrsam geführt, um sobald wie möglich vor den Richter gestellt und je nachdem zu kürzerer oder längerer Polizeihaft oder Strafarbeit verurtheilt zu werden. Daß es sich hier nie um lange Untersuchungen der Vergehen und Gesetzesübertretungen handeln kann, liegt auf der Hand. Zumeist nehmen die Schuldigen auch ruhig ihr Strafmaß entgegen, nur bei den Frauen und Mädchen kommt es häufiger zu erregten Auftritten; viele von ihnen verstehen das Schauspielern vorzüglich und betheuern mit bühnengerechter Lebhaftigkeit ihre Schuldlosigkeit, andere bereuen auch wohl wirklich tief den ersten Schritt auf der abschüssigen Bahn und möchten gern zurück auf den verlassenen Pfad des Rechten.

Während des Tages beherbergen also diese Polizeigewahrsame nur vorübergehende Gäste; die eigentlichen „Logisnehmer“ und „Logisnehmerinnen“ werden während des Abends und der Nacht eingeliefert; Wagen auf Wagen rollt dann in den einsamen Polizeihof, und eine Schaar nach der andern wird den hallenden Flur entlang geführt und verschwindet hinter der von einem Schutzmannsposten besetzten starken, eisenbeschlagenen Thür, neben der ein Signalwerk angebracht ist, sodaß bei einem Krawall sogleich Hilfe von der nahen Schutzmannswache zur Stelle ist. Aber fast nie ist es nöthig: diese Pennbrüder und Landstreicher, diese Betrunkenen und Herumtreiberinnen verhalten sich meist ruhig. Und ist einer oder eine von ihnen einmal ungebärdig und befolgt nicht die Anordnungen des wachehabenden Schutzmannes, so sind die Isolierzellen nahe, und es gehört nicht zu den Annehmlichkeiten selbst des Strolchenlebens, die Nacht in einem solchen kalten, engen, finsteren Viereck auf hartem Steinboden zu verbringen. Dagegen ist ja dieser Polizeigewahrsam beinahe noch als gemüthlich zu bezeichnen; der große, gewölbeartig gebaute Raum ist geheizt und durch mehrere Gasflammen erhellt; hinter dem hölzernen Gatter, welches den Aufenthaltsort des Schutzmannes von dem der Eingelieferten abschließt, steht eine Anzahl hölzerner Bänke, die im Winter häufig sämmtlich besetzt sind. Ein trauriger, herzbewegender Anblick, diese Verkommenen hier zu beobachten, zumal in ihrem stumpfen Gleichmuthe, der bei der Mehrzahl in jeder Handlung und Bewegung zur Schau tritt – ob sie nun, wenige Worte wechselnd, nebeneinander sitzen oder stundenlang gleichgültig vor sich niederstarren, ob sie sich ihr „Lager“ zurechtmachen, indem sie die zusammengerollte Jacke als Kopfkissen benutzen, oder sich auch auf dem bloßen Boden ausstrecken – fast alle tragen den Stempel der grenzenlosesten Unempfindlichkeit gegen die Eindrücke der äußeren Welt auf ihren Zügen, und doch ist diese Welt wohl manchem einstmals in besserem und freundlicherem Licht erschienen und hat ihm eine andere Zukunft vorgegaukelt als diese trübe Gegenwart. Und dabei möchte man die Hoffnung nicht aufgeben, daß sich der eine oder andere, unterstützt von einem glücklichen Zufall, wieder zu einem menschenwürdigeren Dasein emporschwingen und später mit Entsetzen jener Nacht im Polizeigewahrsam gedenken werde, jener Nacht, die ihn leicht für immer dem Verderben überliefert hätte.

Sehen wir uns nun einmal wieder nach jenen um, die unter starker Schutzmannsbedeckung unmittelbar vom „Grünen Wagen“ der Kriminalpolizei überliefert wurden; ihr nächster Aufenthalt ist, nachdem ihnen Messer, Papiere, Geld etc. abgenommen wurden, das Wachtzimmer; hier arbeiten mehrere Wachtmeister, welche die Transportscheine der Verhafteten erhalten und deren Personalien feststellen. – Ist dies gethan, so werden die Eingelieferten in das Sistierzimmer gebracht, dessen wesentlichste Ausstattung in einer sich an den Wänden entlangziehenden hölzernen Bank, einem mit Wasser gefüllten Blechkruge und einem Becher zum Trinken besteht. Gewöhnlich sind dort schon „Gäste“ vorhanden, denen natürlich jede Verständigung oder Unterhaltung, sei es durch Worte oder durch Gebärden, aufs strengste verboten ist; und daß diese Verordnung eingehalten wird, dafür bürgt der hier aufgestellte herkulisch gebaute Schutzmann, welcher die Inhaftierten scharf beobachtet. Unterdessen sind deren Personalien in die Registratur gelangt, wo in riesenhohen Ständern die Akten über jeden Berliner Einwohner aufbewahrt werden. Nach wenigen Minuten sind die zugehörigen Aktenbündel, die neben den Angaben über Geburt, Verheirathung etc. auch die etwaigen Vorstrafen enthalten, herausgesucht und wandern nun zu jenem Kriminalkommissar, dem die betreffende Angelegenheit zur Untersuchung überwiesen ist. Nachdem dieser sich über den Verhafteten und dessen That genau unterrichtet hat, läßt er ihn vorführen, und das Verhör beginnt.

Der Ton hierbei ist zumeist ein ganz jovialer, fast immer kennen sich Kommissar und Verbrecher bereits aus früheren Verhandlungen, und während ersterer die „Spezialitäten“ des Thäters, seine Schliche und Lügengewebe weiß, fürchtet letzterer mehr oder weniger die „Findigkeit“ und den Scharfsinn des Beamten und richtet hiernach sein Leugnen ein. Denn geleugnet wird stets, wenn die Sache nicht ganz klar und ein „Herausreden“ deshalb nicht unmöglich ist; die wunderlichsten Behauptungen werden vorgebracht, wobei die geheimnißvolle Person des „Unbekannten“ eine große Rolle spielt, namentlich wenn es sich um den Verkauf eines gestohlenen Gegenstandes handelt.

„Ein fremder Mann gab mir das Packet und bat mich, es zum Versatzamt zu bringen“ – oder: „Getroffen hatte ich ihn schon ’mal, den Mann, der mir die Uhr zum Kaufe anbot, die ich denn bald wieder losschlug; wir hatten ’mal ein Glas Bier zusammen getrunken, seinen Namen weiß ich aber nicht!“

Wie weit die Frechheit des Lügens geht, zeigt folgender Fall. Ein alter, innerhalb der Gefängnißmauern grau gewordener Verbrecher war um Mitternacht in einer fremden Wohnung ergriffen worden, in die er durch das Parterrefenster eingestiegen war. Und was führte er als Grund seines gewaltthätigen Eindringens an? Er habe zufällig gehört, daß der Inhaber der Wohnung seinen Hund verkaufen wolle, den hätte er sich gern angesehen. – [459] Und als ihm erwidert wurde, daß der Inhaber jener Wohnung überhaupt keinen Hund besitze, gab er unbedenklich zurück: dann müsse er sich eben in der Hausnummer geirrt haben.

Das Sistierzimmer

Natürlich sind all diese Ausreden gänzlich nutzlos, können aber das Verhör unnöthig ausdehnen und das darüber geführte Protokoll, welches der Vernommene zu unterschreiben hat, sehr in die Länge ziehen. So redet denn häufig der Kriminalkommissar dem Verhafteten „in Güte“ zu: „Na, Schulze, gesteht es doch ein, daß Ihr auch an dem Einbruch betheiligt waret – wir haben doch die Sachen beim Hehler gefunden, und der hat Euch angegeben, also warum denn die Lügenmätzchen?“

„Herr Kommissar, ich habe mit der ganzen Sache nichts zu thun!“

„Na, da woll’n wir ’mal den Hehler kommen lassen, der ist ja hier und wird’s Euch ins Gesicht sagen.“

Der Verbrecher scheint auf einen Augenblick unruhig zu werden, blickt dann aber sofort wieder gefaßt zu Boden und bewahrt seine Gleichgültigkeit auch, als der Hehler, ein kleines zusammengeschrumpftes Männchen mit stechenden Zügen, von einem Schutzmanne hereingeführt wird.

„Kommen Sie einmal her, Zimmermann!“ ruft der Kommissar dem Hehler zu, „Sie haben doch gesagt, daß der Schulze hier Ihnen die silbernen Leuchter gebracht hat, wie steht’s damit?“

Der Hehler wirft einen ängstlichen Blick auf den Einbrecher, welcher den Eingetretenen gar nicht beachtet, dann antwortet er zögernd:

„Nein, Herr Kommissar, der Mann ist’s doch nicht; der Mann, der die Leuchter gebracht hat, war größer, er hatte auch einen anderen Bart.“

„So,“ räuspert sich der Kommissar, „von Euch beiden schwindelt ja einer immer netter als der andere, namentlich der Schulze, der sollte doch von früher her wissen, daß er bei uns damit nicht durchdringt. Schulze, seht einmal, was ist denn das hier?“

Der Verbrecher blickt auf, und eine leichte Röthe bedeckt sein Gesicht – eine kleine goldene Damenuhr leuchtet ihm entgegen, die aus demselben Einbruch stammt und die er seiner Geliebten geschenkt hat; das hat er nicht für möglich gehalten, daß die Polizei von letzterer bereits etwas wisse, da die beiderseitigen Beziehungen erst seit kurzer Frist angeknüpft sind. Allein schnell setzt er ein neues Lügensystem zusammen: „Ja, die Uhr –“ er faßt sie näher ins Auge – „was soll ich denn mit der Uhr?“

„So, diese Uhr kennt Ihr also nicht, alter Junge? Da will ich Eurem Gedächtniß aufhelfen. Ihr habt sie in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag in dem Brandtschen Schanklokal der Klara Elsner geschenkt.“

„Ach, jetzt besinne ich mich, ja, ja, das stimmt,“ meint der Verbrecher, „die Uhr hatte ich von einem Freunde für eine Schuld erhalten.“

„Von einem Freunde also?“ lacht der Beamte. „Auch gut, übrigens hat’s mit der Uhr nicht viel auf sich, es handelt sich zunächst um die Leuchter – und nun, Schulze, habe ich hier ein Blättchen Papier, das ist bei der Elsner gefunden worden, und da steht drauf, notabene, von Eurer Hand geschrieben: ‚Die Leuchter bin ich glücklich bei Z. losgeworden, jetzt ist von dem ganzen Kitt nichts mehr übrig; zugleich hier die erbetenen dreißig Mk.‘ – Und, Schulze, damit Ihr nicht nochmals lügt, hier ist Euer Notizbuch und hier habt Ihr jene Seite herausgerissen, seht her, wie hübsch die Stücke zusammenpassen. Ich habe die Elsner noch nicht verhaften lassen, mir scheint aber, daß sie mit Euch unter einer Decke steckt und –“

„Nein, nein, Herr Kommissar, das ist nicht der Fall, die Klara hat damit gar nichts zu thun, sie ist wahrhaftig unschuldig.“

„Gut, so gesteht doch endlich selbst –“

„Na, Herr Kommissar, ja, ich habe die Sachen gestohlen! Aber die Klara –“

„Laßt doch die Klara jetzt sein, sie soll in die Geschichte nicht verwickelt werden; hier, unterschreibt! Und das nächste Mal – es wird wohl ein paar Jährchen dauern, bis wir uns wiedersehen – da seid mit Eurem Zettelschreiben vorsichtiger!“

„Adjes, Herr Kommissar!“

„Adieu, Schulze!“ und zu dem Hehler: „Zimmermann, jetzt tretet einmal näher, nun wollen wir noch ein Hühnchen zusammen rupfen!“ Und ein neues Verhör beginnt, dem sich sofort weitere anschließen, da die Sache jedes Verhafteten binnen vierundzwanzig Stunden nach seiner Einlieferung so weit gefördert sein muß, daß sie dem Untersuchungsrichter übergeben werden kann – eine Bestimmung, die trotz ihrer guten Seiten manchen Nachtheil in sich schließt.

Nicht immer geht es mit den Verhören so glatt ab, wie wir es eben zu schildern versucht haben. Ist das Verdachtsmaterial kein zwingendes und trifft es nicht genau zu, so müssen oft Hunderte seiner Maschen geknüpft werden, um den Verbrecher im Netz zu fangen. Häufig weigern sich auch die als verdächtig eingezogenen Personen aufs hartnäckigste, ihren richtigen Namen zu nennen, verstellen sich mit Körperschäden – wie Hinken, Schielen, nervösem Gesichtszucken – um die Polizei auf falsche Fährten zu leiten, zumal wenn sie auswärts schon bestraft sind und nicht wünschen, daß dies die Berliner Polizei erfährt, oder wenn sie noch anderweitig über sie verhängte Strafen verbüßen müssen. Vor allem aber muß man erst den Verbrecher haben, um ihn der That überführen und bestrafen zu können. „Geübte“ Verbrecher verstehen es häufig so gut, ihre Spuren zu verwischen, daß selbst der gewiegteste Kriminalist an einer Ergreifung verzweifelt, bis meist eine ganz geringfügige Kleinigkeit ihn auf die Fährte bringt und nun die Jagd auf den Thäter ihren Anfang nehmen kann.

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Wie das Volk vom Gelde denkt.

Als die Kunst des Schreibens noch wenig verbreitet war – und das ist bekanmlich noch gar nicht so lange her – trug das Volk die Summe seiner Lebensweisheit mündlich zu Markte, nicht in einem logisch entwickelten System, sondern in kurzen Sätzen, in einem Sprichworte. Und wieviel Tiefe und Weisheit, Klugheit und Erfahrung liegt in dem reichen Schatze unserer Sprichwörter verborgen! Es ist nicht bloß der ernste Weise, sondern auch der lustige Schalk, der durch den Volksmund, bald im Gleichniß, bald im Witzwort zu uns spricht. So wird man gern auch einmal erfahren, was das Volk sich für eine Meinung über das „Geld“ gebildet hat, diesen wichtigen, in der modernen Welt vielleicht wichtigsten Faktor des menschlichen Lebens. Viele der Aussprüche, die hierher gehören, sind schon vor Hunderten von Jahren geprägt worden und haben gleichwohl nichts von ihrer Wahrheit eingebüßt.

Der Bedeutung, der herrschenden Macht des Geldes in der Welt war man sich im Volke schon früh bewußt. „Geld regiert die Welt.“ „Geld behauptet das Feld und spielt den Meister in der Welt.“ „Wo Geld voran geht, stehn alle Wege offen.“ „Wenn das Geld redet, schweigt alle Welt.“ „Für Geld,“ meint der Volkswitz, „kann man alles haben, da kann man selbst den Teufel tanzen sehn.“ Es erwirbt Freunde („Viel Geld, viele Freunde“); der Arme, der kein Geld hat, muß erfahren, daß das Wort gilt: „Nimmer Geld, nimmer Gesell.“ Noch härter drückt sich diese Erfahrung aus in der Weisung:

„Hast Du Geld, so setz dich nieder,
Hast Du keins, so scheer dich wieder!“

Wenn ein Gast ins Wirthshaus kommt, der viel „Geld im Beutel trägt,“ den „duzt der Wirth“. Geldbesitz vertreibt die Schwermuth und hilft, daß man dem Glauben seines Trägers folgt. Es führt Krieg und „geht durch alle Thüren außer durch die Himmelsthür.“ Es „fährt auf hohen Schlitten,“ indeß die Armuth muß zu Fuße gehn. Es hilft zu Ehr und Ansehn. „Wer kein Geld hat, ist ein Lump.“ Sein Besitzer ist immer ein geachteter Mann, dessen Wort gilt, denn „es ist mit Golde gefüttert.“ Um seine Freundschaft buhlen selbst die Edlen im Lande, wäre er auch vordem verachtet und verschmäht gewesen. „Alt Geld macht neuen Adel.“ „Schimmlig Geld macht edel.“ Man fragt dabei nicht weiter nach des Geldes Ursprung und Herkunft. Genug, daß es da ist. Der Reiche darf sich auch mehr erlauben als der Dürftige. Er kann unbekümmert singen: „Gute Nacht, Tugend, habe ich Geld, so bin ich lieb.“ „Geld ist die Königin, Tugend und Kunst sind nur ihre Schüsselwäscherinnen.“

Eine der schlimmsten Nachreden, die man dem Gelde anhängt, ist die, daß es das Recht beugt und zu Gunsten des Reichen stimmt. „Geld geht vor Recht“ – „Geld wird nicht gehenkt“ – „Geld kann nicht unrecht thun“ – „Wer kein Geld hat, muß mit der Haut zahlen“ – „Geld, das stumm ist, macht recht, was krumm ist“ – „Wo man mit goldnen Büchsen schießt, da geht das Recht verloren“ – „Geld erklärt den Text und die Glosse.“ Wie schlimm muß es einst um die Gerechtigkeit bestellt, wie gering der Glaube an die Unbeugsamkeit des Richterstandes gewesen sein, wenn solche herbe Weisheit sich bilden und ausgesprochen werden konnte!

Auch bei der Eheschließung hat einst wie jetzt das Geld eine große Rolle gespielt. Es „hilft gut freien,“ daher behält nach dem Sprichworte „der Arme seine Hühner und der Reiche seine Töchter nicht lange.“ „Herz wo’s Geld“ denkt der schlaue Freier, denn „wie Federn den Vogel flügge machen, macht das Geld den Mann.“ Indeß meinte jenes Mädchen, das viel Geld besaß, zu dem aber kein Freier kam: „Besser ein Mann ohne Geld, als Geld ohne Mann“ und nahm sich einen Armen. Doch redet die Weisheit des Volkes solchen Geldheirathen keineswegs das Wort. „Ist das Geld die Braut, so taugt die Ehe selten was.“ „Wer nach Geld heirathet, verliert seine Freiheit.“ „Er freit die Person,“ ruft man dem Verlobten spöttisch zu, „und meint das Geld.“

Aber das Geld ist empfindlich, es hat Eigensinn und will gut gepflegt und gehütet sein, „es will einen guten Vormund haben.“ Man muß es hätscheln und in Ehren halten, sonst nimmt es eines Tages Reißaus und läuft davon. „Pracht, Gold und Ehr sind oft morgen nicht mehr.“ Es ist mit seiner Gunst wählerisch und launisch. Daher kommt es, daß man von ihm sagt: „Der eine hat’s, der andere hat’s gehabt, der dritte hätt’ es gern.“ – „Es hat keinen Zipfel und einen feigen Hals.“

Zu Zeiten hat es sogar dem, der es „zur rechten Zeit verachten konnte, großen Nutzen gebracht.“ Es bleibt auch nicht zu lange bei einem Besitzer. Beim zweiten oder dritten Geschlecht ist’s meist gar nicht mehr vorhanden. „Es hängt kein Geldsack hundert Jahr lang vor einer Thür,“ – „aber auch kein Bettelsack“ fügt der Spruch tröstend hinzu. „Er hat Geld wie Heu, aber nicht so lang,“ heißt es anderwärts.

So findet sich nach dem einen, der das Geld auf gute oder schlimme Weise erwarb, bald ein anderer ein, der das Zusammengebrachte wieder auseinander- und durchbringt.

„Zwei Schelme braucht Geld und Gut:
Einen, der’s gewinnt, und einen, der’s verthut.“

Und die Weisheit des Volkes hält für nothwendig, daß es so ist. Sie verlangt vom Gelde, daß es „wandere durch die Welt,“ denn das ist seine wahre Bestimmung. Sie weiß aber auch gute Regeln zu geben, wie man sich seinen Reichthum erhält. „Leg Deinen Reichthum nicht all auf ein Schiff,“ warnt ein Spruch. „Man soll,“ lehrt ein anderer, „ihn immer gebrauchen, als wäre er ein hinterlegtes Gut.“ Geliehenes Geld hält die Volkserfahrung für einen gefährlichen Besitz. „Man soll es lachend bezahlen,“ das heißt froh sein, wenn man soweit ist, es wieder heimzahlen zu können.

Es ist daher auch ein kluges Rezept, welches vorschreibt, daß man dem Gelde gebiete, nicht ihm gehorche, daß man es nicht Macht über sich gewinnen lasse. Nur so kann man sich gegen die Gefahren schützen, welche der Reichthum im Gefolge hat. Und das Auge des Volkes ist nicht blind gegen diese Gefahren. Reichthum, weiß es, führt leicht zu einem lasterhaften Leben. Denn „wo’s Gold vorregnet, da regnet’s Laster.“ „Wo Gold ist, da ist der Teufel;“ freilich sagt der lustige Nachsatz, „wo keins ist, da ist er zweimal.“ Schon bei dem Erwerbe des Reichthums geht’s nicht immer mit rechten Dingen zu. „Wer reich werden will, muß seine Seele hinter die Kiste werfen,“ darum ist ein Reicher „ein Schelm oder eines Schelmen Erbe.“ Ist der Reichthum dann „ins Haus geflogen, so fährt oft die Thorheit mit hinein,“ denn „Reichthum stiftet Thorheit.“ „Was macht man nicht alles für Geld, sagte der Narr, da sah er einen Affen.“ Darum ist Reichwerden keine Kunst, wohl aber dabei gut bleiben, und aller „Reichthum hilft nicht, wenn nicht Gott den Segen spricht.“ „Was hilft das Geld in der Kiste, wenn der Teufel den Schlüssel dazu hat.“ Reichthum verführt leicht zum Wohlleben und aus dem „reichen Schlecker wird dann oft ein armer Lecker.“

„Wer jählings reich wird, nimmt selten ein gut Alter und reicher Leute Kinder gerathen selten wohl.“ Da kommt denn auch der Weise im Volke zuletzt zu dem Schlusse:

„Geld macht nicht reich,
Es sei denn reich
Das Herz zugleich.“

Reichthum führt auch leicht zur Bequemlichkeit und Erschlaffung der Thatkraft. „Wo Geld und Gut, da ist kein Muth.“ Den mit Reichthum Gesegneten gelüstet es nicht nach der harten Arbeit, welche die schöpferische Thätigkeit verlangt.

„Armuth studiert,
Reichthum bankettiert.“

Aus diesem Grunde ist die Armuth die beste Lehrmeisterin der Kunst. „Wär’ Armuth nicht, so wär’ keine Kunst.“ „Reichthum bringt zwar Gunst, aber nicht die Kunst.“ Daher die allgemeine Wahrnehmung, daß berühmte Männer vorwiegend aus Armuth und Niedrigkeit emporgestiegen sind. „Armuth hat Städte gebaut,“ sagt der Spruch. Das Genie kann eben nicht mit Geld erkauft werden. Es ist ein freies Geschenk des Himmels.

Es liegt auch eine eigene Ironie des Schicksals darin, daß der Reichthum zum Menschen erst kommt, wenn dieser alt ist und nicht mehr die Spannkraft hat, das Leben zu genießen. „Hätt’ ich Dein Geld und Du meine Jugend!“ ruft darum der lebensfreudige, aber mittellose Jüngling dem reichen Alten zu.

Und so geht oft der Neid über die Wohlthaten des Reichthums über in einen Preis der Vorzüge der Armuth. Der

[461]

Die Wiese vom ersten Grün bis zum Winterkleide.
Nach einer Zeichnung von E. Limmer.

[462] Arme, heißt es da, hat vor dem Reichen voraus, „daß er in Sicherheit schläft.“ „Er hat den Vortheil, daß er nicht zum Markte zu gehen braucht,“ meint der Schalk, und „wer kein Geld hat, dem fällt’s auch nicht durch die Finger“. Noch mehr, Armuth ist gut gegen das Podagra, indeß der Reichthum zur Wassersucht führt: „gewinnsüchtig, wassersüchtig.“

Auf diesem Wege kommt die Lebensphilosophie im Volke schließlich zu der Erkenntniß, daß „nicht der reich ist, der viel hat, sondern der, der wenig bedarf“, und daß nur der wahrhaft reich ist, dessen Reichthum nicht äußerlich sichtbar ist, sondern im Innern lebt. Diesen inneren Reichthum an Geist und Gemüth, „stiehlt auch kein Dieb.“ „Fröhliche Armuth,“ heißt es in anderer Weise, „ist Reichthum ohne Gut.“ So führt die Spruchweisheit des Volkes zu einer Ausgleichung des Unterschieds zwischen arm und reich.

„Ist einer noch so reich,
Im Denken ist ihm der Arme gleich.“

und „was die Armuth schwer macht, macht auch den Reichthum schwer.“ Sie kommt zuletzt dahin, zu behaupten, daß der reicher ist, der den Reichthum verachtet, als der, welcher ihm nachläuft und ihn an sich zwingt.

Armuth und Reichthum müssen sogar in der Welt gleichzeitig bestehen und nebeneinander hergehen. Es ist dies eine Nothwendigkeit, denn, sagt der Spruch des Volkes zur Beruhigung aller sozialen Unzufriedenheit:

„Wenn wir alle wären reich
Und einer wär’ dem andern gleich
Und wären alle zu Tisch gesessen,
Wer trüge dann uns auf das Essen?“

Wenn aber eine Ausgleichung zwischen arm und reich nicht im Leben eintritt, so tritt sie jedenfalls ein im Tode.

„Arm und reich,
Der Tod macht alles gleich.“

Fr. Helbig.     




Lea und Rahel.

Roman von Ida Boy-Ed.

(10. Fortsetzung.)

Fräulein Malchen hatte schon lange nach Rahel ausgesehen, nicht gerade in Sorgen, daß ihr etwas widerfahren sei, sondern mehr aus Ungeduld, denn von den „Reisenden“ waren Briefe eingetroffen.

Flur und Wohnzimmer waren schon erleuchtet, als Rahel im Schloß ankam. Sie bat nicht um Erlaubniß, sich zurückziehen zu dürfen; ihre Rücksicht gegen ihre „Ehrendame“ ging so weit, daß sie diese nicht allein lassen mochte. Fräulein Malchen hätte auch die Nacht nicht geschlafen, wenn der Inhalt der Briefe ihr nicht sofort bekannt geworden wäre. Sie begleitete Rahel förmlich als Wache, sah zu, wie diese sich andere Schuhe anziehen ließ, und wartete, bis sie wieder mit ihr treppab stieg; Rahel mußte trotz ihrer Wehmuth lächeln.

„Liebes Malchen,“ sagte sie, „ich laufe Dir wirklich nicht davon mit den Briefen.“

Unter der Lampe auf dem Sofatische lagen sie, drei an der Zahl. Rahel seufzte. Diese Briefe der Ihrigen hatten ihr seither immer einige harte Stunden gebracht, denn ausdrücklich oder zwischen den Zeilen pflegten Dinge drin zu stehen, die wie Nadelstiche wirkten. Außerdem stimmten sie niemals überein, aber gerade deshalb konnte Rahel sich stets die mittlere Wahrheit daraus zurechtlegen. Sie hatte daher auch schon die Gewohnheit angenommen, sie jedesmal in der gleichen Reihenfolge zu lesen. Auch heute begann sie mit den Zeilen der Mutter.

„Mein liebes Kind!“ – Rahel las laut vor, nachdem sie die Worte schnell überflogen hatte – „Ich bin ganz abgespannt und werde Dir nicht viel schreiben können. Meine Gesundheit wird ganz zerstört durch dies unruhige Reiseleben, zu welchem uns ja das Unglück der armen Lea zwang. Lea wird sich nie trösten. Sie klagt nicht, aber dies stumme Leid zu sehen, ist mir schrecklich. Sie sieht leichenblaß aus, und leider ist sie noch hochfahrender geworden, als sie früher war. Man feiert sie ungemein. Aber eben deshalb wollen wir nun Wiesbaden verlassen und nach Paris gehen. Es drängte sich hier eine Persönlichkeit an Lea, der wir entfliehen wollen, weil sie sehr abenteuerlich ist. Ein russischer Fürst – wahrscheinlich ein Schwindler. Papa macht mir auch Sorgen, er giebt schrecklich viel Geld aus. Wie soll das erst in Paris werden! Ueberhaupt wird mich Paris tödten.

Ich weine Tag und Nacht. Grüße mir mein liebes, theures Malchen und theile uns bald mit, wie es Dir geht! Wie glücklich bist Du, auf Römpkerhof leben zu können!
Deine arme Mama.“ 


Malchen trocknete ihre Thränen. „Ja,“ sagte sie, „meine Alide opfert sich für ihre Familie auf. Ach, daß auch alles so kommen mußte!“

Rahel hatte inzwischen schon den zweiten Brief, den ihres Vaters, gelesen und machte jetzt auch Malchen mit dessen Inhalt bekannt.

„Mein Schätzchen!“ schrieb Römpker, „Es wird mir schwer, eine ruhige Stunde für Dich herauszufinden, und ich muß mich mit wenigen Zeilen begnügen. Das war eine famose Zeit hier, das Faulenzen bekommt großartig; selbst Briefe zu verfassen, scheint schon eine Last. Und nun: auf nach Valencia, das heißt nach Paris. Lea, die hier ungeheuer gefeiert wurde, will Paris sehen. Da paßt sie auch hin. Aufsehen hat sie hier gemacht, sage ich Dir, und mit einer königlichen Haltung hat sie die Huldigungen hingenommen – großartig! Verändert hat sie sich, es ist wahr. Sie ist bleicher und stiller geworden, aber sie ist immer die große Dame und regiert mit einem halben Lächeln alle ihre Vasallen. Besonders ist der Fürst Dasanoff ihr Verehrer. Ein Prachtmensch! Unermeßlich reich, Freund des Zaren, älteste Familie Rußlands. Ich denke, er folgt uns nach Paris, wo ich den russischen Botschafter gut kenne; bei dem kann ich mich noch nach Dasanoff erkundigen.

Wie sieht es denn auf Römpkerhof aus? Du armes Schäfchen langweilst Dich wohl halb todt? Aber gewissermaßen bist Du ja an allem schuld. – Sage doch dem Verwalter, daß er die nächste Geldsendung nach Paris an die beigelegte Adresse richten soll.

Ich küsse Dich innig, meine kleine Schloßverwalterin!

Dein treuer Papa. 

P. S. Mama und Lea geht es vortrefflich; sie schreiben auch noch selbst.“

Hier vergoß Fräulein Malchen natürlich keine Thränen, sondern gab sich Mühe, nichts zu sagen, konnte sich indessen nicht enthalten, sehr laut und sehr deutlich zu seufzen, – eine Kritik, welche von Rahel völlig verstanden wurde.

Das Mädchen erröthete, sie gestand niemand das Recht zu, ihren Vater zu bekritteln. Ueber seine Fehler heimlich weinen – ja, das konnte sie, aber einen Tadel über ihn hören, nein – und wenn der Tadel auch nur in Form eines Seufzers vorgebracht wurde.

„Papa ist doch eine sonnige und liebenswürdige Natur,“ begann sie deshalb, „ich kann mir denken, wie er alle Welt für sich einnimmt.“

„Ja, besonders dadurch, daß er viel ausgiebt,“ erwiderte Fräulein Malchen, die, wenn man sie reizte, schlagfertig wurde, eine Fähigkeit, die gerade untergeordneten Geistern eigen ist, während der vornehm Denkende dann verstummt. So fand auch Rahel vor Erstaunen über diesen Mangel an Takt kein Wort. Nach einigem Zögern ging sie zu Leas Brief über. Dieser war der kürzeste von den dreien.

„Liebe Rahel, willst Du die Güte haben, mir als Eilfracht meine weiße Atlasrobe sowie das hellgrüne und das rosa Ballkleid herzusenden? Ich nehme sie am besten von hier als Passagiergut mit nach Paris, und ich glaube, sie sind mit einigen Veränderungen noch werth, angezogen zu werden. Man braucht unglaublich viel große Toilette, während ich ja mehr Straßenkostüme mitnahm. – Es war ziemlich langweilig in Wiesbaden. Von Paris verspreche ich mir auch nichts. Du verlierst wirklich kaum etwas durch das Zuhausebleiben.
Herzlich Deine Lea.“ 

Und da brach es aus, was seit Stunden in Rahels Seele gewühlt hatte. Trotz Malchens Gegenwart fing sie an, bitterlich und ohne Aufhören zu weinen.

Malchens im Grunde gutes Herz fühlte sich in äußerste Mitleidenschaft gezogen. Sie hatte gar nicht gewußt, daß Rahel [463] weich sein könne, und, so viel sie sich erinnerte, nie Thränen bei ihr gesehen. Sie erklärte sich diese Thränen nun von ihrem Standpunkt. Wie natürlich, daß es der Armen einmal zum Bewußtsein kam, wie sehr man sie zurücksetzte – und wie begreiflich, daß sie nun weinte vor Kummer, sich von all den schönen Vergnügungen ausgeschlossen zu finden, während die Ihrigen sich amüsierten! In solchem Sinne sprach denn auch das Fräulein mit ihrer murmelnden Stimme tröstend in Rahel hinein.

Diese aber hörte gar nicht auf sie. Ihr Herz war getroffen worden wie von einem Dolchstich. So kalt, so fremd schrieb die Schwester! War das Maske? Entsprach es der Wirklichkeit? Konnte ein weibliches Wesen so schnöde, so verschlossen, so hochfahrend sein? Keine Frage: wie geht es Dir? Und mehr noch, keine Frage nach allem, was sie hier bei ihrer fluchtartigen Abreise zurückgelassen hatte! Kein Wort über Clairon, keines über Lüdinghausen! War denn Leas Herz geworden wie ein Stück todter Schlacke? Glühte nicht einmal mehr eine letzte Wärme der Erinnerung darin? Trieb es sie gar nicht, vertraulich und zart bei der Schwester anzufragen: wie lebt er? Wohin ist er gegangen?

Und drängte ihr Gewissen sie nicht, nach dem andern zu fragen, mit dem sie so frevelhaft gespielt hatte?

Rahel erglühte in Schmerz und Entrüstung. Wieder ward sie sich bewußt, wie grenzenlos die Selbstsucht der Schwester war, wie alles nur ihrem eitlen Ich dienen mußte. Und in dieser Selbstsucht war Lea mit leichtfertiger Miene und tändelnden Schritten über Rahels Zukunft hingegangen und hatte sie zertreten.

Lüdinghausen hätte sie geliebt – o, Rahel fühlte es deutlich – wenn die andere nicht gewesen wäre, die ihn gebieterisch an sich lockte. Er liebte sie vielleicht jetzt trotz alledem, Rahel ahnte es in seligem Bangen. Aber die Handlungsweise der Schwester stand für immer trennend zwischen ihnen. Eine Vereinigung mit ihm war unmöglich. Gerade Rahel war die letzte, welche er wählen konnte. Alle Welt würde sagen, sie habe seine Verlobung mit Lea verhindert, um ihn selbst zu gewinnen. Lea hatte das gleich angedeutet. Und er, der Stolze, Tiefbeleidigte, würde er jemals wieder seinen Fuß über die Schwelle dieses Hauses setzen?

In der Nacht, die folgte, schlief Rahel kaum. Sie rang ehrlich mit sich, die Feindschaft gegen die Schwester gleich im Keime zu ertödten. Sie wollte und mußte die Ihrigen lieben. Ohne diese Liebe schien ihr das Leben werthlos.

Die folgenden Wochen brachten es denn auch mit sich, daß Rahel ihre Sorge und ihr Mitleid für Lea wiederfand und das eigene Weh mehr zurückdrängte.

Jedesmal wenn Onkel Raimar kam, wußte er Neues über Clairons Bruder zu berichten.

Rahel selbst hatte es durchgesetzt, sich von allem Verkehr fernzuhalten, so war Raimar allein ihre Verbindung mit den bisherigen Kreisen.

Clairon schrieb offenbar sehr oft an Ehrhausen. Wer konnte ermessen, ob es nicht in der Absicht geschah, daß die Mittheilungen nach Römpkerhof weitergelangen sollten, um mahnend an Leas Ohr zu dringen! Denn sie waren wie ernste Trauertöne, diese Nachrichten. Und obgleich Rahel selbst den Ihrigen kein Wort von diesen Dingen zukommen ließ, wußte sie doch, daß Lea alles erfahre, denn Raimar verfehlte nicht, haarklein an Römpker davon zu schreiben.

Graf Clairon-Westernburg schwebte seit jenem Sturz noch immer zwischen Leben und Tod. Seine junge, zarte Frau hatte infolge des Schreckens zu früh ein Knäblein geboren, welches noch an demselben Tag gestorben war.

Rahel versetzte sich in die Stimmung Clairons hinein. Wie entsetzlich das sein mußte, den einzigen, geliebten Bruder in solchen Leiden zu sehen und dabei zu denken, daß deren Ende ihn selbst reich und zum Herrn der Familie machen würde!

Welch grausamer Hohn des Geschicks! Der Mann, welcher für Leas Hochmuth nicht unabhängig genug gewesen war, dem ihre Liebe nicht in bescheidene Verhältnisse folgen wollte – er sollte nun reich und frei werden!

Von allen Wünschen, welche für die Genesung des Grafen Clairon-Westernburg himmelan stiegen, waren die aus Rahels Seele gewiß die heißesten. Ihr schwindelte, wenn sie daran dachte, was in Lea vorgehen mußte, wenn sie vernahm: Robert Clairon hat das Majorat erhalten.

Und Clairon! Was mußte ihn dann bewegen, ihn, der so ehrenhaft und männlich gehandelt hatte, allen Versuchungen des eigenen Herzens zum Trotz!

So kam das Weihnachtsfest heran, und es mochten kaum noch vierzehn Tage bis dahin sein, als Raimar mit der Entscheidung eintraf. Er trat sehr ernst ein. Das war so ungewohnt bei ihm, daß Rahel auf der Stelle errieth, welche Nachricht er bringe.

Er zog einen Brief mit Trauerrand heraus und einen andern, sehr zerknitterten.

„Diese Traueranzeige,“ begann er und setzte sich ans Fenster, „meldet mir den Tod des älteren Grafen Clairon. Sie ist unterzeichnet vom Grafen Robert Clairon-Westernburg.“

Rahel sank in einen Stuhl, sie weinte nicht, sondern starrte wie entgeistert vor sich hin. Fräulein Malchen aber schluchzte um so mehr.

„Du wirst es Lea mittheilen,“ sagte Raimar, während er den zweiten Brief entfaltete. „Vorbereitet sind sie ja.“

„Nein,“ sprach Rahel tonlos, „ich kann ihr nichts darüber schreiben, keine Silbe.“

„Schicken Sie doch einfach die Todesanzeige, Fräulein Malchen,“ bat Raimar, der sich außerstande sah, eine solche Botschaft zu übermitteln.

„Ich werde meine arme Alide bitten, es Lea sanft beizubringen,“ sagte Malchen.

„Also gut! Und hier ist noch ein Brief, fast nur ein Zettel, an Ehrhausen von Clairon. Ehrhausen hat ihn mir gegeben. Da, Rahel, willst Du lesen?“

Rahel stand auf, nahm den Brief und überflog ihn für sich.

 „Mein treuer Kamerad und Freund!

Mit fliegender Feder und zitternder Hand das Furchtbarste: heute hat der Arzt erklärt, meines Bruders Ende sei längstens binnen vierundzwanzig Stunden zu erwarten. Wollte Gott doch mein Leben nehmen anstatt dieses theuren, unersetzlichen. In schrecklicheren Gefühlen wurde kaum ein Erbe angetreten als das, welches ich auf mich nehmen muß. Aber vielleicht ist Gott noch barmherzig. Es geschieht vielleicht noch ein Wunder. Und dies arme, junge Weib! O, Ehrhausen – mein Dasein soll fortan ihr und dem Geist meines edlen Bruders geweiht sein. Geht er von hinnen, dann werde ich nur leben, um so zu wirken, wie er es wollte. Eins stärkt mich: in seinen letzten klaren Augenblicken hat er mich noch gelobt um meiner Haltung willen gegen jene, die ich nicht nennen mag. Seine Zufriedenheit wird die Wunden heilen helfen. Denken Sie meiner, Ehrhausen!

Ihr unglücklicher Clairon.“ 

In tiefster Erschütterung blieb Rahel stehen. Nein, es war kein Wunder geschehen, und Clairon hatte seinen Bruder begraben müssen. „Ja,“ sagte sie leise, „Clairon ist ein edler Mensch, und für seine kurze Schwäche hat er hart gebüßt.“

„Man fühlt auch aus diesem Brief, daß der Gedanke ihm ganz fern liegt, sich nun doch noch mit Lea zu vereinigen,“ bemerkte Raimar.

„Hast Du das überhaupt für denkbar gehalten?“ rief Rahel.

Der gute Raimar hatte in manchen Punkten ein bißchen bequeme Ansichten und neigte stets zu dem Glauben, daß sich alle Risse zusammenkitten ließen.

„Du fährst mich ja gerade so an, wie Lüdinghausen es zu thun beliebte,“ sagte er, halb verlegen scherzend. „Der entgegnete mir mit derselben Frage.“

„Ah!“ rief Rahel mit leuchtenden Blicken, „ich wußte es. Er denkt in allen Fragen wie ich.“

„Ja, sehr merkwürdigerweise,“ gab Raimar vergnügt zu.

Und dann fing er an, eine lange Rede über das bevorstehende Weihnachtsfest zu halten, welches er sonst alljährlich hier auf Römpkerhof gefeiert habe. Er bestand darauf, daß die Damen zu ihm kommen müßten und daß er für einen solchen Tag Fräulein Malchens Weigerung nicht gelten lasse.

Natürlich richtete er nichts aus, denn das alternde Fräulein blieb dabei, daß es sich nicht schicken würde.

Raimar dachte, daß für seine Zwecke alle Mittel heilig wären, und log dem guten Fräulein vor, daß Römpkers eine Weihnachtskiste für die Damen an ihn senden wollten, damit er ihnen aufbaue.

Ja, wenn ihre liebe Alide selbst sie auf diese Weise zwang, mußte Malchen wohl diese Kühnheit wagen.

Hoffentlich, beschwichtigte sie sich, wird er nicht so taktlos sein, mir in seinem Hause den Hof zu machen. Und dabei war sie [464] im Grunde sehr glücklich, daß man sie gezwungen hatte, denn sie wünschte brennend seit Jahren, Kohlhütte einmal betreten zu dürfen.

Raimar mußte nun einen Eilbrief an Römpker verfassen und diesen bitten, die etwaige Weihnachtskiste für die Damen jedenfalls nach Kohlhütte zu senden. Dabei kam er sich wie ein ungemein schlauer Ränkeschmied vor.

Hatte er ja doch außerdem gegen Rahel geäußert: „Wir werden natürlich unter uns sein“, was diese in der Annahme bestärkte, Lüdinghausen werde zu seinem Vater reisen. Daß Raimar aber in den Begriff „unter uns“ Lüdinghausen gerade mit einbezug, davon hatte das Mädchen natürlich keine Ahnung.




12.

Daß von einem Tannenbaum auf Kohlhütte nicht die Rede sein konnte, verstand sich von selbst. Raimar dachte wohl daran, aber er wagte nicht, davon zu sprechen. Christel würde doch bloß sagen: „Für solchen Kinderkram sind wir zu alt.“ Er selbst hatte keine Vorstellung davon, wie man so ein Ding herrichtet, sonst hätte er es allein versucht. Für Christel bestand jegliche Festvorbereitung, mochte das Fest nun heißen, wie es wollte, ausschließlich in bedeutenden Kuchenleistungen. Und weil im Winter die Menschen mehr essen können als im Sommer, wurden an Weihnachten noch einmal so viel Kuchen gebacken und Gerichte gekocht als zu Pfingsten. Die sonst etwas geizige Christel sah es über die Weihnachtszeit als das Recht aller ihr unterstellten Dienstboten an, von morgens bis abends zu schmausen.

Daneben hielt Christel darauf, daß von ihrer eigenen Person an bis herab zum Kuhjungen jeder Einwohner von Kohlhütte in den Festtagen einmal zur Kirche ging. Hierüber stellte sie förmlich einen Plan fest, damit die Arbeit nicht gestört werde und doch jeder zum Kirchenbesuch Zeit finde.

Von Poesie war demnach keine Rede bei dem Heiligen Abend auf Kohlhütte. Ebensowenig kannte man dort einen Aufbau von Geschenken; Raimar als Junggeselle verstand sich nicht auf Frauenzimmerbedürfnisse, und so bekamen alle Dienstboten zu ihren Kuchen und Nüssen, Aepfeln und Feigen Geld. Reichlich und doch so kahl war diese Art von Bescherung.

Nun hatte Raimar den herzlichen Willen gehabt, diesen Abend die arme Rahel nicht im öden Elternhaus zu lassen. Zudem versprach er sich Großes davon, wenn er sie mit Lüdinghausens Anwesenheit überrasche. Aber als jetzt bestimmt war, daß sein Plan sich verwirklichen solle, war er in großer Verlegenheit. Er mußte doch für seine Gäste ein wenig Weihnachtszauber herbeischaffen.

Sonst ließ er sich aus Berlin zum Fest jedes Mal drei „Aufmerksamkeiten“ für die Damen kommen und überreichte sie bei Römpkers unter dem Tannenbaum. Ein alter Freund in Berlin besorgte ihm das, und dieser wählte blindlings die immer kostbaren, indessen häufig recht thörichten Gegenstände.

Das ging doch diesmal nicht. Der Gaben mußten mehr sein, und er hatte für Dinge zu sorgen, die gerade für Rahel paßten. So eine ordentliche kleine Bescherung sollte es werden, wie ein Vater sie der Tochter giebt, denn Raimar sah sich durchaus als „Pflegevater“ an.

Bei Christel fand er keinen Rath, sondern nur Unwillen. Sie hatte es gleich gesagt, daß es ein Unsinn sei und daß Damen bei solcher Gelegenheit nicht hierher paßten, weil man sich nicht auf solche Geschichten verstehe.

Endlich fuhr er in die Stadt und klagte Lüdinghausen sein Leid.

Erasmus Lüdinghausen hatte keine Schwester gehabt und in seinem Leben wenig mit Frauen verkehrt. Aber er erinnerte sich gut der Weihnachtsgabentische für seine Mutter. Ohne weiteres glaubte er, daß man Rahel ganz die gleichen Sachen schenken könne. Jedenfalls fühlte er sich viel verständiger in diesen Fragen als Raimar, und da er ohnehin – wie er betonte – in diesen Tagen noch nach Berlin reisen wolle, bot er sich an, alles zu besorgen. Daß er sich plötzlich zu der Reise entschloß, nur um das wehmüthige Glück zu haben, etwas Freundliches für „sie“ zu thun, ließ er natürlich nicht merken.

Und so fuhr Lüdinghausen denn am Nachmittag des Festabends mit einer großen Kiste auf seinem Schlitten bei Raimar an.

Dieser empfing ihn mit knabenhafter Freude. Eine Sendung, welche der Postbote vormittags gebracht, hatte sein unbändigstes Vergnügen erregt. Es waren Blumen, lauter wunderbare frische Blumen, und dabei die Karte von Lüdinghausen, der diese kostbare Blüthenspende als Festgruß an seinen Freund Raimar schickte.

Christel hatte es einfach „verrückt“ gefunden, so viel Geld für „so was“ auszugeben.

Raimar schüttelte sich vor Lachen. „Als ob ich eine junge Dame wäre, Lüdinghausen, und Sie in mich verliebt!“ sagte er.

Der Landrath wurde etwas befangen.

„Ich meine, einmal bemerkt zu haben, daß es Sie freut, Ihre Tafel geschmückt zu sehen, und besonders heute abend …“

Raimar schlug ihm auf die Schulter.

„Verstehe, verstehe,“ rief er. „Und nun packen wir aus und bauen auf!“

Da erwies es sich aber, daß die beiden Männer recht hilflos waren. Als sich ein ganzer Berg eingewickelter Gegenstände auf der braunen Tischdecke im Wohnzimmer häufte, meinte Lüdinghausen, es sehe sehr häßlich aus. Bei seiner Mutter habe alles auf weißem Damasttuch gelegen und sei fein säuberlich ausgebreitet gewesen.

So schwierig hatten sie sich beide die Geschichte nicht vorgestellt.

Und während sie erregt und ungeschickt hantierten, ward ihnen beiden so eigen und so weich ums Herz.

Sie fühlten, daß da im Haus etwas fehle, ein lebensvoller Zauber, eine Anmuth, die Wärme bringt. Es schien ihnen dunkel und unwirthlich. Der Kuchenduft – wenn’s gleich Duft und kein Dunst war – so gasthausmäßig! Niemand lachte geheimnißvoll, keiner horchte und lauschte. Da waren keine neugierigen Augen, vor denen es etwas zu verbergen gab.

Auf dem Schreibtisch in der Stube, wo sie kramten, stand eine Reihe weiß eingewickelter Geldrollen in abgestufter Reihenfolge, der Größe nach geordnet. Sonst sah es aus wie alle Tage, nur auf dem Sofatisch und den Lehnsesseln daneben war ein greuliches Durcheinander von Einwickelpapier, leeren Schachteln und bunten Gegenständen, die sich auf keine Weise von den Männerhänden in zierliche Ordnung bringen ließen.

Wunderliche Gedanken weiteten dem alten Mann das Herz und machten ihn stumm; sein junger Freund war schon lange still.

Alle guten und traulichen Stunden, die sie einst unter Mutteraugen an solchem Tag erlebt hatten, kamen ihnen ins Gedächtniß. Und beide erinnerten sich, wie die Frau des Hauses der Mittelpunkt gewesen war, wie von ihr alles Licht, alle Freude, alle Familienfröhlichkeit auszugehen schien; wie ihre Hände den Baum mit Lichtern geschmückt, wie ihre Gestalt umstrahlt war vom Kerzenschein und umweht vom Tannenduft; und wie märchenhaft es gewesen war, daß Wünsche, die man kaum oder nie ausgesprochen hatte, dennoch Erfüllung fanden durch ihre sanften Segenshände.

Raimar warf plötzlich mit kühnem Wurf einen Ballen zusammengeknüllter Papiere und Bindfäden durch den ganzen Raum in die Richtung des Papierkorbes.

„Es scheint wahrhaftig, daß ein Frauenzimmer und ein Tannenbaum zum Fest gehören,“ sagte er mürrisch.

Lüdinghausen glättete mit sorglichen und liebkosenden Händen einen Seidenstoff und schwieg.

„Zum Donnerwetter, Freund,“ brach Raimar ungeduldig los, „machen Sie’s besser als ich!“

„Das steht nicht bei mir allein,“ erwiderte Lüdinghausen mit etwas unsicherer Stimme.

Christel kam mit der Lampe und war außer sich über die vielen theuren und unnützen Sachen. Sie behauptete fest, daß Fräulein Rahel sich höchstens ärgern werde und das meiste gar nicht brauchen könne. Dadurch nahm sie den armen Männern den letzten Rest von Vorfreude.

Zweifelhaft sahen sie auf den Tisch voll Gaben nieder. Lüdinghausen fand, daß er sehr unglücklich eingekauft habe, und jetzt fielen in seinen erinnernden Blick allerlei andere schönere Dinge, die gewiß besser gewesen wären.

Raimar schlug vor, lieber den „ganzen Kram“ schnell zu verstecken, denn die Damen konnten jeden Augenblick eintreffen.

Aber Lüdinghausen fiel ihm in die Arme. Nein, jede Kleinigkeit hatte er lange in seinen Händen gehalten, jeder Gegenstand war ihm theuer geworden, weil er ihr Besitz werden sollte. Ihm war es, als müsse alles in ihren Händen ihr ein wenig von der Wärme mittheilen, die er empfunden hatte.

[465]

Tausend Meter über München.
Nach dem Gemälde von Th. Pixis.


„Und wenn sie uns auch auslacht! Sie sieht doch den guten Willen! Und noch einmal, Raimar, daß Sie nicht verrathen, ich sei Ihr Kommissionär gewesen.“

Die Dunkelheit brach herein, die durch den Schnee, der hoch und rein draußen lag, in langer Dämmerung verzögert worden war. Rings am Hause wurden an den Fenstern des Erdgeschosses die Läden vorgeschraubt.

Die beiden Männer saßen in stiller Erwartung da und rauchten, ohne daran zu denken, daß dies kein hübscher Empfang für die Damen sei und daß die Weihnachtsbescherung zwischen ihnen auf dem Tisch den Tabakgeruch in sich einziehen werde.

Draußen klingelte ein Schlitten, er hielt vor dem Hause. Raimar ging hinaus.

Der andere blieb mit pochendem Herzen im Zimmer und horchte. Er hörte lachen und eine liebe Stimme, die sagte:

„Untersteh’ Dich nicht, die Thür aufzumachen! Geh’ rasch in Deine Stube! Da mußt Du warten, bis ich komme. Hier, Malchen kannst Du mitnehmen!“

Gleich darauf erschien Raimar wieder, und zwar mit Malchen, die Pelz und Hut hatte draußen lassen müssen und nicht einmal erst im Spiegel nachsehen konnte, ob ihr Scheitel auch glatt sei und ihre Halskrause ordentlich sitze.

Aus dem Entsetzen hierüber fiel Malchen sofort in ein anderes.

Da saß Lüdinghausen. Das war unerhört! Diesen Mann, in welchem Malchen den Todfeind ihrer Freunde sah, diesen Mann einzuladen, hatte Raimar die Taktlosigkeit gehabt!

Sie grüßte steif und nahm auf einer Stuhlecke Platz. Sie hüstelte und wehte sich den Cigarrendampf weg. Alles an ihr war Abwehr: Abwehr gegen diese „Höhle“, in welche man sie geschleppt hatte, Abwehr gegen den taktlosen Hausherrn und den noch taktloseren Lüdinghausen, der seine Person einer Römpker unter die Augen zu bringen wagte.

Dabei bemerkte Raimar nicht einmal, daß der Husten dem Rauch galt. Er erzählte, daß Rahel nur ihr Näschen durch die Thür gesteckt und strengen Befehl gegeben habe, sie draußen nicht zu überraschen.

Malchen erkundigte sich, ob Briefe aus Wiesbaden gekommen seien.

„Brief aus Paris. Kistchen noch aus Wiesbaden. Hier ist ein Brief für Sie!“

Malchen griff nach dem Brief von ihrer lieben Alide wie nach einem rettenden Schutzmittel.

„Sie erlauben?“ fragte sie mit einer steifen Art von Verbeugung.

„Lesen Sie nur immerzu!“ entgegnete Raimar vergnügt.

„Ich muß nothwendig ein Wort mit Rahel sprechen,“ sagte sie plötzlich und strebte der Thür zu.

[466] „Wenn sie geht, sieht es aus, als ob ein Schilderhaus auf Rollen geschoben würde,“ äußerte sich Raimar wohl sonst. Heute kam er zu keinen kritisierenden Beobachtungen, sondern war mit einem Satz bei ihr und ergriff ihren knöchernen Arm. Er konnte sich denken, daß jenes Wort lauten würde: Lüdinghausen ist da.

„Hiergeblieben!“ rief er. „Rahel hat es befohlen!“

Fräulein Malchen gab sich Mühe, zu erröthen, natürlich vergebens.

„Bitte, fassen Sie mich nicht an.“ sagte sie spitz.

Lüdinghausen aber lauschte mit höchster Spannung.

War der Zauber, der heimliche, süße, märchenhafte, nicht mit einem Male ins Haus gekommen? Raunte und huschte, flüsterte und lachte es nicht da draußen? Ging es nicht wie ein seliges Ahnen durch die Luft? Und die alte, dunkle, verräucherte Stube, sah sie nicht auf einmal ganz geheimnißvoll aus?

Ein leichter Schritt, den er nur zu gut kannte, eilte über die Diele draußen. Christels greisenhafte Stimme sprach halblaut, er hörte Töne der Verwunderung und dazwischen ein reizendes Lachen. Es rauschte und knisterte.

Und dann plötzlich athemlose Stille, die Pause vor dem großen Ereigniß.

Es raschelte wieder an der Thür, die Klinke bewegte sich, die Thür that sich auf, und auf der Schwelle, gerade da, wo sie einst gestanden in Kummer und Noth und die erwachende Liebe in den Augen, da stand sie wieder – wie ein Engel des Lichtes, der vom Himmel hernieder gekommen ist, Frieden und Glück auf diese Erde zu bringen.

Mit ihren beiden Händen hatte sie den Schaft eines schlanken Tannenbäumchens umspannt und hielt es aufrecht vor sich hin. Sie sah mit ihren strahlenden Augen in die grünen Zweige und auf die flimmernden Lichter, die an Bändchen pendelnden Zierate und das rauschende Gold. Sie ging langsam vorwärts, mit lachendem Gesicht und doch ängstlich vertieft in die Aufgabe, ihre schwierige Last im Gleichgewicht zu erhalten.

Und mit ihr kam der Weihnachtsglanz in die verräucherte Junggesellenstube.

Die Männer wichen zurück und sahen ihr zu, ihnen war’s, als träumten sie. Dem alten feuchteten sich die Augen, der junge preßte die Lippen zusammen, damit der Jubel seines Herzens nicht laut ausbreche.

Und nun war sie am Tisch, und Christel, die ihr nachgefolgt war, half ihr das Bäumchen in den dazu bestimmten Träger stellen.

Mit einem reizenden, kindlichen Triumph wandte sich Rahel jetzt dem alten, lieben Onkel zu. Da sah sie, daß jemand neben ihm war, den sie nicht hier erwartet hatte.

„O,“ sagte sie, weiter nichts, und sie stand mit herabhängenden Armen und blickte erröthend zu Boden.

„Mein Kind!“ rief der alte Mann und schloß sie in seine Arme.

Er war übermannt von dem Liebreiz dieses Anblickes.

Lüdinghausen aber nahm wieder wie damals eine ihrer Hände und fragte leise:

„Wollen Sie mich Einsamen auch Theil nehmen lassen an Ihrem Weihnachtsfeste?“

Rahel fühlte, daß die Rührung sie zu überwältigen drohte. Doch nein, das durfte nicht sein. Sie rang tapfer dagegen. „Nicht weinen,“ dachte sie, „nicht vor ihm! Es ist ja gar kein Grund dazu vorhanden.“

Sie versuchte zu lächeln und nickte zustimmend, dann drehte sie sich mit Augen, die nicht klar sahen, weil sie in Thau standen, wieder dem Tisch zu.

Mit spitzem Zeigefinger deutete sie auf die Sachen.

„O, wie viel schöne Dinge! Wer hat Dir denn das geschenkt?“ wandte sie sich an Raimar, obgleich ihr nicht entging, daß das lauter Gegenstände für eine Dame seien.

Nun war Onkel Raimar stolz und glücklich. Er vergaß alle Bedenken über die Würdigkeit und die geschmackvolle Auswahl der Geschenke und legte ihr jeden einzelnen Gegenstand vor.

„Das sollst Du haben, und das und das. Von wem? Von mir.“

Rahel schlug die Hände zusammen.

„Wie schön, wie schön!“ rief sie.

Raimar erklärte ihr alles, dabei lachte er immer mächtig dazwischen und sah Lüdinghausen an.

Fräulein Malchen wurde von seinem lauten Wesen nervös. „Es ist nur gut,“ tröstete sie ihr jungfräuliches Herz, „daß ich ihn nicht geheirathet habe, sein Organ hätte mich getödtet.“

„Aber wo hast Du denn diese Herrlichkeiten eingekauft?“ erkundigte sich Rahel.

„Ich – hm, ich bin heimlich nach Berlin gefahren,“ sagte er und sah Lüdinghausen herausfordernd an, als wollte er fragen: „Na, kann ich nicht großartig flunkern, wenn’s drauf ankommt?“

„Onkel, Du lügst ja wie gedruckt,“ rief Rahel, die den Blick auffing und sofort den „Kommissionär“ errieth.

Sie erglühte vor Freude und ihre Hand strich liebkosend über all die kleinen Dinge, denen man es freilich zum größten Theil ansah, daß sie von einem beredten Ladeninhaber einem unschlüssigen und ungewandten Käufer aufgedrängt worden waren.

„Kannst Du aber diese Geschichten auch brauchen?“ meinte Raimar bedenklich. „Christel hat uns so angst gemacht.“

„O gewiß, gewiß!“ behauptete Rahel entzückt. Gerade die Geschenke rührten sie am tiefsten, denen sie das Bemühen und die Rathlosigkeit ansah. „Christel versteht sich doch nicht auf die hunderterlei Luxuswünsche einer jungen Dame.“

„Und der Seidenstoff? Gefällt Ihnen die Farbe?“ fragte Lüdinghausen.

Er hatte ihn ausgesucht, weil er sich genau erinnerte, daß seine Mutter ein solches Kleid zu tragen pflegte, und es hatte eine große Mühe gekostet, bis er den Verkäufern in der Seidenhandlung seinen Wunsch verständlich beschrieben hatte. Er wußte, daß es weder blau noch roth noch grün oder gelb gewesen sei, daß aber seine Mutter sehr stattlich darin ausgesehen habe. Schweißperlen waren auf seiner Stirn gestanden, und endlich fand sich die Farbe vor.

Rahel nickte zu der Frage. Wenn es Sackleinwand gewesen wäre, ihr würde auch diese gefallen haben, weil er sie ausgesucht hatte.

Fräulein Malchen hatte den Seidenstoff gleich gesehen, als sie eintrat, und sich sofort gesagt, daß das eine Farbe für ältere Damen sei. Natürlich glaubte sie daher, man wolle ihr das Kleid geben, und regte sich sehr auf, ob sie ein so intimes Geschenk annehmen könne. Nun fiel ihr eine Centnerlast vom Herzen. Nein, sie hätte es auch um keinen Preis angenommen.

„Fräulein Malchen,“ redete jetzt Raimar sie an, „ich darf mir doch wohl erlauben, heute auch Ihnen eine Kleinigkeit …“

„Aber ich bitte Sie, Sie setzen mich in tödliche Verlegenheit,“ hauchte Malchen.

Raimar stand schon vor ihr, in der einen Hand einen großartigen Fächer, in der andern ein prachtvolles Tintenfaß.

Der Fächer paßte für eine junge Ballkönigin, und auf dem Tintenfaß stand ein Amor, ein völlig unbekleideter Amor.

Fräulein Malchen gerieth in die größte Verwirrung. Ihre Augen strahlten, aber ihre Lippen stotterten.

„Von Ihnen? Diese Gaben? Mein Gott, was soll ich dabei denken?“

Rahel lachte und Lüdinghausen begriff erst jetzt, wie ungeeignet seine Wahl gewesen sei. Er sah Rahel in die Augen und sagte leise:

„Wir Männer sind doch ganz ungeschickt ohne eine leitende Frauenhand.“

„Wo ist denn die Kiste von den Meinigen?“ fragte Rahel. „Auf diese bin ich ja eingeladen worden. Alles andere ist gegen die Abmachung.“

„Die Kiste steht im Eßzimmer. Ich meinte, Du packest sie vielleicht erst auf Römpkerhof aus.“

„O nein!“

Rahel ging rasch an die Thür, Fräulein Malchen hastete ihr nach.

„Bitte recht sehr,“ sagte Raimar, „sollen wir Männer hier allein die Lichter bewachen? Fräulein Malchen spielt eine Partie Bésigue mit mir, ich rechne darauf. Lüdinghausen kann beim Auspacken helfen.“

Seufzend ergab sich Malchen in diese Einsamkeit zu Zweien neben dem brennenden Tannenbäumchen.

Lüdinghausen folgte Rahel, die in der Thür zum Eßzimmer stand und den Blumenflor auf der kleinen Tafel überblickte. Wie im tiefsten Winter diese Fülle von Maréchal Nielrosen, von Maiblumen und Hyazinthen hierher kam, konnte sie leicht errathen. Sie war sich bewußt: das war sein Festgruß an sie.

[467] Sie sah ihn an, mit einem offenen und doch schmerzlichen Blick, und er glaubte zu verstehen, was ihre Augen sprachen: „Jetzt lernst Du, meiner Seele wohlzuthun, jetzt, wo es zu spät ist.“

„Kommen Sie,“ klang es indessen ganz ruhig von ihren Lippen, „lassen Sie mich erfahren, was Vater und Mutter schreiben!“

Als er ihr kameradschaftlich die Schnur von dem Kistchen gelöst und die Nägel herausgezogen hatte, wobei sie sich ein wenig stritten, weil jedes eine andere Seite für die am besten loszumachende hielt, hätte Lüdinghausen sie mit den Briefen und dem Kistchen allein lassen müssen. Er fühlte es und blieb doch.

Er schaute zu, wie sie auskramte. Das Kistchen stand auf einem der in einer langen Reihe an der Wand aufgestellten Stühle. Rahel saß links, er rechts daneben.

„Hier ist es beinahe wie in einem Wartesaal,“ scherzte er.

„Ja, wenn die schönen Blumen nicht wären.“

Aus den Papierschnitzeln holte Rahel zunächst eine Bonbonnière hervor. Dann ein Armband, auf dessen Umhüllung stand: „Alide ihrer lieben Freundin.“ Also für Fräulein Malchen. Dann noch ein sorgfältig eingepackter Gegenstand. Eine prachtvolle Brosche für Rahel, in der Form eines Sternes von Perlen und Diamanten. Rahel war ein wenig bleich. Man merkte es diesem Geschenk allzu sehr an, daß seine Kostbarkeit für die Wahl bestimmend gewesen war. Das viele Geld sollte beweisen, daß man auch für die jüngere Tochter keine Ausgabe scheue und mit Liebe ihrer gedenke.

Und eben das betrübte Rahel; dieser Liebesbeweis, erbracht durch einen kurzen Gang zum Juwelier, schien ihr so kalt. Der tadellos künstlerische Geschmack des Schmuckstückes erfreute kaum ihr Auge.

Das alterthümliche Seidenkleid, das da drüben für sie lag und in welchem sie sich wahrscheinlich wie eine Urgroßmutter ausnehmen würde, dünkte sie ein köstliches Geschenk und unbeschreiblich schön.

„Wie gut und liebevoll von Papa!“ sagte sie leise.

Erasmus Lüdinghausen las in ihrer Seele. Er erkannte, daß ein Blümchen, sinnig gewählt, bedeutsam gegeben, ein zartes Frauenherz mehr beglücken kann als alle Perlen und Diamanten. Und die Freude, welche sie vorhin an den gewiß unverständig gewählten Gaben gezeigt hatte, warf einen erneuten Nachglanz in sein Herz. Da hatte sie empfunden, daß Liebe für sie gedacht und gesorgt habe – das Ergebniß galt ihr gleich.

„Rahel,“ begann er und wußte nicht, was er sagen wollte und was die nächste Sekunde bringen würde. Eine unendliche Liebe, die Sehnsucht, dieses herrliche Wesen an seine Brust zu ziehen, erfüllte ihn ganz.

Aber sie streckte abwehrend ihre zitternde Hand aus, und er neigte ergeben das Haupt.

Nein, sie hatte recht, es konnte niemals sein. Für immer stand Lea zwischen ihnen. Es war undenkbar, daß er als Rahels Verlobter ein Haus betreten würde, wo er unausgesetzt jener begegnete, die mit ihm gespielt hatte und deren Anblick Rahel täglich neu daran mahnen mußte, daß er sie um der andern willen so lange nicht bemerkt! Sie nicht bemerkt, die er zum Inhalt seines ganzen Lebens machen mußte, wenn dies Leben nicht werthlos werden sollte!

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Eine Heimstätte deutscher Bildung in Amerika. Man macht sich bei uns in Deutschland, der Heimath eines hoch entwickelten staatlichen Schulwesens, keinen Begriff von den Schwierigkeiten, mit denen unsere Landsleute in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu kämpfen haben, um ihren heranwachsenden Kindern einen gründlichen und umfassenden Unterricht angedeihen zu lassen. Wohl giebt es auch dort öffentliche Schulen, aber weder Lehrplan noch Lehrmethode entsprechen den Anforderungen, welche der Deutsche nach den Ueberlieferungen seiner alten Heimath an solche Erziehungsanstalten zu stellen sich berechtigt glaubt. So sahen sich die deutschen Ansiedler von jeher auf den Weg der Privatschulen verwiesen, und in der That wurden ihrer viele gegründet, brachten es auch zeitweise zu hoher Blüthe, ja sie verfehlten sogar nicht einer erfreulichen Rückwirkung auf die öffentlichen Schulen. Aber leider war die Blüthe an den meisten Orten von kurzer Dauer. Die verschiedensten Umstände, Geschäftsstockungen, Lehrerwechsel, persönliche Mißhelligkeiten oder Parteiungen, eine gewisse Gleichgültigkeit gegen gemeinsame Angelegenheiten, alle diese Gründe zehrten einzeln oder zusammen an dem Mark mancher eben noch so glücklichen Unternehmung und brachten sie zu Fall.

Eine der wenigen Schulen, die in dem Kampfe ums Dasein siegreich das Feld behauptet haben, ist die „Deutsch-englische Akademie“ von Milwaukee. Sie wurde im Jahre 1851 von einer Anzahl deutscher Männer gegründet und allen Anfechtungen zum Trotz, wenn auch oft mit bedeutenden Opfern, erhalten.

Unter der umsichtigen Leitung Peter Engelmanns, der nahezu 23 Jahre lang an der Spitze der Anstalt stand, brachte sie es einmal – im Jahre 1865 – sogar bis auf 450 Schüler. So glänzend freilich steht sie heute nicht da, die Zahl der Zöglinge bewegte sich in den letzten Jahren zwischen 100 und 200. Aber was der „Deutsch-englischen Akademie“ Halt verlieh und ihr in Zeiten finanzieller Bedrängniß immer wieder Rettung brachte, das war der Zusammenschluß ihrer Freunde zu einem festen Verbande, dem Schulverein von Milwaukee oder, wie die übliche amerikanisch-deutsche Mißform lautet, dem „Milwaukee Schulverein“. Auch die Opferwilligkeit des „Milwaukee Frauenvereins“ hat viel zur Erhaltung und Förderung der Anstalt beigetragen. Eine weitere Festigung ward ihr zu Theil, als im Jahre 1879 der „Deutsch-amerikanische Lehrerbund“ sein Seminar gründete und mit der „Deutsch-englischen Akademie“ als einer Musterschule vereinigte; und neuerdings hat sich als drittes im Bunde das Turnlehrerseminar des Nordamerikanischen Turnerbundes angeschlossen, so daß diese Vereinigung als die bedeutendste Schöpfung der Deutschen in den Vereinigten Staaten auf dem Gebiete des Erziehungswesens gelten darf. Eine würdige Wohnstätte für die drei verschwisterten Anstalten ist in den letzten Monaten vollendet worden. Zwei hochherzige Frauen, Elisabeth Pfister und ihre Tochter Luise Vogel, haben sie gestiftet zum Gedächtniß an ihren verstorbenen Gatten und Vater Guido Pfister aus Hechingen im Fürstenthum Hohenzollern, einen Mann, der sich bei seinen Lebzeiten stets als thatkräftiger Freund der Schule bewährt hatte; und so ist dieses Haus ein Denkmal geworden des wackeren Gemeinsinnes, der überall in der Welt Großes erreicht.

Tausend Meter über München. (Zu dem Bilde S. 465.) Bei dem Anblick unseres Bildes wird sich jedem zuerst die Frage aufdrängen: Wie war es möglich, die Grundlagen für eine solche Darstellung zu gewinnen? Scheint es doch fast nothwendig, anzunehmen, der Künstler habe sich in einem zweiten Ballon befunden, der neben und über dem ersten, von ihm dann gemalten in den Lüften geschwebt habe. Der Maler selbst mag uns die Lösung des Räthsels geben. Er schreibt:

Es waren zunächst ein paar zufällige Anregungen, welche mir den Gedanken nahelegten, einen Luftballon sammt Insassen in seinem Fluge durch das weite Reich der Winde auf einem Gemälde festzuhalten. Ein leuchtender Sommermorgen hatte mich zu einem Spaziergang verlockt, auf einem freien Platz der Altstadt Münchens wurde ich durch eine Menschenmenge aufgehalten, die gespannt in die Höhe starrte. Ein Luftballon, der majestätisch über die bayerische Residenz hinstrich, fesselte ihre und natürlich sofort auch meine Aufmerksamkeit; es war der „Herder“ des Freiherrn von Liegsfeld aus Berlin. Als Liegsfeld kurz nachher einen Vortrag über diese Auffahrt hielt, fand auch ich mich ein, da die Sache anfing, mich näher zu beschäftigen. Die Auseinandersetzungen des Redners erhielten besondere Anschaulichkeit durch eine Reihe von Augenblicksaufnahmen, die man den Zuhörern vorlegte. Sie waren durch den Begleiter des Freiherrn, Premierlieutenant Brug, vom Ballon aus angefertigt worden. Mich zog namentlich eine der Photographien an. Man sah auf ihr tief unten aus den Häusern Münchens das Maximilianeum aufsteigen, umgeben von den üppigen Anlagen, welche von der Isar, die hier mehrere Inseln bildet, malerisch durchschnitten werden; im Anschluß an diesen Vordergrund erblickte man einen Theil der Maximiliansstraße, dahinter, schon in undeutliche Ferne sich verlierend, tauchten schattenhaft die Thürme der Frauenkirche hervor. Beim Betrachten des Bildes kam mir plötzlich der Gedanke, dieselbe landschaftliche Scenerie und zugleich hoch drüber in den Lüften die Gruppe der muthigen Segler in ihrem Fahrzeuge auf einem Gemälde zur Anschauung zu bringen. Kaum war ich zu Hause, so entwarf ich eine Skizze, die ich am andern Tag in Farben ausführte und Herrn von Liegsfeld mit der Frage vorlegte, ob mein Plan überhaupt in befriedigender Weise ausgeführt werden könne. Er zweifelte nicht daran und lud mich zu seiner nächsten Auffahrt ein. Als ich mich zu der von ihm bezeichneten Zeit bei der Gasfabrik Haidhausen einstellte, begrüßte mich ein eigenartiges Schauspiel. Der mit Gas gefüllte Koloß strebte mächtig nach oben, stramme Soldaten hielten die Stricke, während die Theilnehmer an der ungewöhnlichen Reise sich schon in der Gondel einrichteten und kleine Ballons steigen ließen, um die Richtung des Windes genau kennenzulernen, damit nachher ein unangenehmer Zusammenstoß mit den hohen Fabrikkaminen oder einem Dache vermieden werden könnte. Feierliche Stille! Athemlose Spannung der Zuschauer! „Los!“ – und das Luftschiff, das eben noch an seinen Fesseln vom Wind hin- und hergeworfen wurde, schwingt sich mit stolzer Ruhe weiter und weiter in die Höhen hinauf. Die Insassen winken Grüße herunter und einer salutiert mit rother Flagge. Doch bald ist am Himmel nur noch ein kleiner dunkler Fleck sichtbar, der erst zu einem winzigen Punkte zusammenschrumpft und endlich ganz verschwindet. –

Mich versetzte dieser Anblick in die richtige Stimmung, um so gut als möglich meinen Gedanken zur That werden zu lassen. Herr von Liegsfeld, von seiner neuen Luftreise zurückgekehrt, unterstützte mich dabei nach Kräften. Er ließ die Gondel seines Ballons in der Nahe der Gasfabrik auf einem hohen Gerüst frei schwebend aufhängen. Auf meinen Wunsch hin nahm er nebst mehreren Bekannten darin Platz, ich gab jedem die Stellung an. Herr von Liegsfeld sollte abgemalt werden, [468] wie er, das Auge in die Weite gerichtet, sich über eine Landkarte beugte; Premierlieutenant Brug stand auf dem Rand der Gondel, mit der einen Hand hielt er sich an einem Strick fest, mit der andern schwang er eine rothe Fahne. Allein mit den genannten Vorstudien war noch lange nicht alles gethan, um Verstößen zu entgehen. Ich legte mir ein Verzeichniß an von den Farben sämmtlicher Gebäude und Dächer in der Umgebung der Isar, kletterte auf den Petersthurm und machte mir von dieser stattlichen Höhe aus neue Farbennotizen. Sogar dem Flug der Brieftauben widmete ich Aufmerksamkeit, wozu mir ein bekannter Brieftaubenzüchter Gelegenheit gab. Und trotz alledem schien eine letzte Schwierigkeit unüberwindlich zu sein: auf der Photographie, die mir als Grundlage für das Stadtbild diente, war von Thalkirchen ab die ganze Ferne in eine Wolke gehüllt. Wie mochte bei klarem Wetter die Landschaft dahinter sich ausnehmen von jener Höhe her, in welcher die Augenblicksaufnahme angefertigt worden war? Wie viel Meter betrug überhaupt diese Höhe? Ein Mathematiker half aus der Noth. Er berechnete, daß die Aufnahme tausend Meter über der Erde stattgefunden habe, stellte fest, wie viel man bei dieser Entfernung aus der Vogelschau wahrnehmen könne von den Seen und Bergen, und welche Form diese für ein Auge dort oben haben müßten. So kam endlich das Gemälde zustande, Phantasie und Berechnung im Verein hatten zur Vollendung desselben dem luftigen Reich den festen Punkt abgewonnen, den die Wirklichkeit nicht bieten konnte.

Mönchenstein. „Die Zahl und die Heftigkeit der Eisenbahnunfälle auf ein möglichst kleines Maß zu beschränken, klein jedenfalls im Verhältniß zu der riesigen Ausdehnung des Verkehrs, diesem Ziel schreiten wir näher und näher – und daraus mögen wir Beruhigung schöpfen, wenn traurige Berichte an unser Ohr dringen und uns in ängstliche Zweifel stürzen wollen.“ Fast möchte es scheinen, als wären diese Schlußworte unseres Artikels über „Sicherheitsvorrichtungen auf den Eisenbahnen“ in düsterer Vorahnung geschrieben gewesen; denn noch war jener Aufsatz nicht ganz zu Ende gedruckt, da brach die erschütternde Kunde herein, daß bei Mönchenstein in der Schweiz ein Eisenbahnunglück geschehen sei, wie es furchtbarer noch nicht leicht erlebt worden, und leider haben die nachfolgenden Berichte das nur zu sehr bestätigt. Der Einsturz einer Brücke über die Birs in dem Augenblicke, als ein vollbesetzter Sonntagnachmittagszug darüber fuhr, hat dort Hunderten Tod oder schwere Verletzung gebracht, und noch läßt sich in dem Augenblicke, da wir diese Zeilen schreiben, die volle Tragweite des Unglücks nicht ganz übersehen, ebensowenig wie die Frage gelöst ist, wie es möglich war, daß das Entsetzliche geschehen konnte.

Und doch müssen wir noch von Glück im Unglück, oder genauer gesagt, von einem Erfolg der Technik in einem Falle reden, der allem Können der Techniker mehr als je den Stempel des Stückwerks aufzudrücken scheint. Es ist Thatsache, daß die ganze hintere Hälfte des verunglückten Zuges, nachdem vorne das Schreckliche eingetreten war, stehen blieb, und zwar dank der Luftdruckbremse, welche ganz in der beschriebenen Weise beim Abreißen der Verbindung zwischen den Zugtheilen selbstthätig in Wirkung trat. Man mag nicht ausdenken, was hätte kommen können, kommen müssen, wenn es da eine automatische Bremse nicht gegeben hätte. Weit genug hat freilich die jammervolle Vernichtung um sich gegriffen, groß genug ist das Maß des Schmerzes und der Trauer. Aber wenn etwas über die tiefe Entmuthigung hinweghelfen kann, welche uns angesichts eines solchen Schlages befallen muß, dann ist es das Bewußtsein, daß Schlimmeres verhütet worden durch ein Werk des strebenden Menschengeistes.




Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Johanna R. in Straßburg. Sie haben Muth, verehrtes Fräulein, viel Muth, wenn Sie sich in die den Frauen so wenig holden Fluthen der Schopenhauerschen Philosophie zu stürzen gedenken. Wenn Sie sich aber einmal nicht abhalten lassen wollen von Ihrem kühnen Unterfangen, dann lassen Sie sich wenigstens zu einem guten – Schwimmlehrer rathen. Nehmen Sie eine Ausgabe der Werke Schopenhauers mit erläuternden Anmerkungen und Fingerzeigen, etwa die von Moritz Brasch, die im Verlage von Gustav Fock in Leipzig erschienen ist. Dann werden Sie sich doch vielleicht etwas rascher einleben in dem feindlichen Gewässer.




II. Quittung. Für die darbenden Weber im Glatzer Gebirg

gingen ferner ein: Otto May in Memel 30 Mk.; Frau Marie Geibelt in Pirna 5 Mk.; Von einem Vater, der die Freude hat, das älteste seiner 6 Kinder zur Konfirmation gehen zu lassen, Apolda 3 Mk.; R. K. in Metz 6 Mk.; N. N. in Cönnern a. d. S. 20 Mk.; Die Kinder der Töchterschule zu Plön, durch A. Bestvater 12 Mk. 50 Pf.; Fräulein Fr. Voigt in Ballenstedt 3 Mk.; Otto Hoffmann in Chemnitz 5 Mk.; Gehrke in Schaafbrück 3 Mk.; M. B. in Döbeln 3 Mk.; Peter Uleb, Rentier, in Frankfurt a. M. 10 Mk.; William Jacobson in Frankfurt a. M. 20 Mk.; H. Adler in Frankfurt a. M. 3 Mk.; Ungenannt in Mühlhausen i. Th. 1 Mk. 50 Pf.; Aus Leipzig 5 Mk.; Egon in Leipzig 5 Mk.; Langjähr. Leserin in Landsberg a. L. 10 Mk.; W. in Paschkowitz 5 Mk.; von einer Witwe in Detmold 3 Mk.; C., Plau (Mecklbrg.) 3 Mk.; M. F. in Schwarzenberg 4 Mk.; Carl August Wild in Idar 10 Mk.; Gesammelt in Freundeskreise, mit dem Motto: „Laß deine rechte Hand nicht wissen, was deine linke Gutes thut“, Nürnberg 50 Mk.; Frdrch. August Müller in Dresden 2 Mk.; Dr. H. u. Kinder in Bettenhausen 24 Mk.; M. Ptz. in Leipzig 20 Mk.; Bachmann in Hamburg 3 Mk.; A. K. in R. 10 Mk.; M. A. R. in Königsberg i. Pr. 5 Mk.; F. S. in Säckingen 4 Mk.; Chr. (hh) D. in Augsburg 15 Mk.; Ein Abonnent der „Gartenlaube“ K. S. 5 Mk.; R. Kuring 2 Mk.; W. Korla 1 Mk.; E. Knabe 2 Mk.; C. Henning 1 Mk. 50 Pf.; Florentine Simon, Handarbeitslehrerin, in Breslau 3 Mk.; Aus Curow bei Bublitz 2 Mk. 50 Pf.; K. N. in Straßburg i. E. 2 Mk.; Geschwister Herwig in Magdeburg 3 Mk.; Heinrich Sühnel in Chemnitz 5 Mk.; M. M. in Frankfurt a. M. 5 Mk.; Ungenannt in Arolsen 3 Mk.; Familie von H. in Schwelm 5 Mk.; Schumacher in Mannheim 5 Mk.; H. P. in Vegesack 3 Mk.; Witwe Anna Stelling geb. Hecker in Hannover 100 Mk.; J. R. in Eisleben 20 Mk.; „Wenig mit Liebe“. Poststempel Potschappel 1 Mk.; A. O., Alibunar (1 Fl. ö. W.) 1 Mk. 75 Pf.; H. N. in Hermannshof b. Neustadt i. H. 10 Mk. 10 Pf.; Von zwei alleinstehenden Frauen durch Lehrer Frees in Nieder-Weisel 1 Mk.; Als kleines Dankopfer für ein gutes Examen des Sohnes von einer darüber glücklichen Mutter 5 Mk.; G. Joppich in Riga (2 Rbl.) 4 Mk. 80 Pf.; L. C. in Leipzig 3 Mk.; Margarete, Freiberg i. S. 2 Mk. 30 Pf.; Lehmann in Leipzig 1 Mk.; R. Winkel in Göttingen 6 Mk.; Lehrer Römer in Göttingen 1 Mk.; Diedrich Tesschau in Lübeck 6 Mk.; Georg Oehler in Karlsruhe 5 Mk.; Sg. in Leipzig 3 Mk.; O. T. in Leipzig 3 Mk.; Sammlung im Hause von F. Bernitt in Rostock 6 Mk.; L. Kpg. in Dresden 50 Mk.; H. R. in Leipzig 6 Mk.; Baumeister Haeseler in Goslar 10 Mk.; A. Sauber in Halmstad 25 Mk.; Pfarrer Schiler in Mittelfischach 3 Mk.; Dr. Hoepner in Bautzen 5 Mk.; „Aus gutem Herzen“. Cainsdorf 3 Mk.; A. H. in U.-Oewisheim 1 Mk.; Conr. Baltz in Bochum 10 Mk.; Max Kuhl, Gewerbeschüler, in Mülhausen i. E. 2 Mk.; J. W. in Darmstadt 5 Mk.: Frau Eug. Eschrich in Straßburg 10 Mk.; K. Th. L. Gr … hof b. H. 20 Mk.; A. M. in Elbing 6 Mk.; Frl. M. G. in Leipzig 3 Mk.; A. u. C. D. in Bünde 6 Mk.; Mehrere Beamte der Verkehrs-Kontrolle II der Kgl. Eisenbahndirektion Altona 18 Mk. 30 Pf.; L. E. in Nürnberg 3 Mk.; Frau O. F, in Gera 10 Mk.; Frau Julie Rohde in Naumburg a. d. S. 100 Mk.; M. Frhr. von Puttkamer in Berlin 20 Mk.; Abonnent G. M. in E. 2 Mk.; C. S. in Stettin 1 Mk.: Oswald Dunkel in Liverpool 20 Mk. 40 Pf.; J. u. C. H., London 10 Mk.; Ad. Ed. Gottschalch in Hamburg 100 Mk.; E. H. in Darmstadt 10 Mk.; X. Z. in Mühlhausen i. Th. 5 Mk.; Angelika Schäck in Dresden 5 Mk.; A. Beuthner in Braunschweig 3 Mk.; Lommer, Rechtsanwalt, Orlamünde 3 Mk.; Curt Wagner, Handelsgärtner, in Querfurt 2 Mk. 50 Pf.; L. Dietze in Woldegk 20 Mk.; R. P. R. Sch. in Weimar 5 Mk.: C. Ulmer in Dessau 10 Mk.; W. Niemann in Eickendorf 15 Mk.; E. Leybold in Köln 10 Mk.; Michael Flürscheim aus Baden-B. 20 Mk.; Der kleine Hans in Elberfeld 5 Mk.; H. E. in Mülhausen i. E. 1 Mk.; Ungenannt. Mainz 3 Mk.; W. Meh in Kalbsburg 20 Mk.; G. M. K. in Leipzig 3 Mk.; M. F. in Frankfurt a. M. 3 Mk.; Burlington, Wis. (5 Dollar) 20 Mk. 60 Pf.; H. S. in Grimma 3 Mk.; Th. S. in Connewitz 3 Mk.; E. B. in Liverpool (2 Pfund Sterl. 10 Sh.) 51 Mk.; Witwe Hartweck in Hörde 20 Mk.; Ungenannt in Peine 15 Mk.; Mehrere Leserinnen der „Gartenlaube“ in Oederan 6 Mk. 50 Pf.; L. Bachlechner in Innsbruck (1 Fl.) 1 Mk. 75 P.; J. H. in Leipzig 3 Mk.; Von Frau Schröder nebst Töchtern in Wismar 6 Mk.; Eduard Ueberfelder in Essen 6 Mk.; Von zwei Karlsruher Gymnasiasten 6 Mk.; J. M. in Nürnberg 20 Mk.; Lehrer em. Zins in Torgelow 5 Mk.; Fabrikdirektor R. Patzschke in Würzen 3 Mk.; Von O. Petzold, L. Krüger, R. Lindner und verw. Schulze in Waldheim je 50 Pf., 2 Mk.; Goldarbeiter Riethmüller in Kirchheim u. T. 2 Mk.; B. H. u. K. in Joslowitz (5 Fl.) 8 Mk. 75 Pf.; Vom barmherzigen Skatkränzchen in Mainz 30 Mk.; Poststempel Erfurt 1 Mk.; Robert Sydow, Amtsgerichtssekr. in Friedeberg 5 Mk.; Gericke, Bahnhof Wittenberge 10 Mk.; Gretchen u. Rudi in Stettin 10 Mk.; A. F. in Hamburg 10 Mk.; C. Schulze in Gommern 5 Mk.; H. Moellendorf in Stettin 5 Mk.; C. L. Schrader in Hannover 5 Mk.; Frau Henry Winter in Louisville, Ky. 75 Mk.; Y. in Vevey 100 Mk.; Adolf Spies in London 20 Mk. 6 Pf.; Ertrag eines Skatabends vom Stammtisch „Schneider“ bei Angermann in Dresden 7 Mk. 60 Pf.; E. J. L. H. Blasewitz 20 Mk.; Ed. Liebmann in Schney 10 Mk.; C. F. Leiding in Sonoma, Cal. (5 Dollar) 20 Mk. 60 Pf.; Emma Schwarzmann in Mainz 5 Mk.; Jenisch in Hagenau 100 Mk.; Lilli, Leipzig 5 Mk.; L. Himstedt in Ostrowy (2 Rubel) 4 Mk. 80 Pf.; Gesammelt von Hbr. in Hannover 4 Mk.; Muhl, Holzmühl (Vogelsberg) 3 Mk.; R. L. in Hamburg 3 Mk.; Frau v. J. in B. 50 Mk.; Dr. Caester, prakt. Arzt, in Wiesbaden 20 Mk.; August u. Anna Noelle in Hamburg-Eimsbüttel 10 Mk.; C. Sch. Sch. Sch. in M. 3 Mk.; Katasterkontrolleur Feld in Dierdorf: „Ein akutes Brot f. d. chronische Noth“ 3 Mk.; Lehrer Hensel in Dolgen 5 Mk.; Albrecht in Neukloster 3 Mk.; E. H. in H. 2 Mk.; N. M. in Bremen 5 Mk.; K. Spuller in Hamburg 10 Mk.; Rechtsanwalt Häntzschel in Chemnitz 10 Mk.; Herbst, Pastor, in Bettingerode b. Harzburg 3 Mk.; Frl. Schmiedt in Leipzig 5 Mk.; G. T. u. H. A. in Hamburg 20 Mk.; K. in Kreuz-Wertheim 10 Mk.; H. H. u. H. R. in Zella, St. Bl. 4 Mk.; C. Hammerschmidt in Dresden 20 Mk.; Lüchow in Freren 3 Mk. – Diese Quittung verzeichnet die vom 14. März d. J. bis zum 27. April d. J. bei der Redaktion der „Gartenlaube“ eingegangenen Gaben und ergiebt die Summe von 1951 Mark 81 Pfennig.0 Gesammtbetrag der I. und II. Quittung: 4119 Mark 58 Pfennig.



manicula Hierzu Kunstbeilage VIII:0 „Liebesbotschaft“.0 Von A. Toulemouche.


Inhalt: Im Laube versteckt. Gedicht von J. G. Fischer. Mit Bild S. 449. – Baronin Müller. Roman von Karl v. Heigel. S. 450. – Auf der Lauer. Bild. S. 453. – Der Weinberg der Zukunft. Von B. Ost. S. 464. Mit Abbildung. S. 455. – Polizei und Verbrecherthum der Reichshauptstadt. Von Paul Lindenberg. II. Die Kriminalpolizei. – Grüner Wagen. – Der Polizeigewahrsam. – List wider List. S. 456. Mit Abbildungen. S. 456, 457 und 459. – Wie das Volk vom Gelde denkt. Von Fr. Helbig. S. 460. – Die Wiese vom ersten Grün bis zum Winterkleide. Bild. S. 461. – Lea und Rahel. Roman von Ida Boy-Ed (10. Fortsetzung). S. 462. – Tausend Meter über München. Bild S. 465. – Blätter und Blüthen: Eine Heimstätte deutscher Bildung in Amerika. S. 467. – Tausend Meter über München. S. 467. (Zu dem Bilde S. 465.) – Mönchenstein. S. 468. – Kleiner Briefkasten. S. 468. – II. Quittung über Gaben für die darbenden Weber im Glatzer Gebirg. S. 468.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.