Die Gartenlaube (1886)/Heft 16
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No. 16. | 1886. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Die Lora-Nixe.
(Fortsetzung.)
Immer dichter drängten sich die Badegäste um das Bronzegitter, hinter welchem die Brunnenmädchen in ihren weißen Röcken und blauen Jacken die Becher mit heißem Mineralwasser füllten.
Ein warmer Dunst durchzog die Halle und ließ die blassen verschlafenen Gesichter der trinkenden Gesellschaft noch abgespannter erscheinen. Man gähnte, klagte über die schwülen Nächte und die langweilige Saison, tadelte die Bestrebungen Einzelner, sich vorzudrängen, und war doch selbst nur bemüht, früher Gekommene zu überspringen. Da entstand eine Bewegung. Das träge Geplauder verstummte. Aller Augen richteten sich neugierig
[278] nach dem Eingang. Die Gruppen wichen aus einander, ein leises Rauschen kam heran: Frau Paloty und ihre Tochter traten in die Trinkhalle.
Es war plötzlich, als seien alle andern Anwesenden zusammengeschrumpft oder verblichen.
Frau von Blachrieth wurde von der hoch modernen Krinoline der Frau Paloty zusammengedrückt, Vergeblich winkte sie Heino, ihr zu folgen. Er schaute gespannt den heranschreitenden Damen entgegen. In ihrem Verdruß übersah sie, daß Ravensburgk den Hut vor ihr zog. Und als dieser Hedwig begrüßen wollte, verließ dieselbe gerade mit dem Herrn Aufdermauer tief aufathmend die heiße Brunnenhalle. Er drehte sich ärgerlich ab und wandte sich ebenfalls den neuen Ankömmlingen zu.
Mit gleichgültiger Ruhe behauptete Frau Paloty das Feld, als sei es ihre einzige Aufgabe, in ihrer kostbaren, aber mattfarbigen Toilette ihrer Tochter zur Folie zu dienen.
Leonore dagegen trat mit der Sicherheit einer Primadonna auf, welche beim Erscheinen sofort die ganze Bühne nimmt. Rasch vorschreitend, üherfluthete sie mit ihrem weißen rosa gefütterten Morgenkleid die Steinfliesen der Halle, und ihre blauen Augen blitzten durch den gleich einem leichten Nebelwölkchen sie umflatternden Schleier über die Anwesenden hin. Wie eine zauberische Atmosphäre umgab sie ein feiner Duft von Heliotrop, der mit ihr kam und schwand. Ein Diener folgte den Damen mit ihren kostbaren persischen Shawls und den Trinkbechern.
Um Beide bildeten sich sofort Gruppen. Frau Paloty wurde von älteren Herren und Damen begrüßt, die sie als Bekannte der vorjährigen Saison aufsuchten.
Um Leonore schloß sich ein Kreis, in welchem Ravensburgk Hofmarschallsdienste that, indem er immer neue Vorstellungen vollzog.
Mit der ihm eigenen klanglosen Stimme sprach er:
„Baron Blachrieth, neuestes Opfer der Lora-Nixe, die er durch einen Ritt auf dem Pegasus zu erlösen beschlossen hat.“
Einen Augenblick hielt er in seiner Präsentation inne. Warum wandte Leonore sich so überrascht nach ihm um, als hätte er eine welterschütternde Neuigkeit erzählt? Was bedeutete das Aufleuchten ihrer Augen, mit dem sie Blachrieth beglückte? Sie schien wirklich Fassung und Athem verloren zu haben, so gut wie Blachrieth, dessen Augen ganz hingerissen an ihr hingen.
Da er dann fortfuhr, Mister Montagu, den österreichischen Kürassier und noch eine lange Reihe von Herren zu nennen, erschien sie ihm immer noch geistesabwesend. Sie sammelte sich erst wieder, als ihr der Krystallkrug mit dem heißen Mineralwasser gereicht wurde.
„Die Heilguelle hat sich nicht verbessert,“ sagte sie. „Sie riecht wirklich nach Schwefel, als komme sie direkt aus der Hölle.“ Mit einer Bewegung des Widerwillens wandte sie den Kopf ab, wobei sie den Inhalt des Glases halb verschüttete.
„Wenn Sie hier eine neue Douche anzulegen beabsichtigen,“ sprach Ravensburgk, seine bespritzten Stiefeln schüttelnd wie eine Katze, die in die Nässe gerathen ist, „so bitte ich mir wenigstens vorher einen Wink aus, damit ich mich bei Zeiten der überflüssigen Kleidungsstücke entledigen und den Bademeister mit trockenem Leinenzeug bestelleu kann.“
Leonore lachte zu seiner Unverschämtheit. „Ihre Furcht vor Nässe ist begreiflich bei Ihrer starken Anlage zur Trockenheit.“
„Da außer Ihnen noch Niemand diese Eigenschaft an mir entdeckt hat,“ entgegnete Ravensburgk mit spöttischer Verbeugung, „so vermuthe ich, daß Ihre gluthathmende Gegenwart allein schuld an dieser Erscheinung ist. Gewöhnen Sie sich nur an den Gedanken, daß ich mich nächstens verkrümele.“
„Edler Stoff wird durch koncentrirte Hitze geläutert, unedler, erdig lehmiger zerfällt,“ neckte Leonore.
„Bah! Erd- und Lehmkegel sind wir Alle,“ erwiderte Ravensburgk.
Leonore warf mit einer graziösen Bewegung den Schleier zurück und strich das Haar aus der niedrigen griechischen Stirn. „Ist das Lehm?“ fragte sie übermüthig, und ihr Blick traf in Heino’s Augen.
Einen Athemzug lang schauten sich die beiden jungen schönen Menschen strahlend an.
„Nein, das ist die Morgenröthe,“ sagte Heino entzückt.
„Asche!“ tönte es im selben Augenblick wie ein Hauch in Leonoren’s Ohr.
Erschrocken sah sie sich nach dem Sprecher um.
Vor ihr stand ein hoch gewachsener schwarz gekleideter junger Mann. Ein ernster Blick, der aus unermessener Höhe zu kommen schien, fiel schwer auf sie herab. Dann wandte sich der Fremde und ging mit ruhigem Schritt durch das Menschengewühl davon.
„Wer ist dieser Herr?“ fragte sie hastig den Präsidenten.
„Der jetzige Prediger der Herrnhutergemeine Himmelgarten,“ erwiderte der alte Herr, mit ihr die Stufen der Brunnenhalle herabsteigend. „Er ist auch Gast der hiesigen Heilquelle, kommt jeden Morgen über den Hainberg herüber und geht am Abend zurück. Eine beschwerliche Badekur; aber als Missionar ist er das Wandern gewohnt worden.“
Sie waren in den Kolonnaden angelangt, die auf der einen Seite offen und von wildem Wein umrankt, auf der andern durch Verkaufsläden geschlossen waren. Der bunte Schwarm eleganter Herren und Damen, der Leonoren folgte, wie der Schweif dem Kometen, sammelte sich um den nächsten Verkaufstisch, wo in Glaskästen vieux saxe ausgestellt war, reizende Amoretten, welche Fische fingen und Wein kelterten.
„Echtes Rocoeo,“ lobte Baron Pölz mit Kennermiene. „Es kommt doch nichts der koketten Grazie jener Zeit gleich.“
„Es ist Alles schon dagewesen, Herr von Pölz,“ sagte Leonore, seinen überlegenen Ton nachahmend. „Als auf der Meißner Porzellanerde noch Drachen und Bären hausten, malte man schon in Pompeji Amoretten als Schustergesellen an die Wand.“
„Ich kenne den Schwindel mit dem Schutthaufen,“ antwortete Baron Pölz und winkte abwehrend mit der Hand. „Ich dankte Gott, als ich heraus war; ließ mir lieber am Strande von Neapel von den Fischern frische Austern auftischen und von ihren hübschen Töchtern Limonien darüber ausdrücken. Das war doch wirkliches Leben.“
„Ja, lebendig müssen uns die alten Kunstwerke werden,“ belehrte Leonore. „Und wenn unsere Einsicht nicht hinreicht, die Schöpfungen alter Meister zu verstehen, so müssen wir uns an diejenigen halten, welche von der Natur so begnadet sind, daß sie die Gedanken längst vergangener Menschengeschlechter aus ihren zerbröckelnden Werken heraus zu lesen vermögen. Hätten Sie das pompejanische Bilderbuch von Heino von Blachrieth einmal mit Aufmerksamkeit studirt,“ fügte sie mit neckendem Augenaufschlag gegen Heino hinzu, „so würden Sie die pompejanische Kunst aus den prächtigen Abbildungen und Versen kennen gelernt haben.“
„Hat Ihnen mein Bilderbuch gefallen?“ fragte Heino roth und verschämt wie ein junges Mädchen.
„Wem nicht?“ gegenfragte sie. „Wie habe ich die zarten Verse bewundert, die den Handel mit Amoretten so sinnig auslegen. Nur kann ich Ihnen darin nicht zustimmen, daß der kleine Liebesgott, der sich dreist hinter das Gewand der schönen Frau verbirgt, der erwählte sein soll. Sie beachtet ja den Zudringlichen gar nicht und hat auch für den zuversichtlich mit seinem Kränzchen auf sie zufliegenden nur einen ernsten Blick. Ihr gefällt gewiß allein der kleine Schelm, den die derbe Faust des Händlers an seinen Flügelchen aus dem Taubenkäfig zieht.“
„Sind das Allegorien?“ fragte Ravensburgk hinzutretend. „Ist vielleicht unter dem dreisten Liebesgott, der an Ihrem Gewand hängen soll, Baron Pölz zu verstehen, der eben auf Ihrer Schleppe herumtritt? Bin ich so glücklich, als der zuversichtliche Amor geschildert zu werden, den man mit einem ernsten Blick abspeist? Und wer ist der Unglückliche, der an den Haaren herbeigezogen wird?“
Als seine Bemerkung keiner Beachtung gewürdigt wurde, lachte er boshaft in sich hinein: „Der Dichterling hat richtig angebissen. Da führt sie ihn an ihrer Angelschnur fort.“
Dann spähte er nach der Allee hinüber. Dort ging neben Hedwig der Herr Aufdermauer, und sie plauderten und lachten zusammen. Mit einem unmuthigen Zucken der Augenbrauen ließ er das Monocle fallen.
„Ist es Wahrheit, daß Sie die Lora-Sage zum Gegenstand Ihrer neuesten Dichtung machen wollen?“ fragte Leonore, während sie mit Heino in die Gartenwege hinaus schritt.
[279] Er neigte bejahend das Haupt. „ich würde mich an der Gunst der Götter versündigen, wenn ich die Berufung zu diesem Werk nicht annehmen wollte. Sie überschütten mich mit allen Gaben, deren ich dazu bedarf.“
„Vielleicht kann auch ich ein Scherflein dazu beitragen,“ sprach sie langsam wie überlegend. „Ich kenne die Sage wie mich selbst.“
„Stammen Sie aus hiesiger Gegend?“ fragte er überrascht. Die Bewohner dieses Landstriches waren ein kleiner Menschenschlag von bräunlicher Farbe und mit nußbraunen Augen.
„Ich gehöre nicht dem Volk des lieblichen Lora-Thales an, und doch ist kein Kind desselben so berechtigt, es seine Heimath zu nennen, als ich.“ Sie sprach mit einem seltsam geheimnißvollen Lächeln.
Er schaute sie verklärt an. Was ihm zuerst als Ahnung gedämmert hatte, ward mehr und mehr zur Gewißheit. Das Modell zur Nixe war gefunden, und das Geheimniß, welches Leonore umgab, erhöhte nur die Ähnlichkeit.
„O,“ rief er, „warum auch forschen und fragen? Das thut nur der Alltagsmensch im Alltagsleben. Wir aber sind auf einer Insel der Seligen gelandet, wo man ohne Worte sich versteht, wo wir nichts von einander fordern als unser eigenstes Selbst.“
„Das Höchste!“ sagte Leonore ernst.
„Das wir doch mit Freuden opfern,“ antwortete er begeistert, „wenn wir das Ideal gefunden haben, welches unserer Sehnsucht vorschwebte.“
„Ja,“ antwortete sie; „und wer das Opfer ganz und ohne kleinlichen Rückhalt bringt, dem wird schrankenloses Glück, reicher Genuß des Lebens lohnen. Aber wer noch – und sei es nur mit einem Gedanken – in der Welt der Alltäglichkeit wurzelt, der stürzt unrettbar in das Verderben. Das lehrt auch die Sage von der Lora-Nixe.“
Sie sah Heino tief, fast wie warnend in die Augen, und es schien ihm, als seien die großen Augensterne hinter den goldigen Wimpern dabei dunkel geworden.
Da trat der Hauptmann Aufdermauer an ihn heran und weckte ihn aus seiner Versunkenheit. „Auf einen Augenblick!“ rief Georg höchst angeregt und heiter. „Ich habe Dich in allen einsamen Gängen, wo die Musen wohnen sollen, gesucht. Wir – nämlich Deine Frau Mutter, Fräulein von Grundleben und meine Wenigkeit haben einen prächtigen Plan gemacht. Wir diniren gemeinschaftlich im Forsthaus auf dem Hainberg. Ich freue mich kindisch darauf, unter meinen schönen Waldbäumen Dich und Deine Familie bewirthen zu dürfen. Ich schicke sofort einen Boten dahin, wenn Du Deine Einwilligung gegeben hast.“
„Ich bedaure unendlich,“ antwortete Heino zerstreut, während sein Blick Leonoren folgte. „Aber ich bin wirklich nicht disponirt, heute noch in Gesellschaft zu sein. Meine neue poetische Aufgabe nimmt mich ganz gefangen.“
„Ihm dichtert,“ krächzte Ravensburgk, der langsam heran schlenderte.
„Es strömt,“ rief Heino davonstürmend.
„Das wäre ein Glück,“ sagte Ravensburgk; „bis jetzt war das poetische Aederchen nur durch das Vergrößerungsglas der Gesellschaft erkennbar.“
Georg fühlte sich tief enttäuscht. Er wußte, ohne den Leibsohn war Frau von Blachrieth nicht von der Stelle zu bringen. Unmuthig blickte er hinter seinem Freund her, der Leonoren nacheilte.
Sie stand am Eingang zum Lora-Flügel und verabschiedete sich von der Gesellschaft, die einen weiten Kreis um sie gebildet hatte.
Da ging an der glänzenden Gruppe jener graue Herr vorüber, den Georg noch vor wenigen Stunden in so eigenthümlichem Rapport mit dieser Paloty gesehen hatte.
Georg faßte sie scharf ins Auge; aber sie scherzte und lachte heiter weiter, ohne einen Gruß oder Blick mit dem Fremden zu wechseln, dem sie heute Morgen eine so auffallende Beachtung geschenkt hatte.
Langsam kam der graue Herr näher. Seine feinen, aber blassen verlebten Züge trugen den Ausdruck stiller Resignation, und aus den halb geschlossenen Augen blickte eine tiefe Schwermuth.
Ein anderer sehr elegant gekleideter Herr begegnete ihm, dessen regelmäßiges Gesicht und wohlgepflegter schwarzer Henri quatre ihn noch immer schön erscheinen ließen, obgleich er augenscheinlich dem Alter näher als der Jugend stand.
Mit gesuchter Höflichkeit wich er dem Grauen aus und grüßte, während der Andere kaum eine Handbewegung nach seinem leichten Filzhut machte.
„Kennen Sie den Herrn?" fragte Georg.
Ravensburgk drückte sein Glas ins Auge. „Wie man diese Leute eben kennt; man weiß sie zu nennen. Meinen Sie den Großen, Stattlichen? Das ist einer der Croupiers, ein Monsieur Faucon, der letzte der Falkenecks, wie ihn das Gerücht bezeichnet. Ah, Sie wollen wissen, wer der Graue ist? Der Pächter der Bank, ein gewisser Herr Dornheim.“
Georg fielen die gestern vernommenen Gerüchte über die Familienverhältnisse der Palotys wieder ein. Er dachte jedoch nicht daran, seine Beobachtungen zu erzählen; das wäre Klatscherei gewesen. Aber er wich dankend dem Anerbieten Ravensburgk’s aus, ihn mit den Damen bekannt zu machen.
Ein Trost für den gescheiterten Plan war es ihm, daß Hedwig’s frohes Gesicht betrübt wurde, als ihre Tante den Ausflug aufgab, und daß sie beim Abschied sprach: „Auf Wiedersehen!“
Mehrere Tage später saß Frau von Blachrieth mit ihrer Nichte beim Frühstück, das in dem Gärtchen vor ihrer Wohnung aufgetragen war. Es bot einen reizenden Ausblick über den kurz geschorenen, von einem feinen Eisengitter begrenzten Rasenplatz in die Kieswege hinaus, welche von Badegästen in eleganten Morgenanzügen belebt waren. Ein frisches Lüftchen trug die Klänge der Musik aus dem Kurgarten herüber; die Reseda und die Federnelken dufteten in den kleinen Beeten; der Kaffee dampfte, und die braunen Hörnchen lockten in dem vergoldeten Kuchenkörbchen.
Aber Frau von Blachrieth sah nicht behaglich, sondern sorglich aus. Sie hatte schon ein paarmal suchende Blicke hinaus geworfen. Da knirschten endlich eilige Schritte auf dem Gartenwege, und Heino trat rasch unter das weiß und blau gestreifte Zeltdach.
„Ich habe für heute Nachmittag eine Partie nach Himmelgarten arrangirt und rechne dabei sehr auf die Theilnahme und Unterstützung meiner Damen,“ sagte er, wohlgelaunt sie begrüßend.
„Welche von unseren Bekannten nehmen Theil?“ fragte Frau von Blachrieth und blickte von der Badeliste auf, die sie studirte. „Unser Kultusminister jedenfalls.“
„Er hat mir geschrieben, daß er nur seiner Kur lebe und an keinem Vergnügen Antheil nehme,“ antwortete Heino.
Seine Mutter zog bedenklich die Augenbrauen in die Höhe. „Es wird hoffentlich kein übles Zeichen sein, daß er Deine Aufforderung refüsirt. Die Frau Oberhofmeisterin der hochseligen Fürstin hat doch zugesagt?"
„Mein Gott, Mama, die ist ja ganz kontrakt,“ entgegnete Heino schmollend.
„Nun, man kann ihr doch die Aufmerksamkeit erweisen; sie hat noch Einfluß bei Hofe."
„Sind Deine Freunde dabei?“ fragte Hedwig, während sie mit einer zierlichen elfenbeinernen Häkelnadel, die sie in den rosigen Fingern hielt, eifrig an einer feinen Spitzenkante arbeitete.
„Ravensburgk, ja,“ antwortete Heino. „Aber die Zeit war zu kurz, um Aufdermauer zu benachrichtigen.“
Hedwig schwieg und zählte die Maschen an einer Rosette.
Frau von Blachrieth examinirte weiter: „Wie steht’s mit Linskis?“
„Ravensburgk ist nicht ganz d’accord mit ihnen; das mag die Ursache sein, die sie danken ließ,“ entgegnete Heino schon gereizt.
Jetzt sah Frau von Blachriech ihn aufs Aeußerste erstaunt an. „Aber sage mir um Gotteswillen, wie kannst Du eine Partie arrangiren, an der sich eigentlich Niemand betheiligt?“
„Wenn außer den genannten Familien die gesammte andere Gesellschaft Niemand ist,“ entgegnete Heino beleidigt, „so ist Deine Bemerkung richtig, Mama. Uebrigens – hier ist das Verzeichniß; prüfe selbst!“
Mit einer Miene, die deutlich sagte, wie wenig Vertrauen ihr das Projekt einflößte, rückte Frau von Blachrieth die goldene Brille zurecht und entfaltete das Papier. „Frau von Nihiloff, um die ihr Töchterchen Vera herumtobt wie ein wilder Kosak; Mister Montagu, der es zu seiner Aufgabe gemacht hat, seine [280] Füße statt auf die Erde auf einen Stuhl zu stellen, – ich fürchte, er ist ein englischer Schneider; Baron Pölz, der vor seiner Nobilitirung Pelz hieß und Lichte fabricirte; die Gräfin Scultizka, deren Güter zwar im Monde liegen, die aber doch im theuern Kurhaus wohnt; und diese – wie heißen sie doch?“ – Sie blinzelte den Namen Paloty an, ohne ihn auszusprechen, und legte das Verzeichniß aus der Hand. „Ja, ja! Die unternehmendsten Herren, die elegantesten Damen – nur schade, daß ich alte einfache Frau nicht unter sie passe.“
„Das käme auf die Probe an,“ redete Heino mit bebenden Lippen zu. „Und Hedwig würde sich gewiß amüsiren. Ravensburgk meint auch, sie müsse in der Zurückgezogenheit, in der Ihr lebt, sich entsetzlich langweilen.“ Sein Blick forderte Hedwig auf, ihm zu Hilfe zu kommen.
Aber diese sagte gar nichts, sondern häkelte mit größter Gelassenheit weiter.
Und seine Mutter entgegnete würdevoll: „Ein junges Mädchen muß es lernen, sich mit Anstand zu langweilen.“
„Nun,“ brach er unmuthig aus, „da ich kein junges Mädchen bin, wirst Du mich wenigstens von diesem Lehrgegenstand dispensiren müssen. Ich bedarf der Anregung zu meiner Dichtung. In Deinem eng begrenzten Kreis aber könnte ich höchstens Stimmungen zu einer Idylle sammeln. Ich danke es meinem guten Genius, der mich hierher geführt hat, um mich einen reizenden Stoff und ein Modell finden zu lassen, das mich zum Schaffen begeistert. Und ich gedenke auch das Glück auszunützen.“
„Mein Gott!“ seufzte seine Mutter ganz eingeschüchtert. „Daran kann Dich Niemand hindern. Nur sei vorsichtig. Es wäre doch fatal, wenn diese etwas problematischen Damen daran Konsequenzen knüpften, vielleicht den Winter in der Residenz zubringen und durch uns in die Gesellschaft eingeführt sein wollten.“
Heino lächelte. „Dazu könnte sich unsere Residenz nur gratuliren. Eine so glänzende Erscheinung wie Fräulein Paloty ist dort noch nie aufgetreten.“
„Willst Du nicht eine Tasse Kaffee mit uns nehmen?“ fragte seine Mutier abbrechend.
„Ich danke sehr,“ entgegnete Heino. „Ich habe noch zu viel mit Vorbereitungen zu unserem Ausflug zu thun.“ Und er verließ mit einer förmlichen Verbeugung das Zelt.
Eine Weile wirkte der verstimmende Eindruck, den die Auseinandersetzung mit seiner Mutter auf ihn gemacht hatte, nach. Dann nahmen ihn die unzähligen Geschäfte, welche gesellschaftliche Arrangements mit sich bringen, in Anspruch.
Und Alles war vergessen, als er am Nachmittag auf einem hübschen Fuchs, dem besten Pferd des Verleihers, am Stelldichein sich einfand, um die Ankommenden zu begrüßen, den Zug zu ordnen.
Einsamkeit.
Leuchtend um Berg und Thal gelegt
Schimmert der Mittagssonnenschein,
Ruhig blick’ ich und tiefbewegt
In die schlummernde Welt hinein,
Alles ist still in Flur und Hain,
Ich bin allein.
Alles, was mich hier umgiebt,
Hat so selige Friedensmacht
Wie ein Herz, das innig liebt.
Hat auch Eines an mich gedacht?
Wär’ ich einsam hier mit Dir,
Das erst wäre vollkomm’nes Glück!
Aus den Blumen und Felsen hier
Fänden wir nimmer den Weg zurück!
Wie sich Fern an Ferne dehnt
Bis in den blauen Himmel hinein!
Ach, und was mein Herz ersehnt,
Wird es niemals wieder mein?
Träume, wie wiegt ihr mich ein! –
Ich bin allein.
Vom Nordpol bis zum Aequator.
2. Bilder aus dem Affenleben.
Als ich im Bogoslande reiste, stieß ich beim ersten Ritt ins Gebirge auf eine zahlreiche Herde derselben Mantelpaviane, deren Scheich Kemal el Din Demiri in seiner Erzählung gedenkt. Sie saßen, ihr wallendes Haarkleid im Strahle der Sonne trocknend, malerisch auf den obersten Zacken einer Felsenwand, wurden von mir mit Büchsenkugeln begrüßt, traten deßhalb einen geordneten Rückzug an und flüchteten. Meinen Weg in dem engen und vielfach gewundenen Felsenthale von Meesa fortsetzend, traf ich geraume Zeit später wiederum mit ihnen zusammen und zwar im Thale selbst, gerade, als sie sich anschickten, dasselbe zu überschreiten, um in dem Gefelse der anderen Seite gegen ähnliche unliebsame Störungen Schutz zu suchen.
Ein erheblicher Theil der Bande hatte seinen Uebergang bereits bewerkstelligt; der größere Theil stand im Begriffe, dies zu thun. Unsere Hunde, schöne schlanke Windspiele, gewohnt, Hyänen und andere Raubthiere erfolgreich zu bekämpfen, stürzten sich auf die Paviane, welche, von fern gesehen, eher Raubthieren als Affen glichen, und trieben sie schleunigst rechts und links an den Felsenwänden empor. Aber nur die Weibchen flüchteten: die Männchen warfen sich sofort den Hunden entgegen, bildeten einen Kreis um sie, brüllten, schlugen ingrimmig mit den Händen gegen den Boden, rissen die zähnestarrenden Mäuler weit auf und blickten ihre Gegner so wüthend und boshaft an, daß die sonst sehr muthigen, kampfgestählten Thiere verdutzt zurückprallten und fast ängstlich bei uns Schutz suchten. Bevor es uns gelang, sie wieder zum Kampfe anzufeuern, hatte sich die Lage der Affen wesentlich verändert; denn als die Hunde von Neuem gegen sie anstürmten, befand sich beinah die ganze Herde in Sicherheit. Ein noch zurückgebliebenes, etwa halbjähriges Junge kreischte, als es die Hunde auf sich zueilen sah, laut auf, erreichte jedoch noch vor ihnen einen Felsblock und suchte auf ihm Zuflucht und Rettung, unsere Hunde stellten es kunstgerecht, schnitten ihm dadurch den Weg zur Flucht ab und erweckten in uns die Hoffnung, es einfangen zu können. Doch es sollte anders kommen. Stolz und würdevoll, ohne sich im Geringsten zu beeilen und ohne uns zu beachten, schritt ein uraltes Männchen, vom sicheren Felsen zurückkehrend, auf das bedrängte Junge zu, trat, ohne irgendwie Furcht zu verrathen, den Hunden entgegen, hielt sie durch Blicke, Geberden und allseitig verständliche Laute in Achtung, erstieg langsam den Felsblock, nahm das bedrohte Affenkind an seine Brust und trat, bevor wir selbst zur Stelle sein konnten, mit ihm den Rückweg an, ohne daß die ersichtlich verblüfften Hunde wagten, diesen ihm zu verlegen. Während dieser muthigen That der Selbstaufopferung des Stammvaters wurden in dem dichten Gestrüpp auf der Felswand, welcher die Affen sich zugewendet hatten, Töne laut, wie ich sie bis dahin von Pavianen niemals vernommen. Alt und Jung, Männchen und Weibchen brüllten, kreischten, knurrten, brummten und bellten durch einander, daß man hätte glauben können, sie seien mit Leoparden oder sonstigen gefährlichen Raubthieren in Kampf gerathen. Es war, wie ich später erkennen sollte,
[281][282] das Feld- oder Kampfgeschrei der Affen, welches ich hörte: sie bezweckten damit offenbar, uns und die Hunde zu schrecken, vielleicht auch den thatlustigen alten Recken, welcher sich vor ihren Augen so ersichtlich in Gefahr begab, zu ermuthigen.
Einige Tage später sollte ich erfahren, daß die selbstbewußten Thiere es auch mit Menschen aufnehmen. Beim Zurückkehren aus dem Bogoslande stießen wir wiederum auf eine, vielleicht dieselbe, starke Herde und eröffneten vom Thale aus gegen sie mit sieben Doppelbüchsen ein wirksames Feuer. Unsere Schüsse brachten unbeschreibliche Wirkung hervor. Dasselbe Schlachtgeschrei, wie ich es früher gehört, schallte uns entgegen, und wie auf Befehl eines Feldherrn bereiteten sich Alle zum Streite. Während die kreischenden Weibchen mit den Jungen eiligst flüchteten und, über den Kamm der Felsen laufend, dem Bereiche unserer Waffen sich entzogen, traten die alten Männchen, wuthfunkelnden Blickes, mit den Händen gegen den Boden schlagend, eher bellend als brüllend, auf vorspringende Steine und Felszacken, überschauten einige Augenblicke lang, fortwährend brummend, knurrend, schreiend und sonstige Laute ausstoßend, die Tiefe und begannen hierauf mit solchem Eifer und Geschick Steine auf uns herabzurollen, daß wir das Lebensgefährliche unserer Stellung sofort einsahen und flüchten mußten. Wäre es uns unmöglich gewesen, an den jenseitigen Wänden des engen Thales empor zu klettern und so uns gegen die Geschosse der Affen zu sichern, wir wären regelrecht geschlagen worden, Die klugen Thiere verfuhren bei ihrer Abwehr nicht allein planmäßig, sondern handelten auch in Uebereinstimmung, gemeinschaftlich nach einem Ziele strebend und gemeinsam zur Erreichung desselben ihre Kräfte einsetzend. Ein Mitglied unserer Gesellschaft sah, wie einer der Kämpen seinen Stein auf einen Baum schleppte, um ihn von hier aus desto wirksamer in die Tiefe zu schleudern; ich selbst nahm wahr, wie ihrer zwei einen schweren Stein ins Rollen brachten.
Wie genau die Hundsaffen Ursache und Wirkung erkennen und unterscheiden, kann Jeder wahrnehmen, welcher sie vorurtheilsfrei beobachtet. Sie öffnen Thüren und Fenster, Schubladen, Kisten und Schachteln, lösen Knoten und beseitigen andere Hindernisse, nachdem sie einmal gesehen haben, wie solches bewerkstelligt werden muß; aber sie erfinden auch Mittel, um Aehnliches zu erreichen. Ein Babuin, welchen ich pflegte und in die Familie aufnahm, bemächtigte sich einer jungen Katze, in der Absicht, sie als Hätschelkind zu warten und zu bemuttern, wurde von dem erschreckten Pfleglinge gekratzt, untersuchte aufmerksam die Tatzen drückte die Nägel hervor, besah sie von oben und unten wie von der Seite und biß sie ab, um fernerhin vor Verletzungen gesichert zu sein. Derselbe Pavian wurde von meinem Bruder oder mir wiederholt dadurch erschreckt, daß wir vor ihm ein Häufchen Pulver auf den Boden schütteten und dasselbe mittelst eines Stückchen brennenden Schwamms entzündeten. Das plötzliche Aufblitzen des Pulvers verursachte unserem Babuin einen solchen Schreck, daß er jedesmal laut aufschrie und mit so weitem Satze zurücksprang, als der ihn fesselnde Strick zuließ. Einigemale nach einander so erschreckt, steuerte er erneuerten Belästigungen einfach dadurch, daß er den glimmenden Feuerschwamm so lange mit der Hand klopfte, bis der Funke erstickt war, und das Pulver selbst auffraß. Andererseits beschwor er selbst Schreck und Entsetzen herauf. Wie alle Affen, ohne jegliche Ausnahme, fürchtete er Kriechthiere, vor allen anderen Schlangen, in maßloser, für uns ergötzlicher Weise. Wir foppten ihn deßhalb oft, indem wir eine lebende, todte oder ausgestopfte Schlange in eine breite Blechschachtel steckten und diese ihm verschlossen reichten. Er kannte zuletzt Schachtel und Inhalt genau, war aber unfähig, seine Neugier zu bemeistern, und öffnete jene jedesmal, um unmittelbar darauf kreischend zu flüchten.
Nicht zufrieden, wirklich vorhandene Ursachen zu erkennen, suchte dieser Affe in Fällen, welche ihm Unannehmlichkeiten zuzogen, nach vermeintlichen.
Irgend Etwas, irgend Jemand mußte an erlittenem Ungemach die Schuld tragen. Dementsprechend wandte sich sein voller Ingrimm auf den ersten Besten, welcher ihm in Sicht kam. Wurde er bestraft, so richtete sich sein Zorn nicht gegen seine Pfleger und Gebieter, sondern einzig und allein gegen denjenigen, welcher bei der Bestrafung zugegen war: dieser mußte die Ursache der schnöden Behandlung sein, welche der sonst so gute Herr ihm angedeihen ließ. Er verdächtigte also genau ebenso, wie unkluge Menschen in ähnlichen Fällen zu thun pflegen.
Aeußerst empfindlich gegen jede ihm angethane oder auch nur zugedachte Unbill, nicht minder gegen jede Neckerei oder Fopperei, konnte gedachter Babuin doch nie unterlassen, andere Thiere zu necken, zu ärgern und selbst zu mißhandeln. Unser alter grämlicher Dachshund hielt, behaglich in der Sonne liegend, seinen Mittagsschlaf. Der Babuin sah dies, schlich sich vorsichtig heran, blickte mit tückischem Blinzeln der kleinen Augen dem Hunde ins Gesicht, um sich zu überzeugen, ob er auch wirklich schlafe, packte jählings den Schwanz des Schläfers und brachte ihn durch einen kräftigen Ruck aus der Traumwelt in die Wirklichkeit zurück. Ingrimmig versuchte der Hund die erlittene Schmach zu rächen, indem er auf den Störenfried losfuhr. Dieser aber entging mit einem einzigen Satze über den anstürmenden Hund hinweg der drohenden Strafe, hatte im nächsten Augenblicke den Schwanz des Hundes wieder gepackt, den Däckel von neuem beleidigt und weidete sich ersichtlich an der Ohnmacht des grämlichen Gegners, bis dieser mit gesichertem, das heißt eingezogenem Schwanze, rasend vor Zorn und Aufregung, unfähig selbst zu bellen, keuchend und geifernd, das Weite suchte und dem bösen Feinde das Feld überließ. Wäre der Pavian im Stande gewesen zu lachen: die Aehnlichkeit zwischen seinem und eines boshaften Menschen Thun würde vollständiger Uebereinstimmung gewichen sein. Mit allgemein verständlichem Spott und Hohn wurde der Besiegte ohnehin überschüttet. Er dagegen nahm jede Neckerei gewaltig übel, konnte, schon durch das Gelächter eines Unbefugten in Zorn und Wuth versetzt werden, und versäumte gewiß nicht, bei erster Gelegenheit, ob solche erst nach Verlauf von Wochen gefunden werden mochte, sich zu rächen. Aber freilich: er war Affe und fühlte sich als solcher, betrachtete den Hund als so untergeordnetes Wesen, daß seine Anmaßung ebenso verzeihlich, wie die jedes anderen Wesens, sobald es sich um ihn selbst handelte, verwerflich und strafbar erschien.
Von diesem Selbstgefühl, oder richtiger dieser Selbstüberhebung, geben die Hundsaffen jedem achtsamen Beobachter tagtäglich Beweise. Gedachter Babuin liebte, wie alle Affen, Pflege- oder Hätschelkinder ungemein, insbesondere aber eine Meerkatze, welche denselben Käfig mit ihm theilte, ihm auch außerhalb desselben anvertraut werden durfte, weil sie stets an seiner Seite, förmlich in seinem Banne war, in seinen Armen schlief und ihm sklavisch gehorchte. Er verlangte solchen Gehorsam und betrachtete ihn als etwas ganz Selbstverständliches; unbedingte Unterwürfigkeit aber forderte er, wenn es sich um die Mahlzeit handelte. Während die gutmüthige und gehorsame Meerkatze widerstandslos geschehen ließ, daß seine Pflegemutter – denn unser Babuin war weiblichen Geschlechts – jeden guten Bissen vorweg nahm, gönnte ihr letztere nur das Allernothwendigste und brach, wenn es dem Pflegekinde doch gelungen war, etwas bei Seite, beziehentlich in die Backentaschen zu bringen, letztere einfach auf, um den Inhalt wieder zu leeren und für sich zu verwenden.
So groß die Anmaßung, so ungemessen die Selbstüberhebung der Hundsaffen sein mag, so gut oder so genau sind sie sich bewußt, Unrecht gethan, eine strafwürdige Handlung verübt zu haben. Hierfür bringt Schomburgk einen äußerst lehrreichen Beleg bei. In der thierkundlichen Abtheilung des Pflanzengartens zu Adelaide lebte in einem Käfig mit zwei jüngeren Artgenossen, diese selbstverständlich beherrschend und beknechtend, ein alter Hutaffe. Durch irgend welchen Zufall gereizt, überfällt derselbe eines Tages plötzlich seinen Wärter und bringt ihm, eine Schlagader des Handgelenks durchbeißend, eine gefährliche Verwundung bei. Schomburgk verurtheilt ihn deßhalb zum Tode und beauftragt einen andern Wärter, das Urtheil mittels Pulver und Blei zu vollstrecken. Die Affen sind an Feuerwaffen, welche vielfach gebraucht werden, um dem Garten schädliche Thiere zu tödten, vollkommen gewöhnt, kennen zwar deren Wirkung, beunruhigen sich aber nicht im Geringsten, wenn sie in ihrer unmittelbaren Nähe gebraucht werden. Auch jetzt, am nächsten Tage nach der Unthat des alten Tyrannen, bleiben die beiden jungen Affen beim Erscheinen des mit der Hinrichtung ihres Genossen betrauten Wärters ruhig am Futtertroge sitzen, der verurtheilte Verbrecher flieht in größter Eile in seinen Schlafkäfig und läßt sich durch keinerlei Lockung bewegen, denselben zu verlassen. Man versucht ihn durch vorgesetztes Futter zu ködern: er sieht, was er vorher nie gethan, seine beiden unterjochten Genossen die leckere Kost verzehren und wagt nicht, am Mahle theilzunehmen. Erst als der verderbendrohende Wärter sich entfernt, schleicht er verstohlen hinzu, nimmt [283] rasch einige Brocken und flüchtet angstvoll in sein sicheres Versteck zurück. Es gelingt endlich, ihn zum zweiten Male herauszulocken, und den Zugang seines Schlupfwinkels von außen zu verschließen. Als er nunmehr den Wärter mit der Todeswaffe wiederum auf den Käfig zuschreiten sieht, erkennt er, daß er verloren ist. Wie wahnsinnig stürzt er sich auf die Thür des Schlafkäfigs, um sie womöglich zu öffnen; als ihm dies nicht gelingt, stürmt er, alle Winkel und Lücken auf die Möglichkeit zum Entfliehen hin untersuchend, durch den ganzen Käfig, und endlich, keine Möglichkeit zur Flucht entdeckend, am ganzen Leibe zitternd und bebend, wirft er sich verzweiflungsvoll auf den Boden und ergiebt sich willenlos in das Schicksal, welches ihn einen Augenblick später ereilt.
Man wird zugestehen müssen, daß kein einziges anderen Ordnungen angehöriges Säugethier, nicht einmal der von uns seit Jahrtausenden behandelte, gelehrte, unterrichtete, streng genommen geschaffene Hund, ähnlich handelt, wie geschildert. Und dennoch liegt immerhin noch eine weite Kluft zwischen den Hunds- und den Menschenaffen, von welch letzteren ich sagte, daß sie bereits über das durchschnittliche Affenthum sich erheben.
Unter dem Rathhause zu Breslau.
Auf dem „Ringe“ zu Breslau ragt das alte Rathhaus, ein ehrwürdiger, stattlicher Bau empor. Spätgothischen Stils bietet es namentlich auf seiner Ostseite große architektonische Schönheiten. Doch nicht diese sind es, welche seit Jahrhunderten Tausende und Abertausende zu dem Sitze der Väter der Stadt Breslau lockten: auf der Südseite des sehenswerthen Gebäudes befindet sich ein breiter und bequemer Eingang zu einer unterirdischen Stätte, welche Niemand durstig zu verlassen braucht und die in Ostdeutschland weit und breit berühmt ist unter dem Namen „Schweidnitzer Keller“. Dieser bildet für Einheimische und Fremde den stets wirksamen Magnet, denn er ist nicht allein, wie man zu sagen pflegt, ein renommirtes Restaurant, sondern eine altersgraue Schenkstätte, die ihre eigene nicht uninteressante Geschichte besitzt.
Schon im Anfang des 14. Jahrhunderts bestand dieser Keller, ursprünglich nur ein Holzbau, in dem, wie die Chronik meldet, ein sehr guter Wein, das Quart zu 28 Heller (15 Pfennig), verabreicht wurde. Obwohl Rathsherren als Verweser des schweren Kellerweins fungirten, so machte doch dem Rebensafte das Bier frühzeitig eine gefährliche Konkurrenz, und als im Jahre 1392 zum ersten Male das damals berühmte „Schweidnitzer Bier“ den Gästen geboten wurde, trug König Gambrinus über seinen Rivalen Bacchus den völligen Sieg davon. Man nannte den Keller von nun an Schweidnitzer Keller, welchen Namen er bis auf heute behielt, obwohl das Schweidnitzer Bier kaum hundert Jahre lang seine Herrschaft behauptete und anderen Sorten, vor Allem aber dem berühmten „Scheps“, dem vielgepriesenen „Malvasier des Schlesiers“, weichen mußte.
Die alten Biersorten verschwanden und wurden vergessen, aber der Keller, der in den Jahren 1429 bis 1481 massiv ausgebaut wurde, blieb in gleichem Ansehen und lieferte schon in frühesten Zeiten seines Bestehens recht ansehnliche Erträgnisse. So bezog die Stadt aus der Verpachtung desselben im Jahre 1477 nach verbürgten Aufzeichnungen nicht weniger als 3390 Dukaten, und in der Zeit von 1707 bis 1712 betrug der Durchschnittsgewinn 6657 Thaler.
Aus früherer Glanzzeit des Kellers stammt auch das Bild, welches wir nach einem alten Kupferstiche (S. 277) wiedergeben und in welchem uns das Leben und Treiben der lustigen Breslauer vor etwa hundert Jahren vor Augen geführt wird. Man achtete im Keller streng auf Sitte, war er doch ein Ehrenplatz des zünftigen Bürgerthums. Hier hielt man beim guten Trunke Morgensprache, hier trieben die Meistersänger ihr Wesen, und hier wurden die Hochzeitstänze gefeiert. Bemerkenswerth war auch die schwarze, der geistlichen Tracht ähnliche Bekleidung der Schenken, welche erst Ende des vorigen Jahrhunderts in Wegfall kam und an deren Stelle wir heute grüne Livréen mit weißen Knöpfen sehen.
Man trank ehedem hier aus zinnernen Kannen und irdenen Krügen, später aus Yegeln, Glasgefäßen von besonderer Form, welche zwei schlesische Quart hielten. Auch sie sind seit 1783 nicht mehr in Gebrauch. Sie wurden durch unschöne, langhalsige Gläser ersetzt, die später wieder von der „bayrischen Kufe“ verdrängt wurden, die sich bis auf den heutigen Tag behauptet hat.
Ein eigenartiges Nebengeschäft blüht seit altersher in einer engen Nische an der linken Seite der Treppe, das der Würstelfrau. Nach einem alten Herkommen verfügt das „Bäckermittel“ über diesen Raum und bezieht dafür einen beträchtlichen Miethzins. Der Absatz der warmen Würstchen an dieser Stelle ist sehr beträchtlich und erreichte schon an manchen Tagen die Höhe von 1000 Stück.
Der originelle Wandschmuck, der sich im Laufe der Zeit in dem Keller häufte, hat sich zum Theil trotz vielfacher Renovationen bis auf unsere Zeit erhalten. Der „große Löffel“, der von der Decke herabhängt, soll von irgend einem Herzoge für einen im Keller empfangenen Löffel Salz geschenkt worden sein; die an der Wand gegenüber dem Eingange hängende zinnerne Filtrirmütze ist eine Gabe, welche die Zinngießer im Jahre 1636 zu Ehren des Schützenkönigs gestiftet haben, und die Holzfigur in der Ecke rechts (vergl. auch Illustration S. 284) stellt einen Auflader aus der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts dar. Bekanntlich thaten sich, wie wir auch in Gustav Freytag’s Roman „Soll und Haben“ erfahren, die Mitglieder der Aufladerzunft durch außerordentliche Körperkraft hervor. Das Original unserer Holzfigur soll eine 4 Centner schwere Kiste dreimal um den Ring getragen und jedesmal vor dem Keller gerufen haben: „Ha, ha! Ich bin schon wieder da!“ Eine andere in einem Glaskästchen aufbewahrte Figur, die „Fetzenpopel“, ist in so fern interessant, als sie uns die Schaubentracht der Leichenbitterinnen aus dem vorigen Jahrhundert wiedergiebt. „Fetzenpopel“ heißt so viel wie eine Person, die sich in Lumpen einhüllt. Ein Pendant zu ihr bildet ihr Zeitgenosse, der Bettler [284] „Bruder Alex“. Ueber diese beiden Breslauer Volksfiguren erzählt man verschiedene Anekdoten. Die Fetzenpopel, Fräulein Johannel oder Fröla Johanndel genannt, soll eine alte Jungfer adliger Abkunft gewesen sein, die wohl in Folge einer Geistesschwäche stets in der sonderbaren Tracht erschien. Ihre Beerdigung fand unter einer außerordentlichen Betheiligung statt. Schon zu ihren Lebzeiten wurde ihr Bildniß durch Holzfiguren verewigt, ja sogar auf Pfefferkuchen aufgedrückt.
Die meisten der Wahrzeichen dienen dem Humor, der in diesen Räumen naturgemäß vorherrscht. So z. B. die hölzerne Hand mit Messer und Gabel, die als Klingelzug benutzt wurde und eine Anspielung aufs „Aufschneiden“ bildet. Ferner eine Wanduhr mit dem Fuchsschwanz, ein Vexirstück, wie solche bei unseren Vorfahren sehr beliebt waren. Versucht man diese Uhr aufzuziehen, so springt hinter dem Zifferblatt ein Fuchsschwanz hervor und schlägt den Aufziehenden ins Gesicht. Gleichzeitig wird eine Klingel in Bewegung gesetzt, welche einen dienstbaren Geist herbeilockt, der ein Tellerchen mit folgenden Versen präsentirt:
„Nun schellt das Glöcklein wie bewußt,
Wie vor, in unserm Keller.
Ein jeder leget uns zur Lust
Hier etwas auf den Teller.
Königliches Breslauisches
Stadt-Keller-Amt,
Renovirt Anno 1722“
Eulenspiegel’s Denkspruch:
„Wer Weiss
Ob's War Ist“
befindet sich ebenfalls auf einer der Tafeln. Darüber hängt ein Bild, eine Vollkugel darauf, welche ein Reiter gar hoffärtig mit dem Degen durchrennen will, während auf der andern Seite ein auf seinen Stab sich stützender, gebückter Wanderer gar demüthig einherschreitet. Das Bild wird durch die Unterschrift wie folgt erklärt:
Unter dem Wanderer lesen wir:
„So wollt es mir nicht glücken,
Wollt ich durch, mußt ich mich bücken,“
und unter dem Reiter:
„So muß man durch die Welt.“
Diese Beispiele dürften genügen, um dem Leser darzuthun, daß im Schweidnitzer Keller ein Stücklein der Sittengeschichte unserer Vorfahren aufbewahrt wird, welche diesen Räumen einen besonderen Reiz verleiht. Kein Wunder also, daß der Keller über Mangel an Gästen niemals zu klagen braucht, daß nicht nur sein Hauptraum, der „Fürstenkeller“, sondern auch alle übrigen Gemächer, denen der Volkswitz besondere Namen beigelegt hat, oft mit Zechern vollgepfropft sind.
„Aber achl“ heißt es im Liede vom „Schweidnitzer Keller“ – „Welch Ueberwinden, – Im Gewühle – Hier ein Plätzchen noch zu finden! – ‚Bauernbucht‘ vollgepfropft, – ‚Schwindlersaal‘ vollgestopft, – Auch die ‚Musikerstube‘ voll, – Das ist toll!“
Immer ging es hier freilich nicht so lebhaft zu. Der Keller hatte auch die Zeit eines bedenklichen Verfalls, bis ihn am 18. Juli 1821 der neue Pächter August Friebe restauriren ließ und dank seiner redlichen Umsicht, wie es im Volksmunde hieß, „zu einer Goldgrube“ gestaltete. Im Jahre 1835 hatte er den Keller auf fünfzig Jahr für einen jährlichen Zins von 400 Thalern gepachtet.
Nach dem am 11. Mai 1861 erfolgten Tode Friebe’s ging der Keller auf seinen Sohn, den späteren Stadtrath Adolf Friebe, über, der aber ebenfalls noch vor Ablauf der Pacht (1881) starb. Adolf Friebe’s Schwester, welche mit dem Kaufmann August Agath verheirathet ist, trat mit dem Erbe der großartigen Friebe’schen Etablissements, Bierbrauerei etc. nunmehr auch in die Fortsetzung der Pacht des Schweidnitzer Kellers ein. Im Jahre 1884 richteten die Friebe’schen Erben, weil mit Ende December 1885 die Pacht ablief, an den Magistrat ein Gesuch um Uebernahme der Pacht auf eine fernere Periode von 18 Jahren und boten freiwillig eine Summe von 45000 Mark für das Jahr, falls kein öffentlicher Bietungstermin ausgeschrieben würde. Mit einer unbedeutenden Stimmenmehrheit lehnte die Stadtverordneten-Versammlung diesen Antrag ab. In Folge dessen wurde der Verpachtstermin auf den 15. September 1884 ausgeschrieben, auf welchem die Firma A. Friebe das Meistgebot von 43300 Mark für das Jahr abgab und den Zuschlag auf weitere 18 Jahre erhielt.
Selbst in der neuen modernen Aera unter Friebe’s Leitung hatte der Schweidnitzer Keller mehrere originelle Typen unter seinen Gästen aufzuweisen. Die harmlosen Menschen, deren einige unser Zeichner in sein Gruppenbild aufgenommen hat, erwecken für weitere Kreise nur geringes Interesse. Den alten Besuchern des Kellers dürfte jedoch eine kurze Erwähnung derselben nicht unwillkommen sein.
Ein ständiger Gast war hier vor Jahren Dr. Nagel, geraume Zeit hindurch eines der populärsten Breslauer Originale. Er war Mediciner, hatte den Russischen Feldzug mitgemacht und besaß seit 1815 eine ausgedehnte ärztliche Praxis. Eine Aquarellskizze von Arigoni aus dem Jahre 1819 zeigt uns Nagel in Frack, Stulpenstiefeln und Cylinderhut mit Kokarde. In der einen Hand trägt er einen Hering, in der anderen einen Krug. Er machte nämlich seine Einkäufe selbst. Häufig begegnete man ihm, mit allerhand Waaren in den Händen und einem Talglicht in dem Knopfloch. In seiner Behausung konnte man ihn auf einer Fußbank sitzend, umgeben von Ziegen, Katzen und Meerschweinchen, „studiren“ sehen. Der Bedauernswerthe beschloß seine Tage im Irrenhause.
Das „Ellenmalchen“ war der Spitzname einer Verkäuferin, welche als Kind von 11 Jahren mit Schwefelfäden hausiren gehen mußte und im Jahre 1874, nachdem sie mit der Zeit ihren Handelskram bedeutend erweitert hatte, das fünfzigjährige Jubiläum ihrer Geschäftsthätigkeit im Schweidnitzer Keller feierte. Einundsechzig Jahre setzte sie in diesen Räumen ihren Handel fort, bis sie in hohem Alter starb. Seit Einführung der neuen Maß- und Gewichtsordnung wurde ihr auch der Name „Metermalchen“ beigelegt. Sie war, wie viele Stammgäste behaupteten, der lebende Beweis für die „gesunde Luft“ des Schweidnitzer Kellers.
Daß Breslaus Musensöhne in dem Keller niemals fehlen, braucht kaum erwähnt zu werden. In ihrem Kreise pflegte auch hin und wieder, mit Jubel begrüßt, der liebenswürdige schlesische Dichter Karl von Holtei zu erscheinen. Er sang und zechte dann, ein Fröhlicher unter Fröhlichen, und es kam ihm nicht darauf an, durch den alten Kellner Wolff mehrere Lagen Bier auffahren zu lassen.
So wechselte und wechseln mit den Geschlechtern auch die Gäste in den Räumen unter dem alten Rathhause zu Breslau. Aber trotz aller Umwandlungen der Neuzeit, trotz der veränderten Sitten blieb der Schweidnitzer Keller bis auf unsere Zeit ein Brennpunkt schlesischer Geselligkeit und unverwüstlicher Gemüthlichkeit, und wird es sicher noch lange Zeit bleiben. Emil König.
[285]
Was will das werden?
(Fortsetzung.)
Schon wiederholt in meinem kurzen Leben war es mir begegnet, daß ich einem unliebsamen Ereigniß, einer bedenklichen Situation mit ängstlicher Spannung entgegen gesehen hatte, und wenn das Ereigniß, die Situation nun wirklich eintraten, sie mich völlig ruhig fanden. Dasselbe war diesmal der Fall gewesen. Als der Kammerdiener die Portière zur Thür vor dem Zimmer hob, in welchem ich den Herzog vermuthen mußte, hatte mein Herz zum Zerspringen geklopft; als die Portière hinter mir leise zusammenrauschte, war es in meiner Seele gewesen, wie wenn sie Oel in die Brandungswellen gießen: kein Herzklopfen mehr, kein Stürmen der Lebensgeister mehr – völlige Fassung und Gleichmuth, ja, der muthvolle Wunsch, es möchte sich nun auch etwas recht Bedeutendes ereignen; und höchstens die gespannte Erwartung, wie dies Bedeutende sich wohl gestalten würde. Wollte es mich doch sogar bedünken, als ob mein Blut in diesem Augenblick ruhiger durch die Adern rollte, als das des Herzogs, der mit einer gewissen nervösen Hastigkeit ein Licht auf dem kleinen Marmortisch neben ihm und an dem Licht eine Cigarre entzündete, aus der er ein paar mächtige Züge that. Die Cigarre war wohl sehr stark; ich konnte einen leichten Hustenreiz nicht unterdrücken.
„Sie rauchen nicht?“ fragte der Herzog – und es waren das die ersten Worte, nachdem wir Platz genommen.
„Nein, Hoheit.“
„Man muß mit dergleichen Stimulis auch warten, bis das Leben im Großen an Reiz zu verlieren beginnt,“ warf der Herzog hin.
Ich empfand es nun doch als eine Art von Frechheit und Uebermuth, daß mir sofort einfiel, genau bei derselben Veranlassung genau denselben Gedanken, nur in etwas cynischerer Form, von dem Kammerherrn gehört zu haben; und daß ich mich fragte, ob dies ein Zufall, oder auf wen von den beiden Herren der Ausspruch wohl, als auf den Autor, zurückzuführen sei. Inzwischen hatte ich, während jetzt der Schein des Lichtes dem Herzog voll in das Gesicht fiel, die Möglichkeit gehabt und benutzt, ihn genauer zu betrachten. Man durfte ihn wohl, obgleich das Haupthaar bereits ein wenig gelichtet und, ebenso wie der starke Vollbart, stark angegraut war, noch immer einen schönen Mann nennen. Nur die etwas vorgeschobene Unterlippe wollte mir nicht gefallen; es lag da etwas Trotziges oder Wildes, das auch mit dem Ausdruck der blauen Augen harmonirte, die ebenfalls früher sehr schön gewesen sein mußten, aber jetzt etwas Hartes und Lebloses hatten, als wären sie aus Glas. Die Gestalt, welche in ein joppenartiges Kleidungsstück, das ein Haus- oder auch ein Jagdrock sein mochte, geknöpft war, ragte mit hoher Brust und breiten Schultern massig von dem Sitz auf; den großen, aber wohlgebildeten Händen sah man an, daß sie eine Büchse oder ein Schwert wohl zu führen wußten. Ich meinte: am liebsten so ein fast mannshohes, deßgleichen ich auf Abbildungen von Landsknechten und Rittern bewundert; wie es mir denn auch durch den Kopf fuhr, daß sich der Mann in voller Rüstung auf schnaubendem Roß gar prächtig ausnehmen müsse.
Die Cigarre war ihm nach den ersten Zügen ausgegangen; er zündete sie sich von neuem an (was der sybaritische Kammerherr nicht gethan haben würde) und sagte:
„Sie haben also eine entschiedene Neigung zum Schauspieler?“
„Ja, Hoheit.“
„Seit wann?“
„Ich muß wohl annehmen, seit immer, Hoheit. Wenigstens habe ich immer die entschiedene Neigung gehabt, mich in irgend eine fremde Gestalt, die mir durch die Lektüre oder sonst interessant geworden war, hinein zu versetzen und, besonders als ich noch ein Knabe war, in einer solchen Rolle zu reden und zu agiren. Daß darin möglicherweise das Talent zu einem Schauspieler stecke, wußte ich freilich nicht und wäre auch wohl schwerlich darauf verfallen, wenn –“
„Der Kammerherr von Trechow – weiß!“ unterbrach mich der Herzog. „Er hat mir selbst seiner Zeit davon geschrieben. Ich würde indessen kaum ein Gewicht darauf gelegt haben – des armen Trechow Infallibilität in diesen Dingen steht auf keinen festeren Füßen, als er selber – nur daß Weißfisch es bestätigt hat, auf den man sich verlassen kann. Wie sind Sie mit ihm zufrieden?“
„Er hat sich die erdenkliche Mühe mit mir gegeben, Hoheit; und seine Schuld ist es nicht, wenn ich noch nicht weiter bin. Dennoch –“
„Nun?“
„Nicht wahr, ich darf gegen Hoheit ganz frei sprechen?“
„Ich bitte sogar darum.“
„Ich wollte sagen, Hoheit: dennoch glaube ich, es war die höchste Zeit, daß ich aus seinen Händen kam. Er ist gewiß in vieler Hinsicht ein vortrefflicher Lehrer; aber seine schauspielerischen Produktionen sind doch nur immerhin treffliche Kopien, so daß meine eigenen Leistungen im besten Falle die Kopie einer Kopie sein könnten, eine Gefahr, der ich zu entgehen hoffe, wenn ich Gelegenheit habe, mich an wirklichen, an originalen Schauspielern weiter zu bilden.“
„Und Sie glauben, daß es heute noch originale Schauspieler giebt? Ich meine, auf der Bühne?“ rief der Herzog, die Asche von seiner Cigarre tupfend.
Ich mochte auf diese Frage wohl ein verdutztes Gesicht gemacht haben; der Herzog wartete auch nicht auf die Antwort, sondern fuhr alsbald fort:
„Im Leben, o ja! das macht uns mehr oder weniger alle zu Komödianten, unter denen man freilich die guten, die originalen, wie Sie sagen, ebenfalls mit der Laterne suchen muß. Wir, die wir das Unglück haben, Fürsten zu sein, wissen ein Wort davon zu sprechen. Welche erbärmlichen Komödien müssen wir uns vorspielen lassen! und was schlimmer ist, in welchen erbärmlichen Komödien sind wir gezwungen, mitzuspielen! Grands dieux! Und dabei ernsthaft bleiben zu müssen, eine feierliche Miene machen zu müssen, während – pah!“
Er schnellte, diesmal mit einer heftigen Handbewegung, die Asche in den Becher und fuhr in ruhigerem Tone fort:
„Aber, um auf die wirklichen Komödianten zurückzukommen, man darf mit den armen Schelmen nicht so streng ins Gericht gehen. Ich habe genug vom Künstler in mir, um zu wissen, daß man in keiner Kunst ohne Modelle, ohne Vorbilder was Rechtes zu Stande bringt. Und da soll nun so ein Herrlein einen Fürsten darstellen und hat nie einen Fürsten aus der Nähe gesehen, geschweige denn einen längere Zeit in seinem Thun und Gebahren beobachten und studiren können. Oder ein Anderer einen reichen Banquier und hat nie fünfzig Thaler in seinem Vermögen gehabt; oder einen Roué und Gourmé wie unsern lieben Trechow, und lebt ehrbar von Kartoffeln und Rindfleisch in einer Hofwohnung drei Treppen hoch. Und steht es mit unseren Schriftstellern denn besser? Ich lese gern Romane, aber durch welche Schiefheiten, Albernheiten, Absurditäten muß man sich da durcharbeiten, die alle daraus entstanden sind, daß die Herren das Leben, das sie schildern wollen, kaum vom Hörensagen, geschweige denn durch Autopsie kennen. Da“ – er deutete auf den Schreibtisch – „liegt ein ganz neuer von – nun, ich will den Namen nicht nennen. Die Geschichte spielt zum Theil an einem Fürstenhofe. Aber welche Fratzen macht der Mann aus dem Fürsten, der Fürstin! welche Karikaturen aus den Herren und Damen vom Hofe! Es ist nicht zu glauben. Um so weniger, als der Mann doch wirklich einen und den andern Blick in diese Kreise geworfen, mehr als das: Tage, vielleicht Wochen in dieser Sphäre zugebracht hat. Da, auf dem Platze, wo Sie sitzen, hat er gesessen, mehr als einmal; ich habe ihm meine Ansichten über eine lange Reihe der wichtigsten Dinge mitgetheilt, und doch! als ob er nie aus seinem Studirzimmer, aus seiner gelehrten und litterarischen Gesellschaft heraus gekommen wäre!“
Die widerspenstige Cigarre wollte durchaus nicht brennen; der Herzog stieß sie, wie zur Strafe, kräftig mit der verkohlten Spitze in den Becher und zündete sich eine neue an. Ich dachte [286] nach über das, was er gesagt. Es schien mir Alles sehr treffend; nur hielt ich es nicht für unmöglich, daß, wenn jener Schriftsteller die hohen Herrschaften falsch geschildert habe, trotzdem er sie kennen gelernt, der absolute Werth der Autopsie doch wohl fraglich sei, und es noch auf etwas Anderes ankommen müsse, das auch ohne Autopsie seine Geltung habe. Aber der Gedanke war mir im Momente nicht so klar, daß ich ihn auszusprechen gewagt hätte; überdies hatte der hohe Herr seine Rede wieder aufgenommen:
„Das ist denn freilich so recht deutsch,“ sagte er, „der rechte deutsche Ur- und Grundfehler. Sie glauben Alles aus der Theorie heraus schaffen, Alles aus der Tiefe des Gemüthes, wie Hegel sagt – (Heine, verbesserte ich im Stillen) – konstruiren zu können: Dramen, Romane, Verfassungen, Revolutionen – Alles! Und das ist der Grund, warum sie in Allem hinter den praktischen Nationen zurückstehen; warum die Franzosen ihre Bühne beherrschen, die englischen Blaustrümpfe ihren Büchermarkt; warum die Verfassungen, die sie aushecken, regelmäßig Stückwerk sind, und ihre Revolutionen ebenso regelmäßig mißglücken. Nehmen wir die Bauernkriege! Unser deutscher Bauer des Anfangs des sechzehnten Jahrhunderts war schon ein konfuser Theoretiker und glaubte wunder wie revolutionär zu sein, während er im Grunde nichts als die bare Reaktion trieb. Lassalle – übrigens auch sonst ein profunder Kopf, dessen leider sehr zerstreute Schriften ich Ihrem Studium dringend empfehle – hat es aufs Schlagendste nachgewiesen. Ich selbst hatte übrigens dieselben Ideen lange vor ihm gehabt und sie wiederholt meinen politischen Freunden mitgetheilt; es ist mehr als möglich, daß Lassalle sie von einem derselben gelegentlich gehört und eben nur verarbeitet hat. Ich bin ihm deßhalb nicht bös gewesen – im Gegentheil. Ich muß den Leuten sogar dankbar sein, die meine Ideen auf diese Weise popularisiren – ich kann mich zu Allem nicht auch noch auf den politischen Autor hinausspielen wollen. Findet man doch ohnedies schon, daß ich zu vielgeschäftig bin. Jawohl! Bei den Deutschen ist man immer zu vielgeschäftig, wenn man nicht, wie die Menge, die Hände in den Schoß legt und den lieben Gott einen guten Mann sein läßt. Nur daß der liebe Gott dann, so zu sagen, auch die Hände in den Schoß legt und den Menschen die Verantwortung für ihr Thun und Lassen zurückschiebt; den Deutschen also für ihr Lassen – für ihr laissez aller! und das faire dann in die Hände von Leuten kommt, die es derartig besorgen, daß man sich über das Alles nicht wundern - sich nur wundern kann, daß es nicht noch schlechter, noch miserabler geht. Ich will keine Namen nennen; aber wenn ich denke, daß ein gewisser Jemand berufen sein soll, was die Nation seit Jahrhunderten erstrebte, für sich allein durchzuführen, die Früchte tausendköpfiger Arbeit für sich allein einzuheimsen, bloß, weil die Nation nicht aus ihrem Schlendrian zu bringen war und achtundvierzig die rechte Zeit versäumte, wie sie sie noch immer versäumt hat - ah!“
Die neue Cigarre war längst ausgegangen und wurde abgestraft wie die erste. Dabei waren dem Leidenschaftlichen die Adern auf der breiten Stirn angeschwollen, die starke Unterlippe war wie in zorniger Verachtung weit vorgeschoben, die mächtigen Hände, die sich jetzt mit einer dritten Cigarre beschäftigten, bebten, und ich dachte schaudernd gewisser Sonette, die in den letzten Tagen meines Schullebens eine so verhängnißvolle Rolle spielten. Indessen hatte ich die beruhigende Empfindung, daß der hohe Herr (was ich auch sehr begreiflich fand) nicht sowohl für mich spreche, sondern, um zu sprechen, um sich Luft zu machen, und meine Zuhörerschaft eigentlich rein zufällig sei. Darüber aber sollte ich sofort eines Anderen belehrt werden.
„Sie denken natürlich über den gewissen Jemand, den ich nicht nennen will, sehr verschieden von mir,“ sagte er plötzlich, die harten blauen Augen zum ersten Male seit längerer Zeit wieder fest auf mich richtend.
Mir fing das Herz an zu schlagen. Sollte dies der Anfang eines Examens über meine politischen Ueberzeugungen sein? und wie würde ich in demselben vor dem hohen Herrn bestehen, der vielleicht dafür hielt, daß, was sich für einen Herzog wohl schicke, für einen Gelbschnabel, wie ich, höchst unschicklich sei? Nun, wie es werden mochte: ich war entschlossen, die Wahrheit zu sagen, und so räumte ich denn vor der Hand ehrlich ein, daß ich eine allerdings nur kurze Zeit lang für den gewissen Jemand geschwärmt habe, und daß, obgleich meine politischen Ueberzeugungen, wenn ich von denselben sprechen dürfe, nach einer ganz anderen Richtung gingen, ich doch die Genialität des Mannes und seine ungeheuren Verdienste um unser Volk willig anerkenne.
„Sie sagen mir da nichts Neues,“ erwiderte der Herzog. „Man hört das jetzt ja aller Orten, zumal von Euch jungen Leuten. Nun, wenn ich das Glück hätte, noch jung zu sein - man kann nicht jedes Glück zugleich haben: das der Jugend und der Einsicht, welche eben nur die Jahre und die Erfahrung bringen, wenn die Einsicht anders ein Glück ist und nicht vielmehr Schiller Recht hat, der das Wissen den Tod nennt. Ach, wie oft habe ich den Tod im Herzen gehabt in jenem Jahre des Sublime au Ridicule, des Heils und Unheils, der Weisheit und des Blödsinns - dem Jahre achtzehnhundertachtundvierzig! Und noch jetzt raubt mir das Gedenken daran den Schlaf der Nacht und tritt zu mir, trauervoll und vorwurfsvoll, mitten in den Geschäften des Tages. Gedenken zu müssen, daß des Volkes sehnlichstes Verlangen hätte gestillt werden können - schon damals, und in unendlich reicherem Maße als heut zu Tage! Daß die deutsche Macht und Herrlichkeit, des Vaterlandes Größe und Glück, wie es an der Wand der Paulskirche zu lesen war, reif stand wie ein wogendes Aehrenfeld, welches nur des Schnitters harrt, des starken Mannes, der auch die Garben gebunden und in der sicheren Scheuer geborgen hätte, dort die goldenen Körner zu gewinnen zur sättigenden Speise für die Gegenwart und fröhlichen Aussaat für die kommenden Zeiten! Und dieser Mann vorhanden war, man seine Hand nur zu ergreifen brauchte, die er den Suchenden weit entgegenstreckte! Und sie ihn doch nicht fanden, an ihm vorbeigingen, das Scepter drücken wollten in die schlaffe Hand Eines, der keines verstand von den Zeichen seiner Zeit, des romantischen Träumers! - Und nun selbst so weiter geträumt haben, bis Einer kam, der - nun ja: der allerdings kein Träumer ist! Das will ich ihm zugeben, aber auch weiter nichts; am wenigsten Genialität, die ihm alle Welt beimißt, auch Sie zu meiner Verwunderung, der Sie doch ein Künstler sind. Vielleicht sollte man von Genialität nur bei Künstlern sprechen; jedenfalls nicht bei Einem, der so wenig universell ist, daß er von Kunst auch nicht die leiseste Ahnung hat. Damit allein wäre er in meinen Augen schon gerichtet, auch wenn ich nicht tausend andere Gründe hätte. Der Regenerator des Volkes der Denker und der Dichter – ein Perikles müßte das sein; nun und nimmermehr ein amusischer Mensch. Genialität! So nenne man mir doch nur eine einzige Idee, von der man sagen könnte, sie sei aus dieses Menschen Kopf entsprungen! Wer hat denn die deutsche Einheit nicht gewollt? Stand auf dem Programm der Kleindeutschen nicht der Ausschluß Oesterreichs aus Deutschland? Auf dem des Nationalvereines die Hegemonie Preußens? Hat er nicht seine Ideen eine nach der anderen zusammengetragen von Justus Möser bis auf Lassalle? Von dem nicht zum wenigsten, beim Himmel! Die ganze Theorie von Blut und Eisen, die ganze Lehre von den sogenannten Rechtsfragen, die im Grunde Machtfragen sind - Alles, Alles können Sie bei Lassalle lesen in schönster, klarster, überzeugendster Auseinandersetzung. Ueberhaupt starb ihm der Mann sehr gelegen, der hätte ihm noch böse Nüsse zu knacken gegeben. Der genirte sich auch nicht und nahm die Mittel zu seinen Zwecken, woher er sie kriegen konnte. Und seine Zwecke waren die größten, die sich denken lassen, und die Jeder gelten lassen muß, er sei denn von dem Geiste seiner – unserer Zeit gänzlich verlassen: die Emancipation, die Vermenschlichung des vierten Standes, die Uebersetzung der papierenen Menschenrechte von 1789 in die Wirklichkeit des neunzehnten Jahrhunderts - mit einem Worte: die Zwecke und Ziele der Socialdemokratie, die ein Popanz ist, Kinder damit zu schrecken, wenn man sie nicht versteht, und die Heilslehre für alle Schäden dieser kranken Zeit, wenn man sie versteht. Aber es ist halb zehn, und ich muß Sie wegschicken.“
Ich erschrak; die Wendung war so plötzlich, hatte mich so jäh aus der wogenden Fluth der Gedanken gerissen, die des Mannes Rede in mir entfesselt. Denn wahrlich, ich hatte völlig vergessen, daß es ein Fürst war, der da in überquellender Empfindung, in Worten, die mir mit Lavagluth getränkt schienen, nur daß sie dahinstürtzten wie ein brausender Wildbach, so gesprochen. Ob für sich oder mich, was lag mir daran? Und nun sollte ich wieder den Fürsten in ihm sehen, der für mich doch eben nur ein Mann war. Vom Wirbel bis zur Sohle, jeder Zoll ein Mann, wie er da vor mir, der ich mich mit ihm erhoben, stand in [287] herrlicher Kraft, hoch aufgerichtet das Haupt, in welchem so jugendfrische Gedanken flammten, während über den dünneren Scheitel schon der Rauhreif des Alters gezogen war!
Es ist nie schwer gewesen, mir meine Empfindungen vom Gesicht abzulesen; es mag in dieser Minute besonders leicht gewesen sein. Ich wollte etwas sagen, aber es kam kein Wort über die zuckenden Lippe. Ich wollte mich dankend auf seine Hand neigen, die er mir gereicht hatte, vermochte es aber nicht und blieb so in hilfloser Verlegenheit, die ihren Gipfel erreichte, als ich nun doch meine Hand zurückziehen wollte und sie von der seinen festgehalten fühlte – ein paar Sekunden lang, während sein Blick mit einem Ausdruck, der mich, ich wußte nicht warum, bis in das Mark durchschauerte, auf mir ruhte.
Dann fühlte ich meine Hand losgelassen, und wir waren aus der Nische in das Zimmer getreten. Ich hatte mich nun wenigstens so weit gefaßt, daß ich mich verbeugen und etwas von „den weiteren Befehlen Seiner Hoheit“ stammeln konnte, wie ich es vorhin von Weißfisch gehört.
Er schien einen Moment nachzusinnen, dann sagte er rasch und in einem ganz anderen Tone, als in welchem er vorhin gesprochen:
„Sie werden morgen das Nähere hören; für heute gute Nacht!“
Ich verbeugte mich abermals und ging nach der Thür.
„Noch Eines!“
Ich wandte mich; er stand bereits wieder am Schreibtisch und sagte das Folgende halb über die Schulter:
„Weißfisch hört von morgen an auf, Ihr Lehrer zu sein, wie Sie es vorhin wünschten. Den weiteren Gang Ihrer Studien werde ich selbst anordnen. Hoffentlich werden Sie Vertrauen zu mir, und ich denke, ich werde Freude an Ihnen haben. Jedenfalls will ich Sie in meiner Nähe wissen. Alles Weitere, wie gesagt, bis auf morgen. Gute Nacht!“
Ich stand in dem Vorsaal, mir das Haar aus der glühenden Stirn streichend, verwundert auf den Mann in Kniehosen blickend, der sich wiederholt vor mir verbeugte, und auf Weißfisch, der mich ganz verklärt anlächelte, ich wußte nicht warum. Dann begriff ich, daß der Mann in Kniehosen mir das Geleit bis zur nächsten Thür geben wollte, und stürzte nun davon so schnell, daß Weißfisch Mühe hatte, mir zu folgen.
Ich erinnere mich auch nicht, wie ich durch die Gemächer, Säle und Korridore in mein Zimmer zurückgekommen bin, wo ein Tischchen für mich gedeckt stand zu einem Nachtimbiß, bei welchem mir der eine Diener aufwartete. Ich hatte bis jetzt meine Mahlzeiten noch immer mit Weißfisch gemeinsam eingenommen und mich gewundert, daß nur für mich allein gedeckt war; Weißfisch aber, als ich darüber eine Bemerkang machen wollte, bat mich, einen bedeutsamen Blick nach dem Diener werfend, mit ein paar leisen Worten, es so geschehen zu lassen; worauf er mir mit zur Schau getragener Höflichkeit eine gute Nacht wünschte und sich entfernte. Ich wußte nicht, was ich von dem Allen denken sollte, und hätte gern Jemand gehabt, gegen den ich mein volles Herz ausschütten konnte. Dann war es mir doch wieder recht, daß ich allein war und bei einer Flasche herrlichen Weines weiter brüten und schwärmen durfte. Zuletzt stand ich noch lange am offenen Fenster, schaute auf die Stadt hinab, in deren Häusern ein Licht nach dem andern erlosch, wunderliche Träume träumend, lange bevor ich in dem Nebengemach das seidne Bett unter dem hohen Baldachin aufsuchte.
Ich war ja nur ein armer Bursch, der kein Heim hatte, keine verwandte Seele in der weiten Welt sein nennen durfte. Aber wenn ich mir an diesem Abend wie ein Prinz vorkam, der in sein väterlich Schloß zurückgekehrt ist nach langer kümmerlicher Wanderschaft in der Fremde, wer hätte es mir verargen können?
Ich hatte mich in meine prinzliche Herrlichkeit so hineingeträumt, daß ich, am nächsten Morgen erwachend, vor dem Lichtschein, welcher durch die heruntergelassenen Fenstervorhänge in das Zimmer fiel, die Augen unwillig schloß, um mich in dem seidenen Bette so behaglich weiter zu dehnen, als sei dies selbstverständliche Wirklichkeit, und ein gewisses schmales Lager auf einer harten verlegenen Seegrasmatratze in einem gewissen kleinen Hofstübchen, in das die Sonne im Hochsommer einmal ein paar letzte verlorene rothe Strahlen schickte – durch ein viereckiges, gardinenloses Fenster, vor dem ein halbkahler Kornelkirschbaum stand –, das sei ein halb verschollener Traum, den ich mit Fug nun ganz vergessen könne.
Ein leises Räuspern in meiner Nähe ließ mich die Augen wieder aufschlagen. Vor meinem Bett stand ein rundlicher kleiner Herr in weißer Kravatte mit einem Zettelchen in der Hand. Der Herr räusperte sich noch einmal, vermuthlich, um sich zu überzeugen, daß ich wirklich wache, verbeugte sich und theilte mir, flüchtig auf das Zettelchea blickend, in geschäftsmäßigem Tone mit, daß ich zu neun Uhr zum Frühstück bei Hoheit befohlen sei, Hoheit mich aber vorher ein paar Minuten in seinem Kabinet sprechen wolle. Anzug: Promenadenanzug. Für den übrigen Theil des Tages lägen keine Befehle vor, da Hoheit um zehn Uhr zu einem Jagdausfluge nach X. aufbrächen, von wo sie erst morgen Abend zurückkommen würden.
Hierauf abermalige Verbeugung, und der räthselhafte rundliche Herr war verschwunden.
Es sei der Oberhoffurier gewesen, belehrte mich mein Diener (so mußte ich ihn ja jetzt wohl nennen), der dann plötzlich an Stelle jenes im Zimmer war und die Vorhänge an den Fenstern zurückschlug; und was der Herr Hoffurier mir mitgetheilt, sei das „Programm des Tages" – für mich; es werde jedem der Herren Kavaliere, so weit ihre Obliegenheiten nicht schon anderweitig bestimmt seien, und den Gästen Seiner Hoheit jeden Morgen vor dem Frühstück ein solches Programm mitgetheilt. Es müsse bei Hofe eben Alles nach dem Schnürchen gehen, fügte der Mann mit respektvollem Lächeln hinzu, als wolle er um Verzeihung bitten, daß er sich die Freiheit dieser Aeußerung gestatte.
Der Mann entsprach seinem Namen: – „Holzbock, zu Befehl!“ hatte er auf mein Befragen geantwortet – ganz und gar nicht. Ich hatte nach zehn Minuten, während deren er mir trotz meines gelinden Sträubens beim Ankleiden half und die Sachen aus dem Koffer in die Kommoden packte und in die Schränke hing, das Gefühl, als ob er schon ebenso viele Jahre um mich gewesen sei: so ruhig zweckmäßig war sein Hantieren, so kaum bemerklich sein Kommen und Gehen, so verständig-ausgiebig bei aller gemessenen Knappheit sein Antworten auf mein mancherlei Fragen, unter anderem nach der Ursache eines überstarken Parfums in den Zimmern, welches ich bereits gestern Abend bemerkt und nur in meiner Erregung weniger beachtet hatte, das aber heute Morgen meine erfrischten Sinne empfindlich belästigte.
„Es haben schon mehrere Herrschaften darüber geklagt,“ erwiederte Holzbock; „es muß einmal einer von den Herren ein Patschuli-Flakon zerbrochen haben. Wir können es nicht herausbringen. Uebrigens haben sich alle Herrschaften bald daran gewöhnt,“ schloß er, wie zu meiner Ermuthigung oder Belehrung, mit seinem respektvollen Lächeln.
Die Zeit, wo ich mich zum Herzog zu begeben hatte, war schneller, als ich dachte, herangekommen, glücklicherweise führte mich Holzbock diesmal nicht den langen Weg von gestern Abend durch das Schloß, sondern einen viel kürzern über den Schloßhof und eine Hintertreppe hinauf unmittelbar in das Vorzimmer zu demselben Gemach, in welchem mich der Herzog gestern Abend empfangen hatte und in das ich jetzt ohne Weiteres – der Mann in den Kniehosen war heute nicht zugegen – einzutreten von Holzbock bedeutet wurde. Wenn Hoheit noch nicht drinnen sein sollte, so werde er doch alsbald kommen.
Der Herzog war noch nicht drinnen, und so durfte ich mich denn mit einiger Muße in dem Gemach umschauen. Es war doch bedeutend geräumiger, als es mir gestern Abend in dem Lampen- und Kerzenlicht erschienen war: dunkle Tapeten, ein schwärzliches Eichenholzpannel welches bis fast zur Hälfte der Wandhöhe reichte, mehrere braune Schränke, zwischen und über denen angebräunte Bilder in mächtigen Goldrahmen hingen und hier und da eine Marmorbüste, auch wohl eine ganze Figur in halber Größe auf Konsolen und Postamenten placirt waren. Die hohe Stuckdecke hatte in den vier Ecken Medaillons mit Jagdemblemen; auf dem großen Oval in der Mitte trieb eine speerschwingende, von ebenfalls speerschwingenden Nymphen begleitete Diana einen Hirsch vor sich her, an welchem die Hunde emporsprangen. Auf den Tischen und Börten standen so viel Kunst- und andere Gegenstände, dergleichen mein Auge, auch in den Prunkgemächern von Nonnendorf, nie beisammen gesehen, wie denn auch sonst die kostbarste [288] Ausstattung dort mit dieser hier den Vergleich nicht aushielt. Ich hätte glauben können, in einem mir völlig fremden Raume zu sein, nur daß mich die Nische mit dem Sopha und dem Marmortischchen davor, auf welchem wieder das Ebenholzkästchen mit den widerspenstigen Cigarren, der große silberne Aschbecher und der silberne Leuchter mit der rothen Kerze standen, an gestern Abend erinnerte und den seltsamen Mann, welcher der Besitzer all dieser Herrlichkeiten und ein Herzog war und für Socialdemokratie schwärmte.
Ich hörte ein Geräusch hinter mir. Als ich mich umwandte, trat er eben durch eine schmale Tapetenthür, welche ich vorher nicht bemerkt hatte, im Jagdkostüm: geschmeidigen Stiefeln aus braunem Leder, die ihm bis zur Mitte der kräftigen Schenkel reichten, und brauner Joppe – ritterlicher noch als gestern, aber um mehrere Jahre älter, wie mir schien, und mit etwas wie einer Wolke auf der breiten Stirn und über den Augen, deren gläserne Härte ebenfalls stumpfer war als gestern im Lampenlicht. Dennoch lächelte er, als er mir die Hand reichte und mich fragte, wie ich geschlafen habe?
„Im Volksmunde, Hoheit, sagt man: wie ein Prinz,“ erwiderte ich.
Ich weiß nicht, ob die Antwort nicht förmlich genug war; es ging wie ein Zucken über sein Gesicht, und aus den gläsernen Augen schoß es wie ein Blitz. Im nächsten Moment lächelte er bereits wieder und sagte:
„Nun, zu einem Prinzen kann ich Sie freilich nicht machen; aber doch zu etwas Rechtem, und das vielleicht besser ist. Ich wollte heute Morgen ausführlich mit Ihnen sprechen - ich hatte zu viel Anderes zu erledigen. Nur so viel: bis ich mich entschieden habe, bleibt das Theater in suspenso, und ich bitte Sie, über Ihre schauspielerischen Aspiratronen mit Niemand zu sprechen; hören Sie wohl: mit Niemand, außer mit Frau von Trümmnau, einer Dame, die, wenigstens vorübergehend, zu meinem Hofe gehört und der Sie noch im Laufe des Tages werden vorgestellt werden. Ich habe mit der Dame, die mein volles Vertrauen genießt, über Sie kommunicirt. Sie dürfen annehmen, daß, was sie Ihnen sagen wird, von mir selbst gesagt ist. Außerdem werde ich Sie jetzt beim Frühstück mit Baron von Renten bekannt machen, einem meiner Kavaliere, der hernach mit Ihnen einige Visiten, unter anderen bei Frau von Trümmnau, machen, Sie überhaupt ein wenig auf dem Ihnen fremden Terrain orientiren soll. Sie werden einen charmanten Mann an ihm finden; und ich wünsche, daß Sie ihm Ihr Vertrauen in dem vollen Maße schenken, in welchem er es verdient. Kommen Sie!“
Er schritt mir voran durch eine Thür auf der anderen Seite in den Raum nebenan, in welchem ein runder Tisch mit drei Kouverts gedeckt war. Ein Herr von etwa fünfundzwanzig Jahren, dessen kleiner runder Kopf mit einer üppigen Fülle kurz geschorner blonder Löckchen, wie mit einer Perrücke, bedeckt war, und aus dessen rundem rosigen Gesicht ein paar runde blaue, etwas hervorstehende Augen gar freundlich blickten, trat, sich tief verbeugend, an den Herzog heran, der ihm die Hand reichte und mit halber Wendung zu mir sagte: „Herr Baron von Renten! – Dies, lieber Renten, ist mein junger Protégé, über den ich mit Ihnen gesprochen habe und den Sie ein wenig unter die Flügel nehmen werden: Herr Lothar Franc.“
„Es wird mir eine Freude und eine Ehre sein,“ sagte Herr von Renten, mir die Hand reichend.
Ich verbeugte mich stumm und verlegen, denn ich fühlte, daß mir die helle Gluth in das Gesicht geschlagen war, als der Herzog mich nicht mit dem Namen des Vaters, sondern meiner Mutter vorstellte. Hatte ihm Weißfisch nur diesen Namen angegeben, oder die beiden Namen? und war es im letzten Falle von seiner Seite eine Verwechselung, oder war es Absicht? Durfte ich den mir lieben Namen des Vaters, mit dem ich bis jetzt noch von Jedermann genannt worden war, reklamiren? Mußte ich den andern, der so bittere Gefühle in mir wach rief, nachdem er einmal von den Lippen des Herzogs gekommen, als etwas Unvermeidliches hinnehmen?
Natürlich entschied ich mich für das Letztere, aber über den bangen Zweifeln war mir mein bischen Sicherheit und Unbefangenheit völlig verloren gegangen, zumal mir auch heute der Herzog viel mehr Herzog schien, als gestern: nicht mehr der warmherzige, geistreich-gesprächige Mann, sondern der souveräne Herr, der sich, trotz aller Höflichkeit und seinem: bitte unterthänigst, lieber Renten, die Sache verhält sich so und so – der unermeßlichen Kluft zwischen ihm und seiner Umgebung in jedem Momente bewußt blieb und es ganz gewiß auf der Stelle streng geahndet hätte, wäre es Jemand beigekommen, seinerseits die Kluft zu übersehen. Ja, wenn ich jetzt beobachten mußte, mit welcher Vorsicht Herr von Renten sich im Gespräch bewegte, wie klüglich er seine Worte setzte, wie sehr er sich jeden Augenblick bereit zeigte, eine Behauptung zu modificiren oder ganz zurückzuziehen, sobald er merkte, daß sein Gebieter anderer Ansicht war, und der Keckheit dachte, mit der ich gestern Abend dem hohen Herrn gegenüber getreten war und mit ihm gesprochen hatte, durfte mir wohl der bekannte Reiter über den Bodensee in warnende Erinnerung kommen.
So saß ich stumm da, während die Diener in schier lautloser Geschäftigkeit die Speisen servirten und der Kavalier dem Herzog, der sich zuerst über verschiedene Jagd-Themata erging, bescheiden und geschickt sekundirte. Dann war, ich weiß nicht wie, das Gespräch auf den Krieg gerathen, in welchen Herr von Renten den Herzog begleitet hatte, und plötzlich wurde in irgend einem Zusammenhang der Major von Vogtritz genannt. – „Ein tüchtiger Officier und guter Generalstäbler,“ sagte der Herzog, „bei dem es nur schade um die romantischen Velleitäten ist, mit denen er sich und anderen Leuten das Leben sauer macht. Mir ist das ein Gräuel. Diese Deutschthümelei, in welcher der gute Vogtritz schwelgt, ist doch nur ein Chauvinismus ad usum Germanorum. Sie hat sich nach den Freiheitskriegen breit gemacht und wird sich jetzt wieder breit machen. Damals brachte sie das ungeschorene Teutschthum mit den umgeklappten Hemdkragen auf die Bahn, die dann selbstverständlich in die öde Reaktion der zwanziger und dreißiger Jahre ausmünden mußte. Welche Formen sie heute annehmen wird – nun, man braucht gerade kein Prophet zu sein, um das vorauszusehen. Jedenfalls werden sie alle mit dem Kachet eines gewissen Jemand gezeichnet sein. Nationalitätsprincip! Nun ja, das ist eine schöne Sache, eben so wie, daß jeder Mensch seine eigene Nase im Gesicht hat; aber wenn kein Mensch über seine eigene wohllöbliche Nasenspitze hinauszublicken vermag, so ist das ein schlimmes Ding, denn die nothwendige Folge ist, daß sie fortwährend an einander rennen und sich blutige Köpfe holen. – ,Bohrt Ihr mir einen Esel? – Ich bohre einen Esel!‘ – und der Skandal ist fertig, mag Verona darüber zu Grunde gehen. Nun vielleicht, daß Europa diesen Nationalitätsschwindel durchmachen muß, den Louis Napoleon, mein sehr würdiger Freund, wenn nicht erfunden, doch in die Mode gebracht hat. Er war ja immer der Hecht im Karpfenteich und der stets verneinende Geist, der doch am Ende das Gute schaffen, zum wenigsten schaffen helfen mußte. Es ist damit wie mit den Kinderkrankheiten. Sie sind an sich nicht gut, aber wer sie gründlich absolvirte, hat die Anwartschaft auf ein gesundes Mannesalter. Das Nationalitätsprincip ist und bleibt in meinen Augen Schaukelpferdreiterei, das nicht aus der Stelle bringt. Vielleicht lernt aber der dumme kleine Kerl dabei auf einem wirklichen Pferde sitzen, das denn freilich etwas schwerer zu regieren ist: Lassalle’sche Arbeiterbataillone lassen sich nicht so leicht drillen wie pommersche Rekruten. Aber, Ihr Herren, ich rede mich hier fest, und der Zug wartet schon auf mich. Gesegnete Mahlzeit! Amüsiren sich die Herren besser, als ich es jedenfalls thun werde!“
Er hatte Jedem von uns die Hand gereicht und, mächtig in seinen hohen Jagdstiefeln ausschreitend, das Gemach verlassen.
„Ist er nicht bewunderungswürdig?“ sagte Herr von Renten mit einem starren Blicke der blauen Puppenaugen auf die Thür, durch welche der Herzog verschwunden war. „Und Alles aus dem Handgelenk! Be-wun-derungswürdig!“
Ich blieb stumm, nicht sowohl der Diener wegen, in deren Gegenwart mir dieses Rühmen des Gebieters nicht ganz schicklich schien, sondern weil mir im Geiste nachging, was er von dem Major von Vogtritz gesagt hatte. Romantische Velleitäten! Deutschthümelei! – Reaktion! War’s das? der Schatten, der mir von Anfang an auf dem theuren Bilde gelegen hatte; der in der Zeit meiner Kriegsbegeisterung wohl verbleicht und doch nicht ganz geschwunden und seitdem wieder stärker und dunkler hervorgetreten war? Ich hatte es einen Verrath gescholten, den ich an meinem Ideale beging. Wie aber, wenn die Liebe zu diesem Ideale der wahre Verrath, der Verrath an meinem wirklichen Ideale war? Ich konnte es nicht herausbringen.
[289]
[290] Und brachte es auch nicht heraus in den Stunden, die ich nun mit meinem neuen Mentor verlebte, und der freilich, wie ich bald merkte, der letzte Mensch war, mit dem ich dieses oder irgend ein anderes Problem nur hätte berühren können – von einer Verhandlung mit Aussicht auf eine glückliche Lösung unter seinen Auspicien gar nicht zu reden. Denn er selbst redete nur „Chiffons“ – ein Ausdruck, den ich damals freilich nicht kannte, während ich die Sache selbst durch ihn an diesem Tage kennen lernte.
Noch heute „das geheimnißvolle Grab“.
Ehe wir zur Hauptperson des Geheimnisses, zur Gräfin, übergehen, wollen wir uns mit dem gesammten Dienstpersonal genauer bekannt machen.
Obenan steht hier der schon mehrgenannte Kammerdiener, den der Graf nach dessen Tod als „Philipp Squarre, 73 Jahre alt, ledig, aus der Schweiz“ bezeichnete, obwohl er im Kirchenbuch zu Eishausen als „Johann Philipp Schorr“ eingetragen steht und aus den Niederlanden stammen sollte. Nicht einmal seine Kinder konnten das Wahre seiner Abkunft erfahren. Auch hier zwei Namen und ein Geheimniß. Er war ein großer, breitschulteriger Mann mit vollem Gesicht und schneeweißem Haar, immer ernst, abgemessen und wortkarg gegen Jedermann. Trotz alledem steht er bei den Bauern in besonderer Achtung, nicht bloß, weil er allezeit in voller reichbetreßter Livrée einherging, sondern weil er – offenbar vom Grafen dazu veranlaßt und belehrt – häufig auf Witterungswechsel aufmerksam machte, was dem Landbau manchmal zum Nutzen gedieh. Weß Glaubens er war, wußte man nicht, doch besitzt seine Tochter als Andenken von ihm noch ein Krucifix. Er besuchte regelmäßig die Dorfkirche; der Graf liebte das und versorgte jeden seiner Dienstboten mit dem dort üblichen Kirchenstrauß; so oft wie möglich bestand derselbe aus Rosen, die er mit kölnischem Wasser besprengte. Trotz der jahrelangen Treue, die den verschwiegenen Diener an den Grafen band, war er doch im Gewissen so schwer bedrückt, daß er zu wiederholten Malen den Pfarrer Kühner dringend und flehend bat, ihm eine geheime Beichte abzunehmen, von welcher jedoch der Graf nichts erfahren dürfe. Der protestantische Geistliche schlug dies Ansinnen einer Ohrenbeichte um so bestimmter ab, als er mit dem Grafen in der engsten, aber wunderlichsten geistigen Verbindung stand. Der Gewissensdruck scheint dem alten Mann endlich unerträglich geworden zu sein, so daß er, einmal von einer Laune des Grafen verletzt, entschlossen war, sich von der Last zu befreien; bald aber ging er wieder in sich und sprach den Entschluß aus, nunmehr, da er seine jungen Jahre beim Grafen verbracht, auch bis ans Ende auszuharren. Als er aber auf dem Sterbebette lag, regte sich die Gewissensangst von Neuem, und er bat dringend, daß der Geistliche geholt werde – aber der Graf verbot dies und überließ den armen Greis seinem schweren Ende. Er starb am 6. April 1817 früh ein Uhr und wurde am 8. April so still begraben, daß sein Tod kaum ruchbar geworden zu sein scheint, denn die Postämter von Hildburghausen und Koburg, welche viele Sendungen, von denen die meisten offenbar für den Grafen bestimmt waren, an Philipp Squarre besorgt hatten, ließen noch zwanzig Jahre lang Briefe und Packete an die Adresse des Todten nach Eishausen abgehen, von wo nie Etwas zurückgesandt worden ist.
Mit Squarre theilte die Köchin, Johanna Weber aus Hildburghausen, den Aufenthalt im unteren Stockwerk. Sie war früher im Wasunger Damenstift, dann beim Rath Rückert und zuletzt beim Geheimrath Kümmelmann am Herzoglichen Hofe bedienstet gewesen, und eine so geschickte Köchin, daß der Graf sie jedem französischen Koch gleich stellte und ihr 26 Karolin (etwa 500 Mark) Lohn gab, wovon sie ihre arme Mutter in der Stadt reichlich unterstützte. Die Köchin war die einzige Person, welche die Gräfin zweimal in nächster Nähe und unverschleiert sah und sprach. Einmal, als der Graf schwer krank war, ließ er sie zu sich rufen und sagte ihr, auf die unverschleiert am Bette stehende Gräfin zeigend: „Köchin, wenn ich sterbe, so nehmen Sie sich dieser Dame an“ – und ein andermal ließ diese Dame selbst sie rufen und sprach zu ihr: „Der Herr ist plötzlich erkrankt, helfen Sie mir einen Trank bereiten!“ – Diese zweimalige Begegnung mit einem menschlichen Wesen, mit welchem sie 26 Jahre unter einem Dach wohnte, war die Ursache, daß sie in dieser ganzen Zeit das Schloß mit keinem Tritt verlassen durfte! Vielleicht kam auch dazu, daß der Graf, offenbar im unwiderstehlich gewordenen Mittheilungsbedürfniß, die Köchin jeden Morgen ins Vorzimmer berief und ihr bald aus Zeitungen Einiges vorlas, bald angeblich aus seinem Leben erzählte. Mochte er da sich doch wohl mitunter zu sehr haben gehen lassen, zu viel geplaudert haben, das er verborgen gehalten wissen wollte? Kurz, die Klausur der Köchin war so streng, daß sie das Gehen fast verlernte und, als sie einmal in höchster Noth einen kurzen Ausgang besorgen sollte, auf der Straße nur mühselig forthatschen konnte.
Weniger streng war der Graf in anderer Beziehung. Das abgeschlossene Zusammenwohnen des Kammerdieners und der Köchin führte beide zu einer „nicht eben gesetzmäßig geschlossenen Ehe“ – wie ja in diesem Schloß Alles seinen besonderen Gang ging. Von den beiden Kindern, welche im Schlosse zur Welt kamen, war das erste ein Knabe (geboren am 4. März 1812), der den Namen Philipp Papageno erhielt und von den Dorfkindern „das Papperle“ genannt wurde. Das zweite Kind, ein am 28. April 1813 geborenes Mädchen, ist die noch lebende Frau auf dem Hildburghauser Berg- und Grabgarten. – Der Knabe wurde im nahegelegenen Dorfe Steinfeld erzogen, lernte das Schuhmacherhandwerk und mußte, auf des Grafen Befehl, nach Amerika auswandern. Vor seiner Abreise brachte er noch über seine Mutter ein schweres Verhängniß. Weil diese ihn noch einmal sehen wollte und ihn, natürlich ohne des Grafen Vorwissen, heimlich ins Schloß kommen ließ, so mußte sie dasselbe sofort verlassen. Sie wurde in das Schloß Eiba bei Rudolstadt verbannt. Unter welcher Aufsicht sie dort lebte oder unter welchem Eide sie abzog, ist nicht bekannt. Sie starb dort sechs Wochen vor dem Grafen, und der alte Diplomat konnte seine Genugthuung darüber nicht verbergen, daß dieser Mund noch vor seinem eigenen Ende sich für immer geschlossen hatte. –
Zu der Dienerschaft des Schlosses gehörten ferner die Eheleute Johann und Katharina Schmidt, die der Graf schon in Hildburghausen in Dienst genommen und die von 1810 an die Botengänge von der Stadt zum Schloß besorgten. Schmidt stammte aus Böhmen, seine Frau aus Heldburg. Auch sie mußten eine strenge Prüfung bestehen: jahrelang wurden ihnen Briefe, Packete und Zeitungen bei einer Mühle in Steinfeld vom Kammerdiener abgenommen und ins Schloß gebracht. Erst nachdem sich erwiesen, daß sie ihren Dienst mit der größten Verschwiegenheit und mit Vermeidung jeden Umganges unterwegs besorgt, durften sie mit ihrer Bürde erst bis an und endlich sogar in das Schloß kommen. Ein Beweis höchsten Vertrauens war es sicherlich, daß der Graf im Jahre 1836 die Katharina Schmidt zur Wartung der damals schon kranken Dame berief – ein ebenfalls verhängnißvoll gewordener Dienst. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Graf nicht immer mit am Krankenbette sein konnte, daß Kranke und Wärterin oft allein waren und daß jene die sonst ihr nicht ein einziges Mal in ihrem ganzen Leben gebotene Gelegenheit benutzte, ihr Herz durch Mittheilungen zu erleichtern, die dann um so schwerer in das der armen Dienerin fielen. Daß der Graf dies ahnte, zeigte sich gleich nach dem Tode der Gräfin. Trotzdem ihr Dienst erfüllt und sie ferner im Schloß unnöthig war, durfte sie dasselbe nicht verlassen; und als – am 9. Februar 1843 – ihr Ende nahte, wiederholte sich die Scheidescene Squarre’s: das arme Weib wollte ihr Herz von einer schweren Last befreien, aber es mußte brechen unter der Wucht eines Geheimnisses, das nun abermals um zwei Augen und einen Mund sicherer war.
Die „außerordentliche Treue“ der Schmidt’schen Eheleute belohnte der Graf damit, daß er deren Kinder ebenfalls in Dienst nahm und für sie zu sorgen versprach. Johann Ehrhardt Schmidt wurde Kammerdiener und seine Frau Friederike, geb. Gutjahr aus Eisfeld, Köchin; sein Bruder Simon Schmidt hatte die Botengänge von Hildburghausen und die Pflege des Berggartens, den er später als Eigenthum erhielt, und eines Hauses und Gartens beim Spital, in der Nähe des jetzigen Bahnhofs, welche der Graf 1826 gekauft hatte, zu besorgen. Außer diesen gehörten zur Dienerschaft noch ein Kutscher und eine Aufwärterin (zwanzig Jahre lang Dorothea Kirchner, später mit ihren Töchtern) und die Koburger Boten (Johann Amberg mit seiner Frau Dorothea), die 1830 bis 1845 außer der fast täglichen Briefschachtel häufige Sendungen aus der Apotheke, der Meusel’schen Buchhandlung und der Hofgärtnerei (Blumenkohl etc.) zu bringen hatten.
Alle diese Menschen standen lebenslang in einem Dienst, der allerdings möglichst gut belohnt ward, aber auch nicht schwer genug gedacht werden kann, denn alle opferten für immer ihre persönliche Freiheit, sie mußten sich zu willenlosen Maschinen erniedrigen, denn: „nur was der Graf verlangt, muß geschehen, – niemals weniger, aber auch niemals mehr!“ Alle sind von der menschlichen Gesellschaft so gut wie ausgeschieden, kein freundlicher Verkehr darf sie mit den Nachbarn verbinden, sie sind wie in einen Zauberkreis gebannt, fühlen sich immer und überall von des Grafen Blick verfolgt, wagen nie laut zu sprechen und flüstern noch nach seinem Tod so ängstlich, als müßten sie ewig die stummen Wächter seines Geheimnisses bleiben. Ja, alle stehen schließlich im Dienste für ein Wesen, von dessen Existenz sie nichts wissen dürfen, wenn sie das nicht bitterlich auf dem Sterbelager bereuen sollen.
Und dieses Wesen, welches die Aufstellung eines so großen und kostspieligen Sicherheitsapparates verursacht, ist die verschleierte Dame von Ingelfingen und Hildburghausen, die noch siebenundzwanzig Jahre ihres von aller Welt abgeschlossenen Lebens in dem Schlosse von Eishausen zubringt.
Ueber dieselbe wollen wir nun berichten, so viel Verbürgtes über sie zu erlangen war.
Es hat seine Schwierigkeit, die Persönlichkeit einer Dame zu schildern, die in einem Zeitraum von etwa fünfunddreißig Jahren, also auf den verschiedensten Altersstufen, nur von wenigen Menschen und dies stets nur verstohlen, bei augenblicklich verschobenem Schleier, im raschen Vorbeifahren im Wagen, bei Spaziergängen in der Ferne, durch Gucklöcher im Vorüberschreiten in der Nähe oder durch das Fernglas gesehen worden ist. Einstimmig lauten alle Aussagen aber in der Bewunderung der herrlichen blauen Augen, des schönen Antlitzes, der zierlichen Gestalt und der graziösen, vornehmen Haltung. Auffallend ist auch die Uebereinstimmung der Beobachtung eines hohen Beamten (des Geheimraths von Bibra), welcher die Dame im Wagen auf der Marienstraße bei Hildburghausen sah, mit der Aussage des Knaben in Ingelfingen; auch er erkannte sofort die bourbonischen Gesichtszüge.
Was meine Hauswirthin auf dem Berggarten über die Gräfin, natürlich nur verstohlenerweise, beobachtet hat, habe ich oben bereits gesagt. [291] Eine Schilderung aus früherer Zeit muß ich hier noch einmal mittheilen. Kühner, unser erster Gewährsmann, hat als Pfarrsohn fünfzehn Jahre theils ganz, theils in allen Ferien in Eishausen gelebt und in dieser Zeit die Gräfin nur zweimal am Fenster gesehen. Aus dem Jahre 1818 erzählt er, wie er sie mittels eines Fernglases beobachtet: „Die Gräfin stand am offenen Fenster und fütterte mit Backwerk eine Katze, die unter dem Fenster war. Sie erschien mir wunderschön; sie war brünett, ihre Züge ausnehmend fein; eine leise Schwermuth schien mir eine ursprünglich lebensfrische Natur zu umhüllen; in dem Augenblick, wo ich sie sah, lehnte sie in schöner Unbefangenheit am Fenster, den feinen Shawl halb zurückgeschlagen, wie ein Kind mit dem Thiere unter sich beschäftigt. Ich sehe noch, mit welcher Grazie die schöne Gräfin das Backwerk zerbröckelte und die Fingerspitzen am Taschentuch abwischte.“ – Im Jahr 1832 soll sie Rath Vogel, der spätere Besitzer des Hauses und Gartens bei der Stadt, einmal beobachtet und noch immer „zart an Gestalt und sehr schön“ gefunden haben. „Sie saß im Garten in sich versunken, während der Herr hochaufgerichtet mit verschränkten Armen am Gartenzaun auf- und abwandelte; eine unheimliche Gestalt, aber entschieden Kavalier, der die Befehle der Dame erwartete.“
Diese Andeutung führt uns zur Betrachtung des Verhältnisses, in welchem Dame und Herr zu einander gestanden zu haben scheinen. Human sagt (Theil II, S. 3): „Leute, welche Graf und Gräfin zu Anfang ihres Eishäuser Aufenthaltes in der Lindenallee (nahe beim Schloß) spazieren gehen sahen, äußerten, genau wie unsere Zeugen in Hildburghausen, der gnädige Herr habe ordentlich wie ihr Untergebener ausgesehen, und man habe es an Allem gemerkt, daß sie die Vornehmere war.“ Und Kühner bemerkt hierüber: „Es ist aus mehreren Gründen der bedeutungsvolle Schluß zu ziehen, daß der Takt des Volks auch hier das Richtige traf.“
Unbestreitbar fest steht, daß nach des Grafen Willen die Dame für Niemand auf der Welt existiren sollte. Diesen seinen Willen setzte er mit vollendeter Rücksichtslosigkeit gegen Jedermann, vom herzoglichen Hof in Hildburghausen bis zum letzten Bauern im Dorfe durch, und weder Sitte noch Anstand fand dabei die geringste Beachtung. So hatte es z. B. die Frau Pfarrerin von Eishausen, nach dem Einzug der Herrschaften ins Schloß, für ihre Pflicht gehalten, der Frau Gräfin ein Blumenbouquett zu übersenden. Das Dienstmädchen sagte zwar, der Herr Graf müsse sich ungeheuer gefreut haben, denn er sei wie närrisch im Zimmer herumgesprungen. Die Erwiderung auf die freundliche Gabe war aber der Art, daß keine zweite gewagt wurde. Dagegen sind später häufig Geschenke aus dem Schloß ins Pfarrhaus gekommen, als zwischen Grafen und Pfarrer der Briefwechsel in Gang war, von dem wir später zu erzählen haben. – Ein ander Mal befand sich der Senator Andreä, des Grafen Geschäftsführer in Hildburghausen, bei ihm und warf die Bemerkung hin, man sei in der Stadt sehr neugierig zu erfahren, wer wohl die Dame im Schlosse sein möge. Da antwortete ihm der Graf kurz und streng: „Ich halte für gut, wenn Sie in Wahrheit sagen können, daß Sie es nicht wissen“ – und ließ sofort den Wagen des alten Herrn vorfahren. – Sogar der alte vertraute Squarre durfte sich keinen unbefohlenen Blick auf die Dame erlauben. Als, erzählt Human, einst beim Ausfahren der Kutscher auf eine Frage des Grafen sich rasch umwandte und, während er antwortete, zur Gräfin hinsah, wurde er am folgenden Morgen früh zwei Uhr durch die Klingel ins Vorzimmer gerufen. Dort stand die Dame, dicht verschleiert, sah ihn stumm an und wandte sich kurz ab. Das war die vom Grafen angeordnete Zurechtweisung, welche er hinter einer Portière beaufsichtigt hatte.
Wir sehen: selbst die am engsten in seinen Bannkreis eingeschlossenen Diener durften sich keine eigenmächtige Annäherung an sein Geheimniß erlauben. Wenn der Graf dennoch zu ihnen über die Gräfin sprechen mußte, so sagte er bloß „Man wünscht“ etc., aber auch „Allerhöchst Sie hat gesagt“ etc. will man aus seinem Munde gehört haben.
Die Stellung der Dame im Schloß wird wohl am besten bezeichnet durch Das, was Squarre einmal darüber geäußert haben soll: „Sie hat kein Vermögen, aber sie ist Herrin über Alles.“ Der ganze oft maßlose Absperrungszwang geschah ausschließlich der Dame wegen, und ebenso war der große Aufwand nur nöthig, um diese Absperrung möglich, gesichert und – erträglich zu machen. Beide, die Bewachte wie der Wächter, waren Gefangene und wahrscheinlich Eines so wenig freiwillig wie das Andere.
Wenn wir auch die sorgfältig gesammelten Aeußerungen des Grafen über dieses Verhältniß mit Vorsicht aufnehmen müssen, da sie oft mehr geeignet erscheinen, von der richtigen Spur zu seinem Geheimniß abzulenken, als es zu enthüllen, so sind doch namentlich solche beachtenswerth, welche er im Mittheilungsdrang oder in erregter Stimmung noch vor dem Tode der Dame der Köchin anvertraut und nach demselben in den Unterredungen mit wenigen bekannten Männern, unter welchen der Obermedicinalrath Hohnbaum in Hildburghausen obenan steht, fallen ließ. Der Köchin klagte er einmal, „er habe sich in seiner Jugend mit einem Eide gebunden und müßte darum ein so schweres Leben führen.“ Ein ander Mal, wo er eine der verbitternden Scenen erlebt haben mochte, die bei der ewigen Einsamkeit des armen Weibes ja unausbleiblich waren, sprach er den Entschluß aus, die Dame in ein Kloster bringen und sich so von seiner Last befreien zu wollen. Solche Stürme gingen freilich rasch vorüber, denn anderntheils vernehmen wir wieder von der Dame Aeußerungen die, wenn auch nicht von herzlicher Anhänglichkeit, doch von Dankbarkeit und von der Angst zeugen, ihn zu verlieren. Man erfährt, daß er sie aus erschrecklicher Lage befreit haben soll, und wie konnte das arme Wesen, das ihr ganzes Dasein nur mit ihm allein hatte verbringen müssen, sich eine Existenz ohne ihn denken? Daher ihre Sorge bei seinem Erkranken, und daher jener Ausspruch, den die Botin Schmidt einst von ihr gehört: „Wenn der Herr stirbt, begrabe ich mich lebendig.“ Und als dieselbe, die zuletzt ihre Pflegerin war, in die Todkranke drang, doch nach einem Arzt zu verlangen, antwortete sie: „Nein, das thue ich meinem Herrn nicht zu leid.“ Daraus erfahren wir, daß sie die Wichtigkeit des Geheimnisses ihres Daseins für den Grafen kennt, und zugleich auch, daß die Dame den Mann ihren Herrn nennt, der allezeit neben ihr wie ihr Diener aufgetreten war. Doch können wir diese Abhängigkeitsbezeichnung auch als eine Redeform auffassen, welche die Dame der Dienerin gegenüber angemessen fand.
Offenbar geschahen alle nach außen oft gar verwunderlich erscheinenden Maßregeln, welche die möglichste Ruhe um das Schloß bezweckten, nur in Rücksicht auf die Dame. Eine solche Veranlassung war es, die den Grafen nöthigte, auch gegen außen die Anwesenheit derselben anzudeuten. Die alte Sitte des Neujahranschießens hatte das Schloß in Schrecken gesetzt. Damals schrieb er an den Pfarrer: „Man hat die Nacht in großer Unruhe zugebracht etc.“ und bat um Abhilfe des Unfugs, fügte auch 25 Gulden zur Vertheilung unter die Armen bei, falls die Schuldigen bestraft würden. Zugleich ließ er durch seinen Geschäftsführer Andrea beim Hildburghäuser Amt Klage erheben. Wirklich wurden zehn Bursche verhaftet und bestraft. Für die nächste Neujahrsnacht traf man, ohne Zweifel auf besonderes Betreiben des Hofs zum Schutze des in einem herzoglichen Domainenschloß wohnenden Grafen, außerordentliche Maßregeln. Der später durch die bundestägliche Verauktionirung der von der Nation gegründeten ersten „deutschen Flotte“ unglücklich bekannt gewordene Hannibal Fischer, damals Landschaftsrath in Hildburghausen, begab sich mit zwei Landjägern und einem Militärkommando nach Eishausen, zog dazu noch zwölf Nachbarn zur Verstärkung bei und besetzte alle Gassen des Dorfes mit Wachtposten. Die Nacht brach ein und die tiefste Stille herrschte bis zum letzten Glockenschlag des Jahres. Da aber krachten gegen Schloß und Pfarrhaus, dann hinter Hecken und Scheunen an allen Ecken und Enden die Schüsse los, – und trotz der eifrigsten Hetze gegen die Uebelthäter war kein einziger der flinken Bursche zu erwischen. Man mußte einsehen, daß mit Gewalt nichts auszurichten sei gegen den fränkischen Bauerntrotz, den der Pfarrer am besten kannte und zu behandeln verstand. Er gab dem Grafen den Rath, den Burschen zur Kirchweihe eine Beisteuer und zum Neujahr einen freien Trunk zu geben, dies geschah – und kein Schuß fiel mehr im ganzen Dorf.
Hundertjährige Wandlungen in den Zielen der Polarforschung.
Am 16. April 1786 wurde John Franklin in Lincolnshire in England geboren, der Polarreisende, der durch seinen grauenvollen Untergang Jahrzehnte lang die Theilnahme der ganzen civilisirten Welt in dem Maße rege hielt, daß zur Erforschung seines tragischen Geschicks wie nie zuvor viele Millionen theuersten Guts und Tausende unschätzbarer edler Menschenleben geopfert wurden.
Es ist hier nicht die Absicht, wie sonst bei säkularer Erinnerung an einen großen, seltenen Mann, eine Biographie demselben zu geben und seinen Lebensgang wie seine Schicksale zu rekonstruiren. Franklin’s Leben und tragisches Ende sind schon in den verschiedensten Schriften jedem Alter vorgeführt und bekannt geworden. In unseren Zeilen sollen statt dessen die Wandelungen markirt werden, welche die Ziele und Methoden der Reisen und Forschungen in der Polarzone in dem Jahrhundert seit Franklin’s Geburt erfahren haben: darauf soll hingewiesen werden, wie, im Gegensatze zu den früheren materiellen Zwecken und Zielen, welche von einzelnen Staaten selbstsüchtig verfolgt wurden, nunmehr bei Polarreisen unserer Tage die Lösung wissenschaftlicher Probleme eine Aufgabe aller civilisirten Völker geworden ist.
Im Jahre 1786, also im Geburtsjahre John Franklin’s, schloß Georg Forster eine kritische Uebersicht der bisherigen nordwestlichen Polarreisen mit den Korten: „Fest steht das Faktum, daß die Unmöglichkeit einer nordwestlichen Durchfahrt in eine schiffbare Meeresgegend erwiesen ist, und fest wird es stehen, bis eine neue Katastrophe der Erde Neptun’s und Pluto’s Reichen neue Grenzen absteckt.“
Auch Kapitän Clerke, der zweite Befehlshaber auf Cook’s dritter Reise, erklärte um dieselbe Zeit die Versuche, durch die Beringsstraße vorzudringen, als „hellen Wahnsinn“, und der Herausgeber der Beschreibung dieser dritten Reise sagt: „Die letzten Reisen haben endlich der Welt die Wohlthat erwiesen, sie für immer von dem Wahne derartiger Entdeckungsreisen zu heilen.“
Und in der That wurden seitdem bis zum Jahre 1818 keine neuen Polarreisen ausgerüstet und entsendet, woran freilich auch die damaligen Kriege nachdrücklich hinderten. Aber Forster’s und Clerke’s Warnung war allmählich verhallt, und es bestätigte sich auch jetzt die alte Wahrheit: daß ganze Nationen wie Individuen, wenn sie einmal Opfer und bedeutende Kraftanstrengungen an die Erreichung eines Zieles gesetzt haben, fast eigensinnig auch dann noch in ihren Bestrebungen beharren, nachdem sich längst herausgestellt hat, daß die Erreichung des vorgesetzten Ziels unmöglich ist.
So kam es denn, daß bereits 1818, als der Walfischjäger Scoresby Nachrichten von den günstigen Eisverhältnissen im hohen Norden heim brachte, die englische Regierung die alten Pläne zur Aufsuchung einer nordwestlichen Durchfahrt nach dem Stillen Ocean wieder aufnahm. In Folge dessen entdeckte John Roß unter Anderem den magnetischen [292] Nordpol, und Parry drang westwärts bis zur Melville-Insel, jenseit des 110. Grades vor.
Wichtiger und folgenreicher als alle früheren Reisen versprach aber jene Entdeckungsfahrt zu werden, die im Jahre 1845 von dem englischen Marine-Ministerium ins nördliche Eismeer hinausgesandt wurde. Ihr Befehlshaber war der schon vielfach bewährte John Franklin. Er sollte mit den beiden Schiffen „Erebus“ und „Terror“ aus der Baffinsbai über die Melville-Insel hinaus westwärts vordringen und erst bei 98 Grad westlicher Länge eine südwestliche Richtung nach der Beringsstraße einschlagen.
Am 26. Mai verließ Franklin mit den genannten Schiffen und einer Bemannung von l40 Mann die Themse, seine letzten Berichte datiren vom 12. Juni 1845 aus der Baffinsbai.
Als über drei Jahre alle weiteren Nachrichten ausblieben, begann die schier endlose Reihe der Nachforschungen von Osten, Süden und Westen, die als unvergängliches Denkmal von Menschenliebe und selbstloser Aufopferung in allen Zeiten glänzen werden. Allein in den ersten sechs Jahren, 1848 bis 1854, wurden 19 Expeditionen unter dem Kommando der tüchtigsten Officiere, mit 31 Schiffen und einem Kostenaufwand von weit über eine Million Pfund Sterling ausgesandt. 1859 fand man zwar die Nachricht vom Tode Franklin’s; aber erst nach weiterer 20jähriger mit großen Opfern und Anstrengungen ausgeführter Forschung gelang es Schwatka im Jahre 1879, die Unglücksstätte des Untergangs der letzten Gefährten Franklin’s zu finden, jene grauenvolle Stätte, welche Payer in seinem berühmten, so erschütternden Bilde auch uns veranschaulicht hat.
So waren die Resultate aller Anstrengungen der bisherigen Polarforschung nur negative: die gefundenen Durchfahrten waren unpraktikabel, und die Rettung Franklin’s war nicht gelungen. Aber dadurch wurde der Eifer, den Pol zu erreichen, nicht gedämpft, und endlich verliefen alle Anstrengungen der Engländer und Nordamerikaner in eine Hetzjagd, in einen wahren Sport, sich dem Pol zu nähern, um festzustellen, ob derselbe von Eis, offenem Meer oder Land umgeben sei, wobei man durch den Smithsund bis über den 82. Grad vordrang.
Inzwischen hatte August Petermann in Deutschland für Polarreisen zu agitiren begonnen. Diese Reisen sollten indeß nicht, wie die bisherigen, im Westen, sondern im Osten von Grönland ausgeführt werden. Was die deutschen nordischen Argonauten Koldewey, Payer, Weyprecht geleistet haben, ist noch in frischem Andenken. Wohl standen die beiden Letztgenannten in österreichischem Dienst; aber ob dieselben Käppis oder Helme, blaue oder graue Hosen trugen, ob das neuentdeckte Land Franz Joseph oder Wilhelm, ob ein eisumwalltes Vorgebirge auf den Namen Andrassy oder Bismarck getauft wurde, was verschlägt das bei einer Unternehmung, die von Deutschen angeregt, in deutschem Geiste geleitet, von Deutschen ausgeführt wurde. Auch Nordenskjöld, der glücklich die ganze Nordküste Sibiriens befuhr und durch die Beringsstraße drang, ist germanischen Stammes.
So befriedigend auch die letzten Resultate für die Kenntniß der Nordpolarzone waren, brach dennoch Weyprecht 1875 den Stab über alle bisherigen Ziele und Methoden der Polarreisen, wies darauf hin, daß die Erforschung physikalischer Verhältnisse wichtiger sei, als topographische Entdeckungen, und daß Beobachtungsstationen zu diesem Zwecke das geeignetste Mittel wären. Seine Anregungen wurden im Jahre 1881 durch die vereinigten Regierungen Europas verwirklicht und somit die internationale Polarforschung der Zukunft inaugurirt. In weiterem Verfolg der Bestrebungen in diesem Sinne wurde auch die Nothwendigkeit anerkannt, der Erforschung der Südpolarzone die gleiche Aufmerksamkeit zuzuwenden, wie der nordpolaren.
Wir bringen am heutigen Tage diese gedrängte Uebersicht der Wandlungen in den Zielen und Methoden der Polarforschung in den letzten 100 Jahren, um an den großen Märtyrer der Polarforschung, John Franklin, zu erinnern und in gewissem Sinne einen warnenden Spiegel vorzuhalten vor menschlichen Irrthümern, aber auch die leuchtende Fackel für die idealen und wissenschaftlichen Bestrebungen der nächsten und späteren Zeiten. J. Loewenberg.
Blätter und Blüthen.
Vom deutschen Büchermarkte. Après nous le déluge – heißt es, doch die Sündfluth der Bücher bricht schon über die Lebenden herein. Wer daran zweifeln sollte, der lese die litterarische Uebersicht der Hinrichs’schen Buchhandlung im „Börsenblatt“. Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der erschienenen Bücher zu: 1884 belief sie sich auf 15607, im folgenden Jahre betrug sie 16305. Die trockene statistische Zahl, die überall eine große Rolle spielt, ist auch für die Beurtheilung der litterarischen Produktion eine bedeutungsvolle Ziffer.
Da rücken stets neue, junge Dichter ins Feld; sie haben die Zukunft auf ihr Banner geschrieben; sie sprechen von Reform, von Revolution und stellen sich gegenseitig glänzende Zeugnisse aus. Sie haben Talent, wir wollen es zugeben – aber ein Blick auf die Statistik des Buchhandels muß ihnen genügen, um ihre Hoffnungen herabzustimmen. Die schöne Litteratur ist mit 1345 Werken verzeichnet, gegen 1303 im Vorjahre. 1345 dichterische Werke – und dazu die Ungunst des Publikums für die Poesie, wenigstens für die Lyrik und das Drama! Sich durch eine derartige Konkurrenz siegreich durchzukämpfen, dazu gehört viel Energie, viel Talent – und viel Glück. Es ist unglaublich, wie viel in Deutschland producirt und verlegt wird! In keinem andern Staate findet ein ähnliches Verhältniß statt. Darum sind ja auch die Litteraturkalender überfüllt, und eine neue Generation von Schriftstellern tritt der vorausgehenden auf die Fersen. Für die Himmelsstürmer aber sollten jene 1345 Werke als ein besänftigendes Mittel wirken. Gedruckt werden ist leicht, aber ein Publikum finden ist schwer, und von vielen dieser Neuesten gilt wohl der Spruch:
„Steht aber immer schief darum,
Denn Ihr habt kein Publikum.“
Daß in der That auch Hervorragendes durch diese Massenproduktion erstickt werden kann, während der Zufall oft Unbedeutendes an die Oberfläche spült, ist wohl keine Frage. Die belletristischen Schriftsteller mögen sich indeß mit den Pädagogen trösten: diese sind noch eifriger bei der Arbeit und haben im letzten Jahre 2169 Schriften auf den Büchermarkt geschickt. Freilich zählen dabei die Schulbücher mit, und da ist ja ein Bedarf vorhanden, der nicht leicht zu decken ist. Die Juristen und Politiker haben 1472 Schriften veröffentlicht, die Theologen 1391, die Mediciner 904, die Militärs 435, die Geographen und Reiseschriftsteller 495. Was würde Karl Moor sagen zu diesem „Tintenklecksenden Säculum“, welches das vorige noch so weit hinter sich läßt? Und dabei werden im Gänzen wenig Bücher in Deutschland gekauft! Die Fachschriftsteller haben es hierin freilich besser als die Belletristen, die entweder nur für die Leihbibliotheken arbeiten oder, wenn sie Lyriker sind, für vereinzelte „schöne Seelen“. Freilich, wer Mode ist, der darf auf großen Absatz rechnen: doch das sind nur die Auserwählten, nur 20 von den 1300; die große Mehrzahl muß sich Schritt für Schritt die Leser und die Käufer ihrer Werke erkämpfen. G.
Der Trompeter von Bronzell †. Die musikalische Feststadt Richard Wagner’s hat ihren ältesten und tapfersten Tonkünstler verloren; am 17. März starb in Baireuth Peter Göttling, der Stabstrompeter des 6. bayerischen Chevauxlegers-Regiments, dessen vielbewegten militärischen und künstlerischen Lebensgang wir mit Beigabe seines Bildnisses in dem Artikel „Auch eine Erinnerung an unsern großen Krieg“ im Jahrgang 1883, Nr. 19, geschildert haben. Göttling war 1815 (den 1. Nov.) in Bamberg geboren und trat, 19 Jahre alt, als Trompeter in dasselbe Regiment, bei dem er nicht nur 1850 das Signal zu der Affaire von Bronzell mit ihrem so komisch berühmt gewordenen Schimmel zu blasen hatte, sondern mit dem er sich im Jahre 1866 gegen die Preußen ebenso tapfer schlug, wie er als Fünfundfünfziger den ganzen Krieg von 1870 bis 1871 vom ersten bis zum letzten Tage, und zwar immer kerngesund, mitmachte.
Wie sein 50jähriges Dienstjubiläum 1882 ein Freudenfest der ganzen Stadt Baireuth war, so rief sein Tod eine allgemeine Trauer hervor, und die Liebe und Ehre, die man dem Lebenden allezeit erwiesen, begleitete ihn auch zu Grabe. F. H.
Unterricht in der Baumveredelung. (Mit Illustration S. 289.) Es ist zwar eine einfache, aber keineswegs leichte Kunst, das Veredeln der Obstbäume. Ein scharfes Auge, eine sichere geschickte Hand gehören ebenso zu ihrer Ausübung, wie die Kenntniß der verschiedensten Methoden. Im Frühjahr ist die eine, im Herbst die andere zu wählen, selbst im Sommer kann man mit Erfolg zur Baumveredelung schreiten, nur muß stets das richtige Mittel angewandt werden. Aus Büchern würde man die Kunst schwerlich lernen können, obwohl eine Legion Werke über dieses Thema erschienen ist und der berühmte A. Thouin allein in seiner 1821 erschienenen „Monographie des greffes“ gegen 200 verschiedene Veredelungsarten aufführt.
Hier ist es besser, zu probiren, als zu studiren. Diesen Grundsatz befolgt auch der erfahrene Landwirth, der seinen Enkel in die schöne Obstanlage mitgenommen hat, um ihm zu zeigen, wie man auf Wildlinge Edelreiser „pfropft“ oder „kopulirt“. Vielleicht vollbringt er soeben ein kleines Kunststück, indem er das wilde Stämmchen zu zwingen versucht, künftighin verschiedene Obstsorten. auf seinen Zweigen zu tragen. Dabei erzählt er plaudernd dem Knaben von dem Wesen der Baumveredelung, von Bäumen des Waldes, die zufällig zusammengewachsen sind und den Menschen das Geheimniß des „Pfropfens“ verriethen, und von den Kunstwerken berühmter Gärtner, durch welche alte absterbende Stämme verjüngt und mit Dutzenden frischer, die herrlichsten Früchte tragender Zweige versehen wurden. Wie schnell vergeht eine solche Unterrichtsstunde unter dem blauenden Himmel des erwachenden Frühlings! Unvergeßlich bleibt sie Jedem, dem es vergönnt war, sie in früher Jugend zu genießen. *
Auflösung der Schach-Aufgabe Nr. 2 auf S. 276: | |
Weiß: | Schwarz: |
1. S d 7 — c 5 | L g 1 — h 2! |
2. D f 3 — f 6 † | beliebig. |
3. D, S oder B setzt matt. |
Auflösung des Räthsels auf Seite 276: Stern – Ostern.
Kleiner Briefkasten.
Stotterer in B. Die Rudolf Denhardt’sche Sprachheilanstalt, auf deren Vorzüge in den früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“ (1878, Nr. 13, und 1879, Nr. 5) wiederholt hingewiesen wurde, befindet sich nicht mehr in Burgsteinfurt, sondern seit dem 1. April 1886 in Eisenach, Villa Hainstein.
Aug. C. in Mainz. Der betreffende Herr ist und nicht bekannt. Wir bedauern darum, Ihnen die gewünschte Auskunft nicht geben zu können.
R. H. in Berlin W. Der betreffende Artikel befindet sich im Jahrgang 1873.
Inhalt: Die Lora-Nixe. Novelle von Stefanie Keyser (Fortsetzung). S. 277. – Einsamkeit. Gedicht von Hermann Lingg. S. 280. Mit Illustration S. 281. – Vom
Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. 2. Bilder aus dem Affenleben. III. Ueberlegtes Handeln der Hundsaffen. S. 280. – Unter dem Rathhause zu Breslau. Von Emil König. S. 283. Mit Illustrationen S. 277, 283 und 284. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 285. – Noch heute das „geheimnißvolle Grab“. Neue Studien und alte Erinnerungen von Friedrich Hofmann (Fortsetzung). S. 290. – Hundertjährige Wandlungen in den Zielen der Polarforschung. Zur Säkularfeier John Franklin’s, geb. 16. April 1786. Von J. Loewenberg. S. 291. – Blätter und Blüthen: Vom deutschen Büchermarkte. S. 292. – Der Trompeter von Bronzell †. S. 292. – Unterricht in der Baumveredelung. S. 292. Mit Illustration S. 289. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf Seite 276. – Auflösung des Räthsels auf S. 276. – Kleiner Briefkasten. S. 292.