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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1886
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[201]

No. 12.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Was will das werden?

Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)

Seine Liebe, erzählte Schlagododro, sei nicht das Werk eines Augenblicks – im Gegentheil, Maria habe ihn in den ersten Tagen ganz kalt gelassen, als wäre sie ein Marmorbild, bis er einmal jenes leise Zucken der Oberlippe bemerkte, welches, wie ich ihm gesagt, bei ihr das Lachen bedeute. Das habe ihm durchs Herz geschnitten – ihm, der so gern in ein schallendes Gelächter ausbreche – daß jemand – und noch dazu ein Mädchen – nicht sollte lachen können; und er habe nun genauer nach der Geschichte jenes Unglücks geforscht, welches dem armen Kinde Zeit seines Lebens das Lachen geraubt und vergällt habe. Er habe jetzt von Onkel Egbert alles erfahren. Herr von Werin sei ein ungewöhnlich tüchtiger Officier gewesen und auch nicht einmal händelsüchtig, aber von einem unbeugsamen Rechtlichkeitssinn, den er dann freilich in der schroffsten Form zum Ausdruck brachte, um so schroffer, je höher der Vorgesetzte war, mit dem er in Konflikt gerieth. Als sich mit dem dritten Regimentskommandeur dieselbe Geschichte wiederholte, sei er, der damals bereits Hauptmann war, mit dem Titel Major verabschiedet worden – ein Beweis, daß er abermals in der Sache Recht gehabt und es nur in der Form verfehlt habe. Schon damals – es war im Jahre 1864 gewesen, und der Unglückliche mußte zu Hause bleiben, während seine Kameraden zum ersten Male nach langen Friedensjahren wieder ins Feld zogen – habe er auf dem Punkte gestanden, sich das Leben zu nehmen; nur der Gedanke an seine Familie habe ihn zurückgehalten und in den Civildienst, der unter diesen Umständen in seinen Augen eine Schande war, treten lassen. Hier gerieth er, der von dem Steuerfache notorisch nichts verstand, ganz in die Hände eines Unterbeamten, der ihm als ein kenntnißreicher und zuverlässiger Mann officiell empfohlen war. Das Erstere war der Mann sicher, das Letztere mochte er bis dahin gewesen sein; nun konnte er der Versuchung, sich die Geschäftsunkenntniß des Vorgesetzten zu Nutzen zu machen, nicht widerstehen. Aber der Mann verstand sein neues Gewerbe schlecht. Verhältnißmäßig geringfügige Gratifikationen waren alles, was ihm seine Durchstechereien eingetragen hatten, die erst nach seinem Tode bei einer endlich einmal sorgfältiger angestellten Revision herauskamen. Dennoch war der Fiskus um viele Tausende betrogen. Waren sie alle als nichtbezahlte Steuern in die Tasche der Defraudanten geflossen? Man nahm es nicht an, um so weniger, als Herr von Werin notorisch niemals ein guter Haushalter gewesen war und also wohl zweifellos, seinen zerrütteten Vermögensverhältnissen aufzuhelfen, mit dem Revisor unter einer Decke gesteckt hatte. Eine lange, peinliche, für Herr von Werin tief schmachvolle Untersuchung folgte, an deren endlichem Schluß sich herausstellte – worauf, wie Schlagododro sagte,

Schneewittchen.
Nach dem Oelgemälde von Johannes Gabriel Jentzsch.

[202] sein Onkel hätte schwören mögen – daß auch nicht ein Pfennig des veruntreuten Geldes an seinen Händen klebte. Aber der betrogene Fiskus mußte sein Opfer haben: Herr von Werin wurde disciplinarisch mit Ausfall der Pension seines Amtes entsetzt. Er quittirte über den Spruch des Gerichtes, indem er stehenden Fußes in sein Zimmer ging und sich eine Kugel durch den Kopf jagte.

„Weiß Gott,“ sagte Schlagododro, als er seine Erzählung beendet hatte, und fuhr sich dabei mit der großen braunen Hand über die Augen, „das ist denn wahrlich genug, daß so ein armes Mädchen darüber Zeit seines Lebeus das Lachen verlernt. Auch die Mutter, sagt Onkel Egbert, soll dem Wahnsinn nahe gewesen sein. Ich glaub’s gern. Aber Mitleid ist noch keine Liebe, und darum hätte ich Maria noch lange nicht geliebt. Glaubst Du, daß man überhaupt sagen kann, warum man ein Mädchen liebt? Ich nicht. Ich kann nur sagen, daß ich sie für das edelste, reinste Geschöpf unter Gottes Sonne halte, der ich gemeiner Kerl völlig unwerth bin und der ich es einzig und allein zu verdanken haben werde, wenn jemals aus mir etwas Gescheites wird.“

Das klang nun freilich, als ob er von Maria bereits die Zusage erhalten habe, sie wolle ihm bei diesem schwierigen Proceß helfen, und so wagte ich eine dahin zielende Andeutung, um abermals Schlagododro’s Wuth bis zu seiner Lieblingsdrohung zu reizen, worauf er dann unter tiefem Erröthen stockend und stotternd eingestand, er glaube, daß er Maria nicht ganz gleichgültig sei. Er habe sie nicht gefragt, und sie habe ihm natürlich nichts gesagt, aber er glaube es.

Ich glaubte es nicht und mußte es doch glauben, ja für gewiß halten, nachdem ich, wie vorher den Freund, so nun auch Maria einige weitere Tage beobachtet hatte. Die leise Röthe, die jetzt ihre sonst bleichen Wangen überhauchte, konnte keine Wirkung der Landluft sein, denn sie kam und ging – kam und ging mit Schlagododro; der tiefere Glanz ihrer sonst so klaren Augen nicht gesellschaftliche Erregung, denn er kam und ging mit Schlagododro. Daß der Freund die Geliebte in der Gesellschaft immerdar suchte, war selbstverständlich; aber ich bemerkte jetzt, daß sie sich, so oft es nur eben geschehen mochte, finden ließ: auf den Spaziergängen, auf den Ausflügen, im Salon – überall. Und überall und immer, wenn sie sich gefunden hatten, war es, als ob sie eine widerwillig abgebrochene interessante Unterhaltung nur wieder aufzunehmen brauchten und begierig wieder aufnähmen – so ausgiebig und eifrig war ihr Gespräch, das doch ins Stocken gerieth, sobald ein Dritter hinzutrat, selbst wenn ich, ihr gemeinschaftlicher Freund, dieser Dritte war und nun, da mir nicht, wie dem Freunde, ein ähnliches holdes Glück blühte, und ich sein und der Freundin Glück nur stören konnte, sah ich mich auf die Gesellschaft angewiesen, die mir fremder wurde, je länger ich mit ihr verkehrte, je besser ich sie kennen, ihre Sprache, ihre Ausdrucksweise verstehen, ihre Mienen deuten, ihre Gedanken, ihre Empfindungen begreifen lernte.

Hier fand ich auch den zwingenden Beweis für Maria’s Liebe. Sah sie, hörte sie, die Schülerin ihrer Mutter, die Gesinnungsgenossin ihres Bruders, meine Freundin, das Alles nicht, was mich verletzte und empörte? Es war unmöglich; dazu war ihr Geist zu scharf, ihr Blick zu hell, ihr Ohr zu fein. Es blieb also nur das Andere übrig: sie wollte es nicht hören und sehen, den Abgrund nicht sehen, der sie und ihn, den sie liebte, von einander trennte, sie hätte denn ihre Ueberzeugungen oder er die seinen aufgeben müssen.

Wie ich sie zu kennen glaubte, schien mir das Eine und das Andere ausgeschlossen.

Aber das stand ja für mich fest, und nicht um mich handelte es sich, sondern darum, es ihnen oder doch wenigstens dem Freunde begreiflich zu machen.

Hundertmal setzte ich zu diesem Entschluß an, ohne den Muth zur Ausführung zu finden: ich, der Glücklose, Verschmähte, gegenüber ihm, dem Glücklichen!

Es wäre als hämische Mißgunst und schierer Neid erschienen bei mir, der ich ihnen doch ihr Glück von ganzem Herzen gönnte.

Und nun, da mir hier der Weg verrannt warr, da ich sah, daß ich nicht helfen konnte, gewährte es mir eine schier grausame Lust, mir zu beweisen, daß Hilfe überhaupt unmöglich, die Kluft unüberbrückbar sei, welche zwischen Menschen befestigt ist, von denen die einen zäh am Autoritätsglauben hängen, die anderen sich vor keinem Gesetz beugen wollen, gegen dessen Rechtmäßigkeit ihre Vernunft sich auflehnt und ihr Herz protestiert.


6.

Es war, als seien die nächsten Tage dazu ausersehen, gerade nach dieser Seite hin mein Gemüth noch mehr zu verdüstern, meine Oppositionslust zu schüren und mich nachdrücklich daran zu mahnen, daß ich mich wahr und wahrhaftig im Lager meiner Feinde befinde.

Für den norddeutschen Reichstag war durch den plötzlichen Tod des Vertreters unserer Stadt und des ländlichen Kreises, zu dem auch die Insel gehörte, eine Neuwahl nothwendig geworden, die von der Regierung fast gewaltsam beschleunigt wurde und bereits in allernächster Zeit stattfinden sollte. Sowohl von Seiten der konservativen, als der liberalen Partei – es gab nur diese beiden bei uns in allerdings verschiedenen, aber nur für das Auge des Eingeweihten merklichen Schattirungen – waren in aller Eile die Hebel der Agitation angesetzt worden; jene hatte den Pastor Renner, diese den Professor von Hunnius als ihre respektiven Kandidaten aufgestellt. Als ich die Stadt verließ, war von dem Allen noch keine Rede gewesen; nun überraschte es mich mit doppelter Gewalt. Die Sache, die ich haßte, hatte zum Vorkämpfer den Mann, an den sich für mich die Erinnerung entsetzlichster Stunden knüpfte, die andere, der ich mit ganzer Seele ergeben war, meinen hochverehrten Lehrer, dem ich innigsten Dank schnldete auch dafür, daß er sich mir in eben jenen Stunden als liebevollen Berather und väterlichen Freund erwiesen.

Und nun mußte ich hören, daß meine, daß unsere Sache eine grundschlechte, frivole, unpatriotische, ja gottlose sei; ihr Vertreter ein Oppositionsmann um der Opposition willen, ein Rabulist, ein Hans Dampf in allen Gassen, dem man gehörig auf die allzu geschäftigen Finger klopfen und klar machen wolle, daß er, als ein Schuster, der er sei, bei seinen Leisten zu bleiben habe.

Es ist wahr, dergleichen Reden wurden von dem Major nicht nur nie geführt, sondern offen gemißbilligt; Herr von Vogtriz that das Letztere zwar nicht, aber er stimmte doch nur in einer Weise zu, die mich weniger verletzte und nicht selten mit seinen Anschauungen fast aussöhnte. Er fand diese Verquickung der alten echten Loyalität und des Pfaffenthums bedenklich. Freilich müsse sich das Königthum von Gottes Gnaden, wie er und jeder echte Preuße und Patriot es wolle, auf die Kirche stützen; aber wohlgemerkt: auf die Kirche, und nicht auf die Pfaffen. Einer könne nur Herr im Staate sein; und es sei eine alte Geschichte, daß der Pfaffe noch immer habe Herr sein wollen, sobald sich ihm die Gelegenheit dazu zu bieten schien. Die Hilfe der Pfaffen sei im besten Falle ein zweischneidiges Schwert, und wenn er Graf Bismarck wäre, so würde er mit diesem Schwerte etwas vorsichtiger umgehen. Ueberhaupt sei es ein Kreuz und ein Elend, daß man bei jedem Schritt auf Bismarck stoße und immer erst fragen müsse, wie Bismarck sich zu der Sache gestellt habe. Das sei in der guten alten Zeit nicht so gewesen. Da habe man einfach gefragt: was will der König? und damit basta! Diese Einrichtung, daß ein verantwortlicher Minister zwischen dem König und seinem Volke stehe, sei auch nur wieder eine Erfindung von 1848, von der er hoffe, sie werde über kurz oder lang, das heiße: heute lieber als morgen zum Teufel gehen, bei dem wir uns für sie bedanken möchten. Und wenn nun gar der betreffende Minister ein Bismarck sei, so könne einem Loyalen von altem Schrot und Korn vollends die ganze konstitutionelle Bescheerung verleidet werden. Denn, man möge sagen, was man wolle, und Bismarck’s Verdienste so hoch stellen, wie man wolle – das Ende vom Liede sei, daß selbst der gemeine Mann mehr von seinem Bismarck als von seinem König spreche; und er für sein Theil halte das für ein großes Unglück, ja fast für ein größeres als den verdammten Liberalitätsschwindel. Mit dem werde man schon fertig: gegen Demokraten hülfen heute wie 48 noch immer Soldaten; wer aber setze den Leuten die Köpfe zurecht, wenn sie sich daran gewöhnt hätten, nicht zuerst und zuletzt auf ihren König zu blicken, sondern die Hälse verdrehten nach einem Andern, er sei auch, wer er sei?

[203] Wenn Herr von Vogtriz so sprach, pflegte er dabei seinen Sohn anzusehen, der, sich schier die Lippen wund beißend, mit rollenden Augen da saß – mir in so fern ein erfreulicher Anblick, als er dem Vater gegenüber doch nicht seine Lieblingsdrohung vorbringen konnte, mit der er mich andonnerte, sobald ich ein Wort gegen seinen Abgott zu äußern wagte. Dafür hatte denn der Vater kaum geendet, als auch er bereits zu reden begann: pro Bismarck, wie jener contra, und da Beide, wenn sie in Zorn gerathen waren, sehr laut und nicht selten zugleich sprachen, mochte die übrige Gesellschaft nur so lange schweigen, vorausgesetzt, daß der Eine zu hören wünschte, was der Andere sagte.

Ich bekam davon doch noch mehr zu hören, als mir lieb war, denn die Gesellschaft, welche außer den Familienmitgliedern die fortwährend aus- und eingehenden Nachbarn bildeten, war groß, vergrößerte sich mit jedem Tage, und, mochte sie nun beisammen sein oder in Gruppen sich sondern – immer und überall wurde von der Wahl, von Pastor Renner, dem würdigen Manne, und seinem unwürdigen Gegenkandidaten gesprochen in jenen Ausdrücken, die es mir oft fast unmöglich machten, mit meiner Gesinnung zurückzuhalten und eine Scene zu vermeiden, nach der ich nicht eine Stunde länger in diesem Hause bleiben durfte.

Aber war es nicht Ehrensache für mich, auch so zu gehen? Ich fragte es mich jeden Abend, und blieb am andern Morgen doch aus Gründen, von denen ich meinte, daß sie ein dritter Unparteiischer würde anerkennen müssen.

Zuerst, ich hatte keinen plausiblen Grund zu gehen. Ich hatte mich für die ganze Zeit der Ferien gebunden; mein grundloses Fortgehen würde eine schwere Kränkung für Schlagododro gewesen sein, und seine Eltern hatten es wahrlich nicht verdient, daß ich ihnen zum Dank für ihre Gastfreundschaft so vagabundenmäßig davon lief. Beide hatten mich, der ich in ihren Augen doch zweifellos der Tischlerssohn blieb und sicher kein anderes Verdienst hatte, als der Protégé ihres Sohnes zu sein, mit stets gleicher freundlich-rücksichsvoller Höflichkeit behandelt. Und wenn Frau von Vogtriz, die ein instinktives Gefühl dafür haben mußte, daß es mit meinem Seelenheil mißlich stehe, mir auch mit endlosen erbaulichen Reden und Vermahnungen fürchterlich zusetzte, so meinte sie es offenbar ehrlich; und hatte ich fraglos das Recht, mich bei diesen Rettungsversuchen zu langweilen, so hatte ich doch keines, mich denselben durch die Flucht zu entziehen.

Fand der junge Mensch aber keinen Grund, zu gehen, so hatte er einen Grund fur tausend, um zu bleiben. Er liebte – liebte zum ersten Male, wie ihm der Leser dieser wahrhaftigen Geschichte zur Noth bestätigen kann; und wenn er auch glücklos liebte, und seine glücklose Liebe ihm tausend heiße Thränen kostete, so konnte ihn das in seiner göttlichen Seligkeit nicht stören, so war diese damit nicht zu theuer bezahlt. Ja, er fand, obgleich er es ja, wie alles, was sein großes Geheimniß betraf, im tiefsten Herzen verschließen mußte, des Freundes glückliche Liebe unsäglich prosaisch in Vergleich zu der seinigen.

Und nun sollte auch noch das Einzige gehoben werden, wovor er sich wahrhaft fürchtete: daß das Uebermaß seiner Empfindungen ihm die verschlossene Brust sprengen würde. Er durfte sagen, was er litt, und durfte es durch den Mund des Dichters, der wohl wußte, warum er wiederum jenes Wort einem anderen Dichter, der auch glücklos liebte, in den Mund legte.

Der Kammerherr hatte seine Idee keineswegs aufgegeben; aber „Iphigenie“ war ihm durch die Weigerung Schlagododro’s, an dem er sich (wahrscheinlich der rollenden Augen und der ewig sich sträubenden Mähne wegen) einen prächtigen Orestes versprochen hatte, völlig verleidet. Jetzt sollte es „Tasso“ sein: der erste Akt bis zum Auftreten Antonio’s in der vierten Scene. Daß ich den Tasso darzustellen habe, war nur selbstverständlich; den Herzog wollte niemand Geringeres übernehmen, als der Kammerherr selbst. Er befand sich seit einigen Tagen ausnahmsweise wohl, hatte wiederholt, auf Weißfisch’s Arm gestützt, kleine Promenaden im Park gemacht und hoffte, das Viertelstündchen zur Noth stehen zu können, besonders, wenn er sich dabei auf eine Herme oder dergleichen lehne. Aber welcher von den beiden jungen Damen sollte er die Prinzessin, welcher die Sanvitale anvertrauen?

Ich hatte mir natürlich Ellinor zur Prinzessin gewünscht, aber der Kammerherr kam endlich zu dem Entschluß, mit dem er, vermuthe ich, nur zurückgehalten hatte, um mit unserer Spannung sein Spiel zu treiben.

„Sehen Sie, junger Freund,“ sagte er, „Goethe, der alte Pfiffikus in Weibersachen, hat die beiden Weiberchen genau so geknetet, wie er sie für seine Zwecke brauchte. Die Prinzessin darf Tasso nicht lieben – par amour, wie der Franzose sagt – denn sonst würde die Sache sofort eine andere Wendung nehmen; und da der Tasso zweifellos ein appetitliches Kerlchen ist, dem jedes ordentliche Mädchen gleich um den Hals fallen müßte, darf sie eben kein ordentliches Mädchen sein – verstehen Sie recht! – sondern ein zu ordentliches, vor dem einen ehrlichen Jungen der Himmel in Gnaden bewahren möge: eine, die nur mit dem Kopfe liebt, jedes Jahr ein paar Wochen in ein Stahlbad reist, faute de mieux den Plato studirt – kurz, eine Dame, die nur noch gerade so viel von der Leiblichkeit hat, daß sie blaue Strümpfe tragen kann, in deren Kleidern aber sonst absolut nichts steckt als die schönste prüde Seele. Nun, und für die Interperetation dieser himmelblauen Abstraktion ist Fräulein von Werin wie geschaffen: mit ihrer überschlanken Gestalt, ihrer beängstigend klaren Stirn und ihren kategorisch imperativen Augen. ,Du siehst mich lächelnd an, Eleonore!‘ Ja, beim Zeus, ich glaube, das Mädchen kann gar nicht lachen; ich habe es wenigstens noch nicht ein einziges Mal gesehen.“

Ich hütete mich selbstverständlich, den grausamen Spötter über diesen zarten Punkt aufzuklären, und er fuhr fort, indem er sich eine frische Cigarre anzündete:

„Dagegen die Sanvitale! Nun, da weiß man freilich, wo und wie. Ich möchte sie Ihnen nicht zur Frau empfehlen, aber zur Geliebten – à la bonne heure! und Sie werden manche gute Stunde mit ihr haben. Nein, die muß Fräulein Ellinor bekommen. Der hat Goethe sie auf den Leib geschrieben, ohne sie zu kennen. Aber freilich, der Glückliche hat mehr als eine Ellinor gekannt!“

Mehr als eine Ellinor!

Ich hätte den alten Cyniker morden mögen, wie er da vor mir saß, in dem Fauteuil zurückgelehnt, eingehüllt in den violett-sammetnen Schlafrock, mit den schwarzen Faunenaugen zwinkernd und den Rauch seiner Cigarre in dünnen grauen Streifen aus den verwelkten Lippen blasend!

Aber wo wären dann die köstlichen Leseproben geblieben, in denen ich unter dem holden Mantel der gemeinschaftlichen künstlerischen Aufgabe mich ihr ungestraft nähern, ihr kecklich gegenüber sitzen, meine Seele an ihrem Anblick, an dem Ton ihrer Stimme weiden, meiner hoffnungslosen Liebe unerschöpfliches Glück in vollen Zügen trinken durfte!

Und in diesen Proben war der blasphemirende Faun die Decenz und höfische Artigkeit selbst. Und wie wußte er uns Neulingen so leicht und doch so sicher die verschlungenen Pfade zum Tempel der Kunst zu deuten! Wie klüglich uns anzuleiten vom einfach richtigen zum ausdrucksvollen Lesen, von diesem zum Sprechen, vom Sprechen zur leidenschaftlich bewegten Rede! Wie uns hier die unvergleichliche Schönheit der Verse zu Gemüth zu führen, dort den tiefen psychologischen Gehalt einer dunklen Stelle zu entschleiern! Dann vergab ich dem Manne alle seine Sünden; ja, es konnte geschehen, daß ich über dem geistvollen Lehrer die angebetete Schülerin vergaß, nur noch an seinen welken Lippen hing und mir mehr als die bloße Ahnung aufging von seligen Gesfilden, bestrahlt von einer Sonne, vor deren stetigem Glanz das wechselnde Gestirn verbleicht, zu dem sie beten in der Liebe Zaubergärten.


7.

Wie im Fluge waren wir von den Leseproben zu den wirklichen Proben gelangt, welche gleich in dem für die Aufführung bestimmten Saale abgehalten wurden, und bei denen der Kammerdiener Weißfisch stets zugegen war. Die jungen Damen hatten sich zuerst sehr gegen die Anwesenheit des Mannes gesträubt, aber „der Herr Intendant“ war unerbittlich gewesen. Wir müßten uns allmählich an die Oeffentlichkeit gewöhnen, und der Mann repräsentire das Publikum. Ich hatte mich wohl gehütet, mit einem Wort zu opponiren, da ich wußte, wie große Stücke der Kammerherr auf das Kunsturtheil des Mannes hielt. Nicht [204] ohne triftigen Grund. Nickte Weißfisch, so war es sicher gut; schüttelte er den Kopf, so war es eben so sicher schlecht; hob er beschwichtigend die Hand, so waren wir zu schnell geworden; taktirte er mit dem Zeigefinger ein lebhafteres Tempo, so waren wir zu langsam gewesen. Der Kammerherr rieb sich vergnügt die welken Hände, und sein ewiges: ,Was meinen Sie, Weißfisch? – Ich denke, wir machen es so, Weißfisch?‘ – war bei uns schon sprichwörtlich. Denn auch die jungen Damen hatten nun doch begriffen, wie viel man bei dem Manne lernen könne, wenn er, mir gegenüber, freilich dabei blieb, daß sie trotzdem nicht viel lernen würden, nicht bei ihm und bei keinem Lehrer.

„Denn, sehen Sie,“ sagte Weißfisch, „das ist und bleibt, wenn’s zum Höchsten kommt, angelernter Dilettantenkram. Das Fräulein von Vogtriz kann rein gar nichts, trotz ihres günstigen Exterieurs und ihrer angenehmen Stimme. Fräulein von Werin ist etwas besser: sie weiß wenigstens immer, was sie sagt, worauf ich bei der anderen jungen Dame nicht schwören möchte.“

„Und ich, Herr Weißfisch?“ fragte ich, eingeschüchtert durch diese herbe Kritik.

„Sie?“ erwiderte der Mann, mich mit den hellen Augen anblinzelnd; „Sie haben Schauspielerblut in den Adern und hätten ein guter Schauspieler werden können; aber, ich glaube, es ist zu spät.“

„Ich bin kaum siebzehn, Herr Weißfisch!“ rief ich, mich jetzt meines jugendlichen Alters rühmend, das ich in dieser Zeit so oft verwünscht hatte.

„Und ist doch zu spät,“ entgegnete er; „Sie haben schon zu viel gedacht. Denken macht Kopfschmerzen; der Schauspieler aber muß stets einen ganz freien, leichten Kopf haben wie ein Seiltänzer. Denkt der Kerl nur einen Moment an etwas Anderes, als wie er das Seil hinauf und wie er wieder hinabkommt, und dabei natürlich immer möglichst graziöse Posen macht, so fällt er in demselben Moment sicher herunter und bricht den Hals.“

Ich war überzeugt, daß der Kammerdiener diese Rede wörtlich schon aus dem Munde seines Herrn gehört hatte, den er ebenso kopirte, wie die großen Bühnenkünstler: wunderbar geschickt und wunderbar treu, nur vielleicht alles ein wenig vergröbert und übertrieben.

Dergleichen Unterredungen fanden aber meistens des Abends auf meinem Zimmer statt, wohin ich mich unter dem Vorwande, studiren zu müssen, zurückzog, in Wahrheit aber, weil ich mich unten in der Gesellschaft unbehaglich und überflüssig fühlte. So brauchte ich mich doch wenigstens nicht darüber zu grämen, daß im Salon die Theaterprinzessin sofort zur wirklichen Prinzessin wurde, für die der wieder zum armen Tischlersohn degradirte Hofpoet nicht existirte. Und brauchte nicht das gräuliche Schauspiel mit anzusehen, wie sie sich von ihren Kavalieren, unter denen Herr Axel von Blewitz den ersten Rang einzunehmen schien, den Hof machen ließ und über junkerliche Scherze lachte, die mir das Blut sieden machten.

Da war ich denn ganz in der Stimmung, Herrn Weißfisch’s Ansichten über die Welt im Allgemeinen und die vornehme im Besonderen gewiß nicht immer beizupflichten, aber doch ein willigeres Ohr zu leihen, als es wohl sonst der Fall gewesen wäre. Am glimpflichsten verfuhr er noch mit dem Fürsten, in dessen Diensten er zuletzt als Hoftheater-Friseur gestanden. Der Mann tauge freilich als Regent nicht eben viel, als Künstler (der er sich zu sein dünke) wenig, als Mensch gar nichts; dennoch ließe sich nicht nur mit ihm auskommen, sondern ganz vergnüglich leben, man müsse ihn nur richtig zu nehmen wissen.

„Und das verstand eben die junge Dame nicht, von der Ihnen der Herr Kammerherr erzählt hat,“ fuhr er fort. „Sie wollte immer mit ihrem hübschen Köpfchen durch die Mauer, und das geht nirgends gut, am wenigsten in Fürstenschlössern, wo die Wände fürchterlich dick sind. Und wo es am allerwenigsten nöthig ist: es sind so viele Thüren da, von denen man wenn man klug ist, die zu den Hintertreppen bevorzugt. Ich habe es ihr genug gesagt; aber sie war eben nicht klug und wollte nicht hören; da hat sie es denn schwer zu fühlen bekommen. Aber Hoheit war eigentlich nicht schuld, die Herrschaften können beim besten Willen nicht immer, wie sie möchten. Und was Ihnen der Herr Kammerherr von Hoheit erzählt hat, das brauchen Sie nicht ohne Weiteres zu glauben: er ist Hoheit, mit dem er sich überworfen hat, spinnefeind – eben jener Dame wegen: war er doch selbst bis über die Ohren in sie verliebt und kann mir bis auf den heutigen Tag nicht vergeben, daß ich in der Geschichte auf der Seite von Hoheit stand. Hoheit liebte die Dame wirklich, und ich bin überzeugt, er würde viel darum geben, wenn er sie heute wieder haben könnte, vorausgesetzt, daß sie sich einen tüchtigen Rest von ihrer Schönheit konservirt hätte.“

„Aber, ich denke, sie ist todt?“ sagte ich.

Herr Weißfisch blickte mich, jedenfalls in Erinnerung versunken, starr an, ohne zu antworten. Plötzlich sagte er:

„Jawohl, sie ist todt; sie und ihr Söhnchen. Er sah seinem Herrn Papa nicht die Spur ähnlich, und das war schade. Hoheit hielten es immer für eine hübsche Aufmerksamkeit, wenn seine Kinder ihm ähnlich waren.“

„Aber ich denke, die Ehe des Fürsten ist kinderlos?“ warf ich ein.

Ueber Herrn Weißfisch’s rasirtes Gesicht flog ein blitzschnelles Zucken, das er ebenfalls von seinem Herrn hatte, nur daß es bei jenem ein satirisches Lächeln, bei ihm ein höhnisches Grinsen war.

„Die Ehe, ja,“ sagte er.

Ich nehme an, daß ich darüber roth geworden bin, denn er fügte schnell hinzu: „Sie müssen das bei den hohen Herren nicht so schwer nehmen. Sie sind doch auch nur Menschen, und ich bleibe dabei, unsre Hoheit gehört nicht zu den schlechtesten.“

„Weil er gar nichts taugt, wie Sie vorhin sagten?“

„I, das sagt man so. Sie würden ganz gut mit ihm zurecht kommen. Er muß Leute um sich haben, die nicht auf den Kopf gefallen sind.“

„Danke für das Kompliment, Herr Weißfisch; aber ich gehöre zu den Leuten, die nicht Fürstendiener sein können,“ rief ich mit Emphase.

„Ist bei dem gar nicht nöthig;“ sagte Herr Weißfisch, „er ist ein schlimmerer Republikaner, als Sie oder Ihr Vater.“

Ich begriff nicht, wie es zuging, aber bei jeder dieser Gelegenheiten kam Herr Weißfisch auf meinen Vater und meine Mutter zu sprechen. Die paar Andeutungen, die ich ihm auf seine wiederholten Fragen zögernd über meine Familienverhältnisse gemacht hatte, berechtigten ihn nicht dazu; ich mußte glauben, daß er ein wirkliches persönliches Interesse an mir nahm. Ich war zu jung und unerfahren, um darin etwas Unbegreifliches zu finden, und ganz gewiß nicht so vornehm, daß mich die Zutraulichkeit des dienenden Mannes hätte beleidigen sollen. Im Gegentheil: ich hielt es für meine republikanische Pflicht, nun gerade gegen den Mann doppelt höflich und freundlich zu sein, im Gegensatz zu Schlagododro, der ihn nicht leiden konnte, eine falsche Katze, einen Fuchsschwanz, einen alten Affen nannte und ihn mit obligater Geringschätzung behandelte. So hatte er denn nach und nach so ziemlich alles, was ich überhaupt nach dieser Seite einem Fremden mittheilen durfte, in Erfahrung gebracht. Er schien sich weniger für meine Mutter zu interessieren (von der ich auch verhältnißmäßig selten gesprochen hatte) als für meinen Vater, und das, wie ich vermuthete und er eifrig bestätigte, aus Parteigründen. Er sei auch ein alter Achtundvierziger und Republikaner, vielmehr Socialdemokrat, wie sich das heut zu Tage für einen früheren Republikaner schicke. Und wenn er einmal in die Stadt müsse, werde er sicher nicht verfehlen, meinen Vater aufzusuchen. Die Gesinnungsgenossen müßten heut zu Tage zusammenhalten.

Ich vermochte freilich beim besten Willen nicht in dem vielgewandten Kammerdiener, der an keinem Menschen ein gutes Haar ließ, einen Gesinnungsgenossen des besten Mannes zu erkennen, aus dessen Munde ich noch nie ein böses Wort selbst über seine Widersacher und Feinde gehört hatte, aber ich konnte ihm doch auch ein kurzes Empfehlungsbriefchen an den Vater nicht abschlagen, um das er mich bat, als er an einem der nächsten Tage in die Stadt fuhr. Unsre Proben waren so weit vorgerückt, daß es nur noch an den Kostümen fehlte, damit wir zur Aufführung schreiten konnten. Weißfisch hatte von seinem Herrn Befehl, das Nöthige in der Stadt zu besorgen.

„Sie sollen sehen, wie sich der Mann aus der Affaire zieht,“ sagte der Kammerherr; „er thut immer mehr, als man glaubt und für möglich hält.“

So fuhr er denn eines Morgens in aller Frühe ab, und als er am späten Abend noch desselben Tages wiederkam, brachte er mir Grüße von dem Vater, den er in der Werkstatt angetroffen

[205]

Ansichten von Krumau und Budweis.
Nach Photographien auf Holz gezeichnet von Richard Püttner.

[206] hatte, fleißig, aber älter und stiller und weniger mittheilsam, als er ihn sich vorgestellt. Sodann völlig neue prächtige Kostüme für den Kammerherrn und mich und mannigfachen reichen Stoff für die Damenkleider, der bereits zugeschnitten war und von der Kammerfrau der Frau von Vogtriz unter seiner Aufsicht nur noch zusammengeheftet zu werden brauchte. Es war wirklich viel mehr, als ich geglaubt, wenn es auch, wie mir Herr Weißfisch im Vertrauen mittheilte, dem Kammerherrn ein „schmähliches Geld“ gekostet.

Ich sollte zu spät erfahren, daß der Mann auch in meinen Angelegenheiten und auf meine Kosten viel mehr gethan hatte, als ich geglaubt oder für möglich gehalten.

(Fortsetzung folgt.)

Im deutschen Böhmerwalde.

Reiseskizzen von Karl Pröll.
I.

Das Lied von der „verlorenen Kirche“, deren Läuten nur manchmal aus dem tiefen Walde herüberdringt, ist dem deutschen Volksgeiste abgelauscht. In die unbegrenzte Sehnsucht mischt sich geheime Anklage, daß wir achtlos vergessen oder trägherzig preisgegeben, was uns am theuersten sein sollte. Diese Anklage erhält heute nationalsittliche Bedeutung. Während wir selbstgenügsam den deutschen Staat aufbauen, geht rings umher deutsches Volksthum verloren, erliegt dem Andrange fremden Wesens, das stets feindseliger einstürmt. So geschieht es in den russischen Ostseeprovinzen, den civilisatorischen Eroberungen des deutschen Ordens und der Schwertbrüder. So in den Vorländern der alten deutschen Ostmark, in Oesterreich. Wir können diesen Rassenkampf verfolgen in den fruchtbaren Ebenen Ungarns, im Gebiete der transsylvanischen Alpen, an den Südhängen der Centralkarpathen, zwischen den Karawanken und der Adria. Aber am gewaltthätigsten erfolgt der Angriff auf unsere Nationalität in Böhmen, wo der slawische Krater, welcher nach Jahrhunderten wieder thätig geworden, den ihn einschließenden deutschen Gürtel zu durchbrechen und zu zerstören sucht. Wohin wir über die jetzigen Reichsgrenzen hinausblicken, überall dieselben traurigen Thatsachen: unsere Kulturmarken weichen zurück, Stammesgenossen gerathen in harte Nothlagen.

Der deutsche Böhmerwald ist noch keine verlorene Kirche unserer Nationalität. Aber auch von dort klingt die Nothglocke zu uns herüber. Und wie Viele wissen etwas vom Böhmerwald, kennen das tannenstolze und fichtengrüne Berg-Heim, das in seinen einsamen Hochseen und schlichten Bewohnern sich bespiegelt, mit Wildgewässern uns unverstandene Grüße zuschickt. Dieses mit seltenen Naturreizen geschmückte Waldland, dieses Waldvolk, kernig deutsch wie nur irgend ein lebensvoller Zweig unserer Nation möchte ich den Lesern der „Gartenlaube“ ein wenig schildern. Vielleicht gelingt es mir, nicht nur ein flüchtiges Interesse zu erwecken, sondern Andere anzuspornen, dorthin ihren Wanderstab zu lenken. Sie werden dann Land und Volk lieben lernen und ein Verständniß für die Leiden des letzteren, für dessen schwere Kämpfe zur Behauptung der nationalen Existenz gewinnen.

Das Böhmerwaldgebiet umfaßt den südwestlichen hohen Grenzwall Böhmens und die von ihm nach Osten und Nordosten entsendeten Zweiggebirge oder Plateaulandschaften bis zum Uebergang in die Moldau-Ebene. Die Geographen lassen den Böhmerwald in der Gegend von Eger beginnen, wo er von dem Fichtelgebirge durch einen Einschnitt getrennt wird, und im Süden an das böhmisch-österreichische Gebirge anschließen.

Landesüblich gilt die Bezeichnung „Böhmerwald“ nur für den Theil, welcher südlich von der Einkerbung bei Furth sich erstreckt, während der nördliche Abschnitt „Böhmischer Wald“ genannt wird. Vorgelagert ist dem Böhmerwald nach Westen der Bayerische Wald gleichsam ein Zwillingsgebirge, das dem ersteren an Höhe und Massenentfaltung nicht nachsteht. Der Hauptkamm des Böhmerwaldes, welcher so ziemlich die politische Grenze zwischen Bayern und Böhmen einhält, scheidet auch die Stromgebiete der Donau und Elbe. Böhmerwald und Bayerischer Wald sind noch heute ein zusammenhängender ungeheurer Forst, der durch die Menschensiedlungen nur wenig eingeengt wird. Sie bilden gleichsam einen grünen Golfstrom inmitten Europas, welcher die Temperatur- und Feuchtigkeitsverhaltnisse der anliegenden Länder wesentlich bedingt. Das Gebiet eines jeden derselben übersteigt hundert Quadratmeilen. Der Böhmerwald zählt gegen eine Viertelmillion bis in die neueste Zeit fast durchaus deutsche Bewohner. Charakter, Sitten und Gebräuche, Trachten und äußere Erscheinung der Bevölkerung gleichen im Wesentlichen jenen Ausgestaltungen der Lebensart, welche wir bei den angrenzenden Oberösterreichern und Niederbayern vorfinden. Nicht allein der deutsche Geist und die Muttersprache spotten hier der trennenden Schranken, auch die Stammeseigenthümlichkeiten und der Dialekt wiederholen sich. Nur in wirthschaftlicher und socialer Hinsicht entdeckt man bemerkenswerthe Unterschiede. Statt der wohlhabenden oberösterreichischen Bauern und der unabhängigen bayerischen Eigenbesitzer treffen wir im Böhmerwalde die Pächter und Hintersassen ausgedehnter Latifundien; denn hier ist das Reich der fideikommissarischen Herrschaft, welche am mächtigsten und weitgreifendsten in dem Majoratserbe der Fürsten von Schwarzenberg sich entfaltet hat. Der größte Theil des Grund und Bodens im südlichen Böhmerwalde gehört ausschließlich dieser vor zweihnndert Jahren aus Unterfranken gekommenen Adelsfamilie, welche heute, ihres deutschen Ursprunges vergessend, für tschechische Nationalinteressen wirkt. Die Bevölkerung fristet unter dem Drucke der Abhängigkeit ihr bescheidenes Dasein, ausgeschlossen vom großen Kulturverkehre, umlagert von den Tschechen, welche sie allmählich aussaugen wollen. Selbst die kleinen Städte und Märkte leiden unter diesem wirthschaftlichen Druck, welcher eine segensreiche Entwicklung von Handel und Industrie hemmt. Im Norden des Böhmerwaldes, im Gebiete der „kunischen Freibauern“ werden die Zustände etwas besser.

Als politische Warte des Böhmerwaldes ist die Kreisstadt Budweis zu betrachten, 120 Kilometer südlich von Prag, am Zusammenflusse der Moldau und Maltsch. Sie zählt gegen 25000 Einwohner. In Mitte des Hauptplatzes oder „Ringes“, welchen eine der Skizzen des beifolgenden Bildes darstellt, befindet sich ein großer Brunnen mit der mehr massigen, als künstlerisch durchgebildeten Figur des Simson, der ein Raubthier zwischen seinen Fäusten erdrückt. Auch die Deutschen in Budweis haben alle Ursache, sich die angestammte Kraft zu bewahren, denn bereits ist fast die Hälfte der Bevölkerung tschechisch geworden. Noch ist aber die Stadtvertretung deutsch, und die wohlhabenden und gebildeten Klassen halten fest zu ihr.

Das zwei Jahrhunderte alte Rathhaus, welches mit seinem breitspurigen Rococo eine gute Massenwirkung erzielt und durch Thürmchen, wappenartige Freskomalereien, gothische Wasserspeier eine belebte Façade erhält, wird heute von kaiserlichen Behörden eingenommen, während der Gemeinderath in dem anliegenden Gebäude tagt. Hier zeigt man den Fremden das städtische Museum, welches größtentheils aus Schenkungen von Mitbürgern hervorgegangen ist und vieles Interessante bietet, auch seine orientalischen und ostasiatischen Sammlungen jetzt mit einheimischen Erzeugnissen des Böhmerwaldes ergänzen soll. Denn Budweis ist der kommerzielle und nationale Mittelpunkt dieses Gebietes, obwohl es von den letzten Abfällen des Gebirges einige Stunden entfernt liegt und sich auf einer deutschen Sprachinsel befindet, die sich ungefähr eine Meile um die Stadt herum abgrenzt. Diese ist der Stapelplatz der Holz-Flößerei und -Schwemmerei des Böhmerwaldes. Zahlreiche Fabriken, darunter die berühmte Bleistiftfabrik von Hartmuth, einem ebenbürtigen Nebenbuhler der Nürnberger Faber, die fiskalische Tabakfabrik, die Schwarzenbergsche Zuckerfabrik, haben zur Hebung des Reichthums, aber auch zur Heranziehung slawischer Arbeiter mitgewirkt. In Folge der böhmischen Sprachenverordnung von 1880, welche verlangt, daß jeder Staatsdiener in diesem Kronlande des Tschechischen mächtig sei, werden die deutschen Beamten rasch verdrängt, und an ihre Stelle nisten sich Gegner des Deutschthums in die politischen, Verwaltungs-, Finanz u. s. w. Behörden, in die Gerichte etc. ein. Die täglich wachsende Gefahr hat schließlich die Deutschen veranlaßt, ihre zerstreuten Kräfte zu sammeln. Sie gründeten auf Anregung des verdienstvollen Publicisten Franz Höllrigl im Jahre 1884 einen Böhmerwaldbund, dessen natürlicher [207] Vorort Budweis ward. Binnen Jahresfrist hat dieser Verein zur nationalen Stärkung und wirthschaftlichen Hebung des Böhmerwaldvolkes es zu beinahe 100 Ortsgruppen (gegen 60 im gefährdeten Gebiete selbst) mit 12000 Mitgliedern gebracht.

Ein sichtbares Wahrzeichen des erwachenden deutschnationalen Bewußtseins ist das umfangreiche, geschmackvoll und zweckmäßig eingerichtete „Deutsche Vereinshaus", welches erst geschaffen wurde, nachdem die tschechischen Pioniere in demonstrativer Weise eine „Beseda", das ist eine gesellschaftliche Verbindung von propagandistischem Charakter, errichtet. Die Volks- und höheren Schulen sind bereits zur Hälfte slawisch, das bischöfliche Seminar, welches eine Diöcese von zwei Drittel deutscher Bevölkerung zu versorgen hat, zählte im letzten Semester unter etwa 100 Alumnen vier Deutsche. Und das vom Bischof Schönborn gegründete Taubstummeninstitut trägt nur eine tschechische Aufschrift, während die Straßenweiser doppelsprachig und die Schilder der größeren Firmen noch ausschließlich deutsch gehalten sind. So sieht es auf diesem Felde des Rassenkampfes aus. Auf dem Markstein des „Deutschen Vereinshauses“ stehen die mahnenden Worte:

„Durch Kampf zum Sieg – durch Finsterniß zum Licht –
Das ist des Deutschen frohe Zuversicht.“

In den neuen Stadtparkanlagen, in denen man noch Reste der alten Stadtmauer erblicken kann, begrüßen uns die wohlgelungene Kolossalbüste Kaiser Josef’s „des Einzigen“ und ein charakteristisches Standbild Lanna’s, des „selbstgemachten“ Holz-Krösus, dem seine Vaterstadt Vieles verdankt.

Neben der mächtigen, aber stillosen Stadtkathedrale erhebt sich ein hoher Glockenthurm, von dessen Brüstung man eine weite Ausschau genießt. Die ziemlich regelmäßig gebaute Stadt mit den Flußläufen der Moldau und Maltsch und ein fruchtbares Gefilde, das von bewaldeten Bergen umschlossen wird, können wir überblicken. Nach Norden lugt aus Waldesdunkel Frauenberg, das Prunkschloß der Fürsten von Schwarzenberg, hervor.

Nach Frauenberg gelangt man auf der Budweis-Pilsener Bahn oder, wenn man das Landschaftsbild genauer sich einprägen will, in etwa einundeinhalber Stunde zu Wagen. Ich sah mir zuerst das in einem Parkwalde stehende Jagdschloß Wohrad mit seinem interessanten Forste und Jagdmuseum an, in welchem namentlich die ausgestopften Thiergruppen, thatsächlich „lebende Bilder von des Wildes Treiben und Kämpfen“, interessiren. Dann ging es durch den großen, völlig tschechisirten Ort Frauenberg etwa 300 Fuß aufwärts nach dem Fürstenschlosse. Im Vorbeigehen betrachtete ich in der Kirche Hans Gasser’s „Madonna mit dem Kinde“ aus Sandstein, ein Skulpturwerk oou echtem Künstlergeist eingegeben. Das Schloß ist im sogenannten Windsor-Stile, der spätgothischen, in der Gesammtgliederung und in den Formen beweglicheren englischen Palast-Architektur erbaut, und macht in Verbindung mit den Waldkoulissen und den ziergärtnerischen Anlagen einen malerischen Eindruck. Dasselbe wurde auf dem Platze der abgetragenen alten Burgveste, die mannigfache Kampfschicksale erlebt und einmal auch im Besitze des im Dreißigjährigen Kriege genannten Generals Maradas war, von 1847–1871 errichtet von dem jetzigen Majoratsherrn und „regierenden Fürsten“ Johann Adolf, Herzog zu Krumau.

So vortheilhaft der äußere Eindruck des drei Stockwerke hohen, mit Zinnen gekrönten, von Thürmen und Erkern eingerahmten Schloßbaues ist, so überladen erscheint dessen innere Ausschmückung. Das ist ein Magazin des Reichthums, in dem die Kunst nur hier und da einen fröhlichen Schelmenstreich mit dem schwerfälligen Aufstapler und antiquarischen Dilettanten getrieben. Eine harmonische Stimmung konnte ich nur in dem großen Bibliotheksaal erlangen, während die Zimmer der verstorbenen Fürstin mir als eine durch einander gewürfelte Auslese von Luxusläden verschiedener Zeitalter erschienen. Charakteristisch für den hier herrschenden Geist ist, daß mir und meinem Freunde ein Lakai als Fuhrer beigegeben wurde, der nur tschechisch sprach oder zu verstehen vorgab. Ware mein Begleiter nicht dieses Idioms einigermaßen mächtig gewesen, so hätten wir an verschiedenen fürstlichen Familienreliquien verständnißlos vorübergehen müssen; über das Künstlerische hatte unser Cicerone nicht einmal das übliche eingelernte Urtheil. Was als ein Zufall erscheinen konnte, gewinnt im Zusammenhang, mit anderen Erscheinungen einen typischen Charakter. Auch im neuen Beamtenhaus neben dem Anstieg zum Schlosse hört man fast nur tschechische Laute. Von den mehr als 2000 Verwaltungs- und Forstbeamten, welche der Fürst für seine in Böhmen allein 33 Quadratmeilen umfassenden Besitzungen in Dienst genommen, sind bereits mehr als die Hälfte Tschechen; der deutsche Rest bequemt sich dem neuen Rasseglauben an, so gut er kann. Diese Haltung bedarf keiner weiteren Glosse. Sie allein vermochte den tschechischen Uebermuth so weit zu steigern, daß bei Enthüllung der Büste des Dichters Kollar in Weleschin unweit Krumau ein siegestrunkener Redner ausrief: „Bald muß auch die letzte Barbarenburg in Südböhmen, das ist Budweis, fallen, welche wir schon so lange belagern.“

Am frühen Morgen ging es weiter nach Krumau, das in dreiundeinhalb Stunden erreicht wurde. Dieses malerische Städtchen ist der Thorhüter des südlichen Böhmerwaldes. Die bräunliche Moldau verräth hier noch Zigeunerblut. Eingeengt zwischen den Bergen dreht sie ihren schmalen Leib in den knappsten Windungen, versucht sich in den künstlichsten Verschlingungen, bis sie endlich mit raschem Fuße aus dem Kreise entschlüpft. Als Zuschauer drängen sich die alten Häuser in dichten ungeordneten Reihen bis zum Uferrand. Vom erhöhten Balkonsitze blickt mit vornehmer Gelassenheit das mächtige Schloß herab auf das steinerne Gewühl und auf die wildrauschenden Fluthen. Die in unserm Bilde wiedergegebene Ansicht veranschaulicht den Charakter des auf einem vorgeschobenen Felsen terrassenförmig sich erhebenden Städtchens, dessen Giebel sich recken, um über die vorderen Dächer hinauszulugen, wobei nur engen Berggassen Raum bleibt. Die gothische Kirche im Vordergrunde ist das Heiligthum der Erzdechanei Sankt Veit, in deren Wohnräumen der Prälat von Krumau residirt. Die Thürme des Gotteshauses sind verzopft, desto mehr erfreut das innere durch reiche und stilvolle Ausgestaltung, Netz- und Sterngewölbe, sowie schönes Stab- und Maßwerk und ein feingearbeitetes Sakramentshäuschen. Im Hintergrund erhebt sich auf steiler Höhe das Schloß Krumau, welches die Witikonen im 11. Jahrhundert gegründet, die Rosenberg bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts besessen und die Eggenberg im 18. Jahrhundert an die Schwarzenberg vererbt haben, die den Titel „Herzöge von Krumau“ übernahmen. Bei Beginn des Dreißigjährigen Krieges sammelte von da aus der Spanier Caratti die kaiserlichen Truppen zur Bezwingung der aufgestandenen Böhmen. Kurz vorher soll ein natürlicher Sohn des sterndeutenden Kaisers Rudolf II., Don Julius d’Austria, hier in schwerer Gefangenschaft dem Zorne seines Vaters geopfert worden sein.

Obwohl die weitausgedehnte, fünf Hofräume umschließende Gruppe von Gebäuden, welche das Schloß bilden, verschiedenen Zeitaltern entstammt und verschiedene Bauformen zeigt, verleiht ihr die historische Stimmung, deren das prunkende Frauenberg völlig entbehrt, doch ein einheitliches Gepräge. In stolzer Majestät steht der romanische Schloßthurm da mit seinen starken Mauern und seiner lauschigen oberen Säulengalerie, welche eine entzückende Rundsicht gewährt. Aber noch malerischer erscheinen die Marstallbrücke, welche die durch eine tiefe Schlucht getrennten alten und neuen Schloßtheile verbindet, und die über derselben sich dreimal wiederholenden gedeckten Verbindungsgänge. Wenn der Mondschein sie umfließt, kann man glauben, es schimmerten die Saiten einer Riesenharfe herüber, welche zwischen Felsen ausgespannt sind, und deren Resonanzboden der dunkle Hang des rückwärts aufdämmernden Planskerwaldes bildet. Dieser mächtige Querriegel des Böhmerwaldes bietet im fast 1100 Meter hohen Schöninger eine Hochwarte, wo man von dem Josefsthurm aus ein großartiges Panorama überschaut und bei klarem Wetter Fernblicke bis zu den Eishäuptern der Alpen hat.

Wie in Budweis, so suchen auch hier die Tschechen sich einzurichten. Sie beriefen tschechische Turner oder Sokolisten im August v. J. zu einer Demonstration nach Krumau, welche aber am ruhigen Sinn der Bevölkerung scheiterte. Der erhoffte Konflikt trat nicht ein, und während deutsche Turner zwei Wochen später in Königinhof beschimpft und mit einem Steinhagel überschüttet wurden, fanden die Sokolisten hier nur die Häuser verschlossen und die Straßen leer.

Der Bergbau, welcher vor 900 Jahren Krumau den Ursprung gegeben, ist wegen mangelnder Ergiebigkeit schon lange eingestellt. Aber das Gold deutscher Treue bergen noch die Herzen der standhaften Männer, welche nicht lassen wollen von germanischer Art. Sie leisten den Eindringlingen zähen Widerstand, bewehrt mit den Waffen des Gesetzes und gestärkt durch ihre Einmüthigkeit. Harret aus und ihr werdet siegreich aus dem Kampfe hervorgehen!


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Vom Nordpol bis zum Aequator.

Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm.
2. 0Bilder aus dem Affenleben.
I.0 Die Affenfamilie.

Scheich Kemál el Din Demiri, ein gelehrter Araber, welcher um das Jahr 1405 unserer Zeitrechnung zu Damaskus starb, erzählt in dem von ihm verfaßten Buche „Heiát el Heiwán“ oder „Leben der Thiere“, auf einen Ausspruch des Propheten sich stützend, folgende wundersame Geschichte:

„Lange bevor Mohamed, der Prophet und Gesandte Gottes des Allbarmherzigen, des Glaubens Licht entzündet hatte, viel früher noch, ehe Issa oder Jesus von Nazareth gelebt und gelehrt, bewohnte die Stadt Aila am Rothen Meere eine zahlreiche Bevölkerung jüdischen Glaubens. Sie aber bestand aus Sündern und Ungerechten vor dem Auge des Herrn, denn sie entheiligte fortdauernd den geweiheten Tag des Allerbarmers, den Sabbath. Vergeblich warnten fromme und weise Männer die sündigen Bewohner der gottlosen Stadt. Diese frevelten nach wie vor an dem Gebote des Höchsten. Da verließen die Warner die Stätte des Unheils, schüttelten den Staub von ihren Füßen und beschlossen, anderswo Elohim zu dienen. Heimweh aber und Sehnsucht nach ihren Angehörigen trieb sie nach Verlauf dreier Tage zurück nach Aila. Hier bot sich ihnen ein wunderbarer Anblick. Die Thore der Stadt waren verschlossen, die Zinnen der Mauern jedoch unbesetzt, so daß jenen unverwehrt blieb, die Mauern zu übersteigen. Aber auch die Straßen und Plätze der unglückseligen Stadt waren menschenleer. Da, wo sonst das lebendige Getriebe gewogt und gefluthet, wo Käufer und Verkäufer, Priester und Beamte, Handwerker und Fischer in buntem Gewimmel sich bewegt, saßen und hockten, liefen und kletterten riesige Paviane, und aus den Erkern und Fenstern, von den Söllern und Dächern, woselbst einst dunkeläugige Frauen geweilt, blickten Pavianinnen auf die Straßen hernieder. Und alle, die riesigen Affen wie die schmucken Aeffinnen, waren traurig und bestürzt, schaueten trübselig auf die heimgekehrten Pilger, schmiegten sich bittend und flehend an sie und stöhnten klagend. Staunend und grübelnd betrachteten die frommen Waller das unheimliche Wunder, bis einem von ihnen der trostlose Gedanke kam, daß Paviane und Pavianinnen vielleicht gar ihre früheren, nunmehr zu Thieren herabgesetzten Verwandten sein möchten. Um sich zu vergewissern, ging der weise Mann stracks zu seinem Hause. In der Thür desselben saß ebenfalls ein Pavian; der aber senkte beim Erscheinen des Gerechten schmerz- und schamvoll die Augen zu Boden. ,Sage mir, bei Allah dem Allbarmherzigen, o Pavian,‘ so frug der Weise den Affen, ,bist Du mein Schwiegersohn Ibrahim?‘ Und traurig antwortete der Pavian: ,Ewa, ewa,‘ – ja ich bin es. Da schwand dem Frommen jeglicher Zweifel, und er erkannte bekümmerten Herzens, daß ein schweres Strafgericht Gottes gewaltet, daß die ruchlosen Sabbathschänder aus Menschen zu Affen gewandelt worden waren.“

Scheich Kemál el Din wagt zwar an diesem Wunder nicht zu zweifeln, kann aber, als denkender Mann, nicht umhin, die Meinung auszusprechen, daß vielleicht doch früher als Juden Paviane gelebt haben dürfen.

Wir unsererseits schließen uns, so hübsch erdacht und erzählt jene Geschichte auch ist, dieser Auffassung um so eher an, als die Affen, mit denen es die frommen Eiferer Ailas zu thun gehabt haben konnten, alte gute Bekannte von uns sind. Denn in Arabien hausen einzig und allein Mantelpaviane; einen derselben, den Hamadryas, aber finden wir bereits auf sehr alten ägyptischen Denkmälern vortrefflich abgebildet, und die Haartracht der Mantelpaviane ist es, welche den alten Aegyptern so auffallend erschien, daß sie dieselbe als Vorbild wählten und ihren Sphinxen gaben, ebenso wie sie heutigen Tages noch als Muster für den Haarputz den dunklen Schönen Ostsudans dient. Der Mantelpavian nämlich spielt in der altägyptischen Götterlehre eine sehr bedeutsame Rolle, wie wir dies unter Anderem aus dem Werke des Hieroglyphenerklärers Horapollen erfahren. Diesem zufolge wurde der Affe in den Tempeln gehalten und nach seinem Tode einbalsamirt. Er galt als Erfinder der Schrift und daher ebenso wohl als ein dem Urheber aller Wissenschaft, Thoth oder Merkur, geheiligtes Wesen, wie als naher Verwandter der ägyptischen Priester, wurde auch bei seinem feierlichen Einzuge in das Heiligthum jedesmal einer Prüfung unterworfen, indem ihm der Oberpriester Schreibtafel, Tinte und Feder in die Hand drückte und ihn aufforderte zu schreiben, damit man erkennen möge, ob er der Aufnahme würdig sei oder nicht; von ihm behauptete man, daß er in geheimnißvoller Beziehung zum Monde stehe, beziehentlich, daß letzterer einen ungewöhnlichen Einfluß auf ihn übe; ihm schrieb man endlich die Fähigkeit zu, die Zeit in so ersichtlicher Weise einzutheilen, daß Trismegistus, „der dreimal erhabene“ Thoth, nach dem Beispiele und Vorbilde seines Thuns Wasseruhren angefertigt haben soll, welche wie er Tag und Nacht in je zwölf gleiche Abschnitte theilten. Somit danken mittelbar auch wir diesem Affen nicht allein die Schrift, sondern ebenso unsere Eintheilung der Zeit.

Es ist beachtenswerth, daß die alten Aegypter wohl ihre und des Affen Verwandtschaft für wahrscheinlich erachten, nicht aber ihre Abstammung von dem Affen als möglich erscheinen lassen. Einer derartigen Auffassung des Verwandtschaftsgrades zwischen Mensch und Affe begegnen wir zuerst bei den Indern. Unter ihnen herrscht seit uralter Zeit und noch heutigen Tages der Glaube, daß wenigstens einige Königsfamilien von einem in Indien heilig gehaltenen, in gewissem Sinne sogar als Gottheit angesehenen Schlankaffen, dem Hulman abstammen, und daß die Seelen abgeschiedener Könige in den Leib dieses Affen zurückkehren. Eine der regierenden Familien rühmt sich dieser Abkunft durch die in ihren Titel aufgenommene Ehrbezeichnung „geschwänzte Rana“ in besonders hervorragender Weise.

Aehnliche Ansichten, wie die Inder sie hegen, sind in neuerer Zeit bekanntlich auch unter uns geltend gemacht worden, und die Affenfrage, wie ich kurz, jedoch wohl allgemein verständlich, mich ausdrücken will, hat deßhalb viel Staub aufgewirbelt. Wissenschaftliche, für die Allgemeinheit zunächst bedeutungslose Erörterungen haben ebenso heiligen Zorn zu lodernden Flammen entfacht, wie ernstere Forscher in zwei verschiedene Lager getheilt und zu eifriger Verfechtung des Für und Wider begeistert. Wissenschaftlicher Forschung gänzlich fernstehende Elemente haben den Kampf aufgenommen, ohne zu wissen oder auch nur zu ahnen, um welches Ziel er eigentlich geführt wird, ihn sogar in Schichten getragen, in denen er nur Unheil stiften kann, und dadurch Verwirrung geschaffen, welche sich schwerlich so leicht lösen dürfte. Ueber die Affen zu reden ist nach alldem ein bedenkliches Unterfangen geworden, weil man, sie behandelnd, fortwährend Gefahr läuft, entweder den geträumten Urahn hwrabzusetzen, oder durch ihn den vermeintlichen Nachkommen zu beleidigen – ganz abgesehen von unausbleiblichen Schmähungen erbärmlichster Art, mit denen ungesittete, blindwüthend gegen das Zeitbewußtsein kämpfende Eiferer Jeden überschütten, welcher das Wort Affe auszusprechen wagt. Gleichwohl wird die Affenfrage zunächst noch nicht von der Tagesordnung verschwinden; denn diese Thiere, welche offenbar unsere nächsten Verwandten im Thierreiche darstellen, sind viel zu sehr unserer Theilnahme werth, als daß wir uns durch Hemmnisse, wie erwähnt, abhalten lassen sollten, sie und ihr Leben fernerhin zu erforschen, mit uns selbst und unserem Thun und Treiben zu vergleichen und damit nicht allein ihre Kunde, sondern auch die des Menschen zu fördern.

Ein Beitrag hierzu soll das Folgende sein.

Mit kurzen, gedrängten Worten ein allgemeines Lebensbild – und auf ein solches will ich mich beschränken – der so verschiedenartigen Thiere zu geben, ist schwierig. Sie bewohnen in etwa vier-, jedenfalls erheblich mehr als dreihundert Arten alle Erdtheile, mit alleiniger Ausnahme Australiens, insbesondere die Länder zwischen den Wendekreisen. In Amerika erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet vom 28. Grade südlicher Breite bis zum Antillenmeere; in Afrika reicht es vom 35. Grade bis zur Meerenge von Gibraltar, in Asien von den Sunda- bis zu den japanischen Inseln; in Europa beschränkt sich ihr Vorkommen auf den Felsen [209] von Gibraltar, woselbst seit nicht nachweisbaren Zeiten, gegenwärtig von der Besatzung der Feste gehegt und geschont, ein aus mehr als zwanzig Stück bestehender Trupp Magots oder Stummelmakaken sein Dasein fristet. Wälder und Felsengebirge, in denen sie bis zu dritthalbtausend Meter unbedingter Höhe emporsteigen, bilden ihren Aufenthalt. Hier wie dort hausen sie, wenige Arten ausgenommen, jahraus, jahrein, tragen aber dem Wechsel der Jahreszeiten in so fern Rechnung, als sie im Walde den reifenden Früchten zu Liebe mehr oder minder ausgedehnte Wanderungen unternehmen oder in den Gebirgen mit Beginn der warmen Jahreszeit aufwärts, mit Eintritt der kalten abwärts steigen; denn sie lieben, obschon man sie selbst in verschneiten Gegenden noch antrifft, die Wärme ebenso wie einen reichlich und mannigfaltig beschickten Tisch. Etwas zu beißen und zu knacken muß es da, wo sie bleibend oder für längere Zeit sich ansiedeln sollen, jedenfalls geben; sonst wandern sie aus. Waldungen in der Nähe menschlicher Siedelungen erscheinen ihnen als Paradiese; der verbotene Baum in ihnen kümmert sie nicht. Mais- und Zuckerrohrfelder, Obst-, Bananen-, Pisang- und Melonenpflanzungen betrachten sie als ihnen erb- und eigenthümliche Weidegebiete: Ortschaften, in denen frommer Wahn der Bevölkerung sie schützt, gelten ihnen ebenfalls als recht angenehme Wohnsitze.

Eine Familie der Mantelpaviane (Dschelada). Von Fr. Specht.

Alle Affen, die sogenannten Menschenaffen vielleicht ausgenommen, leben in Banden von bisweilen sehr erheblicher Stärke, denen ein altes Männchen als Führer vorsteht. Zu solcher Würde erhebt die wohl oder übel allseitig anerkannte Befähigung des Inhabers: die stärksten Arme und die längsten Zähne entscheiden. Während bei Säugethieren, unter denen ein weibliches Mitglied die Führung übernimmt, jedes andere Zugehörige der Herde willig folgt, erzwingt der Leitaffe, als Selbstherrscher und Alleingebieter der schlimmsten Art, unbedingten Gehorsam. Wer sich nicht gutwillig unterordnen will, wird durch Bisse, Kniffe und Püffe zur Pflicht geführt. Der Leitaffe verlangt sklavische Unterwerfung von allen übrigen Affen und ebenso von den Aeffinnen seiner Herde. Ritterliche Artigkeit gegen das schwächere Geschlecht übt er nicht: „Im Sturm erringt er der Minne Sold“. Seine Zucht ist streng, sein Wille unbeugsam. Kein Affenjüngling darf sich unterstehen, mit einer Aeffin seiner Bande zu liebeln, keine Aeffin sich erdreisten, außer ihm einem anderen Affen Huld zu gewähren. Er selbst herrscht unbeschränkt über seinen Harem, und sein Geschlecht mehrt sich wie der Sand am Meere. Wird die Herde zu zahlreich, so sondert sich unter Leitung eines inzwischen erstarkten Mitaffen ein Trupp von ihr ab, um eine eigene Gemeinschaft zu bilden. Bis dahin wird jener allgemein geachtet und ebenso geehrt als gefürchtet. Alte geprüfte Affenmütter wie junge, im Backfischalter stehende Aeffinnen bestreben sich ihm zu schmeicheln, beeifern sich namentlich, ihm die höchste Gunst, welche ein Affe dem andern gewähren kann, fortwährend zu spenden, indem sie mit Ernst sich bemühen, sein Haarkleid von allen nicht zu ihm gehörigen Dingen und Wesen zu säubern. Er seinerseits läßt sich solche Huldigung gefallen mit dem Anstande eines Pascha, dem seine Lieblingssklavin die Füße kraut. Die Achtung, welche er sich zu verschaffen wußte, verleiht ihm Sicherheit und Würde im Auftreten, der Kampf, welchen er trotz alledem beständig zu bestehen hat, Wachsamkeit, Muth und Selbstbewußtsein, die Nothwendigkeit, seine Herrschaft zu erhalten, Umsicht, List und Verschlagenheit. Indem er diese Eigenschaften, zunächst wohl zum eigenen Besten, verwerthet, nützt er aber auch der Gesammtheit, [210] und seine schrankenlose Herrschaft erhält hierdurch Berechtigung und Bestand. Von ihm regiert und gelenkt, führt die Bande, wie heftige Stürme auch in ihrem Innern toben mögen, ein nach außen hin sehr gesichertes und daher behagliches Leben.

Alle Affen, mit Ausnahme der wenigen Nachtaffen, wirken bei Tage und ruhen bei Nacht. Erst geraume Zeit, nachdem die Sonne aufgegangen, ermuntern sie sich vom Schlafe. Ihr erstes Geschäft ist, sich zu sonnen und zu putzen. War die Nacht kalt und unbehaglich, so versuchten sie zwar dadurch, daß sie sich in Haufen zusammendrängten, ja sogar förmliche Klumpen bildeten, ihre unerquickliche Lage zu verbessern, frösteln am Morgen aber doch noch so, daß ihnen eine länger währende Besonnung durchaus geboten erscheint. Sobald der Nachtthau abgetrocknet ist, verlassen sie ihre Schlafplätze, klettern langsam zu den höchsten Spitzen der Baumwipfel oder Felsenzacken empor, erwählen einen den Sonnenstrahlen zugänglichen Sitz und kehren nun, auf letzterem gemächlich sich drehend und wendend, nach und nach alle Theile ihres Leibes der Sonne zu. Ist der Pelz abgetrocknet und gehörig durchwärmt, so regt sich das Verlangen, ihn gereinigt zu sehen, und jeder giebt sich nun diesem Geschäfte mit Eifer und Sorgfalt hin oder verlangt und empfängt von einem seines Gleichen solches bezweckenden Liebesdienst ebenso, wie er stets geneigt ist, ihn zu gewähren.

Nachdem das Haarkleid gereinigt, nöthigenfalls sogar gestrählt worden ist, macht sich die Sorge ums Frühstück geltend. Sie ist aus dem Grunde nicht beschwerend, weil den Affen alles Genießbare mundet und das Thierreich wie das Pflanzenreich ihnen zollen muß. Waldungen wie Berggelände bieten Früchte, Blatt- Und Blüthenknospen, Vogelnester mit Eiern oder junger Brut, Schnecken und Kerfe, Gärten Obst und Gemüse, Felder Getreide und Hülsenfrüchte. Hier wird eine reifende Aehre gebrochen, dort eine saftige Frucht gepflückt, in der Höhe ein Vogelnest ausgeplündert, auf dem Boden ein Stein umgewendet, in der Siedelung ein Garten gebrandschatzt oder ein Feld beraubt und überall etwas mitgenommen. Jeder einzelne Affe verwüstet, falls er dazu Zeit hat, zehnmal mehr, als er verbraucht, und kann aus diesem Grunde den Landwirth wie den Gärtner oder Obstzüchter empfindlich schädigen. Bei Beginn des Raubzuges sucht jeder für alle Fälle sich zu sichern und verzehrt fast ohne Wahl, was er erlangt, stopft auch, wenn er Backentaschen besitzt, zunächst diese so voll, als irgend möglich; sobald er aber dem ersten und dringendsten Bedürfnisse genügt hat, wählt und mäkelt er in maßloser Weise, indem er alles gepflückte Obst, jede gebrochene Aehre erst sorgsam untersucht, beriecht und beschaut, bevor er genießt, in den meisten Fällen aber das eine wie das andere achtlos wegwirft, um nach anderer Atzung zu greifen und ebenso zu verfahren wie vorher. „Wir säen und die Affen ernten,“ klagten mir die Bewohner Ost-Sudans mit vollstem Rechte. Gegen derartige Diebe schützt weder Hag noch Mauer, weder Schloß noch Riegel: sie übersteigen jene und öffnen diese; und was nicht gefressen werden kann, wird wenigstens mitgenommen. Es ist lustig und leidvoll zugleich, ihnen zuzuschauen; denn wie in ihrem Wesen überhaupt, paart sich auch jetzt Dreistigkeit und Verschlagenheit, Uebermuth und Schlauheit, Genußsucht und Vorsicht, ebenso freilich auch List und Tücke, Frechheit und Böswilligkeit. Alle ihnen eigenen Kunstfertigkeiten gelangen um so mehr zur Geltung, je gefährlicher das Unternehmen erscheint. Es wird gelaufen, geklettert, gesprungen, im Nothfalle auch geschwommen, um jedes Hemmniß wegzuräumen, immer und unter allen Umständen aber die eigene Sicherung niemals außer Acht gelassen. Der Leitaffe zieht stets voran, lockt, ruft, mahnt, warnt, zetert, schilt und straft, je nach Befinden; die Herde folgt und gehorcht, ohne jedoch jemals ganz zu vertrauen. Bei Gefahr denkt jedes Mitglied der Bande zunächst an die eigene Sicherung und findet sich erst später wieder bei dem Leitaffen ein; nur die Mütter, welche Kinder an der Brust oder auf dem Rücken tragen, machen hiervon eine Ausnahme, indem sie um deren Schicksal besorgter sind oder doch zu sein scheinen, als um ihr eigenes.

Die Affenjungen, von denen die meisten Arten gleichzeitig nur eins gebären, kommen zwar als wohlentwickelte Wesen, daher auch mit offenen Augen, zur Welt, sind aber nach unseren Begriffen überaus häßliche und trotz verhältnißmäßig weit vorgeschrittener Entwickelung ziemlich hilflose Geschöpfe. Häßlich erscheinen sie uns, weil ihre faltigen Gesichter mit den lebhaften Augen einen greisenhaften Ausdruck haben und ihr noch spärliches Haarkleid die ohnehin sehr bedeutende Länge ihrer Vorderglieder gleichsam noch verzerrt; als unbehilflich erweisen sie sich, weil sie von diesen Gliedern keinen anderen Gebrauch zu machen wissen, als sich an die Brust der Mutter zu heften. Hier hängen sie, mit Armen und Händen den Hals, mit Beinen und Füßen die Weichen der Mutter umklammernd, wochenlang, ohne ersichtlich mehr als den Kopf zu bewegen, gestatten daher der Mutter, ohne irgendwie gewichtige Belästigung gewohnten Geschäften nachzugehen und nach wie vor auf den halsbrechendsten Pfaden zu wandeln oder die kühnsten Sprünge auszuführen. Erst nach Ablauf geraumer Zeit, selten früher als nach Monatsfrist, beginnen sie, einzelne Bewegungen zu versuchen, benehmen sich dabei jedoch so ungeschickt, daß sie eher zum Mitleide als zum Lachen reizen. Diese Wechselbälge aber werden, vielleicht gerade ihrer Hilflosigkeit halber, von ihren Müttern mit solcher Zärtlichkeit betrachtet und behandelt, daß der Ausdruck „Affenliebe“ durchaus richtig erscheinen muß. Jede Affenmutter macht sich beständig mit ihrem Sprößlinge zu schaffen. Bald leckt sie ihn, bald reinigt sie sein Fell, bald legt sie ihn an die Brust, bald nimmt sie ihn in beide Hände, als wolle sie ihn einwiegen. Sieht sie sich beobachtet, so kehrt sie sich ab, als wolle sie andern Wesen den Anblick ihres Lieblings mißgönnen. Ist dieser älter und beweglicher geworden, so erhält er zuweilen Erlaubniß, die Mutterbrust verlassen und mit anderen seines Gleichen spielen zu dürfen, bleibt aber in strenger Zucht und wird, wenn er nicht augenblicklich gehorcht, durch Püffe und Kniffe bestraft. Selbst auf die Nahrung erstreckt sich die Fürsorge der Mutter. So gierig diese sonst zu sein pflegt: mit ihrem Sprößlinge theilt sie jeden Bissen, duldet aber auch nicht, daß jener durch hastiges oder übermäßiges Fressen sich schade, und schreitet in solchen Fällen mütterlich verständig ein. Doch kommt es selten hierzu oder zu empfindlicher Bestrafung, denn das Affenjunge ist so gehorsam, daß es manchem Menschenkinde als Vorbild aufgestellt werden könnte.

Wahrhaft rührend geberdet sich die Mutter bei ersichtlichen Leiden, geradezu verzweifelnd beim Tode ihres Sprößlings. Stunden- und tagelang schleppt sie die kleine Leiche mit sich herum, verweigert fortan jede Nahrung, sitzt antheillos auf einer und derselben Stelle und härmt sich oft buchstäblich zu Tode. Das Affenkind dagegen ist so tiefen Gefühlen unzugänglich, auch besser bewahrt als andere Thiere, falls es seine Mutter verliert. Denn das erste beste Mitglied der Bande, gleichviel ob es männlichen oder weiblichen Geschlechtes ist, nimmt es in Pflege, stillt an ihm das allen Affen eigene heiße Verlangen, zu bemuttern, hätschelt es aufs Wärmste, geräth aber, des lieben Futters halber, leider oft in Zwiespalt mit seinem besseren Selbst und läßt ein Pflegekind, welches sich nicht bereits allein zu helfen weiß, erbärmlich kümmern, vielleicht sogar verkümmern.


Die Andere.

Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


Eines Morgens trat der Telegraphenbote in unser Haus und brachte der Frau Amtsräthin die schönste Botschaft, die sie je in ihrem Leben bekommen hatte – wie sie heute noch behauptet. Mit dem Rufe: „Tonchen, heute Abend kommen sie!“ riß sie die Thür des Wohnzimmers auf, „da steht’s Kind! Ach, Du großer gütiger Gott!“

Ja, da stand es: „Heute Abend acht Uhr treffen wir ein. Müller.“ – Die Depesche war aus Köln. Und wie kam da Leben in das Haus! „Sophie, Kinder – in den Garten! Schneidet Grünes und Blumen!“ rief die alte Dame. „Mamsell, schlachten Sie die jungen Hähne; Kind, Tone, glaubst Du, daß er Hähnchen essen darf? Und Apfelmuß? Er ißt so gerne [211] Apfelmuß, Mamsell. Tonchen, einen Lorbeerkranz! Herzenskind, gehen Sie zum Schloßgärtner, einen Lorbeerkranz, so schön er ihn machen kann!“

Und die kleine Frau lief aus der Küche in das Krankenzimmer und öffnete die Fenster, und von dort lief sie in die Leutestube. „Jürgen, daß der Wagen blank gewaschen ist, und laufe zum Superintendenten und sage ihm eine Empfehlung von mir, und der junge Herr käme heute! Und zu Doktor Rother, er soll gegen halb neun Uhr hier sein, man kann ja nicht wissen. Bestelle auch ein Faß Bier in der Brauerei für Euch. Um fünf Uhr fahren wir hier ab, Jürgen; ich hole meinen Jungen selbst aus Triebelsberg.“

Es war plötzlich wie ein kribbelnder Ameisenhaufen, bald lag der Flur voller Grün, und Frau Amtsräthin und ich und die Mägde, was Zeit und Hände hatte, band Guirlanden. Die kleine Frau saß auf der untersten Stufe der Treppe, und mitten in der Arbeit schlug sie die Hände vor das Gesicht: „Ich denke nur an die Armen, Tonchen, die keine Kränze winden dürfen, weil ihnen Niemand heimkehrt.“

Und dann ging’s mit zitternder Hast weiter. Als es Mittag war, da prangten vor der Einfahrt des Hofes zwei riesige Tannenbäume, von Pfeiler zu Pfeiler schlang sich eine prächtige Guirlande, und auf einem Transparent stand, mehr gut gemeint als schön:

Du tapferer Krieger,
Franzosenbesieger!
Von Deinen Wunden
Mögst Du gesunden
Im Vaterhaus!

Das hatte der alte Schafmeister angegeben. Die Mamsell fand den Vers geschmacklos, aber sie schwieg, als sie seine Bedeutung erfuhr. Der alte Mann berichtete nämlich, daß er den Reim noch von „damals“ im Gedächtniß habe, als nach der Schlacht bei Leipzig ein junger Herr Roden hier wieder eingezogen war, „freilich mit einem Beine weniger, als er in den Kampf ging, aber sonst kreuzfidel,“ wie sich der Alte ausdrückte. Der Großonkel von Fritz mußte es gewesen sein. Und die Frau Amtsräthin entschied: „Es bleibt! Es ist historisch, und nebenbei – Fritz weiß, daß es ihm Freude machen soll, und wahr ist’s auch, was darauf steht.“

Die Treppengeländer, die Hausthür und jegliche andere Thür waren mit Kränzen umhangen, an den Wänden im Flur Festons, und von der Mitte des Gewölbes, wo die große Lampe hängt, zogen sich die anmuthigen Gewinde nach allen vier Ecken des Raumes hinab, und gar wunderschön nahmen sich die bunten Astern in dem Spargelkraut aus. Ueberall Blumen; in der Stube der Tisch gedeckt mit dem Schönsten, was das Haus barg, mit dem Damasttafeltuch, welches zur Taufe des Fritz zum erstenmale aufgelegt worden war. Mütterchen prangte im schwarzseidenen Kleid; die Bänder des Häubchens waren himmelblau und um den Hals trug sie einen schönen altmodischen Kragen von echten Spitzen.

Nur in dem Zimmer, darin er wohnen sollte, ward keine Blume gelitten; da lag einsam der Lorbeerkranz auf dem Tischchen vor dem Bette.

Und wie selig fuhr sie dann in dem großen Wagen davon, umgeben von Decken und Kissen und Fußbänken. Und während dem saß ich oben in meinem Stübchen und las einen Brief des Vormundes, der mir mit kurzen Worten mittheilte, ich könne sofort in das Elisabeth-Hospital eintreten. Was denn vorgefallen sei, daß ich eine Zuflucht verlassen wollte, über die ich anfangs so hoch beglückt gewesen?

Konnte ich’s ihm denn sagen? Ach, wenn ich überhaupt nur erst gesprochen hätte! Aber wenn es einmal soweit war, dann sagte Frau Roden gerade: „Tonchen, im Winter wollen wir Beide doch den großen Teppich fertig sticken, den ich für Fritz angefangen habe.“ Oder: „Tonchen, im Winter lesen Sie mir fleißig vor; mit meinen Augen wird’s immer trüber.“ Oder: „Kindchen, Sie müssen Whist lernen; wird’s Ihnen nicht zu langweilig sein mit mir Alten und dem kranken Jungen?“

Dann war mir die Kehle wie zugeschnürt, ich konnte keine Silbe vom Fortgehen sprechen. Und so lange dort drüben noch nichts entschieden war – durfte ich denn auch?

Ich konnte es mir nicht verhehlen, ich war in fieberhafter Aufregung, – mir bangte vor dem Wiedersehen. Tag und Nacht hatte ich an ihn gedacht, und seit der Stunde, in der die alte Dame gejammert: „Tone, was soll aus uns werden?“ da waren meine Gedanken rebellisch geworden und ließen sich absolut nicht gängeln, wenn auch immer und immer wieder eine Stimme in mir warnte: Du armes Ding, hast Du denn vergessen, daß Du „Die Andere“ bist?

„Nein, nein! Ich wollte ja vernünftig sein; er war eben nur ein Freund, ein Bruder, ein Kranker noch dazu, körperlich und geistig krank; denn sein Herz wird noch lange nicht genesen von den Wunden, die Lotte ihm geschlagen.

Und die Stunden vergingen, die Dämmerung sank herab, und ich stand am Fenster und sah durch die Lücke zwischen den beiden Kastanienbäumen auf die Fahrstraße längs des Schlosses; auch die Fenster unserer früheren Wohnung konnte ich erblicken; goldig blinkten sie im Scheine des Abendhimmels.

Da Pferdegetrappel, das Rollen eines Wagens; ich erkannte die alten Fuchse und ging zur Stubenthüre, um ihn unten zu begrüßen. Stufe für Stufe kam ich hinunter, wie Blei lag es mir in den Gliedern, und so trat ich inmitten der Leute unter die buntgeschmückte weitgeöffnete Pforte des Hauses. Langsam kam das Gefährt über das Pflaster des Hofes, das Verdeck des Wagens war hochgeschlagen, und Jürgen winkte vom Kutscherbock so eigenthümlich mit der Hand, als wollte er sagen: „Man sachte, man still! Wir sind noch lange nicht so weit, bis zur lauten Freude!“

Ich eilte die Stufen hinab an den Schlag. „Fritz,“ hörte ich Frau Roden sagen, „da sind wir! Da ist Tonchen!“ Und eine matte Stimme sprach darauf: „Guten Tag, Fräulein Antonie!“

Dann war Herr Müller aus dem Wagen gesprungen und Jürgen vom Bock, und sie postirten sich am Schlag; auch Frau Roden stieg aus. Ich konnte ihre Züge nicht mehr unterscheiden, aber sie drückte meine Hand so eigen und so fest. „Recht vorsichtig,“ bat sie, und nun hoben sie ihn heraus.

So schlimm war es? Ich stand wie gelähmt vor Schreck. „Pst! Nicht merken lassen, Tonchen,“ flüsterte sie, „ja nicht!“ – Ja, war denn das der blühende stattliche Mann, der vor kaum acht Wochen hinauszog, in der Vollkraft der Gesundheit? Wie ein Kind trugen sie den Riesen in das Haus, und der Schein des Lichtes streifte ein bis zur Unkenntlichkeit abgemagertes Gesicht und matte, tief eingesunkene Augen.

„Ins Bette, Männer,“ hörte ich ihn sagen, „wenn ich liege, mögen mich die Leute begrüßen.“

Alles war stumm. Wie bittere Ironie hingen die Kränze über den Thüren, wie Hohn stand dort die festliche Tafel.

„Lauft noch einmal zum Doktor Rother,“ befahl Frau Amtsräthin, „er soll bald herkommen.“ Dann verschwand sie im Krankenzimmer. „Ach Du lieber Heiland!“ sagte die Mamsell, und die Thränen rannen über die dicken rothen Wangen. Scheu und still gingen die Leute davon, und ich stand noch immer in dem festlich geschmückten Flur und konnte es nicht fassen.

Dann öffnete sich die Thür, und Frau Roden kam heraus, von Jürgen gefolgt, der nach der Küche schritt. „Tone,“ flüsterte sie vor mir stehen bleibend, „wollen Sie noch immer gehen, um in Berlin Kranke zu pflegen?“

Ich blickte sie erschreckt an.

„Ich weiß Alles, Tone! Glauben Sie, ich hätte nichts gemerkt? – Wenn es Sie keine zu große Ueberwindung kostet – da drinnen, da fänden Sie auch wohl, was Sie suchen.“

Ich reichte ihr stumm die Hand. „Gott lohne es Ihnen,“ sprach sie, „daß Sie mich nicht verlassen jetzt!“ – Ich ging in mein Zimmer, band mir eine Schürze um, zog weiche leise Schuhe an und kam wieder hinunter. „Nun führen Sie mich an meinen Platz,“ sagte ich zu der kleinen Frau, die eben mit einer Schüssel Wasser und Leinwand durch den Flur schritt.

Ohne Weiteres gab sie mir, was sie trug. „Kommen Sie, mein Kind!“

Leise trat ich an sein Bette; er hatte die Augen wie in tiefer Erschöpfung geschlossen; der kranke Arm lag auf der Decke. Die Binden waren unsauber geworden durch die lange Fahrt; behutsam begann ich, sie abzuwickeln. Da schlug er die Augen auf, und wir sahen uns an. Wie Sonnenschein ging es über sein Gesicht. „Ach Sie, Fräulein Tone?“ sagte er herzlich, „Sie wollen das thun?“ Er hob die Linke zum Handschlag. [212] „Es scheint Alles viel schlimmer, als es ist; ich bin matt von der Reise. Wie gut, daß ich daheim!“

„Ja, mein lieber alter Junge,“ sagte Frau Roden, „nun wollen wir Dich bald gesund kriegen, aber sprich nicht so viel.“

Als Doktor Rother ihn untersucht hatte, erhielt ich meine erste Anleitung in der Pflege von Wunden. „Sorgfalt, Fräulein von Werthern, und Akkuratesse, große Akkuratesse!“ sagte der freundliche alte Mann. „So halten Sie den Arm – so ist’s recht, es wird schon werden, dazu können wir am besten eine junge weiche Frauenhand gebrauchen; gelt, Du armer Kerl?“

„Versteht sich, Pathe!“ erwiderte er mit einem Versuch zu scherzen.

„Ja, ja, das glaub’ ich wohl! Na, nun nur hübsch ruhig, und gutes kräftiges Essen und frische Luft und Geduld, dann wollen wir Dich schon auf die Beine bringen. Und, Fräuleinchen, Akkuratesse! Akkuratesse!“

Er strich dem Kranken über das Gesicht und ging, um ein wenig zu essen, und Frau Roden war froh, daß ihre Vorbereitungen doch in Etwas zur Geltung kamen. Ich führte den alten Herrn hinüber an den festlich gedeckten Tisch, an dem Müller schon Platz genommen hatte. „Nun leisten Sie mir Gesellschaft,“ bat er mich und goß sich Rothwein ein.

„Herr Doktor,“ fragte ich, „er ist sehr krank?“ –

„Herunter ist er, furchtbar herunter! Aber er kommt auch wieder herauf. Prost. Fräulein von Werthern, auf das Wohl des Kranken!“

„Wir haben nichts zu befürchten?“

„Fürchten? Fürchten? Wenn ich mir einen Holzsplitter einreiße, habe ich ebenfalls zu fürchten. Seien Sie gescheit, kleines Fräulein, und essen Sie hier mit; sehen Sie nur, wie goldbraun die Mamsell die Hähnchen gebacken hat.“ Und der allezeit lustige Mann hieb tapfer darauf ein, und ehe ich’s versah, waren die beiden Herren in ein eifriges Feldzugsgespräch verwickelt, und Müller gab haarsträubende Berichte aus den Lazarethen zum Besten.

Als der Doktor endlich nach der Uhr sah und rasch aufstand, um Hut und Stock zu ergreifen, sagte er im Flüstertone: „Er wird fiebern, Fräulein von Werthern, erschrecken Sie sich nicht, und lassen Sie die kleine schwächliche Frau sich nicht ängstigen und überanstrengen; die Wunde ist durch den Transport etwas entzündet. Zur Noth Eisumschläge auf den Kopf, Sie haben’s ja im Keller. Ich komme morgen mit dem Frühesten.“

„Hat ihm die Reise geschadet?“ rief ich angstvoll.

Er zuckte ungeduldig die Schultern. „Liebes Kind, es ist eine schwere Verletzung, und für dergleichen pflegt eine lange Eisenbahnfahrt nie von Vortheil zu sein. Aber tausendmal besser, er liegt hier in dem sauberen Hause als in vom Lazarethfieber durchseuchten Räumen. Nur den Kopf oben, sonst kann ich Sie nicht als Pflegerin gebrauchen.“

Nein, ich hätte nicht fortgekonnt, denn es kamen schwere Tage und Nächte; Stunden, in denen der Kranke die furchtbarsten Schmerzen litt, in denen ihm das klare Bewußtsein geschwunden schien und er den Namen „Lotte“ unzählige Male aussprach, und die Hände mir zitterten, welche frische kühle Tücher auf seine Stirn legten.

„Es ist nicht allein die Wunde,“ sagte der Doktor, „es sind auch die Folgen der Aufregungen und Strapazen; hier wirkt vieles zusammen.“

Während der nächsten Tage sah ich Lotte nicht; ich wußte nur, daß sie noch nicht nach Berlin abgereist sei, und daß sie nach wie vor spazieren fahre. –

Dann erschien der dreißigste Oktober, ein echter Herbsttag. Der Sturm fegte welke Blätter im Wirbel gegen die Fenster, und dann und wann kam eine Regenhusche, wie im April. In den Zimmern war zum ersten Male eingeheizt, und die Flammen spielten lustig in den weißen Porcellanöfen, als freuten sie sich der wiedererlangten Gunst bei den Menschen. Trotz aller finstern Wolken draußen war hier innen Sonnenschein eingekehrt, denn der Kranke befand sich, nach seiner eigenen Aussage, zum ersten Male wieder menschlich und wollte aus der Zeitung vorgelesen haben.

Mutterchen, Du kannst das nicht, es strengt Augen und Stimme an, – wenn aber Fräulein Tone –“ er wendete den Kopf zu mir und sah mich an. „Ich quäle Sie recht, nicht wahr?“ Er hielt mir die gesunde Hand entgegen und drückte die meine herzlich. „Ich muß doch wissen, ob wir schon vor Paris stehen?“

Eilig lief ich in das Wohnzimmer, um Zeitung und Lampe zu holen, und ertappte mich dabei, daß ich leise vor mich hin sang. Einen Moment war ich selbst erschreckt, dann fiel mein Blick durch das Fenster auf das Schloß, und ich dachte daran, daß ich eigentlich heute Lotte besuchen wollte. Vielleicht nach Tische; ich konnte ja ruhig fortgehen. Die bittenden Blicke sollten heute einmal keine Gewalt über mich haben, nahm ich mir vor; die Augen, die mir immer folgten, wenn ich durch das Krankenzimmer schritt, die so enttäuscht aussehen konnten, wenn ich hinausging.

„Ja, ja, Fräulein von Werthern,“ sagte neulich der Doktor, „Kranke sind Tyrannen; sie gönnen dem, der sie pflegt, nicht Ruh noch Rast; förmlich eifersüchtig sind sie. Das muß man in Geduld ertragen, es ist die pure Langeweile.“

„Aber Doktor!“ hatte Fritz Roden sich vertheidigt, „Dankbarkeit ist es, und –“

„Schöne Dankbarkeit! Adieu, Fritz.“

Ich nahm die Zeitung und schritt durch den Flur. Das ganze Haus duftete nach Obst; die Kellerthür stand offen, und die Mägde schleppten Tragekörbe voll der köstlichsten Winteräpfel hinunter

Da riß Jemand ungestüm die Hausthüre auf, daß der Klang der Schelle dröhnend an den Wänden entlang fuhr – Anita stürzte herein, blaß und verstört.

„Ist sie hier?“ rief sie.

„Wer? Meine Schwester?“

„Die Gräfin! Ich habe sie hinüber laufen sehen.“

„Nein!“ sagte ich erschreckt.

„Dann ist sie im Garten oder in der alten Wohnung.“ Und fort eilte das Mädchen.

Ich warf die Zeitung auf eine Bank und eilte in den Sturm hinaus, hinter Anita her. An der weit offenen Gartenthür holte ich sie ein.

„Anita, um Gotteswillen, was ist’s?“ stieß ich hervor.

„Sie muß schlechte Nachrichten bekommen haben, sie war wie eine Verzweifelte, ich traue ihr Alles zu. – Fräulein, dort hinten fließt die Rote!“

Wie ein Pfeil flog ich vorwärts. „Lotte!“ rief ich. „Lotte!“ Aber das Rauschen des Windes in den Bäumen übertönte meine Stimme. – „Ein Sprung von der Brücke,“ klang es mir in die Ohren. „Lotte, nur das nicht, nur das nicht!“

Und ich tastete mich den kleinen Abhang hinunter und stand dann auf dem Wege, neben welchem das stille tiefe Flüßchen dahin zieht.

„Lotte! Lotte!“ Ich weiß nicht mehr, wie rasch ich dahin stürzte und wie ich endlich erschöpft in die Kniee sank neben der schlanken Gestalt, die hart am Rande des Wassers, so dicht, daß ihr Fuß darüber zu schweben schien, die Arme um den Stamm einer Erle geschlungen hatte. „Lotte, was – was willst Du thun?“ schrie ich auf und richtete mich empor. Sie wandte das Haupt zu mir herum, und noch war es licht genug, um das.todtenblasse Antlitz zu erkennen und die Augen, in denen ein irres Feuer schimmerte.

„Ich? – Nichts! Es ist so schwer!“ murmelte sie und ließ sich von mir hinwegziehen auf festen Boden.

„Komm,“ sagte ich und leitete sie zu der Bank, die unfern am Wege stand, aber sie strebte vorüber, und ich schritt neben ihr durch die feuchten Wege des dunklen Gartens.

„Wo willst Du hin, Lotte?“

„Nach Hause.“ –

„Ach Lotte, Du gehst falsch.“

„Nicht ins Schloß will ich!“ Und sie stieß meinen Arm zurück.

„Nein, Lotte; komm mit in mein Zimmer, Du weißt, wo wir mit der Großmutter die erste Nacht schliefen. Dort drüben ist Alles kalt, und die Möbel sind verhangen. Komm!“

Folgsam wie ein Kind ging sie neben mir her. An der Gartenpforte erblickte ich Anita, die sich zurückzog, als sie uns sah, dann in einiger Entfernung hinter uns kam und den Weg zum Schlosse einschlug. Willenlos folgte mir Lotte in das Haus, das sie nie wieder betreten hatte, seitdem sie seinem

[213]

Der Kaiser „Unter den Linden“.
Nach einer Moment-Photographie von M. Ziesler in Berlin.

[214] Herrn die Treue brach. Sie schien aber keinerlei Empfindung dafür zu haben, langsam stieg sie neben mir die Treppe hinauf und stand in meinem Stübchen zwischen unseren lieben alten Möbeln.

„Nun, Lotte, setze Dich, oder lege Dich nieder; sprich doch, was ist geschehen? Hast Du Dich erschreckt, hast Du schlechte Nachrichten? Sag’s doch! Du weißt ja, Lotte, ich trage Alles mit Dir!“ Ich schlang die Arme um ihren Hals; aber da glitt sie mit einem Aufschrei zu Boden, lag mit dem Kopf auf den Dielen, krallte die Hände in das Haar; endlich brach sie los, die furchtbarste Verzweiflung ihres armen stolzen Herzens. Es war nicht möglich, Einhalt zu thun. „Wenn Hans noch lebte, wenn er ihn todtschießen könnte!“ schrie sie heiser; und immer und immer wiederholte sie: „Wenn Hans noch lebte!“

Wie lange es so gedauert, erinnere ich mich heute nicht mehr. Frau Roden und ich brachten die völlig Erschöpfte endlich auf mein Bette. Blaß und still sah mich die gute kleine Frau an. „Tone, was ist geschehen?“

Ich wußte es nicht, noch immer nicht; erst nach Stunden erfuhr ich es durch den zerknitterten Brief, den Lotte in der Hand hielt, und den sie mir endlich als Antwort auf meine vielen Fragen gab. Er war vom Prinzen.

Mit brennenden Augen las ich. Leidenschaftlich zärtliche Worte waren es, Versicherungen unwandelbarer Liebe und endlich hieß es: „Meine Eltern scheinen es ja verteufelt eilig zu haben, mich unter die standesgemäße Haube zu bringen; die Wittwe meines Bruders läuft mir nicht davon, sollte ich meinen, und so schnell lasse ich meines Lebens Glück mir nicht rauben. – Wir verhandeln mündlich über diese Angelegenheit. Ich denke, vorläufig verderben wir uns unsere reizende Korrespondenz nicht mit solchen trüben Dingen.“ –

Dann tanzten die Buchstaben vor meinen Augen, ich sah nur noch die Worte: „Aeußerliche Schranken – niemals trennen.“ Nun begriff ich Lotte’s Verzweiflung.

„Arme Lotte!“ Ich beugte mich über sie und streichelte ihr heißes Gesicht.

„Habe ich das verdient?“ Und mit wüthender Geberde schleuderte sie den Trauring von sich, als ob er, dem sie ihn vor die Fäße zu werfen gedachte, dort in dem Winkel des Zimmers stehe. „Stecke ihn ihr doch an und werde glücklich!“ fuhr sie fort und richtete sich halb im Bette auf, „aber denke nicht, daß meine Augen Dich nur noch streifen werden!“ und so saß sie, die Fäuste geballt, zitternd und fast erstickend vor Zorn. Es blieb nichts übrig, der Arzt mußte geholt werden.

„Was wird das, Doktor?“ flüsterte ängstlich Frau Roden.

Er sprach ein paar beruhigende Worte, verschrieb eine Arznei und zuckte die Schultern. Noch einmal wagte ich, ihn zu fragen: „Kann es schlimmer werden, bester Herr Doktor?“

„Abwarten!“ sagte er im seiner kurzen Manier und ging.

Und sie sprach weiter, unaufhörlich; aber ruhiger schien sie zu werden. Sie war im Mondschein in dem Garten, und die Nachtigall sang. „Otto!“ sagte sie. Wie innig das klang. Sie plauderte von ihrem Brautkranz, und wie kurz die Stunden; vom Scheiden und vom Wiedersehen, bis sie aufs Neue in wilde Delirien verfiel: „Hans, räche mich. Schieße ihn todt, todt!“ – So ging es bis zum grauenden Morgen; da erst ward sie still, und endlich hatte der Schlaf sie doch gefunden. Sie lag das Gesicht nach der Stube zugewandt und um den Mund ein Lächeln.

Leise schlich ich mich hinaus und saß in meinem Stübchen auf dem Sofa. Mich fröstelte in der Morgenkühle, und der Kopf war mir schwer. Ich hatte es kommen sehen, und nun es geschehen, war es dennoch mit all der Schwere eines plötzlichen großen Unglückes hereingebrochen. – Als ich aus einer Art von Halbschlaf erwachte, schien die Sonne hell in das Zimmer und vor mir am Tische stand – Lotte. – Sie sah furchtbar bleich aus, unordentlich die Kleider und das Haar, und so merkwürdig der Ausdruck ihres Gesichtes.

„Wie geht es Dir, Lotte? Warum bleibst Du nicht liegen?“

„Ich bin nicht mehr müde,“ erwiderte sie und sah an mir vorüber. „Mich friert nur.“

Ich zog sie ins Sofa, deckte sie zu, ließ Feuer anmachen und brachte ihr heißen Kaffee. Sie trank auch, aber sie saß dann wieder regungslos in der Sofa-Ecke und sah auf einen Fleck. Leise kam ich herzu, um ihr die wirren Haare zu ordnen;

da bog sie den Kopf zur Seite, und von unten herauf traf mich ein funkelnder böser Blick.

Ich versuchte es nicht mehr; ich versuchte auch nicht mehr zu sprechen, denn ich bekam keinerlei Antwort. Sie blieb unbeweglich, und um Mittag saß sie noch so. Als der Arzt erschien, wurde er sofort verabschiedet; sie sei ganz gesund!

Frau Roden erhielt so wenig eine Antwort, wie ich; vor meiner Zimmerthür sprachen wir flüsternd zusammen, die alte Dame und ich. „Lassen Sie sie allein, es ist eine Krise,“ sagte sie, „und kommen Sie einmal herunter zum Fritz. Ich hatte gehofft, man könnte ihm die ganze Sache verheimlichen, aber der Doktor hat sich wohl verplappert, oder woher er es sonst wissen mag – er ist furchtbar verstimmt und unruhig.“

„Wenn ich nur wüßte, was nun werden soll?“ fragte ich.

„Die Arme ist noch nicht zur Besinnung gekommen, Tonchen! – Fritz muß schon vernünftig sein.“ Das Letzte klang wie ein Seufzer.

Ich ging hinunter in das Krankenzimmer und trat an das Sofa, auf dem Fritz Roden jetzt den Tag zu verbringen pflegte. Er hatte Bücher und Zeitungen vor sich auf der Decke liegen, aber er las nicht. Machte es die Einbildung? Sein „Guten Tag“ klang mir nicht so wie sonst, und sein Blick streifte die kleine Uhr auf dem Tische neben dem Lager. Es war drei Uhr Nachmittags.

„Haben Sie auch Zeit für mich?“ fragte er, als ich mich still ans Fenster setzte und eins der Blätter ergriff, um vorzulesen.

Ich sah ihn an, er war dunkelroth geworden bei diesen Worten, dann wieder bleich, und es zuckte nervös um den blonden Vollbart. „Ja, ich habe Zeit.“

„Wirklich?“ Es klang so komisch, wie Besorgniß und doch auch wie Hohn. „Wirklich? Nein, lassen Sie das Lesen; ich bin zu nervös, zu unruhig – um zu hören.“

Ich ließ das Blatt sinken und sah zum Fenster hinaus. Was sollte ich auch thun? Hier saß ja nur „Die Andere“, und droben, in seinem Hause, weilte die, die er nie vergessen, unglücklich, krank und schutzlos!“ –

„Ich bitte Sie, Fräulein von Werthern,“ sprach er weiter, „bleiben Sie meinetwegen nicht hier, Sie sind sicher wo anders nöthiger.“

Ich fuhr empor. „Ich gehe schon; Ihre Mutter schickte mich, weil sie meint, Lotte brauche Ruhe und Sie Erheiterung. Ich werde meine Pflichten gegen Lotte nicht vernachlässigen.“

Wie schnell ich die Zeitung auf den Tisch warf und, die Thränen verbeißend, an seinem Lager vorüber zur Thür eilte, ich weiß es nicht mehr. – Es war die Angst, die aus ihm sprach, die namenlose Angst um Lotte. Also immer noch!

Gegen Abend redete Lotte mich an. „Tone, hast Du Schreibzeug?“ Ich holte bereitwillig das Verlangte und zündete die Lampe an. Und sie schrieb. Sie war noch immer in ihrem wirren Haar und dem nachlässigen Anzug, und ihre Feder warf große hastige Bnchstaben auf das Papier. In kurzer Frist war der Brief fertig.

„Tone, besorge Du ihn zur Post,“ bat sie. – Ich trug den Brief fort, er war an den Prinzen.

Als ich zurückkehrte, begegnete Anita mir am Hofthor; sie trug einen Brief und eine Depesche in der Hand. „Die Gräfin hat die Briefe nicht angenommen; ich soll sie in ein Kouvert thun und dabei vermerken, die Gräfin sei verreist.“

„Vom Prinzen, Anita?“

„Ja!“ antwortete das Mädchen und ging weiter.

Als ich in mein Zimmer trat, erblickte ich Lotte, hastig hin und her wandernd; sie sah förmlich unheimlich aus. „Die Person ist bereits impertinent genug, mich fühlen zu lassen, daß – –“ Sie war, die Hände zur Faust geballt, vor mir stehen geblieben, aber sie vollendete nicht; es war, als fände sie keinen passenden Ausdruck.

„Wen, Lotte? Wen meinst Du?“

„Anita meine ich – wen sonst? Ich habe ihr gesagt, sie soll mir einige Sachen herüber bringen, und sie bleibt ewig lange! Nun, ich habe ja auch nichts mehr zu befehlen,“ lachte sie und lief ans Fenster, und von dort begann sie wieder ihren Kreislauf durch das Zimmer.

Ich zündete schweigend die Lampe an und zog die Vorhänge zu.

[215] „Es ist zum Ersticken hier,“ bemerkte Lotte und stieß mit dem Fuße die Thür zum Schlafzimmer auf; „diese Stuben sind niedriger als ein Gefängniß, fürchterlich!“

In diesem Augenblick klopfte es, und Anita trat mit einer Korbwanne ein, bedeckt mit einem Tuche. Lotte nahm sie ihr aus der Hand, stellte sie auf den Tisch und riß die Decke hinweg.

„Was fällt Ihnen ein!“ rief sie zornig und wies auf verschiedene Schmucketuis. Glauben Sie, daß ich den Bettel behalten will? Hier!“ Sie ergriff eins der Etuis aus schwarzem Leder, auf dem ihr Monogramm, mit der Grafenkrone darüber, in Gold gepreßt stand, „hier!“ und krachend lag es zu Anita’s Füßen, daß ein blitzendes goldenes Armband heraussprang. „Und hier – und hier!“ Drei bis vier andere Kästchen folgten, nach denen sich Anita bestürzt bückte. – „Und da!“ Und dem Mädchen hart am Kopf vorbei flog eine Kassette, aus der klingend und klirrend Gold- und Silberstücke sprangen und hüpfend durch das Zimmer rollten.

„Was habe ich Ihnen gesagt?“ rief sie; „die Briefe wollte ich haben! – Wie kommen Sie dazu, mir eigenmächtig mit diesem Plunder unter die Augen zu treten? Setzen Sie ihn wieder hin, wo Sie ihn fortgenommen; ich will ihn nicht!“ Und sie stieß mit der Fußspitze an das nächstliegende Etui, daß es in die äußerste Ecke des Zimmers flog.

Sprachlos standen wir dabei. Sie hatte eine kleine Truhe aus Elfenbein mit Silberbeschlag ergriffen und ihre zitternden Finger öffneten sie mit einem winzigen Schlüsselchen. Sie war voller Briefe; und im nächsten Augenblick saß Lotte vor dem Ofen, und ihre Hand warf, soviel sie der beschriebenen Blätter zu fassen vermochte, in die Gluth.

„Um Gotteswillen, Frau Gräfin!“ rief Anita erblassend und eilte zu ihr, „verbrennen Sie nichts, keine Zeile; jedes Wort des Prinzen ist wichtig für Sie in Ihrer jetzigen Lage, für Ihre nächste Zukunft!“

„Gehen Sie,“ befahl Lotte kurz.

„Frau Gräfin!“ flehte das Mädchen.

„Gehen Sie!“ wiederholte die zornige Frau noch einmal mit erhobener Stimme, und das flammende Papier beleuchtete ihr blasses Gesicht; sie sah entsetzlich aus, fast entstellt.

(Fortsetzung folgt.)

Blätter und Blüthen.

Der Kaiser „Unter den Linden“. (Mit Illustration S. 213.) Wenn die Vorträge und Audienzen beim Kaiser Wilhelm Vormittags beendet sind, pflegt der Monarch täglich bei nur einigermaßen gutem Wetter, begleitet vom dienstthuenden Flügel-Adjutanten, vor dem Diner eine Spazierfahrt im offenen Wagen zu unternehmen.

Gewöhnlich ist es die Zeit zwischen ein und drei Uhr, in der sich der greise Herrscher eine kurze Erholung in frischer Luft gönnt, und nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, oft bei strenger Kälte sieht man die wohlbekannte offene zweispännige Equipage, deren Nahen durch berittene, die Bahn freimachende Schutzleute verkündet wird, „Unter den Linden“ vorübereilen. Weithin schon ist der in der Luft flatternde weiße Federbusch des neben dem Kutscher sitzenden Leibjägers sichtbar, man hört den festen Hufschlag der Rappen, und unter den zahlreichen Passanten giebt sich eine ungewöhnliche Bewegung kund: „Der Kaiser kommt!“

Die Berliner kennen die Zeit genau, in welcher der hohe Herr auszufahren pflegt, und es ist um diese Zeit „Unter den Linden“ in der Regel lebhafter als zu anderen Tageszeiten.

Auf unserem Bilde ist der Moment aufgefaßt, wo der Kaiser, vom Brandenburger Thore her von einer solchen Ausfahrt zurückkehrend, die Südseite der Linden entlang fährt. Der Monarch liebt es, als Kopfbedeckung stets den Helm zu trageu; nur selten sieht man ihn in der Mütze. Um die Schultern liegt lose der hellgraue Militärmantel, den er selbst im Sommer nicht abzulegen pflegt. Neben ihm zur Linken sitzt der Flügel-Adjutant, mit dem der Herrscher sich oft sehr lebhaft unterhält, wobei man ihn häufig lächeln sieht.

Wo die Equipage passirt, macht das promenirende Publikum ehrfurchtsvoll Front – Hüte und Mützen fliegen von den Häuptern, und die Damen verneigen sich tief oder winken mit den Taschentüchern. Die Kinder des Volkes aber lassen häufig ein kräftiges „Hurrah!“ ertönen, das sich wellenförmig fortpflanzt, bis der Wagen in das Palais einbiegt. Jeder, Jung und Alt, drängt sich herbei, um den Monarchen so nahe als möglich zu sehen und einen Gruß zu erhaschen. Und der wird Vielen zu Theil. Nach allen Seiten hin grüßt der Kaiser freundlich, auch öfter leicht den Kopf neigend. Er ist es gewöhnt, die aufrichtige, von Herzen kommende Huldigung des Volkes überall entgegenzunehmen, wo er sich auch zeigt. Am 22. März, Kaisers Geburtstag, sieht es allerdiugs feierlicher aus „Unter den Linden“; lebhafter rollen die zahllosen Wagen zum kaiserlichen Palais, fluthet die Menschenwoge zwischen den breiten Baumreihen, denn jener Tag ist der Festtag des ganzen Volkes, dessen feierliche Stimmung in der Kaiserstadt am offensten zum Ausdruck gelangt.

Wenn aber einmal die kaiserliche Equipage „Unter den Linden“ ausbleibt, wenn es heißt: „Der Kaiser fährt heut nicht aus“, dann zeigt sich sogleich eine lebhafte Besorgniß in der Bevölkerung. Dann drängt man zum Palais, um Erkundigungen einzuziehen, bis das ehrwürdige Haupt des Monarchen sich am Eckfenster zeigt und jeder beruhigt seines Weges zieht.

Ist aber der hohe Herr wirklich genöthigt, das Zimmer zu hüten, und zeigt er sich nicht am Fenster, wie das leider in letzter Zeit öfters der Fall war, dann ist die erste Ausfahrt jedesmal ein Fest für die Berliner Bevölkerung und der Enthusiasmus ein erhöhter. H. H.     


Otto von Corvin-Wiersbitzky †. In Wiesbaden starb in der Nacht vom 2. zum 3. März ein alter Vorkämpfer der Revolution von 1848, Oberst von Corvin, der auch in früheren Zeiten ein Mitarbeiter unseres Blattes gewesen. In seinem vierbändigen Memoirenwerk „Erinnerungen aus meinem Leben“ hat er selbst mit großer Offenherzigkeit volle Aufschlüsse über seine zum Theil abenteuerlichen Lebensschicksale gegeben, und zwar ohne jede Schönfärberei. Otto von Corvin war am 12. Oktober 1812 in Gumbinnen geboren, wo sein Vater als Postdirektor lebte. Seine Familie leitet er von dem altrömischen Patriciergeschlecht der Valerier ab, namentlich von Marcus Valerius, der im Jahre 349 v. Chr. nach seinem Zweikampfe mit dem gallischen Goliath den Beinamen Corvus erhalten; auch die Messalina rechnet er zu seinen Ahnfrauen, ebenso ist der ungarische König Matthias Corvinus einer seiner Ahnen. Der Sprößling der alten Römer kam 1824 in das Potsdamer Kadettenhaus, wurde dann als Officier nach Mainz versetzt, wo er verschiedene Liebesabenteuer mit Mainzer Bürgermädchen und Französinnen bestand, die er selbst mit der Grazie eines Novellisten erzählt. Hier schloß er Freundschaft mit Friedrich von Sallet, später vielgenannt als Dichter des „Laienevangelium“, der damals wegen einer militärischen Humoreske zu einer kurzen Festungsstrafe verurtheilt worden war. Das Beispiel Sallet’s brachte auch ihn auf den Gedanken, Schriftsteller zu werden; er dichtete ein fünfaktiges Trauerspiel, „Die Hunyaden“, das erst neuerdings im Druck erschienen ist.

Ein anderer Freund von ihm war der spätere Berliner Demagog Held, der auch damals preußischer Lieutenant war. Aus diesem Kreise freigeistiger Officiere schied Corvin bald aus; er nahm seinen Abschied und siedelte nach Leipzig über, wo sich damals eine Litteraturkolonie zusammengefunden hatte, deren Häuptlinge Heinrich Laube, Robert Heller, C. Herloßsohn waren; auch Held hatte sich nach seiner Pensionirung hier niedergelassen und gab die „Lokomotive“ heraus, an welcher Corvin fleißig mitarbeitete. Daneben war dieser auch Begründer einer Schwimmanstalt, Buchhändler und Kaufmann.

Bei einer Geschäftsreise nach Paris gerieth er gradewegs in die Februarrevolution von 1848, an der er sich denn ohne Weiteres tapfer betheiligte. Hier machte er auch die Bekanntschaft von Herwegh, wurde Mitglied der deutschen demokratischen Gesellschaft und machte den ersten badischen Freischarenzug mit, den Vorläufer des großen Aufstandes, welcher für Corvin’s Leben von einscheidender Bedeutung wurde: das Bombardement von Ludwigshafen und die Vertheidigung von Rastatt fanden unter seiner militärischen Oberleitung statt. Diese Festung mußte sich zuletzt auf Gnade und Ungnade ergeben. Die Führer des Aufstandes wurden durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und erschossen; den Freunden Corvin’s gelang es, das über ihn gefällte Todesurtheil in eine sechsjährige Zuchthausstrafe zu verwandeln.

Von seinen Leiden und Stimmungen, von seiner Demüthigung und Zerknirschung im Zuchthaus giebt uns Corvin in seinen Memoiren ein mit der anschaulichsten Detailmalerei ausgeführtes Bild. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängniß zu Bruchsal ging er 1855 nach London und 1861 als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ auf den nordamerikanischen Kriegsschauplatz. Später trat er in die Armee der Union und wurde dann im Bankbureau des Schatzamtes sowie im Patent-Office beschäftigt, wo er Karten zeichnete. Im Jahre 1867 ging er als Korrespondent der „New-York-Times“ nach Berlin, von wo er als militärischer Berichterstatter der „Neuen Freien Presse“ im Jahre 1870 sich nach Frankreich begab; wenn er hier von den deutschen Officieren im Hinblick auf seine Vergangenheit bisweilen nicht allzuglimpflich behandelt wurde, so entschädigte ihn dafür eine Begegnung mit Bismarck, der ihm sehr freundlich entgegenkam. Seit 1874 lebte Corvin wieder in Leipzig, mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt; aus Gesundheitsrücksichten begab er sich in letzter Zeit nach der thüringischen Heilanstalt Elgersburg und dann nach Wiesbaden, wo ihn der Tod ereilte.

Otto von Corvin war noch in seinen spätesten Lebensjahren eine überaus lebendige unruhige Natur, wie man mit einer volksthümlichen Wendung sagt: „immer Feuer und Flamme“. Er war nichts weniger als ein politischer Doktrinär: vergebens würde man in seinen Memoiren eine nähere Motivirung für sein Eingreifen in die revolutionäre Bewegung suchen. Das lag damals in der Luft und erschien ihm als selbstverständlich. „Das Parlament brauchte ein Volksheer“, darin liegt seine Rechtfertigung des badischeu Aufstandes. Ein unruhiger Thatendrang beseelte ihn; immer wollte er im Mittelpunkte der Ereignisse sich befinden, anfangs als Theilnehmer an denselben, in späteren Jahren wenigstens als Berichterstatter. Man hätte ihn bei seinen früheren kriegerischen Abenteuern einen Landsknecht der Freiheit nennen können; doch er blieb stets ein tapferer und redlicher Mann und später der deutschnationalen Sache warm ergeben.

[216] Seine dichterischen Versuche, besonders auf dem Gebiete des Dramas, gehen nicht viel über den Dilettantismus hinaus, aber seinen Schriften zur Zeitgeschichte und seinen historischen Werken darf man einen höheren Werth zuerkennen. Die letzteren, namentlich seine „Illustrirte Weltgeschichte", wandten sich an das Volk; sie waren allerdings mit der Wärme des Parteimannes geschrieben, aber sie erhielten dadurch ein lebhaftes Kolorit: Erzählung und Schilderung fesseln die Leser. Für sein wichtigstes Werk halten wir die „Erinnerungen aus meinem Leben“, die einen sehr beachtenswerthen Beitrag zur politischen, Kultur- und Kriegsgeschichte der vor- und nachmärzlichen Zeit enthalten, einer Epoche, die mit ihrem vorwiegend idealistischen Zuge über den glänzenden Erfolgen der neueren Realpolitik allzusehr in Vergessenheit gerathen ist. R. v. Gottschall.     

Eine Schutzimpfung gegen Hundswuth. In unserm Artikel über die Schutzpockenimpfung des spanischen Arztes Ferrand (vergl. S. 460,Jahrg. 1885) haben wir die Grundzüge des Verfahrens mitgetheilt, nach welchen Pasteur zu einer Schutzimpfung gegen die Hundswuth gelangt zu sein glaubt. Damals erstreckten sich seine Versuche nur auf verschiedene Thiere. seit dem 6. Juli vorigen Jahres begann der berühmte Forscher jedoch auch Menschen zu impfen, die von einem wuthverdächtigen Hunde gebissen wurden. Das Aufsehen, welches diese Nachricht erweckte, war so groß, daß Leute aus aller Herren Ländern nach Paris eilten, um dort Hilfe zu suchen. Bis jetzt hat man im Ganzen 385 Personen, die alle von wuthverdächtigen Hunden gebissen worden, in dem Laboratorium von Pasteur der Schutzimpfung unterworfen. Von diesen Patienten erlag nur ein Mädchen der Hundswuth; dasselbe kam nach der Behauptung Pasteur’s zu spät in seine Behandlung, 37 Tage nach dem erfolgten Bisse. Hundert Geimpfte haben seit länger als 75 Tagen das Laboratorium verlassen, ohne einen Wuthanfall gehabt zu haben, und sind aller Wahrscheinlichkeit nach als geheilt zu betrachten. Die Uebrigen werden noch beobachtet oder behandelt.

Obwohl noch eine Reihe weiterer Beobachtungen nöthig ist, um den Werth dieser Impfung wissenschaftlich festzustellen, so verdient sie dennoch die größte Beachtung. In Paris ist man selbstverständlich ganz enthusiasmirt; die Akademie der Wissenschaften votirte Pasteur den Dank der Menschheit und richtete ein Gesuch an die Regierung, daß diese eine eigene Anstalt für die Schutzimpfung gegen Hundswuth mit einem Jahresbudget von 50000 Franken gründe. *      

Die verschluckte Königswürde. In dem Artikel „Allotriophagie" (vergl. Nr. 6 der „Gartenlaube“) erwähnte Rudolf Kleinpaul den in Frankreich üblichen Brauch, am Dreikönigstage einen Kuchen unter die Gäste zu vertheilen, in welchen eine Bohne eingebacken, die von dem Finder, dem „Bohnenkönig", meist verschluckt werde. Muß das geschehen? Ein Leser unseres Blattes, welcher den Dreikönigstag mehrfach „zwischen Garonne und Seine“ mitgefeiert hat, antwortet auf diese Frage mit Nein und führt erklärend aus: Derjenige, welcher durch Erhalt der Bohne im Kuchen „König“ wird, muß seine „Unterthanen“ je nach Umständen mit Burgunder, Sekt etc. „königlich regaliren“. Die Unsitte bei dieser schönen Sitte (schön wenigstens für die „nassauernden“ Unterthanen) ist aber, daß oft die Bohne verschluckt wird, damit der Finder eben zu der teuren Würde des Königs nicht gelange. Und gegen dieses Verschlucken der Königswürde gewährt auch die Ersetzung der Bohnen durch Porcellanpüppchen leider noch nicht den wünschenswerthen, hinreichenden Schutz. **      

Der höchste Schlot der Welt, dessen Gesammthöhe 134 Meter beträgt, befindet sich in den Bleihütten von Mechernich im preußischen Regierungsbezirk Aachen. im Jahre 1884 wurde der Bau begonnen und im September vorigen Jahres beendet. Der runde Schlot, dessen Durchmesser an der Basis 7,50 und an der Spitze 3,50 Meter beträgt, ruht auf einem quadratischen 11 Meter breiten und 13,50 Meter hohen Unterbau. *      

Gartenflora. Zwei hervorragende gärtnerische Zeitschriften „Gartenflora“ und die „Garten-Zeitung“, sind seit dem Anfang dieses Jahres zu einem Unternehmen vereinigt worden – ein Fall, der bei der regen Konkurrenz auf journalistischem Gebiete wohl zu den seltenen gerechnet werden darf. Die „Garten-Zeitung“, die seit vier Jahren erschien, hat ihren Namen zu Gunsten der älteren „Gartenflora", die gegenwärtig ihren 34. Jahrgang eröffnet, aufgegeben. Da jetzt die „Gartenflora" in dem trefflichen und fachkundigen Verlage von Paul Parey in Berlin erscheint, so können Gärtner und Freunde der Blumenzucht mit dieser Aenderung zufrieden sein, und schon die ersten Hefte beweisen uns, daß aus dieser Vereinigung der Kräfte die allgemeinen Interessen den größten Nutzen ziehen werden. *      

Hechingen„ die älteste Zollernstadt, welche 786 zuerst urkundlich erwähnt wird, feiert im laufenden Jahre das Jubiläum ihres elfhundertjährigen Bestehens, welches zugleich mit der Einweihung des im Umbau befindlichen alten Rathhauses im Herbst festlich begangen werden soll. **      



Sprechsaal.


Zur Frage 2 (vergl. Sprechsaal S. 132) wird uns aus unserm Leserkreise Folgendes geschrieben: „Wir empfehlen Ihnen dringend den Milchkocher nach Professor Dr. Solltmann. Dieser einfache in jeden beliebigen Topf passende Apparat ist von der größten Wichtigkeit für die Ernährung von Säuglingen. Er ermöglicht, Milch beliebig lange – ohne Ueberlaufen oder Anbrennen derselben – zu kochen, und bietet somit, da nach den neuesten wissenschaftlichen Forschungen schon ein 20 Minuten langes Kochen zur Tödtung etwaiger Pilzkeime genügt, die unbedingte Sicherheit, eine von Ansteckungskeimen befreite Milch genießen zu können. Die bedeutendsten Autoritäten empfehlen den Apparat und wird solcher – durch Marke gesetzlich geschützt – inkl. Gebrauchsanweisung und Bürste vom Klempnermeister Herrn Louis Gaschaé in Wittstock für eine Mark nach allen Richtungen der Windrose versandt."


Frage 7: Was versteht man unter Wurstgift und welche Schutzmaßregeln giebt es gegen dasselbe?

Antwort: Nach dem Genuß verschiedener Fleischspeisen, namentlich aber der Würste, hat man von Zeit zu Zeit Krankheiten beobachtet, die den Charakter einer Vergiftung trugen. Besonders häufig sind diese Erkrankungen in Württemberg und Baden aufgetreten; in Schwaben allein hat man bis in die neueste Zeit Erkrankungen mit 150 Todesfällen beobachtet. Das Gift, dessen Zusammensetzung nicht bekannt ist, bildet sich von selbst durch eine eigenthümliche Fäulniß des Fleisches oder des Fettes in ungenügend gekochten und geräucherten oder schlecht aufbewahrten Fleischspeisen. Besonders die durch ihre Größe sich auszeichnenden Würste („Schwartenmagen“ und „Preßsack“.) geben Ursache zu den sog. Wurstvergiftungen. Die schädlichen Fleischspeisen sind in der Regel eigenthümlich verfärbt und haben einen säuerlichen, oft widerwärtigen Geschmack. Gute Zubereitung und zweckmäßige Aufbewahrung der Fleischwaren sind die einzigen Schutzmaßregeln gegen das in seinen Wirkungen so verderbliche Gift.


Frage 8: Wir besitzen eine Restauration und beziehen im Winter „frische“ Hummern, die jedoch oft in erfrorenem Zustande anlangen. Wie soll man solche Hummern behandeln?

Antwort: Die erstarrten Hummern müssen sofort nach der Ankunft in kaltem Wasser aufgethaut und dann gekocht werden. Bringt man die erstarrten Hummern sofort in heißes Wasser, so erhält man krümliges und schlecht schmeckendes Fleisch.


Frage 9:. Wie ich gehört habe, werden Thongeschirre mit bleihaltigen Glasuren in den Handel gebracht, die gesundheitsschädlich sind. Woran kann man solche Glasuren erkennen?

Antwort: Jedes neugekaufte mit Glasur oder Email versehene Geschirr sollte man vor dem Gebrauch mit heißem farblosen Essig, der mit Wasser verdünnt wird, füllen und mindestens eine Stunde lang an einer warmen Stelle des Kochherdes stehen lassen. Nachher läßt man die Flüssigkeit erkalten und gießt sie in ein durchsichtiges Trinkglas. Nun bringt man in dieselbe einige Tropfen klarer Schwefelleber-Lösung, die in jeder Apotheke erhältlich ist. Ist lösliches Blei in der Glasur vorhanden, so tritt eine Reaktion ein: bei geringeren Mengen von Blei färbt sich die Flüssigkeit bräunlich, bei größeren Mengen bildet sich ein braunschwarzer Niederschlag. Gefäße, die letztere Reaktion zeigen, sind mit Vorsicht aufzunehmen. Man wiederhole darum das oben geschilderte Verfahren nochmals; zeigt sich auch zum zweiten Male schwärzliche Färbung oder schwarzer Niederschlag, so ist das Gefäß als gesundheitsschädlich zu erachten.


Frage 10: Giebt es für Damen ein größeres Institut zur praktischen Ausbildung in der landwirthschaftlichen Haushaltung (Ökonomie)? Vielleicht in Süddeutschland?


Inhalt: Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 201. – Schneewittchen. Illustration. S. 201. – Im deutschen Böhmerwalde. Reiseskizzen von Karl Pröll. I. S. 206. Mit Illustration S. 205. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. 2. Bilder aus dem Affenleben. I. Die Affenfamilie. S. 206. Mit Abbildung S. 209. – Die Andere. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 210. – Blätter und Blüthen: Der Kaiser „Unter den Linden“. S. 215. Mit Illustration S. 213. – Otto vom Corvin-Wiersbitzky †. S. 215. Von R. v. Gottschall. – Die Schutzimpfung gegen Hundswuth. – Die verschluckte Königswürde. – Der höchste Schlot der Welt. – Gartenflora. – Hechingen, die älteste Zollernstadt. – Sprechsaal. S. 216.



Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift, wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula 0 Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf, 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.
Die Verlagshandlung.     



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.