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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1883
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[381]

No. 24.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


  manicula Alle für die Redaction der „Gartenlaube“ bestimmten Sendungen sind zu adressiren:

An die Redaction der „Gartenlaube“, pr. Adr. Ernst Keil’s Verlagsbuchhandlung in Leipzig.




Das alleinige Recht der     
Dramatisierung vorbehalten.

Die Hochzeitsreise.

Humoreske von Zoë von Reuß.

 1.

„Und als der Großvater die Großmutter nahm,
Da war der Großvater ein Bräutigam,
Und sie war eine Braut!“

paukte der gemiethete Clavierspieler und sangbegleitend der sich im Tanzschritte durch alle bewohnbaren und nicht bewohnbaren Räume fortbewegende Chor. Der Bräutigam-Assessor hatte sich mit der Braut pflichtschuldigst an die Spitze gestellt, um die Tour anzuführen. Aber der Schwiegervater-Stadtrath hatte mit Scharfblick das Brautpaar von heute zur Seite geschoben und Großmama mit ihrem Cavalier, dem Rentier-Hausfreund-Erbonkel, an die Tête gedrängt. Die Alten konnten das besser! Was weiß unsere leichtbewegliche, hastige Gegenwart von der würdevollen Grandezza, von dem selbstbewußten und doch so unendlich naiven Genügen, welches unsere Ureltern den Großvatertanz ersinnen ließ? Dazu gehört Zeit, Ruhe, Würde und fingerdicker Brokat und steifleinene, lanzenspitze Vatermörder nebst einer goldenen Tabatière, wie sie der Onkel jetzt hervorzog und im Scherze seiner Dame präsentirte. Ja, es blieb wirklich ein Vergnügen, Großmama an der Seite ihres gemüthlichen Gesellschafts-Entoutcas sich im regelrechten Polonaisenschritte über den Parquetboden fortbewegen zu sehen. Wie sie bei der Sache war! Sie wollte es absichtlich nicht bemerken, daß der Zeiger der Wanduhr während des Umgangs bereits zehn Minuten fortgeschritten war, und daß der Kukuk draußen aus dem Vorzimmer durch seinen Ruf soeben an die schnellere Vergänglichkeit der[WS 1] glücklichen Minuten mahnte –

„Du mußt Dich wirklich nun umkleiden, liebes Kind, Ihr versäumt den Zug!“

Mit diesen Worten trieb der Vater das einzige geliebte Töchterlein selbst aus dem Hause. In Hochzeits- und Weinlaune floß das Wort so leicht von den Lippen, als gäbe es kein Morgen und keine Einsamkeit nach ihrem Scheiden. Tante Bertha, die in der Nähe stand und die Worte gehört hatte, machte ihrem Tänzer, dem alten Major, einen Knix und wandte sich trippelnd zu dem Brautpaare. Sie hatte es einmal übernommen, der lieben Mieze all die schönen und doch so aufregenden und beschwerlichen Tage hindurch behülflich zu sein, und wollte der Braut nun auch noch den letzten Dienst leisten und ihr beim Umkleiden helfen.

Tante und Nichte hatten nämlich ein Komplot geschmiedet, um Mama zu hintergehen. Marie wollte sich heimlich hinwegstehlen, um nicht Abschied nehmen zu müssen. Mama that auch, als wisse sie von nichts, und war nur mit ihren wirthlichen Pflichten beschäftigt. In diesem Augenblicke stand sie drüben in der Ecke und fächelte sich mit dem spitzenbesetzten Taschentuche. Es war wirklich nicht so leicht, eine respectable Brautmutter zu sein. Aber, du lieber Gott, was thut man in der Welt nicht alles um der Ehre willen! Erst hat man sein liebes einziges Töchterlein ohne allzu viel Bedenken dahingegeben. Er ist zwar brav, der Schwiegersohn – wenigstens so wie die Männer heutigen Tages sind. Aber man hätte sie eigentlich doch gern noch ein bis zwei Jahre im Hause behalten. Wenn es nur nicht so hübsch wäre, im Bekanntenkreise die Erste zu sein, die eine Tochter verheirathete. Wirklich, Mieze war rasch an den Mann gekommen, trotzdem sie nur eine mittelmäßige Partie war. Auch ließ sich gegen den Schwiegersohn absolut nichts einwenden. Er würde gewiß dereinst Carrière machen. Und beim Hochzeitsdiner war gleichfalls alles vorzüglich gewesen, vom Sect bis zum Radieschen hinab. –

„Du lieber Gott, wo bleibt aber nur der Kaffee? Selbst als Brautmutter muß man bei jeder Kleinigkeit nachsehen und trotz der Schleppe hinaus in die Küche.“

Die junge Frau war inzwischen in Begleitung von Tante Bertha in ihr kleines stilles Mädchenstübchen getreten. In dem freundlichen wohlgepflegten Raume sah es heute bunt und kraus aus. Da lag noch die heliotropfarbene Seidenrobe und der Hut mit den Orangeblüthen, den sie bei der Civiltrauung getragen hatte. Dazu Mantille und Handschuhe. Und dort in der Ecke hing der feine graue Reise-Anzug. Wie sie sich auf die Reise [382] freute! Sie war noch so wenig gereist. „Warum nur Gustav das Reiseziel noch immer nicht nannte? „Ich werde Dich mit dem herrlichsten Reiseplane überraschen, liebes Herz!“ hatte er noch gestern gesagt. Nun, der Augenblick ist gekommen, wo sie es erfahren mußte. Wenn es nur ein Bischen weit in die Welt hinaus ginge, am liebsten nach der Schweiz, oder gar nach Italien! Alle Freundinnen hatten die Reisetoilette mit Neid betrachtet, und Lili Berger und Frieda Menke hatten sich vorgenommen, wenigstens eine Hochzeitsreise zu machen, falls sie alte Jungfern würden – mit einander.

„Da ist noch ein Brief an Dich, liebe Marie, wohl noch ein verspäteter Glückwunsch,“ sagte Tante Bertha.

„Von Fritz aus Heidelberg? Der gute Junge! So hat er doch an mich gedacht, trotzdem er mitten im Examen steht. – Bitte, Engelstantchen, hilf mir aber jetzt erst den Schleier lösen.“

Tante Bertha vergrub die mageren Finger in die reichen blonden Haarwellen und löste mit Vorsicht und Geschicklichkeit die goldenen Nadeln, die Schleier und Kranz auf Mariens anmuthigem Köpfchen festhielten. Dann faltete Tante das duftige Spinngewebe mit stiller Andacht zusammen und schob es in den Carton. Nachher half sie Mieze aus dem hochzeitlichen Gewande schlüpfen. Bald stand diese im Reise-Anzuge, während sich die Finger der alten Jungfer wieder und wieder nach den abgefallenen Myrthenblüthen wie nach kleinen Reliquienresten bückten, trotzdem die unruhigen Füßchen der aufgeregten Braut achtlos darüber hinweg trippelten. Und dabei konnte es Tante Bertha leider nicht verhindern, daß sich zwei einzige, aber große Thränen aus den sanften, halberloschenen Augen drängten, sich rücksichtslos durch die Fältchen und Krähenfüßchen ihren Weg bahnten und heiß und schwer auf die zertretenen Myrthen niederfielen. Zum Schrecken der Tante hatte es die Nichte bemerkt.

„Tantchen, Du weinst?“ frug diese erstaunt, und nur mit sich beschäftigt. „Wir kehren ja bald zurück, und dann bist Du unser lieber Hausgeist …“

Dann – von einem andern Gedanken überrascht, lag sie plötzlich am Halse der alten Jungfrau und küßte sie mit Zärtlichkeit. Sie erinnerte sich eines Bildnisses über Tantchens Schreibtische, das immer neu mit Immortellen bekränzt war. Es stellte einen Mann dar in feiner, aber altmodischer Kleidung.

„Wenn ich Papst werde, spreche ich Dich heilig!“ setzte sie voll Rührung und Enthusiasmus hinzu.

Die Tante lächelte und schickte sich an, die Schleppe der jungen Frau zu schürzen. Die Reisetoilette war vollendet.

Marie nahm noch die perlgrauen Handschuhe und schnallte sich die kleine Ledertasche um. Sie enthielt Taschentuch, Flacon und das Notizbuch zum Aufzeichnen der zu betrachtenden Merkwürdigkeiten. So – auch das Portemonnaie noch hinein, das Kleingeld darinnen sollte der erste Arme erhalten, welcher ihr auf der Reise begegnete. Nun noch einen Blick in den Spiegel, und sie war fertig.

Plötzlich schien ihr noch etwas einzufallen. Sie trat eilig zum Bauer des Kanarienvogels, um ihm noch einmal sein Futter zu geben.

„Da, Hänschen, zum letzten Male!“

Dann nahm sie die Wasserkaraffe, um den Epheu zu begießen. Die Blätter hingen welk herab.

„Das Kind hat einen liebenden, vorsorglichen Sinn,“ pflegte der Vater zuweilen mit Stolz von dem Töchterlein zu sagen. „Und das ist mehr werth, als das bischen Englisch und Französisch unserer jungen Damen.“

Nun noch einen Blick, halb wehmüthig, halb stolz und freudestrahlend, auf das zurückgelassene Mädchenparadies – und sie stand draußen in dem Vorzimmer, wo der Assessor die Braut erwartete. Den nur flüchtig gelesenen Brief trug sie noch in der Hand.

„Endlich, liebes Herz!“

„Ich ließ wohl lange warten?“

„Ein wenig. Du ziehst mich bei Zeiten.“

„Wann geht der Zug? Haben wir denn überhaupt noch Zeit?“

„Das kommt darauf an, wohin wir uns wenden.“

„So bist Du immer noch nicht einig über den Reiseplan?“ Die Frage klang überrascht, fast ein wenig unfreundlich. „Ich brenne darauf, das Ziel endlich zu erfahren!“

„Vollkommen einig und entschlossen. Das heißt, wenn der Plan auch Deine Zustimmung erhält.“

„Nun?“

„Das Ziel unserer Reise ist das Ziel, nach dem wir Beide überhaupt seit Jahresfrist unausgesetzt strebten: unsere eignen vier Pfähle, das Haus!“

„Was soll das heißen, Gustav?“

„Das heißt, daß wir, anstatt uns selbst zu einem wochenlangen ungemüthlichen Hôtelleben zu verdammen, sogleich die eigne lang ersehnte Häuslichkeit aufsuchen wollen.“

„Wie? Was?“

„Ich muß mich näher erklären; auch Du, liebes Herz, bist ein Kind Deiner Zeit – Gebrauch und Sitte lassen auch Dir das natürlichste Ding von der Welt auffallend und sonderbar erscheinen. Aber giebt es wohl etwas gleich Lächerliches wie die Modethorheit, das lang ersehnte Ziel willkürlich auf Wochen oder Monate hinauszuschieben? Ach, Kind, der Mann, den Beruf und Verhältnisse, wie mich, frühzeitig in die Welt hinausdrängten – wie oft sehnt er sich vergebens nach dem Banne einer eignen glücklichen, friedvollen Häuslichkeit! Seit ich Dich kennen lernte, war es mein bester Trost, wenn ich mir ausmalte, wie wir bald in der Traulichkeit unseres Hauses beisammen sein würden. Und nun, wo mir ein gütiges Geschick die Erfüllung giebt, soll ich einer thörichten Mode zu Gefallen selbst den Zeitpunkt der Entsagung verlängern? Sonderbare Sitte, die uns zwingt, das Gold unserer Liebe in Kreise hinauszutragen, die uns nöthigen, es wie Contrebande zu verstecken! Die Hochzeitsreisen sind ein Gebrauch, der uns von anderen Nationen zugekommen, englischer Spleen und amerikanische Hast haben ihn geschaffen. Auch mögen sie für jene Nationen passen. … Aber der Deutsche mit seinen idealen Begriffen von Haus und Ehe soll die Ehe nur an der gesegneten Stätte beginnen, wo sein Haus steht und sein Glück Wurzel schlagen soll! Unsere Großeltern wußten nichts von Hochzeitsreisen.“

Marie, die den Worten des Gatten überrascht und fast erschrocken gelauscht hatte, mußte jetzt unwillkürlich an Großmama denken. Sie hatte noch vorgestern, durch die ewigen Hochzeitsgespräche angeregt, mit einem entsetzlich treuen Gedächtnisse weitläufig alle kleinsten Umstände bei ihrer eigenen Verheirathung wieder und wieder erzählt. Auch wie sie bereits am ersten Tage das Scepter des Hauses übernommen und dem Gatten das Leibgericht, Rindfleisch mit Pastinaken, gekocht, ja sogar selbst die lange Meerschaumpfeife gestopft habe, mit welcher er zwischen den regelrecht abgezirkelten Ranunkelbeeten des Hausgärtchens nach dem Morgenkaffee spazieren gegangen war.

Mama hingegen hatte natürlich schon ihre Hochzeitsreise gemacht. Und Mama würde es auch niemals dulden, daß es anders sei. Sie hielt streng auf Ordnung und Sitte.

Diese Ueberzeugung gab Marie endlich Muth zu reden.

„Ich hätte wirklich nicht geglaubt, daß Da mit einem so merkwürdigen Verlangen an mich heran trätest, Gustav!“ sagte sie nicht ohne Verdruß. „Ich hatte mich so sehr auf die Reise gefreut.“

„Wenn Du nicht einverstanden bist, so treten wir diese Reise natürlich an. Es gehen noch vier Züge und zwar nach allen vier Himmelsgegenden. Du hast nur zu bestimmen, wohin wir uns wenden wollen, liebes Herz! Verzeihe, wenn Dir meine Bitte zu groß erscheint, aber ich rechnete dabei auf die Stärke und Opferfreudigkeit Deiner – Liebe!“

„Gustav, den Vorwurf verdiene ich nicht!“

„Sieh, liebes Herz, ich dachte es mir so schön, wenn wir gleich in Glück und Weihe im eigenen Hause bei einander wären – Du allein auf mich angewiesen und ich auf Dich. Es giebt eine Kindheit, welche das Gemüth nie verliert: die Kindheit der Liebe! Diese vollbewußte Kindheit würde uns blühen, wenn Du daheim für mich sorgen müßtest und ich für Dich! Später werden die Mutter und die Tanten kommen und Dich das Hauswesen nach allen Regeln und Finessen führen lehren. Uns gegenseitig zu führen, kann uns nur unsere Liebe lehren! Denke Dir einmal, daß wir auf eine einsame Insel verschlagen wären – würden wir, Du mit mir und ich mit Dir, unglücklich sein? Haben wir uns im Scherze solche Robinsonade nicht zuweilen gewünscht?“

Die junge Frau antwortete nicht, aber sie hatte sich schon beim Beginn seiner letzten Worte an seine Brust geschmiegt. Er [383] küßte sie innig, fast weihevoll und streichelte ihr die blonden Haarwellen wie einem Kinde. Dabei bemerkte er den Brief in ihrer Hand und frug:

„Woher?“

„Aus Heidelberg. Vom Vetter Fritz. Noch eines zu den vielen Glückwunschschreiben und Depeschen. Er – hofft uns in Heidelberg zu sehen …“

„So wünschest Du wohl, daß wir uns dorthin wenden?“

„Du lieber Gott, wenn nur die Reisetoilette nicht so hübsch wäre! Steht sie mir nicht reizend?“

„Versteht sich. Aber Du wirst nicht weniger hübsch darin aussehen, wenn wir in den Gerichtsferien eine Erholungsreise machen. Den Plan dazu machen wir daheim mit einander.“

„O, ich möchte ja gern mit Dir zu Hause bleiben – Du hast ja Recht – ich glaube wenigstens. Aber es ist doch zu unmodern, zu unpassend. Es gehört nun einmal zum guten Ton. … Wo wollen wir denn auch die großen Photographien herbekommen, die in ein elegantes Heft gebunden auf dem Sophatische der neuen Einrichtung liegen müssen? So wie bei Lieutenant Wendler’s? Du weißt doch? Auf der Außenseite steht in großen Goldbuchstaben ‚Unsere Hochzeitsreise!‘ Solch ein Album, Gustav, muß ich haben. Es gehört einmal zu jeder neuen und eleganten Einrichtung.“

„Ich kaufe es beim Kunsthändler – viel billiger, und schenke es Dir zum Geburtstag.“

„Und dann – lache mich nur aus! – ich möchte auch gern einmal etwas erleben. Daheim erlebt man nichts.“

Ueber das kluge und ansprechende Gesicht des Assessors glitt jetzt ein schelmisches Lächeln.

„Nun, ist es nicht auch beinahe ein Abenteuer, wenn ich Dich – ganz heimlich – in mein Haus entführe, und dort – gefangen halte? Nicht hinter Kerkermauern und Eisenstäben, aber hinter dicht geschlossenen Gardinen und fest herabgelassenen Rouleaux? Dies Abenteuer hast Du sicher, es ist neu, pikant und – ungefährlich.“

Die junge Frau schien frappirt.

„Wirklich, Du hast Recht,“ sagte sie, ihn aus großen verwunderten Augen liebevoll, fast kindlich anblickend, „wenigstens in Bezug auf das Originelle der Situation. Ich hätte nicht gedacht, daß man ein Abenteuer, und noch dazu ein ganz apartes, so billig haben könnte.“

„Also Du willigst wirklich ein, daß wir unsere Hochzeitsreise zu uns selbst machen?“ frug noch einmal lachend der glückliche Assessor und zog die Geliebte triumphirend an sein Herz.

Ein liebendes Herz ist leicht überzeugt – bittende Blicke sind ihm bestimmende Gründe, und ein zärtlicher Händedruck gilt ihm als vollgültigster Beweis. Darum war auch jetzt ein langer Kuß die einzige wohl verstandene Antwort.

„Halt, ich stelle eine Bedingung!“ fuhr Marie nach einigem Besinnen dennoch plötzlich fort. „Niemand darf von unserem Hierbleiben erfahren! Mama würde außer sich gerathen und Dich vermuthlich einen Tyrannen nennen – der Du allerdings auch bist! Und Lili Berger und Frieda Menke würden sich in’s Fäustchen lachen und meinen, daß ich schon jetzt unter dem Pantoffel stehe –“

„Während man es doch umgekehrt erwartet?“ warf der Assessor lachend ein.

„Still! Hörst Du – Niemand darf ein Sterbenswörtchen erfahren!“

„Wenn ich auch lieber ganz öffentlich zu Hause bliebe, so mag alles Uebrige doch ganz nach Deinem Wunsche geschehen. Auch geht es ohnehin kaum anders – wegen der versprochenen Gefangenschaft! Ich hätte wirklich nicht gedacht, daß Du so abenteuerlustig wärst. … Immerhin – das Geheimniß wird jedenfalls den Reiz unseres Beisammenseins erhöhen! Eine Entdeckung, wenigstens eine vorzeitige, ist nicht zu fürchten. Unsere Wohnung liegt ja in einem weit entfernten Stadtteil. … Still, Mama!“

„Da sind sie noch! Gott sei Dank!“ trat die Stadträthin hoch echauffirt an das Paar heran. „Ich glaubte schon, Ihr wäret über alle Berge. Papa, Mieze will Dir Adieu sagen! Wo steckt denn Großmama? Ach so, sie sitzt drüben am Kaffeetische. … Schnell, schnell, Papa, der Bräutigam hat es eilig! Ach, diese Männer, sie können nicht rasch genug aus den vier Pfählen herauskommen. Da ist kaum einer, der noch Sinn und Geschmack für Häuslichkeit hat. Ueberall heißt es nur: fort – hinaus. … Und dazu das schlechte Wetter! Es regnet und stürmt ja draußen, als ob heute noch der jüngste Tag anbrechen wollte.“

Es war wirklich ein rechtschaffen schlechtes Wetter. Erbarmungslos rang der Winter mit dem Sommer. Denn noch war der Lenz ein schwacher launenhafter Bube, der mit lautem Sturmhohngelächter der armen Erde die letzten mit Regen untermischten Schneeflocken handvollweise in’s Gesicht streuete, um es ihr zehn Minuten später durch zärtlich warme Sonnenstrahlen wieder abzubitten. … Wie um seine Macht zu beweisen, riß der Aprilsturm soeben den Fensterflügel auf und jagte im Umsehen einen Wirbel Schneeflocken hinein. Tante Bertha, die die große Kunst besaß, immer im rechten Augenblicke zu erscheinen, sprang sogleich zu, um ihn zu schließen. … Aber auch die übrige Hochzeitsgesellschaft hatte die Stimme der Brautmutter aus der behaglich weltverlorenen, etwas duseligen Siestastimmung aufgestört, in welcher man drüben am Kaffeetische beisammen saß. Die halberloschene Cigarre oder die erkaltende Tasse in der Hand, kam man etwas pustend herbei, um sich noch einmal traum- und rührselig um das scheidende Brautpaar zu gruppiren.

„Du bist doch warm angezogen?“ fuhr die Stadträthin in steigendem Eifer fort, indem sie den Anzug der jungen Frau bis zur letzten Stecknadel prüfte. „Die Reisetoilette ist hübsch und könnte in jedem Schaufenster ausgestellt werden! Leider wird sie unterwegs schnell genug verderben.“

„Ihr habt aber auch ausgesucht schlechtes Reisewetter, man möchte keinen Hund hinausjagen!“ meinte der Stadtrath besorglich und wohlmeinend, aber mit jener eigenthümlichen Rauhheit der Stimme, wie sie nach einem Hochzeitsdiner auch bei soliden Leuten sich einzustellen pflegt.

„Darum thun wir besser hier zu bleiben, Papachen,“ wagte der Assessor, vorerst nur sondirend, einzuwerfen.

„Ist die Möglichkeit, nun gar hier bleiben!“ schnitt die Schwiegermutter die Antwort des Vaters ab. „O, diese Männer, wetterwendisch sind sie, einer wie der andere. Nein, das wäre eine neue Mode und gegen jeden guten Ton. Neue Moden fangen wir nicht an, das überlassen wir anderen Leuten. Ihr zieht Euch warm an und reist, und damit Punctum! Aber um Alles in der Welt, gebt uns bald Nachricht. Du lieber Gott, ich werde mich einstweilen zu Tode ängstigen …“

Der eintretende Lukas schnitt das Weitere ab. Er kam, um zu melden, daß der Wagen vorgefahren sei, um den Herrn Assessor und die junge gnädige Frau nach dem Bahnhof zu bringen. Koffer und Hutschachteln habe er schon hinein besorgt. Auch Max, der Obertertianer und einzige beträchtlich jüngere Bruder der jungen Frau, der in seiner „Bude“ oben im Erker seinen ersten privilegirten Rausch ausgeschlafen hatte, war inzwischen herbeigekommen, um Schwester und Schwager Lebewohl zu sagen. Aber er fand plötzlich, daß er doch zur Unzeit gekommen war. Denn die Mutter hatte soeben das Taschentuch vor’s Gesicht gedrückt und auch der Vater wischte und wischte. So blieb es doch jedenfalls auch Schuldigkeit des einzigen Bruders, gerührt zu sein. Auch brachte er mit Hülfe des glücklich beginnenden Katzenjammers wirklich etwas „Scheidewasser“ zu Stande. Bei der jungen Frau brach jetzt aber ernstlich und fast wider eigenes Erwarten das Trennungsgefühl durch. Es war kein Schmerz, aber ein einziges krampfhaftes Weh, was überwunden werden mußte. Sie hätte wenigstens nun nicht mehr, wie sie gewollt, ohne Abschied gehen können. Es würde der Trennung die Weihe gefehlt haben. … Zwei lange, kurze Minuten lag sie am Halse des Vaters, der Mutter, dann legte sie ihren Arm, zutraulich wie ein Kind und fest wie ein Mann, in den Arm ihres Gatten, und schritt mit ihm zur Thür, die Andern nur mit den Augen und einer flüchtigen Handbewegung grüßend.

Als sich die Thür hinter dem Brautpaar geschlossen hatte, stand Tante Bertha hinter ihrer Cousine, der Stadträthin, und wartete auf eine Ohnmacht. Und sie war auch diesmal zu rechter Zeit gekommen.




2.

Die von dem Assessor gemiethete Familienwohnung draußen in der Vorstadt war wirklich das einzige Ziel der langbesprochenen Hochzeitsreise geworden. Die Stadträthin hatte sie noch in der [384] Woche vor der Hochzeit mit jener Sorgfalt und Pünktlichkeit eingerichtet, die ihr den Ruf der besten Hausfrau ihres Bekanntenkreises erworben hatten.

Die glänzende Politur der Möbel, deren eigenthümlicher Duft noch stark ausströmte, der saubere Anstrich des Fußbodens, der Glanzlack von Thüren und Fenstern, die matten und doch still und behaglich leuchtenden Farben der Portièren – Alles stimmte und gab ein Gefühl von Nähe, Sicherheit und Traulichkeit, das das Glück und innige Wohlgefühl der beiden heimlichen Bewohner nur vermehrte. Eine Magd war noch nicht vorhanden, doch hatte der Assessor im Vorgefühl seines Sieges den Stiefelputzer, ein altes Studentenfactotum, nicht abbestellt. Er war am ersten Morgen ganz wie gewöhnlich, mit Bürstentasche und Klopfstock gekommen und hatte gegen ein gutes Trinkgeld die nothwendigen häuslichen Besorgungen übernommen. Dennoch war die junge Frau genöthigt, selbst ein wenig Hand anzulegen. So hatte sie in gehobener Glücksstimmung das erste Feuer in dem hübschen Kamin selbst entzündet. Es war wie ein Dankopfer – auch wollte sie keinen frostigen Anfang. … Und der junge Gatte hatte daneben gestanden, die Hände in einander gelegt, und hatte den Rauch kerzengerade im Kamin aufsteigen sehen, und tausend Wünsche für das Wohl des lieben, ihm anvertrauten Wesens, das sich jetzt so fest und zuversichtlich an sein Herz schmiegte, als wäre der Platz sein Eigenthum nicht für die kurze Erdenpilgerfahrt, sondern auf Ewigkeiten hinaus, waren mit den blauen Ringeln aufgestiegen.

Mittags hatte man in einem Restaurant gegessen, und dann mit einander durch die stilleren und entfernteren Theile des Stadtparkes einen Spaziergang gemacht. Von solchem war man soeben zurückgekehrt. Das Glück strahlte auf Beider Wangen. Die junge Frau erschien größer, äußerlich vollkommener erblüht, sie trat fester auf und dabei war der Ausdruck des Gesichtes doch noch sanfter, hingebender, besonders wenn sie, was gar sehr oft geschah, den Gatten anblickte. Dieser hatte den Ueberrock bald mit einem Schlafrock vertauscht, so neu und elegant und kleidsam, wie ihn nur junge Ehemänner tragen. … So trat er leise an Marie heran, die soeben die Spiritusmaschine entzündete, um den Thee zu bereiten. Hurtig und geschickt hatte sie bereits die Tassen bereit gestellt, dazu zierlichen kalten Aufschnitt, den der schnurrbärtige Hausgeist aus dem nächsten Budikerladen geholt hatte. Es stand Alles wie gewachsen auf dem Tische – nur das Wasser kochte noch nicht.

„Das macht das Hinsehen – wenn man darauf wartet, dauert es noch einmal so lange!“ meinte die junge Frau küchenweisheitsvoll, und sah absichtlich hinweg und überschaute wieder und wieder das trauliche Zimmer mit seinen hübschen neuen Möbeln, bis ihr Blick oben an der Decke hängen blieb, wo die lustigen Halbschatten der antik geformten Lampe ihren Elfenreigen tanzten. … Und so hatte sie es nicht gemerkt, daß der Gatte hinter ihr stand – bis er seinen Arm um sie legte. Da gab es ein minutenlanges Küssen. … Und diesen glücklichen Augenblick benutzte der von hausmütterlicher Aufsicht befreite Kessel, um aufrührerisch zu werden und ungeberdig überzuquellen. …

Die junge Frau löschte den Spiritus und schob dem Gatten die Tasse hin. „Für den Hausherrn“ stand darauf, wie „Für die Hausfrau“ auf der ihrigen. Welche stolze Würde gab das Wort! Und dabei wirkte es mahnend: sie hatten aufgehört Einzelwesen zu sein, waren nun Ganzes geworden und gehörten einem Ganzen – dem Hause – an.

Die junge Frau schnitt das Brod und legte dem Gatten die zierlichen Schnitten auf den Teller.

„Hier auch die Butter, als Ehemann magst Du sie immerhin nun anschneiden!“

Der Gatte lachte und machte auch von diesem Ehestandsprivilegium ausgiebigen Gebrauch.

„Wann wollen wir denn eigentlich zurückkehren von – unserer Hochzeitsreise?“ frug Gustav jetzt lachend, indem er sich bequem in den Sessel zurücklehnte.

(Fortsetzung folgt.)




Am Einsprung.

Ein Bild aus dem Thierleben des Waldes.
Von F. Lindner.

Eine tief in der volksthümlichen Anschauung wurzelnde, theils aus dem Zusammenleben mit den Hausthieren, theils aus der Beobachtung des Thierlebens überhaupt hervorgehende Neigung des Menschen ist die, den Regungen der Thierseele menschliche Beweggründe und menschliche Strebungen unterzulegen – eine Neigung, welche ja in unseren Märchen und namentlich in unserer Thiersage einen poetisch verklärten Ausdruck gefunden hat. Doch brauchen wir nicht in das Gebiet der Poesie hinüberzugreifen, sondern einfach nur das wirkliche Leben der Thiere zu belauschen, um dieselben oft in Situationen anzutreffen, welche in der That mit menschlichen eine frappante Aehnlichkeit haben.

Ich will dem Leser heute eine solche, die ich selbst zu beobachten Gelegenheit hatte, vorführen, und zwar eine, welche nicht nur in ihrem unmittelbaren Eindruck von vollendeter dramatischer Wirkung war, sondern auch in ihrem Abschluß der Tragik nicht entbehrte.

Es war an dem Spätnachmittage eines prächtigen Septembertages – ein tiefblauer Himmel spannte sich über den gewölbten Bergrücken des Teutoburger Waldes aus; bis weithin zum Wesergebirge lag die liebliche Landschaft in leuchtendem Farbenschmucke und vor uns öffnete sich das tief beschattete Haidenthal, in das wir, ein wegkundiger Forstmann und ich, jetzt eintraten, um über das Gebirg zu steigen und jenseits, an einer alten Kampfstätte, die Hirsche kämpfen zu sehen, vorausgesetzt, daß uns das Glück hold war, dem sich der Waidmann jederzeit anvertrauen muß.

Das Laub der herrlichen Buchen im Haidentale, welche zu den schönsten des Gebirges gehören, hatte jene warme Färbung angenommen, welche dem Grün eine malerische Abwechslung gewährt und den nahenden Herbst verkündet. Links und rechts über uns stiegen die von geheimnißvollen Seitenthälern durchschnittenen Berge empor, und endlich mündete der Weg zwischen riesenhaften Lärchbäumen in eine finstere, steil aufstrebende Schlucht ein, zwischen deren zerrissenen Wänden wir auf ein grünes, mit hellen Wiesen bedecktes Plateau und damit auf die Höhe des Gebirges gelangten, von der wir jenseits zwischen Buchen und Eichen sogleich wieder den Abstieg begannen.

Weit hinein blickte man in den dämmerigen Forst; mannshohe Farren, da, wo sie von verlorenen Sonnenstrahlen getroffen wurden, hell schimmernd, füllten in dichten Massen den Raum zwischen den grauen Stämmen, und der moosige Boden athmete den halb kräftigen, halb moderigen Waldesduft aus, der aus den feuchten Blätterlagen des gefallenen Laubes hervorquillt.

Ab und zu hemmten wir unsere Schritte und lauschten – ob nicht vielleicht, wenn auch von fern her, das Tönen eines Hirsches zu uns herüber dränge – aber vergebens, das Klopfen eines Spechtes, der Schrei eines Raubvogels, welcher hoch über uns seine Kreise zog – das war Alles, sonst lag tiefe Stille über dem Gebirge.

Allmählich begann sich die Scenerie zu ändern, je tiefer wir hinabstiegen; würziger Geruch von Coniferen strich uns entgegen, das Haidekraut beherrschte den Boden mehr und mehr, und Sandstürze schimmerten unter den Abhängen hervor. Als wir in der „breiten Naht“, einem flachen Einschnitte des Gebirges, anlangten, befanden wir uns schon auf braunem Haideboden und von hohen Fichten und Kiefern umgeben – nur mitten in der freien Fläche erhoben sich melancholisch drei alte verwetterte Eichen, gewiß die Ueberreste eines alten Eichenwaldes, der von den Nadelbäumen, den begünstigten Freunden der Haide, verdrängt wurde.

Und nun nahten wir dieser selbst, von fern her schimmerte es schon licht durch die Bäume – noch wenige Schritte, und frei schweiften unsere Blicke über die scheinbar unbegrenzte Fläche. Es ist eine der charakteristischesten und apartesten Schönheiten des Teutoburger Waldes, daß seine grünen Berge unvermittelt in

[385]

Am Einsprung.
Originalzeichnung von Ferdinand Lindner.

[386] eine der malerischesten Haiden Norddeutschlands, die Senne, hinabsteigen, und wenn man aus den dunklen Waldschluchten kommend plötzlich die mächtige Haide bis zum Horizonte ausgebreitet zu seinen Füßen liegen sieht, so hat man genau dasselbe Gefühl, als gewänne man, zwischen hochgewölbten Dünen hervortretend, den Blick auf das weite Meer.

Und hier, an der Grenze zwischen Wald und Haide, war auch unser Ziel, der gesuchte Kampfplatz, gelegen, denn hier schneidet das Wildgatter weit in die Haide hinaus und kehrt erst in weitem Bogen zum Walde zurück, hier treten mit hereinbrechender Nacht die Hirsche heraus und kämpfen ihre gegenseitigen Fehden aus.

Im sinnenden Hinausschauen, zu welchem der Anblick der Haide den Menschen anzuregen pflegt, wurde ich plötzlich durch meinen Begleiter unterbrochen, der mich schnell um meinen Feldstecher bat, ihn eine Zeit lang in die Haide hinausrichtete und dann sagte:

„Sehen Sie dort den wunderlich gekrümmten Wachholderbusch über dem langgezogenen Sandstreifen – dicht dahinter streicht jetzt ein Hirsch außerhalb am Gatter entlang.“

In der That bemerkte ich, was das geübte Auge des Forstmanns auch ohne Glas schon wahrgenommen, ein Stück Wild, welches langsam, dann und wann stehen bleibend, am Gatter hinzog.

Jetzt schien meinem Begleiter ein besonders einleuchtender Gedanke zu kommen.

„Wenn wir Glück haben, sollen Sie was Interessantes zu sehen bekommen – wie steht’s mit dem Winde?“

Von Wind war nun freilich nicht die Rede, die Sonne stand nicht mehr hoch und den reinen Aether begann leichtes, dünnes Gewölk zu umspinnen – eine Luftstimmung, welche mit großer Stille in der Natur verbunden zu sein pflegt.

Mein Forstmann befeuchtete mit der Zunge den Rücken und die innere Fläche der Hand und hielt sie dann in die Höhe – die Prüfung schien nach Wunsch auszufallen, eine leichte Bewegung der Luft stand von der Haide nach uns herüber und verhinderte also den Hirsch, bei größerer Annäherung Witterung von uns zu erhalten.

„Und nun kommen Sie schnell zum Einsprung!“

Mit diesen Worten schritt mein Begleiter weit aus, quer durch die Büsche, bis wir wieder an der Grenze zwischen Wald und Haide mit dem Wildgatter zusammen stießen, dem wir folgten. Unterwegs wurde mir nun auch Aufklärung über das, was mein Begleiter beabsichtigte, und vor Allem, was „Einsprung“ sei. Dann und wann nämlich tritt Wild aus, das heißt es gelingt ihm, sei es durch ein aus Nachlässigkeit offen gebliebenes Wildthor oder sonst auf irgend welche Weise, außerhalb des Gatters zu gelangen; ja man hat sogar beobachtet, daß es sich platt zur Erde legt und seitwärts unter der untersten Sparre oder dem Drahte hindurchzwängt. Da es sich aber in der offenen Haide nicht hält, versucht es, in seine alten Gründe zurückzuwechseln – gelingt ihm dies nicht, so ist es natürlich für den Wildstand des betreffenden Reviers verloren.

Um ihm nun den Eintritt zu erleichtern, ohne zugleich andererseits auch dem innen befindlichen Wild den Austritt zu ermöglichen, errichtet man an verschiedenen Stellen einen sogenannten Einsprung, welcher dann auch ab und zu einmal von anderen aus fremden Revieren herüberwechselnden Thieren benutzt wird. Das begleitende Bild giebt die Construction eines solchen: ein Haidehügel ist quer durchschnitten; die Durchschnittsfläche ist von einer Höhe, daß es einem innen befindlichen Wild unmöglich ist hinaufzuspringen, während ein oben stehendes leicht hinabzuspringen vermag – links und rechts zieht sich das Wildgatter heran und macht den Abschluß vollständig.

Mein Begleiter rechnete nun darauf, daß das vorhin von uns in der Haide draußen beobachtete Wild, da es sich in der entsprechenden Richtung fortbewegte, schließlich zum Einsprung gelangen müsse, und wir vielleicht Gelegenheit hätten, einen solchen Eintritt zu beobachten.

Rüstig fortschreitend gelangten wir endlich zu dem Einsprung, dessen altersgraues Gebälk zum Theil durch die Last der nachdrängenden Sandmasse gesprengt war, während das Haidekraut, das in dichten Büschen seinen Rücken bedeckte, sich durch die Sprünge und Risse gedrängt hatte. Das Ganze machte dergestalt mit der umgebenden Scenerie einen höchst malerischen Eindruck.

Zwischen Kiefern und Brombeerbüschen suchten wir uns eine gedeckte Stellung und sahen nun der Ankunft des Erwarteten entgegen. Es war inzwischen lebendig geworden im Gebirge. Hier und dort, bald aus weiter bald aus geringerer Ferne erhob sich das Tönen der Hirsche, das Echo der Schluchten und Thäler weckend. Unter „Tönen“ versteht man in diesen Gegenden das Gebrüll des Hirsches, welches man anderwärts mit „Röhren“ bezeichnet. Aber Viertelstunde um Viertelstunde verrann – der Erwartete erschien nicht, und selbst wenn wir uns an’s Gatter schlichen, vermochten wir, soweit unser Auslug reichte, nichts Lebendes in der Haide draußen zu erblicken.

Die Sonne stand über dem Horizont und neigte sich zum Untergang, wir gaben die Hoffnung auf und waren eben daran, unser Versteck zu verlassen, als hinter uns im Walde und näher als bisher ein Hirsch seine Stimme erhob, der kaum eine halbe Minute darauf ein dröhnendes Gebrüll und zwar so dicht bei uns antwortete, daß wir fast erschreckt zusammenfuhren. Der wilde Hirsch greift den Menschen nie an, wenn er nicht verwundet wird – eine Gefahr und demgemäß eine Furcht vor demselben ist also ausgeschlossen – aber das Gebrüll des Hirsches hat eine außerordentlich große Aehnlichkeit mit demjenigen des Tigers und übt denselben Einfluß auf unsere Nerven, den das letztere selbst hinter den Gittern des Käfigs hervorbringt. Hier aber hatte es für uns noch die weitere Bedeutung, daß es den längst Erwarteten ankündigte.

Und da war er – durch die Büsche, zwischen den Stämmen hindurch, konnten wir seine Umrisse erkennen, wie er langsam am Gatter entlang schritt – jetzt erschien er am Hügel, welchen der Einsprung durchschnitt – er blieb stehen, ziemlich lange, dann aber machte er – zu unserer großen Enttäuschung – Kehrt und ging auf seiner Fährte zurück. Hatte er von uns Witterung bekommen?

Jetzt wandte er sich der Haide und von Neuem dem Hügel zu – derselbe entzog uns seinen Anblick, aber es dauerte nicht lange und wir sahen ihn an der andern Seite zum Vorschein kommen – wogenden Hauptes, stolz und bedächtig.

Wir streckten uns platt in die Büsche, denn er hätte uns von dort wohl bemerken können, um so mehr, als er eine Zeit lang nach dem Wald zu äugte.

Darauf begann er zu sichern und verschwand wieder hinter dem Hügel des Einsprunges. Und nun bot sich uns jenes Bild, von dem ich oben sagte, daß es von geradezu dramatischer Wirkung war und dessen Eindruck trotz der Einfachheit des ganzen Vorganges mir immer lebendig geblieben ist.

Vor Allem schon die Scene, auf welcher der Acteur wie auf einer Bühne sogleich erscheinen sollte: die letzten Strahlen der untergehenden Sonne strichen über die erglühende Haide, hell auf den schimmernden Sandstrecken, in welche die vorliegenden Hügel langgestreckte lichtblaue Schatten zeichneten, purpurfarben oder violett dagegen auf dem braunen Haidekraut, und während die Haide nach Westen hin in der Lichtfluth des versinkenden Tagesgestirns gleichsam aufzugehen schien, verschwand sie nach Osten hin in der tiefblauen Dämmerung der dort schon von der Haide Besitz ergreifenden Nacht.

Und mitten in dieser Scenerie erschien nun, langsam und gemessen emporsteigend, der Hirsch, ein Sechsender, dessen prachtvolle Gestalt sich wie eine Silhouette am dämmernden Abendhimmel dunkel abhob.

Da stand er, hochaufgerichtet, den Kopf langsam und in getragener Bewegung bald nach links, bald nach rechts richtend, bald hierher, bald dorthin schreitend, um nach kurzer Bewegung wiederum dicht über dem Einsprung zu stehen und rollenden Auges in den dunkeln Wald zu blicken – ein wahrer Hercules am Scheidewege. Denn unwillkürlich drängte sich hier dem Beschauer gegenüber dem zaudernden Thier die Aehnlichkeit mit dem vor einen Entschluß gestellten Menschen auf.

Hinter ihm die Freiheit der Steppe, vor ihm das lauschige Waldesdunkel mit seinen Schlupfwinkeln und Weideplätzen, aber auch die Gefangenschaft im Wildgatter – frei oder nicht frei – das bewegte vielleicht ahnungsvoll die Thierseele des ritterlichen Waldgesellen vor uns, der jetzt den Kopf emporreckte und weit hinein in’s Gebirge ein zorniges Gebrüll entsandte, als wolle er dem, was sein Inneres bewegte, gewaltig Luft machen.

So schön und edel die Bewegungen des Hirsches sind, zu [387] den schönsten und deshalb von der Kunst am häufigsten dargestellten gehört diejenige des brüllenden Hirsches; wenn auch die Gründe für das Emporrecken des Halses und Kopfes physiologischer Natur sind, für den Beschauer, der nur mit Auge und Herz dabei ist, hat diese Bewegung eine ganz andere Bedeutung, sie erregt das Gefühl, daß der trotzige, herausfordernde Ruf hinausgesandt wird, weit hinaus, bestimmt, um über Berg und Thal zu dringen und einen Gegner aus seinem Schlupfwinkel aufzuscheuchen.

Und diese Wirkung schien jener Ruf hier sofort zu erzeugen; denn kaum war das Gebrüll aus der Kehle unseres Hirsches da droben verhallt, als auch aus den Tiefen des Waldes heraus von nah und fern die dröhnende Antwort erfolgte.

Aufhorchend begann jetzt das Thier in nervöser Unruhe zu stampfen und zu scharren, daß das Haidekraut rings umherstäubte, dann ein Vorstrecken des Halses, ein Ducken des Kopfes, ein Emporrecken, nochmals ein kurzes zorniges Gebrüll, dessen metallische Töne wie aus eherner Brust zu kommen schienen, und nun ein wunderbar elastischer Sprung in weitem Bogen hinab in die Tiefe.

Einen Augenblick noch hielt er an, dann trabte er, das Geweih hochtragend, langsam in den dunkelnden Wald hinein und, wie ich gleich hinzufügen will, seinem Verhängniß und blutigen Ende entgegen.

Wir wandten uns zur Heimkehr, indem wir die Absicht, den Hirschkampf zu beobachten, aufgegeben, da die Luftströmung für unseren Zweck sehr ungünstig war und unsere Anwesenheit dem austretenden Wilde sicher verrathen hätte.

Es war inzwischen dunkel geworden – der Mond war über den Bäumen emporgestiegen und wir wanderten durch eine Naturscenerie voll großartiger Poesie. Das Gebirg gab die während des ungewöhnlich heißen Tages eingesogenen Wärmestrahlen als lauen Duft zurück, der sich da, wo Nadelholz stand, bis zum betäubenden aromatischen Wohlgeruch steigerte – das Laub regte sich nicht, und nur von Zeit zu Zeit, wenn ein leichter Luftzug von der Haide herüber strich, war es, als athmete der Wald tief auf.

In fast schauerlichem Contrast hierzu wurde diese Ruhe in kurzen Pausen durch das Tönen der Hirsche unterbrochen, welches mit der hereinbrechenden Nacht immer lauter und drohender aus den Schluchten und von den Höhen ringsum herüberschallte, und es gehörte keine allzu große Anstrengung der Phantasie dazu, sich im tropischen von Tigern erfüllten Walde zu glauben.

Zwischendurch erklang das unheimliche, mit einem langgezogenen Hohnlaut endende Gekicher der Eulen, und neben unserem Wege einherflatternd riefen die Käuzchen ihr „Komm mit“.

Es war Mitternacht lange vorüber, ehe wir daheim wieder anlangten.

Einige Tage später theilte mir der Forstmann, welcher mein Begleiter gewesen war, mit, an der Grotenburg, dem Berge, welcher das Hermanns-Denkmal trägt, stehe seit einigen Tagen in dichtem Gestrüpp ein Hirsch, dessen Tönen die ganze Nacht hindurch über das Haidenthal schalle und in dem er beim Heranschleichen unseren alten Bekannten, den Sechsender vom Einsprung, wiedererkannt habe.

Ich beschloß, diesem gelegentlich bald einmal auch meinen Besuch abzustatten, kam aber in der nächsten Woche nicht dazu.

Da traf mich eines Tages ein Bote jenes Forstmannes, welcher mir sagen ließ, wenn ich unseren Hirsch noch einmal sehen wolle, so möge ich bei ihm vorsprechen. Als ich, neugierig gemacht, eintraf, fand ich den stattlichen Kämpen lang hingestreckt, und wie war er zugerichtet! Ein von einem Geweih mit furchtbarer Gewalt geführter Stoß war ihm tief bis in die Eingeweide gedrungen, ein anderer saß zwischen Brust und Schulter und selbst auf dem Rücken waren Verletzungen wahrzunehmen, welche aussahen, als hätten Mutterthiere mit den Vorderläuften auf ihn eingeschlagen.

Offenbar war er damals, ein Fremdling, aus anderem Reviere eingesprungen, durch’s Gebirg bis zur Grotenburg gezogen und schließlich, seine einsame Stellung an derselben verlassend, zum „Schafnacken“ (einer gegenüber liegenden Höhe, wo man ihn sterbend fand) hinübergewechselt, in ein fremdes Rudel gerathen und von diesem getödtet worden.

Unwillkürlich trat mir das Bild des von der sonnigen Haide im Drange der Leidenschaft zum dunklen Wald Einspringenden vor die Augen – jetzt lag er starr zu meinen Füßen, von seinem Verhängniß ereilt – ein Bild, das von Neuem die Parallele mit dem Geschick des Menschen herausforderte.




Ameisen als Leibwachen von Pflanzen.

Eine Betrachtung über Gegenseitigkeit in der Natur.
Von Carus Sterne.

Während die Blüthengewächse uns der Mehrzahl nach mit ihren theils durch Größe auffallenden, theils durch schöne Farben oder Düfte anziehenden Blumen- und Blüthenständen das stumme Geständniß machen, daß ihnen geflügelte Gäste, seien es nun Insecten oder Vögel, die ihre Honigquellen besuchen, sehr nützlich, oder nach der gewöhnlichen, bildlichen Redeweise „erwünscht“ sind, sehen wir sie alle möglichen Vorrichtungen entfalten, um ihre Blüthen vor den Besuchen ungeflügelter Gäste zu schützen. Die Einen wappnen sich mit Stacheln und steifen, nach abwärts gerichteten Borsten am Stengel, um den Raupen und Schnecken das Emporkriechen zu erschweren, Andere schützen sich durch klebrige Haare oder Leimringe unterhalb der Blüthe, wie die Pechnelke und viele ihrer Verwandten, um den Ameisen und kriechenden Mücken den Zugang zu verlegen, noch Andere umgeben ihre Blüthenstengel gar mit Wall und Graben, das heißt mit kleinen, von den Blättern gebildeten Wasserbecken, z. B. viele Bromeliaceen und unsere wilde Weberkarde; nur die ihre Blüthen aus dem Wasser hervorhebenden Pflanzen haben durchweg glatte, haar-, und schutzlose Stengel, weil sie, durch den natürlichen Standort geschützt, nur wenige Besuche von ungeflügelten Thieren zu befürchten haben. Die meisten der hier angedeuteten Einrichtungen und noch viele andere ähnliche, wie z. B. die giftigen und stark riechenden Bestandtheile der Blätter, sind schon im vorigen Jahrhundert durch den Großvater Darwin’s als Schutzmittel der Pflanzen gegen unerwünschte Gäste gedeutet worden, obwohl er noch nicht klar erkannt hatte, weshalb sie den einen Theil der Insecten anlocken und sich den andern vom Leibe halten. Dank den Untersuchungen späterer Forscher und namentlich denen seines großen Enkels, wissen wir nun, daß ihnen die geflügelten Gäste nützlich sind, weil sie meist von ihres Gleichen kommen, und den zur Erzielung kräftigen Samens erforderlichen Blumenstand derselben als Dank für die ihnen gewährte Gastfreundschaft mitbringen (vergl. „Gartenlaube“ 1878, S. 50), während die ungeflügelten, vom Erdboden emporkriechenden Insecten wahllos jeden ihnen zugänglichen Stengel erklettern und daher nicht im Stande sind, den Blumen einen gleichen Dienst zu leisten.

Da nun die erwähnten Vorrichtungen offenbar am meisten gegen die nach Blumenhonig besonders lüsternen Ameisen gerichtet sind, so mußten gerechte Bewunderung die Beobachtungen mehrerer englischer und deutscher Naturforscher erregen, denen zufolge zahlreiche Pflanzen, namentlich Bäume, umgekehrt durch die an ihren Blättern oder Blattstielen befindlichen Honigdrüsen zahlreiche Ameisen anlocken, ohne daß ihnen das geringste Hinderniß in den Weg gestellt würde. Zuerst war es der treffliche englische Naturforscher Thomas Belt, der im vorigen Jahrzehnt bei einem längern Aufenthalte in Nicaragua eine Anzahl solcher Fälle studirte und bald erkannte, daß gewisse von dem dargebotenen Honig angelockte Ameisen den betreffenden Gewächsen als wachsamste Schutz- und Leibgarde dienen, um sie vor den Plünderungen anderer, viel schädlicherer Ameisen unter Aufbietung aller Kräfte und mit einem Patriotismus zu schützen, der ihnen alle Ehre macht.

Es giebt nämlich in diesen warmen Ländern eine Anzahl großer, das Laub der Bäume und niederer Gewächse stark bedrohender Ameisenarten. Die schlimmsten von ihnen sind die sogenannten Sauba- oder Blattschneiderameisen (Oecodoma cephalotes), deren Arbeiter die Bäume ersteigen und mit ihren scharfen scheerenartigen Kiefern Blattstiele und ganze Blätter so tief einkerben, daß sie das Blatt mit Leichtigkeit abreißen, worauf sie dasselbe entweder [388] fallen lassen, oder mit demselben, wie mit einem Sonnenschirm, hinabspazieren, wonach sie auch Tragameisen genannt werden.

Ein Reisender, Namens Lund, erzählt uns, daß er eines Tages unter einem Baume gestanden und mit Erstaunen beobachtet habe, wie die vollkommen frischen und grünen Blätter desselben trotz des stillen Wetters, einem Regen gleich, herabfielen. Bei genauerem Zusehen erkannte er dann, daß auf jedem Blattstiel eine Ameise saß und das Blatt abschnitt. Eine andere Scene spielte sich am Fuße des Baumes ab; der Boden war daselbst mit Ameisen bedeckt, welche die herabgefallenen Blätter sogleich in Stücke schnitten, um sie bequemer nach ihrem Neste bringen zu können. In weniger als einer Stunde ward das große Werk vor den Augen Lund’s vollendet, und der Baum blieb völlig kahl zurück.

Fig. 1. Rumph’s Nest der schwarzen Ameise.
1/5 der natürlichen Größe.

Ueber den Gebrauch, welchen die Blattschneiderameisen von den Blättern machen, ist man noch nicht völlig im Klaren. Der Naturforscher Bates glaubte, daß sie dieselben beim Wölben ihrer unterirdischen Gänge verwenden, um dieselben regendicht zu machen, während Belt meinte, sie zerrissen dieselben zu einer flockigen Masse, um kleine Pilze für ihre Ernährung darauf zu cultiviren.

Natürlich sind diese Tragameisen, welche auch Besuchs- oder Visitenameisen genannt werden, weil sie durch ihre unerwünschten Besuche oft die Hoffnungen der Gartenbesitzer zu Schanden machen, von den Ansiedlern ebenso gefürchtet wie verfolgt, und man zerstört ihre Nester, wo man sie findet. Am meisten haben in der Regel ausländische Bäume von ihnen zu leiden, denn die einheimischen haben sich, wie gesagt, vielfach Leibwachen von anderen Ameisen angeschafft, welche den Tragameisen einen Besuch der betreffenden Pflanzen verleiden. Es sind dies namentlich verschiedene Arten einer kleinen schwarzen Ameisengattung (Crematogaster), welche so winzig sind, daß man kaum begreift, wie sich die großen, wohlgepanzerten Besuchsameisen vor ihnen fürchten können. Und doch ist dem so. Der ausgezeichnete deutsche Naturforscher Fritz Müller in Blumenau (Südbrasilien) sah eines Morgens in seinem Garten, ehe noch die kleinen schwarzen Ameisen ihr Tagewerk begonnen hatten, die Tragameisen damit beschäftigt, die Blumen eines Kürbisgewächses (einer Luffa-Art) zu zerstückeln, als bald darauf, von den Honigdrüsen der Deckblätter angezogen, einige Crematogaster erschienen, worauf sofort, ohne allen Kampf, die Tragameisen abzogen, um nicht wiederzukehren. Die Ursache liegt wahrscheinlich in einem sehr schmerzhaften Stiche, den die ersteren austheilen können, und auch Sir John Lubbock sah eine Schaar beim Honigsammeln beschäftigter grauer Ameisen schleunigst die Flucht ergreifen, als einige winzige Crematogaster ihnen blos mit der gefährlichen Waffe ihres Hinterleibes drohten.

Fig. 2. Imbauba-Stämmchen.
1/50 der natürlichen Größe.

Es begreift sich unter diesen Umständen, daß viele südamerikanische Bäume sich ein förmliches stehendes Heer aus diesen kleinen Ameisen zu ihrem Schutze halten und ihnen dafür Wohnung, Speise und Trank bieten. Thomas Belt beobachtete dies z. B. bei der Ochsenhorn-Akazie (Acacia cornigera) in Nicaragua, auf deren Zweigen beständig Myriaden einer kleinen Ameise hin- und herlaufen, welche ihre Wohnung in den starken hohlen Dornen dieses Baumes finden, die wie kleine Ochsenhörner gestaltet sind. Die Blätter tragen sowohl an ihrer Basis wie an der Spitze honigabsondernde Drüsen, um dieses stehende Heer zu verpflegen. Uebrigens schützen dieselben die betreffenden Bäume und kleinere Pflanzen wahrscheinlich nicht blos gegen die Tragameisen, sondern auch gegen die Angriffe anderer Thiere, z. B. von Säugethieren, welche das Laub fressen möchten; wenigstens sah sich Belt eines Tages, als er eine Blume der auch in unseren Gärten beliebten Volkamerie (Clerodendron fragans) abpflücken wollte, urplötzlich von einer Armee kleiner Ameisen angegriffen.

Von einem ganz ungewöhnlichen Interesse ist aber das Schutz- und Trutzbündniß zwischen dem eigentlichen Charakterbaum des wärmeren Amerikas, der Imbauba (Cecropia) (Fig. 2) und einer kleinen Ameisenart, die in den hohlen Stammgliedern dieses zu den Nesselgewächsen gehörigen Baumes wohnt. Ueberall, wo in den Urwäldern des wärmeren Südamerika, durch Abholzen oder Waldbrand, ein freies Plätzchen entstanden ist, schießt dieser schnellwachsende schlanke Baum, alles niedere Gestrüpp überragend, bis zu einer Höhe von zwanzig Metern und darüber empor. Man nennt ihn auch den Armleuchterbaum, weil der drehrunde, weiße Stamm zuerst in einer Höhe von zehn Metern und dann in regelmäßigen Abständen Astquirle von abnehmender Länge aussendet, die ihm das Aussehen eines Candelabers verleihen (Fig. 2), wobei jede Astspitze einen Strauß großer, langgestielter, tiefgelappter Blätter entfaltet, die auf der Unterseite mit einem schneeweißen Filze bedeckt sind. Schon Alexander von Humboldt hatte bemerkt, daß die einzelnen Abtheilungen, in welche der Stamm, ähnlich wie ein Bambusrohr, getheilt ist, stets von Ameisen bewohnt sind, und letzteren, denen er schuld gab, das Mark des Baumes zu verzehren, schrieb er es zu, daß der schöne, palmenähnliche Baum immer nur wenige große Blätter am Ende seiner Zweige trägt.

Genauer hatte sich Thomas Belt die Sache angesehen; er fand ebenfalls die hohlen Stammstücke regelmäßig von kleinen Ameisen bewohnt, auf deren Angriff man sich stets gefaßt machen muß, wenn man einen solchen Baum fällt, aber er hielt sie nicht mehr für schädliche, sondern im Gegentheil für höchst nützliche Einwohner, von denen er glaubte, daß sie Vorzugsweise von Viehzucht lebten, da sie Heerden von Schildläusen züchteten. Uebrigens fand er drei verschiedene Arten viehzüchtender Ameisen in diesen Bäumen, derart jedoch, daß ebenso wie bei der Ochsenhorn-Akazie nie mehr als eine dieser Arten denselben Baum bewohnte. Noch genauere und höchst überraschende Aufklärungen über das hier obwaltende Bündniß von Baum und Thier hat sodann Fritz Müller vor zwei Jahren an den Schreiber dieser Zeilen gelangen lassen, und aus seinen in einem wissenschaftlichen Journale veröffentlichten Mittheilungen geben wir im Folgenden die merkwürdigsten Einzelnheiten wieder.

Wie Belt in Nicaragua, so fand Fritz Müller auch in Südbrasilien die von Natur hohlen und nicht etwa erst von den Thieren ausgehöhlten Stengelglieder der älteren Stämme stets von einer einzigen, Schildläuse züchtenden Art bewohnt, die als die Azteken-Ameise (Azteka instabilis) bestimmt wurde. Daß diese Ameisen dem Baume nützlich und nicht, wie Humboldt meinte, schädlich sind, ergab die Beobachtung junger, noch nicht von einem stehenden Aztekenheer beschützter Stämme, deren Triebe und Blätter häufig durch Tragameisen und Rüsselkäfer zerstört werden, während sich letztere Thiere niemals an von Azteken besetzte Stämme wagten. Belt’s Beobachtungen hatten im Dunkeln [389] gelassen, einmal, wie die Ameisen in die Hohlräume hinein gelangten, und zweitens, wie sie in jenen Kammern die Annäherung der Feinde vernehmen sollten, wenn sie von Viehzucht lebten und nicht ihrer Ernährung wegen die gefährdeten Blätter selbst aufsuchten Dr. Fritz Müller fand nun, daß die Imbauba am Grunde jedes Blattstieles ein aus dichtgedrängten Haaren bestehendes und sich später rehbraun färbendes Polster von sammetartiger Beschaffenheit entwickelt, aus welchem fortdauernd kleine ei- ober birnförmige, harte, milchweiße Kölbchen von Millimeter Länge wie die Spargelpfeifen hervorwachsen (Fig. 4, E) und von den Ameisen eingeerntet und in ihre Kammern getragen werden, um ihnen als Nahrung zu dienen. Ob man diese anscheinend sehr nahrhaften Kölbchen, deren jedes Polster sechszig bis hundert Stück erzeugt, als Drüsen- oder andere Gebilde auffassen muß, bleibt vor der Hand dunkel, sicher werden die Ameisen durch diese ihnen von dem Baume angebotenen Fruchtbeete zu derjenigen Stelle hingelockt, wo ihm ihr Schutz am nöthigsten ist, nämlich an die Basis der Blattstiele.

Fig. 3. Rumph’s „rothes Mierennest“.
Mit Blüthen und in 1/5 der natürlichen Größe.

Aber fast noch merkwürdiger ist eine andere Beobachtung F. Müller’s, daß nämlich der Baum von vornherein seinen werthen und unentbehrlichen Gästen eine bequeme Eintrittspforte in seine Gemächer bereit hält. Senkrecht über der Knospe des nächstunteren Blattes befindet sich nämlich auf jeder Stammabtheilung ein von außen deutlich sichtbares Grübchen, welches, wie der Querschnitt (Fig. 4. A) zeigt, eine beträchtlich verdünnte Stelle der Wandung bezeichnet. An dieser Stelle schlüpft das junge befruchtete Weibchen, welches die Königin der künftigen Colonie wird, durch ein kleines von ihr genagtes Loch, welches sich durch Wucherung des Zellgewebes alsbald wieder völlig schließt (Fig. 4, B und D), hinein und legt dort, sicher vor der Verfolgung anderer Thiere, ihre Eier ab, aus denen sich die künftige Colonie entwickelt. Aber damit sind die Vorkehrungen des Baumes für seine Gäste noch nicht beendet. Das wuchernde Gewebe, welches die Oeffnung wie ein Pfropf von innen schließt (Fig. 4. C G), giebt eine saftige Nahrung für die eingeschlossene Königin, welche sie während ihrer Gefangenschaft verzehrt, und dadurch ihren Nachkommen das Wiedereröffnen der geschlossenen Pforte (Fig. 4. F) erleichtert. Nur in solchen Fällen, wo die Königin, wie dies häufig geschieht, durch einen Schlupfwespenstich den Todeskeim mitbrachte und in der Kammer stirbt, findet man nachher die bald glatte, bald blumenkohlartig krause Wucherung unverzehrt vor. Wahrscheinlich bietet ihr übrigens die innere Wandung der Kammer in losen, weichen Zellenmassen noch weitere Nahrung.

Fig. 4. Längs- und Querschnitte von Imbauba-Zweigen.
(Natürliche Größe.)

A Querschnitt der Wandung mit dem Grübchen.
B Längsschnitt der von einer Königin bewohnten Kammer. p Grübchen e Ameiseneier.
D Bewohntes Stengelstück. p Verschlußstelle der Eintrittsöffnung. k Knospe. b Blattsttielnarbe.
C E F G Querschnitte durch die Kammer, um Grübchen, Wucherungen und Wiedereröffnung der Einbruchsstelle (p) zu zeigen. Fig. E zeigt außerdem das Haarpolster (h) am Grunde des Blattstiels (b) mit den zur Nahrung der Ameisen dienenden Kölbchen (f).

Uebrigens kannte man seit lange auch aus der alten Welt einige Beispiele solcher vollendeten Anpassungen zwischen Ameisen und Pflanzen, die mit einer derartigen Umgestaltung der letzteren durch die ersteren verbunden waren, daß sie der Volksmund einfach als „lebende Ameisennester“ bezeichnete. Der treffliche Naturbeobachter G. E. Rumph aus Hanau, der gegen Ende des siebenzehnten Jahrhunderts in holländischen Diensten Gouverneur von Amboina war, giebt in seinem siebenbändigen Werke über die Pflanzen jener ostindischen Insel Abbildung und Beschreibung zweier Pflanzen, die als Schmarotzer aus den Aesten dortiger Wald,- und Gartenbäume mit rissiger Rinde wachsen, und von den Malayen Ruma sumot, das heißt „lebendes Ameisennest“, genannt werden. Rumph unterschied bereits zwei verschiedene Arten dieser Pflanzen, die er, da in der einen rothe und in der andern schwarze Ameisen wohnen, als das „swarte und roode Mierennest“ bezeichnete. Es sind, wie man aus unseren Figuren 1 und 3 ersieht, knollige Gebilde, die das Aussehen großer fleckiger Kartoffeln oder grüner runzliger Citronen haben, aus denen oben ein Schopf grüner Blattzweige und Blüthen herauswächst, während unten eine Anzahl von Oeffnungen in das ganz von labyrinthischen Gängen und Zellen durchhöhlte und von den Ameisen bewohnte Innere der Knolle fuhrt. Spätere Untersuchungen zeigten, daß diese Ameisenpflanzen zu den Cinchonaceen gehören, weiße trichterförmige, vierlappige Blüthen mit vier Staubgefäßen, im Bau den Blüthen unseres Waldmeisters ähnlich, entwickeln und Beeren tragen, die zwei oder vier harte Samen enthalten. Man hat sie Myrmecodia und Hydnophytum getauft.

Die sonderbare Erscheinung eines Blüthen und Früchte tragenden Ameisennestes regte natürlich die Phantasie mächtig an, und es ist ergötzlich zu lesen, wie sich Rumphius das Gebilde als ein wirkliches Knospen treibendes Ameisennest vorstellte, als einen Zoophyten, der, wie er sagt, nicht aus Samen entstehe und weder Vater noch Mutter besitze. In neuerer Zeit sind diese seltsamen Pflanzen von dem Naturforscher der Challenger-Expedition Moseley von Neuem untersucht und beschrieben worden: auch dieser fand keine älteren Exemplare vor, die nicht von Ameisen bewohnt gewesen wären, sodaß es wirklich den Anschein gewinnt, als ob diese Pflanzen ohne Ameisen gar nicht leben könnten. Sobald die jungen Schmarotzerpflanzen aus den Aesten der Bäume aufkeimen, veranlassen die Ameisen durch ihre Bisse am Stengelgrunde eine knollenähnliche Wucherung, durch welche der von Natur schlanke Stengel zu einer kugeligen Masse aufschwillt, die manchmal größer als ein Menschenkopf wird. Wahrscheinlich bewirken die fortgesetzten Reizungen der im Innern dieser Anschwellung Gänge und Zellen aushöhlenden Ameisen ein fortdauerndes Wachsthum derselben, und das Merkwürdigste bleibt, daß das Gewächs durch diese nach allen Richtungen in seinem Stumme vor sich gehende Minirarbeit nichts an Lebenskraft einbüßt, vielmehr oben lustig blüht und Früchte reift. Wahrscheinlich ist dies dem Umstande zu danken, daß die Ameisen, abgesehen von ihren dicht über den Wurzeln angebrachten Eingängen, die Rindenschichten, welche hauptsächlich den Saft leiten, sorgsam schonen, sodaß das Gewächs etwa einer üppig grünenden hohlen Weide zu vergleichen ist, in deren Höhlung sich allerhand Thiere eingenistet haben. Doch bleiben hier die Zwischenwandungen des Nestes saftig und lebendig.

Ohne Zweifel schützen die Ameisen ihre grünenden Nester gegen alle weiteren Angriffe von Thieren, sodaß dieselben gar nicht mehr ohne diese ständige Leibwache bestehen können und sich vollkommen daran gewöhnt haben, ihr Wohnung zu bieten. Ihre Nahrung mögen [390] die Ameisen auf den Bäumen finden, welche diese Pflanzen in den Astgabeln tragen. Merkwürdig ist, daß eine Art der letzteren (Myrmecodia armata) trotz dieser Leibwache noch nöthig gehabt hat, ihre Knolle mit stachelartigen Auswüchsen zu schützen. Die andern Arten sind indessen unbewaffnet.

Es kann uns nicht Wunder nehmen, daß man in wärmeren Ländern den Schutz, welchen gewisse Ameisenarten bestimmten Pflanzen gewähren, allgemeiner erkannt hat, als bei uns, sodaß die Gärtner dieselben, statt sie, wie bei uns, zu verfolgen, vielmehr in ihren Baumgärten einzubürgern suchen. Im vorigen Jahre theilte Dr. C. J. McGowan mit, daß die Chinesen seit uralten Zeiten die Gewohnheit haben, ihre Orangerien mit gewissen Ameisen zu bevölkern, die sie aus den Berggegenden holen, weil diese Ameisen alles andere Ungeziefer von den Orangen fern halten. Die einzelnen Bäume werden zu diesem Zwecke im obern Astwerk durch Bambusstäbe mit einander verbunden, die den Ameisen als bequeme Brücken von dem einen zum andern Stamm dienen, und dieser Gebrauch ließ sich in der gärtnerischen Literatur Chinas bis zum Jahre 1640 zurück verfolgen, ist aber wahrscheinlich viel älter, da unsere Citronen, Pomeranzen und Apfelsinen aus Indien und China stammen und daselbst seit uralten Zeiten culzivirt wurden.

Auch in Indien und auf Ceylon kennt man diese gärtnerische Benutzung gewisser Ameisenarten sehr wohl, und als vor längeren Jahren die Kaffeeplantagen von Ceylon durch die Kaffeeschildlaus verwüstet wurden, suchte man diesem Uebel durch die Einführung einer rothen Ameise ein Ziel zu setzen, mußte jedoch, wie Tennent[WS 2] in seiner „Naturgeschichte von Ceylon“ berichtet, davon wieder Abstand nehmen, weil die Ameisen auch den in den Plantagen arbeitenden malabarischen Kulis den Eintritt nicht verstatten wollten und sie mit ihren bösartigen Angriffen verfolgten. Es sind für diesen Zweck allzu eifrige Wächter.

Auch unsere europäischen Gewächse zeigen vielfach honigabsondernde Drüsen an Blättern und Blattstielen, so z. B. verschiedene Pappelarten, viele Angehörige des Prunus-Geschlechtes, zu dem unsere Kirschen, Pflaumen, Aprikosen etc. gehören, und Andere. Hierbei fällt nun auf, daß bei vielen dieser Pflanzen, z. B. bei den Pappeln, nur die ersten Blätter Honigdrüsen entwickeln, die dann eifrig von den Ameisen besucht werden, und daß die Honigdrüsen alsbald versiegen, wenn das Blatt soweit herangewachsen ist, daß es keine verlockende Nahrung mehr darbietet. So entwickelt auch der in unseren Wäldern und auf unfruchtbaren Triften wuchernde Adlerfarn nur an der Basis seiner jungen Wedel Honigdrüsen, die eifrig von den einheimischen Ameisen ausgebeutet werden.

Alles das deutet darauf hin, daß auch diese Drüsen dazu dienen könnten, gewisse honigliebende Ameisen zum Schutze des jungen Laubes heranzulocken, obwohl bei uns, abgesehen von den Raupen, keine ernstlichen Bedrohungen vorkommen. Allein man darf nicht vergessen, daß die Pflanzen zum Theil aus fernen Ländern stammen, und daß auch in unseren Breiten ehemals nahe Verwandte der oben geschilderten Blattschneiderameisen gelebt haben, wie ihre fossilen Neste in den Schichten der jüngsten Tertiärzeit beweisen. Die Honigdrüsen der jungen Blätter verschiedener unserer Straßen- und Gartenbäume sind daher wahrscheinlich Erbschaften aus Zeiten und aus Gegenden, in denen auch diese Bäume solcher Ameisenleibwachen zu ihrem Schutze bedurften.

In der That konnte Fritz Müller feststellen, daß der auch in Brasilien vorkommende Adlerfarn dort sehr stark den Angriffen der Blattschneiderameisen ausgesetzt ist, daß letztere aber gewöhnlich durch die oben erwähnten kleinen schwarzen Ameisen verjagt werden, welche den honigabsondernden Drüsen nachgehen. Man ersieht daraus, daß dort zum wenigsten der Adlerfarn nicht wohl ohne solche Drüsen den Angriffen widerstehen könnte. Alle diese Thatsachen sind nur im Lichte der Entwickelungslehre verständlich, von der einzelne naive Leute, die mit dem Geiste der heutigen Naturforschung keine Fühlung haben, vermeinen, sie habe sich bereits überlebt, während die arbeitenden Naturforscher unserer Tage fast ohne Ausnahme überzeugte Anhänger derselben sind.




Zwei Brüder.

Von Dr. A. Bernstein.

Gleich Frühlingssonnenstrahlen eine dunstige Atmosphäre durchbrechend, leuchten die Standbilder der zwei Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt mitten in den verdüsternden Geist der gegenwärtigen Reaction hinein. Sie machen die Trübung nur erkennbarer, aber sie verbürgen zugleich ein Aufstreben aller lichten Geisteskeime, die in edlen Zeiten in das Volksbewußtsein ausgestreut wurden. Sie waren im ersten Viertel unseres Jahrhunderts Geisterpropheten der lichteren Zukunft; sie sind im letzten Viertel unseres Jahrhunderts eine Bürgschaft, daß es nicht dahinschwinden wird, ohne die Saat frisch zu beleben, die trotz der Hetze der herrschenden Verdüsterung in aller Stille fortkeimt.

Wenn man das geistige Schaffen der zwei Brüder betrachtet, so könnte es scheinen, als ob es gar nicht gleichem Stämme entwachsen. Ihre Leistungen stehen einander so fern, als wären sie von verschiedenen Trieben geleitet. Aber im tieferen Einblick ihres Strebens wird jedem Denkenden die Harmonie klar, welche ihrem gegenseitigen Forschen zu Grunde lag. Der Mensch als edelstes Product der Natur kann nur richtig erkannt werden in seinem Zusammenhange mit den kosmischen Weltgesetzen. Und der Kosmos gelangt erst zur Selbsterkenntniß durch den Menschengeist.

Die Natur in ihren ewigen Gesetzen ist bewußtlos. Die Sonne weiß nicht, daß ihre Anziehungskraft eine Planetenwelt regiert. Sie weiß nicht, daß ihr Licht Leben spendet in weitem Umkreise. Sie weiß nicht, daß ihre Wärme auf der Erdoberfläche eine unzählbare Pflanzenwelt, eine ihres Seins bewußte Thierwelt und eine von Geistesthätigkeit bewegte Menschenwelt erst ermöglicht. Und der Mensch, so lange er die Gesetze des Weltalls nicht erkannte, betete die Sonne, die unbewußte Natur, an. Erst in der Erkenntniß der kosmischen Gesetze begann der Geist der Menschen Wahrheit von Irrthum und Dichtung zu unterscheiden. Erst in dem edelsten ihrer Wesen gelangt die Natur zur Selbsterkenntniß. Der Kosmos und der Mensch, sie sind durch die Geistesreise der Erkenntniß mit einander verbunden. Sie bilden in ewiger Kraft und in stets aufstrebendem Geiste eine Verbrüderung der Weltharmonie.

Ein mächtiger Einfluß dieser Harmonie war es auch, welcher die zwei Brüder als Führer der Erkenntniß auf anscheinend verschiedenen Bahnen der Forschung geleitet hat. Wie Wilhelm von Humboldt die Entwickelungsgeschichte des Menschengeistes in dem Höchsten seiner Begabung, in der Menschensprache aufsuchte, so suchte Alexander von Humboldt die Urkraft der Naturgesetze zu ergründen, in der sich erst der Menschengeist entwickeln konnte. Beide Erkenntnißquellen stehen in einer engen Verbrüderung, beide im Zusammenhang ergänzen einander. Wenn man auch nirgends die Gemeinschaft ihrer Arbeiten nachweisen kann, die Ergebnisse weisen auf den Einheitssinn hin, dem ihr Geist entsprossen war.

Welch glücklicher Leitstern aber war es, der gemeinsam über den Häuptern der zwei Brüder schwebte?

Es war der Geist der edelsten Zeit des deutschen Vaterlandes! Es war der Geist der Lichtung und Aufklärung, der sich in den Heroen der deutschen Literatur erhob. Es war der Geist, der die Nation auf das Einheitsideal vorbereitete, dem wir noch jetzt entgegenstreben. Es war Schiller und sein Idealismus, der Wilhelm’s Geist auf’s Tiefste anzog und ihn künstlerisch und forschend anregte. Es war Goethe und sein Realismus, der dem Geiste Alexander’s die reale Richtung anwies. Die zwei Brüder, denen jetzt Standbilder in der nationalen Hauptstadt des deutschen Reiches errichtet worden sind, sie sind Vorbilder des wissenschaftlichen deutschen Lebens, wie Schiller und Goethe die Dioskuren der deutschen Kunst waren.

Aber ein noch höherer Genius, der den Menschengeschlechtern in der Jugend ihrer Culturblüthe nur einmal zu erscheinen pflegt, um ihrer edlen Entwickelung für spätere Epochen, gleich einer Offenbarung vorzuleuchten, strahlte in den Jugendjahren beider [391] Brüder heller als jemals auf. Es war der Genius der Humanität, der Genius der Aufklärung der Geister, der Genius treuer Menschenliebe, der Genius, der den Volksgeist mit idealem Streben erfüllte; dieser Genius war es, der damals hellaufstrahlend in die bescheidenen Wohnstätten der beiden Heroen der Kunst und der Literatur in Weimar und in Jena hineinleuchtete. Dieser Genius schwebte über den reinsten Jugendjahren der beiden Brüder. Er blieb ihnen auch bis an das Ende ihres Daseins treu, und er leuchtet auch noch heutigen Tages aus den edlen Gestalten hervor, welche zu ihrer Verehrung aufgerichtet worden sind. Dieser Genius einigt sie, wenn auch jeder von ihnen in Studien und Schöpfungen seinen eigenen und eigenthümlichen Neigungen folgte.

Zwei Brüder, stehen sie heute vor einem und demselben der Geistesbildung gewidmeten Institut. Die Universität der Hauptstadt des deutschen Reiches ist der rechte Platz für Beide. Sie haben beide dem universalen Wissen gelebt. Das Universale der Sprachgesetze des menschlichen Geistes hat Wilhelm zu einer wissenschaftlichen Forschung erhoben, die seit seinem Wirken sich glücklich fortentwickelt hat. Das Universale der Naturgesetze hat in Alexander’s Studien den Schwerpunkt all seines Forschens ausgemacht. Das Universum hat er stets in seinem weit ausgebreiteten Wissen zu einen versucht, dem von den Schlacken des Vorurtheils befreiten gesunden Menschengeist hat er die Millionen und millionenfachen Erscheinungen der Natur faßlich dargestellt. Der Kosmos war sein Jugendideal, und der Kosmos wurde das letzte Lieblingswerk seines hohen Alters.

Die Stätte des universalen Wissens, vor dem die zwei Brüder ihre rechte Stelle gefunden, sie ist die Pflanzschule unserer heranwachsenden Jugend, die im nächsten Wechsel der Jahrhunderte dereinst berufen sein wird, das Wissen hinauszutragen in kommende Geschlechter. – Mögen die Standbilder sie mahnen, demselben Geist der Humanität, der Aufklärung und des Wissens stets zu huldigen, in welchem diese edelsten Vorbilder für alle Zeiten geschmückt dastehen!

Aus der Lebensgeschichte der zwei Brüder wollen wir nur dasjenige hervorheben, was zum Verständniß ihrer geistigen Entwickelung nöthig ist. Sie waren die Söhne des im Dienste des Königs von Preußen stehenden Kammerherrn von Humboldt, der seinen Stammsitz in Tegel bei Berlin hatte. Den Vater verloren sie schon während ihres Knabenalters, die Mutter wachte jedoch mit liebender Sorgfalt über die Ausbildung der zwei Söhne, die von den vorzüglichsten Lehrern ihrer Zeit den Unterricht empfingen. Der freisinnige Pädagoge Joachim Heinrich Campe, dessen Schriften für die Jugend noch immer ein edles Muster von sittlicher und humaner Bildung sind, war der früheste Lehrer derselben. In Naturwissenschaft und Mathematik war der Physiker Professor Fischer ihr Lehrer. In die Pflanzenkunde weihte sie der später wissenschaftlich hervorragende Kunth ein. Während sie in Sprachen, Ethik und Aesthetik von J. G. Engel unterrichtet wurden, war der freisinnige Theologe Dohm ihr Lehrer in Geschichte und Religion. So wurden sie durch einen ausgezeichneten Privatunterricht soweit herausgebildet, daß sie in frühen Jünglingsjahren die Universität in Frankfurt an der Oder beziehen konnten.

Wilhelm, der ältere der zwei Bender, im Jahre 1767 geboren, widmete sich mit großer Vorliebe dem Studium der Rechtswissenschaft, trieb jedoch sowohl in Frankfurt wie später auf der Universität in Göttingen Alterthumskunde, Aesthetik und Kant’sche Philosophie. Er verfolgte den Lebensplan, dereinst in den Staatsdienst einzutreten. Alexander, im Jahre 1769 geboren, nahm sofort eine realere Richtung des Geistes an. Auch er bezog nach einem Jahr des Studiums in Frankfurt, im Alter von zwanzig Jahren die Universität Göttingen, woselbst er sich zwar mit dem Studium der griechischen Sprache befaßte, sich aber doch der Technologie – dieser damals noch sehr unentwickelten Kunst, die Naturkenntniß zur Förderung der Gewerbe zu verwenden – mit ganz besonderem Interesse hingab. Die naturhistorischen Forschungen hatten damals in Göttingen vorzügliche Vertreter, unter denen sich Blumendach, Gmelin und Lichtenberg rühmlich auszeichneten, deren Achtung er sich schnell erwarb.

Von hier ab scheiden sich die Bildungswege der beiden Brüder, sodaß wir jeden derselben in seinen Einzelzügen verfolgen und bis zur Höhe ihrer Entwickelung begleiten müssen.

Dem älteren Wilhelm war ein tief innerliches Wesen eigen, das sich der Dichtkunst und Philosophie zugeneigt fühlte. Später machte er die Entstehung und Entwickelung der menschlichen Sprachen zum Gegenstand seiner hauptsächlichen Forschungen. Er war noch sehr jung, als er zum Referendar im Kammergericht zu Berlin ernannt wurde. Das Rechtsinstitut, das sich damals zur höchsten Blüthe seines Ruhmes, der Unabhängigkeit des Richterstandes, erhoben hatte, besaß einen hohen Reiz in der Seele des jungen, ernsten Mannes. Bald jedoch erkannte er, daß seinem nach allgemeinerem humanem Wissen strebenden Geiste die stricte Rechtsform nicht genüge. Er entsagte deshalb dem Staatsdienst, um seinem inneren Zuge nach freier Entfaltung Folge leisten zu können.

Er ging nach Erfurt, Jena und Weimar, und schloß sich hier innig den großen Freidenkern Fr. August Wolf, Goethe, Schiller, Georg Forster und den beiden Brüdern Schlegel an. Ein noch innigeres Verhältniß verband ihn sodann mit Schiller, nachdem er sich mit einer Freundin der Gattin Schiller’s vermählte.

Aus dieser Zeit stammt ein Briefwechsel Schiller’s mit Wilhelm von Humboldt, der den schönsten Stempel ihres freien edlen Geistes an sich trägt und namentlich zur Kenntniß des Idealismus Schiller’s eine Grundquelle bildet.

So vergingen ihm denn zwölf Jahre seines Jugend- und Manneslebens in fortgesetzter Selbstbildung. Nunmehr erst, im Jahre 1802, trat er wieder in den Staatsdienst und ging als Ministerresident Preußens nach Rom.

Obwohl ihn die ewige Stadt in ihrer weltgeschichtlichen Wandelung und Entwickelung ungemein anzog, beschäftigte ihn dennoch der nimmer gestillte Zug zur Selbstbildung und trieb ihn an, die alten Sprachen der Basken zu studiren, um die Gesetze der Sprachentwickelung zu erforschen. Sein tiefer Lebensernst und die gewissenhafte Erfüllung seines Amtes bewirken es, daß der Staatskanzler ihn im Jahre 1809 nach Berlin berief, um ihm eine einflußreiche Stellung im Ministerium des Innern anzuvertrauen und ihm sodann die Direction der Unterrichtsangelegenheiten in Preußen zu übertragen.

Der Druck der Fremdherrschaft und des Despotismus des Eroberers Napoleon lastete damals mit ganz besonderer Schwere auf dem preußischen Staate. Stein, der ideale Befreier, war auf Befehl des Despoten aus dem Staatsdienste entfernt worden Wilhelm von Humboldt war kein Politiker in dem üblichen Sinne dieses vieldeutigen Wortes, aber er war erfüllt von der Ueberzeugung, daß nur in einer Reform des Volkslebens und einer Entwickelung im Geiste eines freien und bildenden Jugendunterrichts die dereinstige Quelle der Befreiung liege. Im Verein mit allen stillen Verehrern Stein’s und all den Freunden eines entwickelten freien Volkslebens entwarf er den Plan, die Volksschule ganz nach dem Systeme Pestalozzi’s einzurichten. Mit Nachhülfe von Fr. August Wolf erhob er das Gymnasialwesen und wies ihm die einflußreiche Stellung an, die es auf die höhere Jugendbildung ausübt. Die frühere Bevorzugung des Adels und den abgelebten Geist der Ritterakademien wies er weit von sich ab. Er erkannte mit edlem freiem Scharfblicke, daß in der Mitte des neu zu errichtenden Staatswesens eine Belebung der Wissenschaften unumgänglich sei, weshalb er auch allen Bedenken gegen eine Verlegung der Universität von Frankfurt an der Oder nach Berlin entsagte und für die Herstellung dieser im neuen Geiste auflebenden Universität mit aller Energie eintrat. Die Universität, vor welcher jetzt sein Standbild errichtet worden ist, ist hauptsächlich sein eigenstes Werk. Zur Forderung des neuen Geistes setzte er die Berufung ausgezeichneter Männer durch, die den Geist derselben erhöhte. Fichte, Fr. August Wolf, Schleiermacher und Böckh verliehen der Hochschule einen Glanz, den auch die Reaction der späteren Jahre nicht verlöschen konnte. Nicht minder verdankt ihm auch Preußen die Anregung des ersten Turnunterrichts, der freilich später wiederum unter Bann gethan wurde.

Auf all dies ideale freie Wirken des ernsten Mannes blickten indessen die alten Reactionsparteien, die ihren Einfluß am Hofe gefährdet sahen, mit tiefem Unbehagen. Auch Hardenberg konnte sich der Einwirkung dieser Parteien nicht ganz entziehen. Sie drangen darauf, Wilhelm von Humboldt aus seiner Amtsthätigkeit zu entfernen. Es blieb für Hardenberg kein anderer Ausweg, als durch einen Gesandtschaftsposten in Wien das Wirken des freien Mannes in Berlin zu unterbrechen.

Ebenso wenig wie Wilhelm von Humboldt ein Politiker im [392] gewöhnlichen Sinne des Wortes war, ebenso wenig war er ein Diplomat, der in Lügen und Intriguen und im Spioniren übliche Tagesdienste zu leisten vermochte. Er nahm den Posten an, um in ernstem Streben die Wiener Politik zur Verbesserung der deutschen Verhältnisse zu leiten. Er trat mit den Rheinbundesfürsten in ernste Unterhandlungen, die freilich vergeblich waren. Aber er harrte aus, bis die Jahre der Befreiung anbrachen und der erste Pariser Friede ihm Gelegenheit bot, seinem Walten einen Boden der Verwirklichung zu schaffen. Mit hohen Hoffnungen erfüllte ihn seine spätere Berufung zum Wiener Congresse. Aber die hinter seinem Rücken mit Rußland angezettelte heilige Allianz zertrümmerte alle seine Bemühungen und Pläne. Die russische Partei erklärte ihn für einen „gefährlichen Mann“, und der schwache Hardenberg wußte sich nach Herstellung des deutschen Bundes des Genossen Stein’s zu entledigen. Er sandte ihn als preußischen Gesandten nach London.

Noch einmal tauchte die Hoffnung in dem edlen Manne auf, dem Reactionsgelüste in Preußen entgegen zu wirken. Er wurde wiederum in den inneren Staatsdienst berufen und hegte den Plan, mit seinen freisinnigen Collegen im Ministerium einen gesunden Verfassungszustand in Preußen herzustellen.

Als es jedoch im Jahre 1819 dem Feind jeder Freiheit in Preußen, dem österreichischen allmächtigen Metternich, gelang, auf dem Karlsbader Congreß Preußen in die Schlingen der Reaction einzufangen, da nahm Wilhelm von Humboldt im Verein mit den freisinnigen Genossen Boyen, Grolmann und Beyme für immer seinen Abschied aus dem Staatsdienst und lebte fortan in seinem Schlosse Tegel bis zu seinem Tode der Freiheit seiner Wissenschaft.

Wilhelm von Humboldt war kein Beamter, der im Staube seiner Acten sein subjectives Wesen aufgehen ließ. Er blieb trotz all seiner amtlichen Arbeiten ein nach stets weiterer Erkenntniß strebender Gelehrter. Aber dieser innere Durst nach eigener Erkenntniß war so stark in ihm, daß all die Massen seiner gelehrten Arbeiten den Charakter von subjectiven Studien an sich tragen, die zwar als Studienquellen höchst werthvoll, aber in ihrer jetzigen Form keineswegs leicht faßlich sind. Nur seine schönwissenschaftlichen Arbeiten, Gedichte und Betrachtungen literarischer Producte sind genußreich und tragen die Anmuth seiner hohen Muster, denen er nachstrebte.

Seine Sprachstudien und namentlich seine geistreichen Untersuchungen über die Entstehung der menschlichen Sprachen und deren grammatischer Gesetze, die er in sehr umfangreichen Werken niedergelegt, bedürfen des systematischen Zusammenhanges, um selbst den Gelehrten dieses schwierigen Faches gemeinfaßlich zu werden. Sie sind ein reicher Schatz, dessen Gold in großartigen Gesichtspunkten von hoher Tragweite noch sorgsam nachgegraben und geläutert werden muß.

Nach anderer, aber nicht minder edler Richtung war der Geistesgang des jüngeren Bruders, Alexander’s von Humboldt, gewendet.

Nicht minder wie der ältere Bruder empfand er das Bedürfniß, sich im Kreise der Heroen der deutschen Literatur eine Erhebung für seine von Humanität erfüllte Seele zu suchen; aber seinem Geiste genügte nicht die innere Selbstschau und die Untersuchung der Probleme des menschlichen Seelenvermögens. Sein Blick richtete sich auf die Außenwelt und deren Kräfte, die den Organismus des Weltbaues bilden. Er wendete sich frühzeitig, bereits im zwanzigsten Lebensjahre, dem Studium der Gesteinswelt zu und veröffentlichte Einzelnheiten seiner Forschungen und Beobachtungen in den heimathlichen Gebirgen. Wenige Jahre darauf trat er in die Bergakademie in Freiberg ein. Bald darauf erwarb er sich ein so hohes Ansehen unter seinen Genossen, zu welchen auch Leopold von Buch gehörte, und bei seinen Vorgesetzten, daß er zum Bergassessor ernannt wurde. Schon im Alter von dreiundzwanzig Jahren nahm er die Stellung eines Oberbergmeisters am Fichtelgebirge in den fränkischen Fürstenthümern an und gab wissenschaftliche Arbeiten sowohl über die Entstehung der von ihm untersuchten Gebirgswelt, wie über die chemische Beschaffenheit der Gesteine und der Gase in den Höhlen derselben heraus.

Im Jahre 1792 erhielt er, während eines vorübergehenden Aufenthaltes in Wien, Kunde von der Entdeckung Galvani’s über den in den thierischen Muskeln auftretenden elektrischen Strom; sofort beschäftigte er sich mit Untersuchungen und Beobachtungen dieses damals noch völlig neuen Phänomens und sammelte Materialien zur Erkenntniß desselben, die er später in zwei Bänden veröffentlichte: über die in der Elektricität erkennbaren Momente des „Lebensprocesses in der Thier- und Pflanzenwelt“. Wie scharf sein Einblick in diesen tief verborgenen Proceß schon damals war, das bekundet die Thatsache, daß man noch jetzt seine Bemerkungen als fundamentale Grundsätze der weit hinaus entwickelten Wissenschaft werthzuschätzen allen Grund hat.

Im Jahre 1796 starb die edle Mutter der beiden Brüder. In der Seele Alexander’s reifte nunmehr der heiße Wunsch, die Erde in all ihren Welttheilen und Zonen, forschend nach den Gesetzen und Erscheinungen der Natur, kennen zu lernen. Die hohe Begeisterung des siebenundzwanzigjährigen Gelehrten, der sich bereits durch persönliche Verbindungen mit den berühmtesten Gelehrten in England und in Frankreich die höchste Achtung erworben hatte, gewann ihm allenthalben die lebhafteste Theilnahme. Er bereitete sich zur Beobachtung der Natur und zu geographischen Messungen auf seinen Reisen in gewissenhaftester Weise vor, und trieb praktische Astronomie, nachdem er sein Amt niedergelegt, um sich ganz seinen Lebenszielen widmen zu können.

Im Jahre 1797 begab er sich wiederum nach Jena, um im Umgang mit Goethe und Schiller seinem idealen Zuge ein Genüge zu verschaffen. Zugleich legte er sich jetzt ernstlich auf Anatomie, um die Thierwelt in fremden Zonen mit dem Verständniß des Fachmannes studiren zu können. Sodann trat er eine Reise nach Italien an, um die Vulcane in ihrer Thätigkeit zu beobachten, und verlebte darauf einsam den Winter mit Leopold von Buch in Salzburg und Berchtesgaden, um sich mit ihm gemeinsam in meteorologischen Beobachtungen und Messungen zu üben.

In solcher Weise wissenschaftlich ausgerüstet, begab er sich nochmals nach Paris, um womöglich einen gleichstrebenden Reisegenossen daselbst zu finden. Die Theilnahme, welche ihm in allen gelehrten Kreisen geschenkt wurde, und das Vertrauen auf den hohen Geist und die Festigkeit seines Charakters ließ ihn bald den erwünschten Genossen in dem ausgezeichneten Botaniker Aimé Bonpland finden, der in der That mit ihm alle Abenteuer, alle Gefahren und alle Untersuchungen, Forschungen und Entdeckungen im ruhmwürdigsten Sinne des Wortes theilte.

Im Jahre 1799 schiffte er sich in Spanien mit seinem Genossen Bonpland ein, um die neue Welt, welche damals noch nicht zum Gegenstand wissenschaftlicher Erforschungen gemacht worden war, kennen zu lernen. Von diesem Zeitpunkt ab beginnt sein großartiger Lebenslauf, den er bis zu den letzten Tagen seines Daseins im freiesten Dienste der Wissenschaft fortsetzte. Niemandem vor ihm und bisher auch noch Niemandem nach ihm wurde das Glück und das Verdienst zu Theil, volle sechszig Jahre eines Menschendaseins in so fruchtreichem Wirken für alle Zweige der Naturwissenschaft opfern zu können. Ihn auf diesem erhabenen Siegeszuge des Geistes zu begleiten, heißt die ganze Fülle der menschlichen Erkenntniß geschichtlich durchwandern. Ja, ein volles Menschenleben reicht kaum hin, um die von ihm veröffentlichten Werke zu studiren. Wie er bestrebt war, in allen Zweigen der Naturwissenschaft die Phänomene zusammenzufassen, so war er selber ein Phänomen des Menschenseins, das man in unserer Zeit nur anstaunen kann, um die Unerschöpflichkeit des menschlichen Geistes zu bewundern.

Die Wissenschaft ist von ihm nicht erschöpft worden. Sie ist nach ihm noch fortgeschritten und ist noch gegenwärtig nach allen Seiten im Fortschritt begriffen. Aber was Tausende der fruchtreichsten Geister in volle Thätigkeit versetzt, ist von diesem großen Universalgeist in den Grundzügen zum größten Theil erkannt und vorgezeichnet worden. Wenn wir die Spectral-Analyse, die neuesten Entdeckungen der organischen Chemie und der Physiologie ausnehmen, so können wir nur sagen: im Geiste Alexander von Humboldt’s lag Alles concentrirt, was unser Jahrhundert zu einem der fruchtreichsten in der Menschengeschichte erhebt.

Die Geologie, die Geographie, die Pflanzenkunde, die Gebirgskunde, die Meeresströmungen, die Astronomie, die Verbreitung der Wärme auf der Erde, die magnetischen Eigenschaften der Erdkugel, die Beschaffenheit des Luftmeeres, die Rolle der Elektricität im Lebensproceß der Thierwelt, die Sternennebel im Weltenraum und die Moose, welche nur das Mikroskop erkennbar werden läßt, das Größte und das Kleinste in der unendlichen Natur gestaltete sich in seinem Geiste zu einer einheitlichen Auffassung zusammen.

[393]

Die Frühstücksrechnung.
Nach dem Oelgemaelde von O. Piltz.


So weit das Wissen der ganzen Menschheit bis zu seinem Zeitalter vorgedrungen war, trat es in Harmonie in seinem Geiste auf. Er war selber ein Kosmos des Wissens, als hätte die Natur in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit einmal das bewußte Ziel verfolgt, sich in einem einzigen Menschengeiste wiederzuspiegeln.

Im Parke des Schlosses Tegel, das Wilhelm von Humboldt in den Jahren seiner stillen Forschungen mit herrlichen Erzeugnissen der Kunst ausgestattet hat, bildet das Grab der zwei Brüder ein Heiligthum der Poesie, das das Menschenherz tief ergreift. Wilhelm ruht dort seit dem Jahre 1835, Alexander seit dem Jahre 1859. Ueber ihren Gräbern schwebt auf einer Säule ein herrliches Kunstwerk, „die Hoffnung“, von Thorwaldsen’s unsterblicher Meisterhand. Dahin wallfahren in tiefer Seelenandacht viele Freunde der höheren Poesie und Verehrer des wissenschaftlichen [394] Strebens der zwei Brüder, von denen einer das Menschenwesen, der andere den Kosmos zum Gegenstand ihrer Erforschung erhoben. – Auch über ihren nunmehr errichteten Standbildern vor der Berliner Universität schwebt in dem Bewußtsein ihrer Beschauer das Bild der höheren Hoffnung: der Hoffnung, daß der Geist der freien Wissenschaft siegreich all die Trübungen überwinden wird, die aus vergangenen Jahrhunderten noch immer einzelne Geister der Gegenwart umfangen.




Alle Rechte vorbehalten.

Gebannt und erlöst.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Am andern Morgen, zu noch sehr früher Stunde, öffnete Vilmut das Gitterthor von Rosenberg. Während er rasch dem Hause zuschritt, bemerkte er den alten Ignaz, der beschäftigt war, die Pferde aus dem Stalle zu ziehen, und dabei mit ungewohnter Eile zu Werke ging; der Pfarrer blieb stehen.

„Will Frau von Hertenstein ausfahren?“ fragte er.

„Ja, Hochwürden,“ versetzte der Alte, indem er seine Beschäftigung unterbrach und die Mütze zog. „Die gnädige Frau will sogleich fort.“

„So früh schon? Und wohin?“

„Das weiß ich nicht, aber ich soll mich beeilen, so viel ich nur kann.“

Vilmut erwiderte nichts, doch er beschleunigte seinen Schritt noch mehr und trat gleich darauf in das Balconzimmer.

Anna befand sich allein dort, sie ging in heftigster Unruhe und Aufregung auf und nieder, einen offenen Brief in der Hand. Das Antlitz der jungen Frau war fieberhaft geröthet, und ihre Augen leuchteten in unnatürlichem Glanze, ihr ganzes Wesen verrieth eine verzehrende Angst, während sie wieder und immer wieder das Billet las, welches nur wenige Zeilen zu enthalten schien.

Beim Eintritte Gregor’s blieb sie stehen, aber kein Wort begrüßte den so unvermuthet Eintretenden, stumm, in beinahe feindlicher Haltung stand sie da und erwartete seine Anrede. Gregor bemerkte das sofort, er sah den Brief in ihren Händen und errieth den Zusammenhang.

„Ich komme so früh, um zu verhindern, daß die Gerüchte aus Werdenfels entstellt und übertrieben zu Dir gelangen,“ begann er. „Du scheinst aber bereits davon unterrichtet zu sein.“

„Ich habe soeben die Nachricht erhalten. Paul Werdenfels sandte einige Zeilen an seine Braut, und Lily gab den Brief in meine Hände.“

An seine Braut! Also hatte die Verlobung bereits stattgefunden, trotz der Einsprache des Vormundes. Unter anderen Umständen würde Gregor diese Mißachtung seiner Autorität streng gerügt und ein energisches Veto eingelegt haben, jetzt achtete er kaum darauf. Was galt ihm in diesem Augenblicke Lily, was selbst die Anfechtungen gegen seinen Willen, seine Augen hingen in finsterer Unruhe an der jungen Frau, als wollten sie die Wirkung jener Nachricht erforschen.

„So weißt Du vermutlich, daß die Wunde des Freiherrn keine tödtliche ist,“ sagte er. „Der Arzt erklärt sie für bedenklich, giebt aber Hoffnung. Ich sprach ihn selbst, als er vom Schlosse kam; ich wollte Gewißheit über die Folgen des Sturzes haben.“

„Des Ueberfalles, meinst Du! Man stach ja das Pferd nieder und zwang den Reiter, zu stürzen.“

„Wer hieß ihn die Gefahr herausfordern? Ich hatte ihn ausdrücklich gewarnt, es war eine Tollkühnheit, allein mitten durch das Dorf zu reiten und der aufgeregten Menge jedes Zugeständniß zu verweigern. Sein Neffe, der ihn sonst stets begleitet, war vermuthlich in Rosenberg, denn er erschien erst nach der Katastrophe.“

„Und wo warst Du, Gregor?“ fragte Anna, indem sie wie drohend vor ihn hintrat.

„Ich? Bin ich etwa der Hüter des Freiherrn von Werdenfels?“

„Du hast ja von jeher Deinen Stolz darein gesetzt, der Hüter Deines Dorfes zu sein. Bei jedem noch so unbedeutenden Streite bist Du schlichtend und entscheidend dazwischen getreten, hier bliebst Du ruhig im Pfarrhause, hier, wo es sich um Leben und Tod handelte. Aber freilich, es galt ja Raimund, für den allein war Deine Hülfe nicht da. Vielleicht komme ich schon zu spät, wenn ich zu ihm eile.“

„Wohin willst Du?“ fuhr Gregor auf.

„Nach Werdenfels – zu Raimund!“

„Also doch! Ich ahnte etwas Derartiges. Er hat wohl schleunigst den Unfall dazu benutzt, um Dich an seine Seite zu rufen?“

Die junge Frau senkte wie schuldbewußt das Haupt.

„Nein! Raimund könnte seinen Tod vor Augen sehen, er würde mich nicht rufen, nachdem ich ihn so zurückgestoßen habe, aber es bedarf dessen nicht, ich komme freiwillig.“

Sie trat an das Fenster, um zu sehen, ob der Wagen bereit sei, aber Ignaz ging trotz der ihm anbefohlenen Eile mit großer Umständlichkeit zu Werke, er war noch immer nicht fertig. Die junge Frau preßte in krampfhafter Ungeduld die Hände zusammen, sie achtete kaum mehr auf Vilmut, der ihr gefolgt war und jetzt dicht neben ihr stand.

„Ich habe diesen Entschluß gefürchtet und bin eigens gekommen, ihn zu hindern,“ sagte er mit der alten Härte und Entschiedenheit. „Du bist vollständig unzurechnungsfähig, sobald es sich um eine Gefahr dieses Mannes handelt. Man muß Dich zur Besinnung rufen. Ich werde nicht zugeben –“

„Spare Deine Worte!“ unterbrach ihn Anna. „Denkst Du, ich werde mich zurückhalten lassen, wenn ich Raimund leidend, vielleicht sterbend weiß? Seine Todesgefahr hat mir gezeigt, wo mein Platz ist, wo er längst hätte sein sollen. Ich achte jetzt nichts mehr.“

„Auch nicht Deinen Ruf? Vor den Augen der Welt ist der Freiherr Dir ein Fremder. Mit welchem Rechte willst Du bei ihm weilen?“

„Mit dem Rechte der Braut, der künftigen Gattin! Ich war Raimund’s Verlobte und bin es noch.“

„Thorheit! Du selbst hast die Verlobung aufgehoben, Du wurdest das Weib eines Andern und Werdenfels lebte jahrelang fern von Dir.“

„Glaubst Du, daß er mich in all den Jahren vergessen hat oder ich ihn?“ fragte die junge Frau mit bebender Stimme. „Ja, ich löste die Verbindung, von Dir gedrängt, gezwungen. Ich war ja damals kaum achtzehn Jahre, und ich war in Deiner Schule herangereift, in Deiner Lehre erzogen, die keine Gnade kennt für ein Vergehen, nur Verdammniß und Strafe. Ich hätte Raimund damals hören müssen, als er Gehör forderte, ihn allein, denn er hat Recht, so lange Du zwischen uns standest mit Deinem Eisesblick, war jede Verständigung unmöglich. Ich durfte ihm die Vertheidigung nicht verweigern.“

„Hat er sich verteidigt, als Du ihn fragtest?“ sagte Gregor langsam. „Hat er mich der Lüge geziehen, als ich ihn anklagte? Und doch wußte er, daß an seinem Worte Dein Besitz hing. Du hättest ein Schuldbekenntniß empfangen, nichts weiter.“

„Nun denn, so mußte ich verzeihen, anstatt zu verdammen, und mit ihm tragen, was das Schicksal über uns verhängte. Was Du damals als Pflicht von mir fordertest, was Du mir als Charakterstärke ausmaltest, das war Schwäche und Feigheit dem Manne gegenüber, den ich liebte. Ich zitterte für mein Glück, für mein Heil an seiner Seite, und ich hätte doch nur nach dem seinigen fragen dürfen. Wir haben Beide den Irrthum gebüßt mit Jahren der Trennung und Verzweiflung, aber jetzt endlich ist es klar in meiner Seele geworden. Ich frage nicht mehr darnach, was Raimund gethan hat, und ich schaudere nicht mehr davor zurück. Mag die ganze Welt ihn ausstoßen und verdammen, mag der Schatten, der sein Leben verdunkelt, auch das meinige in Nacht hüllen – ich theile seine Schuld und sein Verderben!“

Es lag ein stürmischer, leidenschaftlicher Triumph in ihren Worten, der Triumph des Befreiten, der endlich die lang getragenen [395] Fesseln abwirft und sich durch keine Bande mehr halten läßt. Vilmut fühlte das, wußte das, und trotz alledem machte er noch einen letzten ohnmächtigen Versuch.

„Du wirst Dein unsinniges Vorhaben nicht ausführen,“ sagte er mit einer Stimme, die in ihrer furchtbaren Erregung fast erstickt klang. „Ich dulde es nicht. Hörst Du, Anna? Ich verbiete es Dir, und sollte ich Dich mit Gewalt zurückhalten, Du gehst nicht!“

Er machte eine Bewegung, als wolle er wirklich ihren Arm ergreifen, um seine Drohung auszuführen. Anna lächelte nur, halb mitleidig, halb verächtlich, und der Strahl ihres Auges traf ihn mit vollster Macht.

„Hüte Dich, Gregor, Dein Haß verräth zu viel. Ich habe in der letzten Zeit tiefer gesehen, als Dir vielleicht lieb ist. Leugne es wie Du willst, aber ich sage Dir, Du hast Raimund von jeher gehaßt und wirst ihn hassen bis zum Grabe – weil ich ihn liebe!“

Vilmut’s Antlitz zeigte wieder jene fahle Blässe, wie bei jener Unterredung mit dem Freiherrn, aber diesmal fuhr er nicht auf und wies die Anklage nicht mit stolzer Entrüstung zurück. Starr und wortlos blickte er auf die junge Frau; doch er wagte es nicht mehr, sie zu hindern, als sie den Mantel umwarf und sich zum Gehen wandte.

„Ich gehe zu Raimund. Leb’ wohl, Gregor, wir Beide sind zu Ende mit einander!“

Sie verließ das Zimmer und wenige Minuten später hörte Vilmut draußen den Wagen fortrollen, der sie nach Werdenfels führte. Da brach die lähmende Starrheit, die ihn gefesselt hielt, und mit ihr die eiserne Kraft des Mannes; mit einem Stöhnen, das fast einem Aufschrei glich. schlug er beide Hände vor das Antlitz, der wilde verzweifelte Ausbruch zeigte, wie es um ihn stand.

Erst jetzt kam die volle Wahrheit dessen über ihn, was er bisher nicht hatte wissen wollen, was er sich abgeleugnet, wogegen er gerungen hatte mit all der Energie seines Charakters, er unterlag ihm schließlich doch. Es war eine Stunde furchtbarer, erbarmungsloser Selbsterkenntniß für den Priester, sie raubte ihm den Grund, auf dem er bisher so felsenfest gestanden, den Glauben an sich selbst, an die Reinheit seines Wollens und Handelns. Er hatte geglaubt, ein strenger aber gerechter Richter zu sein, der hoch dasteht über jeder Schuld und Versuchung, und jetzt erkannte er, daß all sein Thun nur Haß gewesen war, der wilde, glühende Haß des Mannes gegen den Mann, wenn beide ein Weib lieben.

Er wähnte, die Versuchung sei überwunden, der Sieg errungen, als er Anna zu der Vermählung mit einem Manne drängte, in dessen Arme sie nur die Verzweiflung trieb, als er es über sich gewann, selbst ihre Ehe am Altar einzusegnen, und tief im Grunde seines Herzens hatte sich doch der Triumph darüber geborgen, daß sie nun dem Einen entrissen wurde, den er haßte, weil sie ihn liebte, daß sie diesem Einen auf immer verloren war.

Aber als der Tod jenes Band löste, als die junge Frau zurückkehrte und die alte unbesiegliche Liebe wieder ihre unsichtbaren Bande zwischen ihr und Raimund wob und sie mit geheimer, unwiderstehlicher Gewalt zu einander zog, da wachte mit der Eifersucht auch die alte Leidenschaft wieder in dem Herzen Gregor’s auf. Sie war nicht todt, nicht begraben, wie er wähnte, sie loderte aus der Asche zur hellen Flamme empor.

Doch ein Glück, das ihm auf ewig verloren war, das sollte und durfte auch kein Anderer genießen! Er gebrauchte schonungslos die Waffe, die das Schicksal mit jenem unseligen Geheimniß in seine Hand gelegt hatte, er schürte den Haß gegen den Freiherrn bis zum Fanatismus. Und jetzt, wo Raimund ein Opfer dieses Hasses geworden war, jetzt hätte sein Verfolger Alles hingegeben, wäre er an der Stelle des Gebannten, Verfehmten gewesen, hätte er wie dieser blutend und vielleicht sterbend dagelegen – um solchen Preis! –

Eine Stunde später trat Paul Werdenfels, der soeben eine Meldung des Haushofmeisters erhalten hatte, rasch auf die Schloßterrasse hinaus und eilte zu einem Wagen, der am Fuße derselben hielt. Er hob zuerst seine Braut heraus und reichte dann ihrer Schwester die Hand.

„Ich wußte, daß Sie kommen würden,“ sagte er. „Beruhigen Sie sich, der Arzt giebt uns Hoffnung.“

Anna, deren Augen mit angstvoller Frage an seinen Lippen hingen, athmete tief auf.

„Gott sei Dank! Ich fürchtete das Schlimmste. Weiß Raimund –?“

„Nein, er ahnt nicht, daß ich Ihnen geschrieben habe. Kommen Sie, ich werde es bei dem Arzte vertreten.“

Er führte die beiden Damen in das Schloß und ging dann zu seinem Onkel. Schon nach wenigen Minuten kehrte er zurück und geleitete die junge Frau nach dem Schlafzimmer des Freiherrn, wo er sie eintreten ließ, während er selbst zurückblieb.

Anna glitt leise durch das verdunkelte Zimmer, bis zu dem Lager, wo Raimund bleich, erschöpft von dem Blutverlust, aber mit vollem Bewußtsein ihr entgegenblickte.

„Paul hat Dir wohl schlimme Nachrichten gesendet?“ sagte er ruhig, ohne Vorwurf. „Der Arzt spricht von Hoffnungen, aber Du wärst schwerlich gekommen, wenn Du mich nicht sterbend wüßtest.“

Da neigte sich das schöne, von heißen Thränen überströmte Antlitz über ihn, und er hörte wieder jene weichen, süßen Laute, wie er sie in der ersten Zeit der Liebe und des Glückes vernommen hatte:

„Vergieb, Raimund, daß ich so lange zögerte. Jetzt habe ich alles überwunden, alles – nur nicht die Liebe zu Dir! Ob Deine Braut mit Dir sterben, ob Dein Weib mit Dir leben wird, in Leben oder Tod, ich bleibe Dein!“




Der Frühling nahte. Drunten in der Ebene begann er sich schon leise zu regen, all das schlafende Leben begann zu erwachen und emporzukeimen und überall sproßte und blühte es hervor.

Nur im Hochgebirge allein behauptete der Winter noch seine Herrschaft. Hier hatte er sich wie in einer unzugänglichen Burg verschanzt und setzte dem andringenden Frühling einen letzten, verzweifelten Widerstand entgegen. Noch standen die Höhen ringsum im weißen Schneegewand, und ein eisiger Wind wehte in die Thäler nieder. Die Eisjungfrau herrschte noch unumschränkt, so weit das Gebiet der Geisterspitze reichte.

Felseneck lag nicht mehr so einsam und verlassen da, wie während des Winters, denn der Schloßherr befand sich jetzt wieder dort, und mit ihm waren auch seine künftige Gemahlin und deren Schwester gekommen. Anna hatte Wort gehalten, sie war nicht von Raimund’s Seite gewichen, und die öffentliche Erklärung ihrer Beziehungen zu ihm rechtfertigte auch in den Augen der Welt diesen Entschluß.

Werdenfels und die gesammte Umgegend erfuhren mit höchster Ueberraschung, daß der Freiherr sich noch vor jenem gefährlichen Sturze mit dem Pferde mit Frau von Hertenstein verlobt habe, und daß die Veröffentlichung eben stattfinden sollte, als der Unfall erfolgte. Die Braut erfüllte nur ihre Pflicht, wenn sie zu ihrem Verlobten eilte und seine Pflege übernahm, man fand das durchaus in der Ordnung.

Die Genesung des Freiherrn hatte einen so schnellen und günstigen Verlauf genommen, daß schon nach wenigen Wochen die Uebersiedelung nach Felseneck erfolgen konnte. Der Arzt, dem die Verhältnisse in Werdenfels nicht unbekannt waren, drang darauf, daß der Genesende allen peinlichen Erinnerungen und Einflüssen entzogen werde. In der Ruhe und Einsamkeit seines Bergschlosses sollte er die volle Heilung finden.

Die Nachricht selbst aber machte unglaubliches Aufsehen in den Kreisen der Nachbarschaft. Die junge, schöne und, wie man glaubte, auch reiche Wittwe war überall der Gegenstand des lebhaftesten Interesses gewesen, und man erwartete mit Ungeduld den Zeitpunkt, wo sie wieder in der Gesellschaft erscheinen werde. Statt dessen verlobte sie sich mit dem Felsenecker, dem düsteren, unheimlichen Sonderling! Die Neuigkeit war so seltsam, daß sie eine zweite, die ihr unmittelbar folgte, die Verlobung des Baron Paul mit der Schwester der Frau von Hertenstein, ganz in den Hintergrund drängte.

Das Begriffsvermögen der Werdenfelser aber hörte diesen beiden Thatsachen gegenüber vollständig auf, und sie waren sehr geneigt, an eine neue Hexerei des Felseneckers zu glauben.

In seinem Arbeitszimmer stand Raimund am Fenster. Es war noch unverändert das Thurmgemach mit den tiefdunklen Vorhängen und Farben, mit seiner ganzen düsteren Pracht, die jeden Lichtstrahl abzuwehren schien. Auch heute hüllte es sich [396] schon in Schatten und Dämmerung, während draußen der Sonnenuntergang seine leuchtende Gluth über die ganze Bergwelt ausgoß.

Auch auf dem Gesichte des Freiherrn lag ein Wiederschein jener Gluth. Es war nicht mehr der düstere, einsame Träumer von ehemals, der dort stand; in seinen Zügen leuchtete es wieder wie ein Schimmer von Jugend und Glück, und seine ganze Haltung und Erscheinung verriethen neu erwachtes Leben und wiedergewonnene Kraft. Nur die breite, dunkelrothe Narbe auf der Stirn erinnerte noch an das überstandene Leiden.

Und dennoch war eins zurückgeblieben, das unauslöschlich zu sein schien. In den Augen Raimund’s lag noch tief und schwer der alte Schatten, und es war wieder der alte dunkle Blick, mit dem er zu der Geisterspitze emporsah. Dies Eine war selbst der Liebe und dem Glücke nicht gewichen! Die frische Wunde auf der Stirn hatte sich geschlossen, aber jenes alte Weh im Innern blutete fort und wollte nicht vernarben. Der Bann war nicht gelöst, und die Vergangenheit warf ihren Schatten selbst in das neue Leben.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Feierabendhäuser für Lehrerinnen. Auf zahlreiche an die „Gartenlaube“ ergangene Anfragen nach Stätten, in welchen ältere Lehrerinnen von ihrer Berufsarbeit ausruhen und ein ihrem Lebensabend entsprechendes Unterkommen finden können, vermögen wir heute mit der Mittheilung zu antworten, daß gerade jetzt – am 15. Mai dieses Jahres – ein solches Feierabendhaus eingerichtet und am 1. Juni von vier Lehrerinnen bezogen werden ist. Es ist dies das „Wilhelm-Augusta-Stift, Feierabendhaus für Lehrerinnen“ bei Gandersheim.

Vorher bestand bereits bei Berlin das „Feierabendhaus in Steglitz für deutsche Lehrerinnen und Erzieherinnen“. Schon 1875 hatten deutsche Frauen das Werk der Selbsthülfe begonnen, indem sie den „Verein deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen“ gründeten, der seinen Sitz und Gerichtsstand in Berlin und die Rechte einer juristischen Person hat. Gleich anfangs ward unter seinen Zwecken mit angeführt: „Gründung eines Feierabendhauses für Lehrerinnen unter vorzugsweiser Berücksichtigung der Vereinsmitglieder“. Mit Hülfe von deren Beiträgen und verschiedenen Einzelzuwendungen und durch andere Einnahmequellen, wie sich solcher fast alle Vereine bedienen, durch Veranstaltungen von Concerten, Vorträgen, Theatervorstellungen, Bazar etc. ward es möglich, in Steglitz den Bauplatz zu einem solchen Hause zu erwerben und dasselbe dann schon am 14. Juni 1879 zu eröffnen.

Die Aufnahme ist bedingt 1) durch ein Alter von mindestens fünfundfünfzig Jahren oder durch nachgewiesene Dienstunfähigkeit bei einem Alter von mindestens vierzig Jahren, 2) durch den Nachweis berufsmäßig ausgeübter Lehrtätigkeit von mindestens fünfjähriger Dauer, 3) durch eine einmalige Zahlung von vierhundert Mark, und 4) durch den Nachweis von Subsistenzmitteln, die von dem Curatorium für genügend erachtet werden. Die zwei letzten Erfordernisse können wegfallen, wenn durch besondere Zuwendungen Freistellen geschaffen werden oder sonst die Fonds für einzelne Fälle und besondere Würdigkeit der Aspirantin ausreichen. Dreiunddreißig bis vierunddreißig Damen können in dem Hause Aufnahme finden und jede über ein Zimmer mit Nebenraum verfügen. Seit 1881 ist das Haus vollbesetzt. Ein Saal und ein umgebender Park dienen zur geselligen Vereinigung. Auch für Badezimmer ist gesorgt. Die Mehrzahl der Bewohnerinnen nimmt auch das von der Frau des Hauswarts gegen geringes Geld bereitete gute und kräftige Mittagsmahl gemeinsam ein.

Etwas später, aber auch schon vor einigen Jahren, traten in Rheinland und Westfalen einige Lehrerinnen zusammen und sammelten unter sich in aller Stille, um auch eine Ruhestätte für erholungsbedürftige Lehrerinnen zu gründen. Erst als sie selbst 3000 Mark zusammen gethan, traten sie mit ihrem Vorhaben an die Oeffentlichkeit. Wesentlich unterstützt und gefördert ward die Sache, als in Folge eines Aufrufs bei Gelegenheit der goldenen Hochzeitsfeier des deutschen Kaiserpaares 1879 der „Wilhelm-Augusta-Lehrerinnen-Verein“ gegründet ward und seinen Sitz in Bochum nahm. Ordentliche Mitglieder desselben können alle deutschen Lehrerinnen werden, welche mit staatlicher Zulassung an öffentlichen Schulen – höheren Töchter-, Volks- und Kleinkinderschulen – oder an Privatmädchenschulen unterrichten oder als Erzieherinnen wirken oder die Berechtigung dazu erworben haben, gegen einen jährlichen Beitrag von drei Mark. Außerordentliche Mitglieder können Alle werden, welche mindestens den gleichen Jahresbeitrag aber einen einmaligen von sechszig Mark zahlen.

Der Schriftsteller Arnold Wellmer in Blankenburg unterstützte durch die Presse speciell diese Sache (siehe die Flugschrift: „Ein Feierabendhaus für müde alte Lehrerinnen und Erzieherinnen zu Gandersheim am Harz. Wilhelm Augusta-Stift. Berlin, E. Krause. 1880“). Er mahnte an Hroswitha, jene berühmte Dichterin, die vor 900 Jahren im Kloster von Gandersheim lebte und die man ihrer Zeit „die mächtige Stimme von Gandersheim“ nannte – er mahnte, wie es noth tue, eben da wieder eine Stimme für eine andere, zeitgemäße Stiftung zu erheben: für Jungfrauen, die sich dem Lehrstand gewidmet. Und nun kam das Geld zusammen, sodaß jetzt eben das „Feierabendhaus für Lehrerinnen bei Gandersheim, Wilhelm-Augusta-Stift“, eröffnet werden konnte.

Gandersheim, die kleine braunschweigische Ackerstadt, ist eine Bahnstation zwischen Seesen und Kreiensen, und zehn Minuten davon am Saum des Waldgebirges, nahe am herrlichsten Buchenwald und nicht weit von dem freundlichen Ludolfs-Bad, liegt das nun fertig erbaute Haus, zu dem auch ein großer Garten gehört. Es ist vorläufig auf zwanzig Bewohnerinnen eingerichtet, außerdem hat es noch Raum für solche Lehrerinnen, die sich nur vorübergehend da aufhalten wollen in der Ferienzeit, zum Genuß des Bades.

Auch hier kann jede deutsche Lehrerin und Erzieherin, wenn sie Vereinsmitglied ist, ein Asyl finden, Zimmer und Schlafkammer, freie Verpflegung bei gemeinschaftlichen Mahlzeiten, freie Curkosten und Bäder des Ludolf-Bades. Jetzt ist dafür noch ein Eintrittsgeld von 300 Mark und eine Jahrespension von 800 Mark zu zahlen, doch hofft man bei vergrößerten Mitteln bald davon absehen zu können.

Der Verein hat seinen Sitz in Bochum, Vorsitzende sind der dortige Bürgermeister Herr Lange und Herr Superintendent König in Witten, Schriftführerin Fräulein Schüßler ebendaselbst, und Cassirer Herr Bansi in Bielefeld. Um Auskunft und mit Beiträgen wende man sich an diese.

In vielen deutschen Städten sind „Lehrerinnenvereine“ und viele streben nach gleichem Ziel, aber den meisten ist es nicht gelungen, solch ein „Lehrerinnenheim“, wie z. B. das in Dresden, zu gründen, wo Lehrerinnen vorübergehend gegen einen mäßigen Preis Wohnung und Kost erhalten.

Und nun – nach dieser bloßen Auskunftsertheilung möchten wir die Leser bitten, die Sache etwas tiefer aufzufassen und sich das Loos der deutschen Lehrerinnen gerade so zu Herzen gehen zu lassen, wie das der deutschen Lehrer, für welche die „Gartenlaube“ so oft eingetreten ist und immer Ohren und Hände gefunden hat.

Die Lehrerinnen haben ja wahrlich keinen leichteren Beruf als die Lehrer, und nur die an städtischen Schulen angestellten Lehrerinnen erhalten Pension. Die Mehrzahl geht einem sorgenvollen und einsamen Alter entgegen. Welch ein Trost dann für diese Alleinstehenden, irgendwo ein stilles Obdach zu wissen, wo sie unter Berufsgenossinnen ihre Tage friedlich beschließen können, wo sie wissen, daß sie in Krankheit und Schwachheit Pflege finden und damit Niemand zur Last fallen. Suche doch darum, wer es vermag, mitzuwirken, daß noch mehr solche Feierabendhäuser gegründet, daß die bestehenden erweitert und den Bedürftigen unter immer günstigeren Bedingungen geöffnet werden können!

Die Frauen, die sich selbst durch anstrengende Thätigkeit durch’s Leben helfen müssen, sind auch hier, wie die Geschichte der beiden Gründungen zeigt, zur Selbsthülfe bereit gewesen und haben das Werk für ihre Schwestern begonnen, helfe man ihnen doch wenigstens weiter! Wird es doch immer mehr erkannt, daß der Lehrberuf sich ganz besonders für das weibliche Geschlecht eignet, widmen sich ihm doch auch immer mehr Mädchen, theils aus innerstem Trieb, einen Geist und Gemüth zugleich befriedigenden Wirkungskreis zu finden, theils auch der Nothwendigkeit gehorchend, ihre Fähigkeiten einer Erwerbsthätigkeit zu widmen, die ihnen ermöglicht, sich selbst zu erhalten, denn – alle weiteren Erörterungen bei Seite gelassen – steht ja die Thatsache fest, daß bei der Mehrheit so vieler Tausende von Mädchen neben den Männern eben Tausende darauf angewiesen sind, das eigene Brod und die eigene Lebensaufgabe anderswo zu suchen, als in der Mitbegründung eines Hausstandes.

Ehre darum den Lehrerinnen und Dank im Voraus Allen, die sich mit betheiligen wollen, wo es gilt, ihnen ihr Alter zu erleichtern!

Louise Otto.




Die Frühstücksrechnung. (Abbildung Seite 393). Eine Privatbuchführung in einem Winkel der Bauhütte ist der Gegenstand unserer Illustration. Der Künstler hat einen guten Griff in’s Leben gethan; als er den Lehrjungen beobachtete, welcher, mit sinnendem Haupte, ein Stück Brett als Schreibtafel benutzend, die einzelnen Posten berechnete, die er für die eingekauften Frühstücksartikel der Herren Baugesellen verausgabt hatte. Stimmen muß es ja, wenn nicht die friedliche Stimmung seiner Auftraggeber oder seine eigene Casse geschädigt werden soll. Ob er seines Zeichens ein Maurer oder ein Tüncher (Haus- und Zimmeranstreicher) ist, läßt sich aus seiner Arbeitstracht und Umgebung zwar nicht bestimmen, auch die Frühstücksbedürfnisse sind bei beiden Metiers dieselben: Wurst, Käse, Brod, Schnaps, Bier und sogar ein Päckchen „Schwarzer Reuter“ bilden die Vorräthe, die vor ihm auf der Kiste ausgebreitet liegen. Der arme Junge! Wie viel muß er tragen mit hungrigem Magen! Er muß als Lehrbub Meister sein im Dienen und Entsagen.




Der kaiserlich königliche Statthalter in Tirol und Vorarlberg wendet sich an das reisende Publicum mit einer deutschen, englischen, französischen und italienischen Ansprache, in welcher er die wohl weitverbreiteten Besorgnisse über Hemmnisse und Störungen des Reisegenusses in den von den Wasserfluten heimgesuchten Thälern in eingehender und überzeugender Weise beseitigt und mit der Versicherung schließt, daß „die Folgen der Ueberschwemmung, so schweres Unglück sie auch über das Land gebracht haben, weder ein Hinderniß, noch eine Beschwerung für den Besuch und Aufenthalt in demselben bilden, ja daß vielmehr der Anblick der großartigen Wahrzeichen ungebändigter Elementargewalten und der überall in Ausführung begriffenen Schutz- und Regulirungsbauten geeignet sei, dem fremden Besucher eine besondere Anregung, seltenes und neues Interesse zu bieten“.


Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ver
  2. James Emerson Tennent, Vorlage; Tennen