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Artikel „Rumpf, Georg Eberhard“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 663–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rumpf,_Georg_Eberhard&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 16:04 Uhr UTC)
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Band 29 (1889), S. 663–667 (Quelle).
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Rumpf: Georg Eberhard R. (Rumphius), Kaufmann und Naturforscher, geboren 1627 in der Grafschaft Solms, † am 13. Juni 1702 auf der Insel Amboina (Molukken). Ueber Rumpf’s Jugendjahre ist wenig bekannt. Er scheint auf dem Gymnasium in Hanau eine gute Vorbildung in den classischen Sprachen genossen zu haben und verließ frühzeitig sein Vaterland und Europa, sei es aus eigenem Antriebe, dem inneren Drange folgend, fremde Länder und Menschen kennen zu lernen, sei es unfreiwillig, als Soldat. In bezug auf letzteren Punkt sind nur einige dunkle Andeutungen in mehreren seinen Werken beigegebenen poetischen Auslassungen vorhanden, nach welchen er in Brasilien als Söldling der holländischen Truppen gegen die Portugiesen in Paraguay gekämpft haben soll. Die wichtigsten biographischen Daten enthält ein 1680 von R. an seinen Freund Christian Mentzel, den Leibarzt des Kurfürsten von Brandenburg (1622–1701) gerichteter Brief, abgedruckt im II. Bande der Ephemerides Naturae Curiosorum 1687, in welchem freilich über diese militärische Dienstzeit nichts verlautet, dagegen erwähnt wird, daß R., frühzeitig nach Portugal gekommen, nach dreijährigem Aufenthalte daselbst in die Heimath zurückgekehrt, gleich darauf seine Reise nach Ostindien angetreten habe. Zum Zwecke dieser letzteren scheint er 1652 oder 1654 Europa verlassen zu haben; aus welchem Antriebe, mit welchen Mitteln und auf welchem Wege, ist unbekannt. Zum ersten Male findet sich Rumpf’s Name 1656 erwähnt in einem von dem niederländischen Reisenden Franz Valentyn verfaßten Kataloge, welcher die im Dienste der niederländischen Ostindischen Compagnie stehenden Männer [664] und unter diesen R. mit dem Titel eines Fähnrichs auf Amboina aufzählt. Sicher ist jedenfalls, daß R. auf jener Insel und im Dienste der genannten Gesellschaft den größten Theil seines Lebens zugebracht hat und auch hier gestorben ist. Amboina, zwar nicht die größte, aber ungleich wichtigste der Molukken, ist seit Beginn des 16. Jahrhunderts im Besitze der Holländer, nächst Java ihre Hauptcolonie und Sitz der kaufmännischen Centralbehörde, die im Interesse der Verwerthung der hier angebauten Gewürzpflanzen ihren Verwaltungskreis noch über 10 benachbarte Inseln ausdehnt. Die Organisation dieser Behörde war damals eine eigenthümlich militärisch-kaufmännische. R. durchlief alle Stufen der Beamtenhierarchie; wurde Unterkaufmann, Kaufmann, Oberkaufmann und schließlich Consul, mit wechselndem Wohnsitz auf verschiedenen Stellen der Insel, zuletzt auf dem an der Südküste gelegenen Castell Victoria seßhaft, wo er in einflußreicher und geachteter Stellung, nach einem an Arbeit und Mühseligkeiten überreichen Leben, 75 Jahre alt, gestorben ist. Neben der treuen und gewissenhaften Ausübung seines kaufmännischen Berufes lag R. mit Eifer der naturwissenschaftlichen Durchforschung seines Wohnsitzes ob, namentlich benutzte er die Zeit, während welcher er im Dienste der Gesellschaft als Inspector Amboina und die umgebende Inselwelt zu bereisen hatte, und zwar sammelte und forschte er nicht als Liebhaber und Dilettant, sondern, ausgerüstet mit scharfer Beobachtungsgabe, als Naturforscher im modernen Sinne, in echt wissenschaftlichem Geiste mit Verständniß und Kritik. Seine Studien erstreckten sich auf alle Naturproducte der organischen und anorganischen Welt, stets bedacht, durch Verkehr mit den Eingeborenen, deren Dialecte er sich angeeignet, Nutzen und Gebrauch der gesammelten Objecte kennen zu lernen. Was er gesehen, fixirte er auf einzelnen Blättern durch Wort und Zeichnung, und hatte so im Laufe der Jahre ein gewaltiges handschriftliches Material beisammen. Eine von ihm verfaßte Geschichte des Instituts der holländischen Compagnie auf Amboina und den umliegenden Inseln widmete er dem Director der Gesellschaft. Allein die Arbeit blieb, wahrscheinlich aus politischen Gründen, Manuscript. Doch sind 2 Abschriften davon erhalten, von denen eine im Lande selbst verblieb, die zweite in den Archiven der Compagnie in Amsterdam niedergelegt ist. Die Ordnung und Ausarbeitung des naturwissenschaftlichen Materials hoffte er in Europa, mit reicheren Hülfsmitteln ausgerüstet, ins Werk zu setzen. Den Zeitpunkt seiner Abreise hatte er bereits festgesetzt, da traf ihn ein harter Schicksalsschlag. Zu seinen Excursionen hatte er, um seine Zeit möglichst auszunutzen, jede, auch die ungünstigste Jahreszeit benutzt, sich dabei, unbekümmert um seine Gesundheit, nicht selten auf längere Zeit den ungehinderten Strahlen der tropischen Sonne ausgesetzt. Dieser Eifer wurde sein Verderben. Er erkrankte am schwarzen Staar, und wurde nach dreimonatlichen schweren Leiden, im 1669, erst 42 Jahre alt, völlig blind. Er trug sein Leiden mit frommer Ergebung und ließ sich auch von der Ausführung seines Vorhabens durch dasselbe nicht zurückschrecken. Zwar gab er den Gedanken an eine Uebersiedelung nach Europa auf, machte sich aber ungesäumt an die Bearbeitung seiner Manuscripte mit Hülfe einiger Männer, die ihm als Secretäre von Seiten der Compagnie gewährt wurden. Die erste Arbeit bestand in der Umübersetzung der lateinisch geschriebenen Notizen ins Holländische: dann ließ er sie ordnen und förderte in raschem Gange sein Werk so, daß er von den beabsichtigten 12 Büchern im J. 1674 bereits 7 fast vollendet hatte. Da traf den blinden Mann ein neues Verhängniß. Ein Erdbeben, das am 17. Febr. des genannten Jahres Amboina und den umgebenden Inselkreis heimsuchte, raubte ihm seine Gattin Susanna und zwei kleine Töchter, die unter den durch Einsturz der Gebäude Getöteten sich befanden. Schwer nur konnte er sich von [665] dem Schlage erholen, der ihm nicht nur die treue Lebensgefährtin, sondern auch die verständnißvolle Mitarbeiterin an seinem Werke entrissen hatte. Dazu kam, daß er selbst häufig leidend war, so daß er nicht mit gleichem Erfolge weiter arbeiten konnte, und schließlich wollte es das Unglück, daß am 11. Jan. 1687 ein Brand sein Haus zerstörte, wobei nicht nur der größte Theil seiner Bibliothek, sondern auch seiner Manuscripte und Figuren zu seinem Werke verloren ging. Doch auch diese Jahre der Trübsal konnten den Heldenmuth Rumpf’s nicht ganz beugen. Er machte sich daran, das Verlorene, so gut es ging, zu ersetzen. Freilich war der Fortschritt des Werkes innerhalb des zweiten Decenniums ein viel langsamerer. Diese Verzögerung hatte auch noch andere Gründe. Die Unterstützung, welche ihm seitens der ostindischen Handelsgesellschaft durch Ueberlassung von Hülfskräften zuerst so bereitwillig gewährt worden, war keine stetige gewesen, nicht selten wurde sie ihm ganz entzogen, so daß R. über den Sieg des nach Gelderwerb trachtenden Speculationsgeistes über das ideale Streben bittere Klagen führte. Nichtsdestoweniger fuhr der edeldenkende Mann, auch nach seiner Erblindung, noch fort, dem Interesse der Gesellschaft seine Zeit und seinen Rath zur Verfügung zu stellen. Endlich absorbirte eine umfangreiche Correspondenz einen großen Theil seiner Thätigkeit. Dieser Briefwechsel, theils mit europäischen Freunden, theils mit in Ostindien ansässigen Gelehrten, bildet eine wichtige Ergänzung seiner litterarischen Schöpfungen. Er wurde später gesammelt von Michael Bernhard Valentini, Professor in Gießen (1657–1729) als zweiter Band seines Museum museorum 1714 herausgegeben. Es finden sich darin Briefe an Chr. Mentzel, darunter auch der Eingangs erwähnte biographische, an Andreas Cleyer aus Cassel, an Wilhelm ten Rhyne, beides Schiffsärzte der ostindischen Compagnie auf Java, an die im Dienste der Gesellschaft thätigen Kaufleute Jacob de Vicq aus Amsterdam, Herbert v. Jäger u. a. m., in denen eine große Menge exacter Beobachtungen niedergelegt ist, darunter beispielsweise die noch heute mit Interesse zu lesende Beschreibung der Lebensweise des Papiernautilus, ferner Nachrichten über die Cultur der Gewürznelke, des Sandelholzes und vieles andere. Auch über seine Stellung zur damaligen Botanik und seine Verurtheilung der nur auf geringe Aeußerlichkeiten basirten oberflächlichen Bildung von Pflanzenarten erfährt man einiges, endlich erhellt aus diesen Briefen, daß R. 1681, auf Mentzel’s Betreiben, zum Mitgliede der Societas Academiae Naturae Curiosorum Germaniae ernannt wurde mit dem Beinamen Plinius indicus; gewiß ein Beweis, daß man damals schon seine umfassenden Kenntnisse zu würdigen wußte. Im J. 1690 endlich übergab R. die Manuscripte der ersten 6 Bücher seines Werkes: „Herbarium Amboinense“ den Leitern der ostindischen Societät, mit der in der Widmung ausgesprochenen Hoffnung, wenigstens die erste Hälfte seiner Arbeit in sicherer Hand zu wissen, falls ihm etwas Menschliches begegnen sollte. 1695 folgte dann die zweite Hälfte, so daß, da er seit seinem Betreten indischen Bodens für dieses Werk gearbeitet, eine Arbeitszeit von mehr als 40 Jahren, darunter 25 in der Erblindung, auf dasselbe entfallen. Später erschien noch ein „Auctuarium“. Damit war das Werk geschrieben, aber noch nicht gedruckt. Das widrige Geschick, das seinen Verfasser bei der Abfassung verfolgte, sollte auch der Veröffentlichung des Werkes nicht vorenthalten bleiben. R. hat dieselbe nicht mehr erlebt. Die ersten 6 Bücher, mit sämmtlichen Tafeln 1692 nach Holland geschickt, wurden ein Raub der Wellen; eine zweite Sendung, copirt nach dem im Archiv der Gesellschaft hinterlegten Originale, ging ebenfalls verloren, da das Schiff, welches sie trug, im Kampfe gegen die Franzosen zu Grunde ging, und fast ein halbes Jahrhundert ging dahin, bis endlich Johann Burmann, Professor in Amsterdam (1706–1779) die Herausgabe verwirklichte. So erschien denn das Herbarium Amboinense in [666] 12 Büchern, auf 6 stattliche Foliobände vertheilt, mit 587 in den Text eingefügten Holzschnitten, von Johann Burmann durch Zusätze vermehrt und herausgegeben in den Jahren 1741–55 und der Folioband des „Herbarii Amboinensis Auctuarium“ mit 30 Tafeln, 1755. Das Titelblatt zeigt den verdienstvollen Verfasser in seinem 68. Jahre, von dem Sohne P. August R. gemalt, darauf folgen ein Bild des Herausgebers, eine Widmung an die Niederländ.-Indische Gesellschaft und nach der Vorrede mehrere poetische Ergüsse, theils in holländischer, theils in lateinischer Sprache, endlich die Beschreibungen der Pflanzen in doppelter Colonne mit lateinischem und holländischen Texte. Die Anordnung der Gewächse folgt keinem der heute üblichen botanischen Systeme, sondern entspricht im ganzen der im Hortus malabaricus (1678–1703), jenem analogen Werke des Rheede tot Drakestein (1635–1691) innegehaltenen. So beginnt das erste Buch, das den ersten Band ausfüllt, mit den Palmen und umfaßt überhaupt die Bäume mit eßbaren und sonst nützlichen Früchten, das zweite und dritte, welche den zweiten Band bilden, enthalten die aromatischen Pflanzen und Specereien, das vierte und fünfte im dritten Bande die technisch nutzbaren Hölzer. Im sechsten Buche, das den vierten Band ausmacht, schildert der Verfasser die heimischen Sträucher und Stauden, im siebenten die Kletterpflanzen, im achten die officinellen, im neunten die windenden und kriechenden Kräuter, womit der Inhalt des fünften Bandes erledigt ist und in den 3 letzten Büchern des sechsten Bandes die übrigen krautartigen Gewächse, wozu noch manche heute dem Thierreiche zugewiesenen Bildungen, wie Korallen und Schwämme gezogen sind. Das Auctuarium zählt 30 seltenere Gewächse auf, wozu auch der Campherbaum und die Ginsengpflanze gehören. Die Beschreibungen sind recht ausführlich und correct; sie geben überdies Namen, Blüthezeit, Standort, Gebrauch und Culturmethode; auch die Abbildungen sind sauber und für damalige Zeit recht genau; leider sind sie infolge der Widerwärtigkeiten, welche das Werk während seines Entstehens erfuhr, nicht überall vorhanden, wodurch die Deutung so mancher Pflanzen nicht unwesentlich erschwert wird. Ueberhaupt bietet die Nomenclatur, da zu Rumpf’s Zeit die Trennung des Gattungs- und Artbegriffes nur sehr unvollkommen durchgeführt war, manche Schwierigkeit. Zur Ueberwindung derselben und um das Buch leichter verständlich zu machen, ist eine Reihe sogenannter Schlüssel entstanden. Den ersten schrieb Linné 1754 zu den Rumpf’schen Abbildungen; diesem folgte ein solcher von Joh. Burmann 1769, von Hamilton im Anfange unseres Jahrhunderts, der aber über das erste Buch des zweiten Bandes nicht hinauskam, dann ein bereits recht ausführlicher von Henschel[WS 1] 1833 und endlich 1866 ein solcher von J. K. Haßkarl. Sie alle bemühen sich, für die indischen oder Rumpf’schen Pflanzennamen die entsprechenden der heutigen Botanik zu ermitteln. Es beweisen diese Bemühungen, wie hoch das Werk auch in unseren Tagen noch geschätzt wird und in der That gilt es auch jetzt noch als unersetzliches Quellenwerk für alle Studien, welche die Pflanzenwelt Ostindiens zum Gegenstande haben, so daß kaum ein botanisches Werk aus älterer Zeit zu finden ist, welches seinen Werth so ungeschmälert behalten hätte. Außer dem Herbarium hat R. noch ein zweites, weniger wichtiges und etwas früher erschienenes Werk verfaßt. Es behandelt Naturobjecte, die in damaliger Zeit nur sehr unvollkommen bekannt waren, aus der niederen Thierwelt und dem anorganischen Reiche. R. schickte seine darauf bezüglichen Aufzeichnungen an Heinrich d’Acquet, Consul in Delft. Dieser ließ auf Grund derselben in holländischer Sprache ein Werk: „D’ Amboinische Rariteitkammer“ im J. 1704, also auch erst nach Rumpf’s Tode, mit 69 Tafeln erscheinen. Es umfaßt 3 Bücher. Die beiden ersten enthalten die Naturgeschichte der wirbellosen Thiere, das dritte gibt eine wunderbare Mischung aller möglichen [667] Beobachtungen über Mineralien, steinartige Producte des Thierreichs, wie Ambra, Spermaceti u. s. w., Belemniten u. s. w., Schilderungen technologischer Processe und meteorologischer Phänomene. Den unstreitig wichtigsten Theil enthält das erste Buch, in welchem unter dem Titel: Gammarologia moluccana, verschiedene Thiere, wie Dromia Rumphii, Squilla maculata, Limulus moluccanus, Dolabella Rumphii und andere Krustenthiere und Gasteropoden zum ersten Male beschrieben sind. Es erschien von diesem Buch 1711 eine lateinische Uebersetzung: Thesaurus imaginum piscium, testaceorum et cochlearum und 1739 eine zweite Auflage davon. Eine Uebersetzung ins Deutsche, von Ph. L. Müller[WS 2] verfaßt und mit Zusätzen im conchyliologischen Theile von Jerôme Chemnitz[WS 3] versehen, kam 1766 heraus. 1773 schrieb Franz Valentyn ein Supplement dazu über die Schlangen und Meerespflanzen Amboina’s und der benachbarten Inseln, das ebenfalls von Ph. L. Müller aus dem Holländischen ins Deutsche übersetzt wurde. Um in R. den Botaniker zu ehren, hatte Linné eine, heute freilich wieder eingezogene Pflanzengattung Rumphia genannt, seine Forscherthätigkeit im ganzen findet eine schöne Würdigung in den Versen, die das Titelbild zu seinem Hauptwerke ziert:

Coecus habens oculos tam gnavae mentis acutos
     Ut nemo melius detegat aut videat.
Rumphius hic vultu est, Germanus origine totus,
     Belga fide et calamo: cetera dicet opus.


Henschel, Clavis Rumphiana, cum Vita Rumphii, 1833. – Biographie universelle, Bd. 37, 1863.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. August Wilhelm Eduard Theodor Henschel (* 20. Dezember 1790 in Breslau; † 24. Juli 1856 ebenda) war ein deutscher Botaniker und Medizinhistoriker.
  2. wohl: Philipp Ludwig Statius Müller (1725-1776), deutscher Theologe, Zoologe und universell lehrender Professor.
  3. Johann Hieronymus Chemnitz (1730-1800), deutscher Theologe und Naturforscher.