Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1883
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[365]

No. 23.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Alle Rechte vorbehalten.

Gebannt und erlöst.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Eine halbe Stunde später trat Werdenfels aus dem Schlosse auf die Terrasse, wo Emir bereits gesattelt seiner harrte. Der Freiherr pflegte meist um diese Zeit auszureiten, heute aber schien es der Dienerschaft aufzufallen, sie steckte flüsternd die Köpfe zusammen, und selbst der Haushofmeister, der sich gleichfalls auf der Terrasse befand, hatte seine sonst so feierlich unbewegte Miene fahren lassen und hörte mit offenbarer Besorgniß den leisen Berichten seiner Untergebenen zu.

Beim Erscheinen des Freiherrn löste sich die Gruppe mit ehrerbietiger Verneigung auf, nur der Haushofmeister näherte sich seinem Herrn.

„Sie wollen ausreiten, gnädiger Herr?“ fragte er ehrfurchtsvoll, aber doch mit einer gewissen Betonung.

Werdenfels blieb stehen und sah ihn befremdet an.

„Gewiß, ich thue das ja stets am Nachmittage.“

„Aber gerade heute – es herrscht eine gewisse Aufregung in Werdenfels – und der junge Herr Baron, der Sie sonst immer begleitet, ist abwesend.“

„Um so besser,“ sagte Raimund ruhig. „Mein Neffe kann bei solchen Gelegenheiten sein junges heißes Blut nicht zügeln, und dort ist Ruhe das erste Erforderniß.“

Er gab dem Reitknechte einen Wink, das Pferd herbeizuführen. Der Haushofmeister zögerte, aber die Sorge um seinen Herrn überwog seine sonstige Zurückhaltung, und er fuhr in bittendem Tone fort:

„Ich maße mir nicht an, dem gnädigen Herrn einen Rath ertheilen zu wollen, aber die Stimmung im Dorfe ist wirklich im höchsten Grade bedrohlich. Man ist wüthend darüber, daß die Uebelthäter von heute Nacht ergriffen und in Gewahrsam gebracht worden sind, man will nicht dulden, daß sie bestraft werden. Zeigen Sie sich heute nicht, Herr Baron – nur heute nicht! Sie kennen ja die Werdenfelser!“

„Ja, ich kenne sie!“ entgegnete der Freiherr, während er den schlanken Hals Emirs streichelte, der ihn mit freudigem Wiehern begrüßte. „Aber es ist endlich Zeit, daß auch sie mich kennen lernen.“

Er schwang sich auf das Pferd und nahm die Zügel, der Haushofmeister machte noch einen letzten Versuch.

„Aber der Reitknecht darf doch wenigstens folgen?“ bat er. „Der junge Herr Baron ist auch der Meinung, daß –“

„Ich reite allein,“ unterbrach ihn Werdenfels in einem Tone, der keinen ferneren Widerspruch duldete, dann aber fügte er mit einem Blicke auf das angstvolle Gesicht des alten Mannes milder hinzu:

„Aengstigen Sie sich nicht, es ist kein Grund zur Sorge vorhanden, und ich werde bald zurück sein.“

Der Haushofmeister trat zurück, er kannte diesen Ton und fügte sich ihm unbedingt, aber er blickte mit schwerem Herzen dem Freiherrn nach.

Werdenfels ritt langsam die Allee hinunter, die vom Schloßberge in das Dorf führte. Er wußte, daß in der That Grund zur Sorge vorhanden war, das Erscheinen Vilmut’s im Schlosse hatte es ihm hinreichend gezeigt, aber er wußte auch seit jener Unterredung mit Eckfried, daß seine bisherige Nachsicht als Furcht und Feigheit ausgelegt wurde. Diese Menschen hatten ja kein Verständniß für einen Muth, der mit kalter, unerschütterlicher Ruhe ihren Beleidigungen und Angriffen gegenüberstand, ohne sie zu rächen, für sie lag der Begriff der Energie nur in jener rücksichtslosen Härte, die ihnen einst der verstorbene Freiherr gezeigt hatte. Dem wagte Niemand mit einer Beleidigung zu nahen, so verhaßt er auch war, denn man wußte, daß die schärfste Ahndung auf dem Fuße folgen werde. Gegen den Sohn aber erlaubte man sich Alles, und wenn es bisher noch nicht zu einem offenen Angriffe gegen ihn gekommen war, so dankte er das nur dem Aberglauben, der ihm übernatürliche Macht zuschrieb.

Diese Gedanken waren es, die durch Raimund’s Seele zogen und seine Stirn so finster machten. Er hatte jetzt die ersten Häuser des Dorfes erreicht und ritt an dem Garten des Pfarrhauses entlang, der noch in winterlicher Oede dalag, als er das schmerzliche Weinen einer Kinderstimme vernahm und einen etwa fünfjährigen Knaben gewahrte, der an der Hecke des niedrigen Gartenzauns kauerte und so laut und krampfhaft schluchzte, als ob ihm das kleine Herz brechen wollte. Werdenfels pflegte sonst nie die Dorfkinder anzureden, denn er wußte, daß sie ihn flohen und fürchteten, aber dies trostlose Weinen des einsamen und verlassenen Kleinen fand ein Echo in seiner Seele. Halb unwillkürlich hielt er sein Pferd an, beugte sich über die Hecke und fragte:

„Weshalb weinst Du, Kind?“

Der Kleine hob beim Klange der fremden Stimme erschrocken den blonden Krauskopf empor und zeigte ein verweintes Gesicht und große blaue Augen, in denen noch die hellen Thränen standen. Er kannte den fremden Herrn nicht und hielt ihn wohl für einen [366] der Verwalter oder Beamten des Schlosses, die oft durch das Dorf ritten. Als aber die Frage wiederholt wurde, brach er in erneutes Weinen aus.

„Ich soll fort vom Großvater – weit fort nach dem Grundsee – und ich darf nicht wieder kommen, der Herr Pfarrer hat es gesagt!“

„Wer ist denn Dein Großvater?“ fragte Raimund, indem er sein Pferd dicht an die Hecke lenkte.

„Eckfried heißt er,“ schluchzte der Kleine, „und ich bin der Toni vom Mattenhof. Ich mag nicht fort von dem Großvater, und er mag mich auch nicht fortlassen, aber der Herr Pfarrer leidet es nimmer, daß ich bei ihm bleibe.“

Der Freiherr stutzte und warf einen langen, seltsamen Blick auf das Kind. Er verstand jetzt die Worte Vilmut’s und sah, welche Strafe dem alten Manne auferlegt worden war, der mit abgöttischer Liebe an seinem Enkel hing, dem Einzigen, was er noch auf der Welt besaß.

„Jawohl, der Herr Pfarrer versteht es, Herzen zu treffen, darin ist er Meister,“ sagte er bitter. „Also Du willst nicht fort von Deinem Großvater?“

Toni blickte halb scheu, halb zutraulich zu dem Fremden empor, aber er hörte auf zu weinen, als er Mitleid und Theilnahme fand, und als der Freiherr weiter fragte, begann er nach Kindesart alles Mögliche herauszuplaudern. Dabei versiegten seine Thränen vollständig, und endlich vergaß er all sein Leid in der Bewunderung des schönen Tigerschimmels.

„Darf ich das Pferd streicheln?“ fragte er und hob bittend die Hände empor.

„Du kannst es ja nicht erreichen,“ sagte Raimund mit einem flüchtigen Lächeln.

„O doch, das kann ich!“ rief Toni, indem er ohne Weiteres den Gartenzaun erkletterte, in der nächsten Minute schon saß er droben und begann noch etwas zaghaft das glänzende Fell des Pferdes zu streicheln. Emir nahm anfangs die Liebkosung ungnädig auf und schnaubte ungeduldig, aber auf einen Zuruf seines Herrn beruhigte er sich sofort und duldete die schmeichelnde Kinderhand. Toni war ganz entzückt darüber, aber er wurde immer begehrlicher.

„Ich möchte so gern einmal reiten,“ sagte er mit einem sehnsüchtigen Blicke auf das Pferd.

Raimund lächelte wieder und, sich niederbeugend, nahm er das Kind und hob es vor sich auf den Sattel. Toni jauchzte auf vor Vergnügen, er schlug jubelnd in die Hände und versuchte mit lautem Zuruf das Pferd anzutreiben, der Freiherr mußte schützend die Arme um den keinen Wildfang legen, um ihn vor dem Herabfallen zu bewahren.

Es war das erste Mal seit Jahren, daß er wieder irgend ein Wesen in den Armen hielt, daß sich irgend Etwas vertraulich und freundlich an ihn schmiegte. Er hatte ja sonst nur seine Diener um sich, die in scheuer Ehrfurcht kamen und gingen; wenn er sein Schloß verließ, so war er nur von Feinden umgeben, die ihn haßten und verfolgten, und was er liebte, stieß ihn mit Schauder und Entsetzen von sich. Er hatte seine ganze grenzenlose Vereinsamung vielleicht noch nie so tief gefühlt, wie in dieser Minute, und mit einer beinahe leidenschaftlichen Innigkeit preßte er das fremde Kind an sich, dessen Zutraulichkeit ihm zum ersten Mal wieder das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit den Menschen gab. Es gab doch also noch ein Geschöpf, das sich nicht in Haß und Furcht von ihm wandte – er hob leise das blonde Krausköpfchen empor und sah tief in die blauen Augen, die ihn jetzt schelmisch anlachten.

„Toni, wo bist Du? Was soll das heißen?“ tönte plötzlich die scharfe Stimme Vilmut’s. Er war in den Garten getreten, um den Knaben zu suchen, und sah mit dem höchsten Befremden die Gruppe.

Toni, der trotz seines kurzen Aufenthaltes im Pfarrhause doch schon die Strenge des geistlichen Herrn kennen gelernt haben mochte, sah ängstlich zu diesem hinüber und machte Miene, von Neuem zu weinen, Raimnnd aber sagte kühl, ohne das Kind loszulassen:

„Sie sind es, Hochwürden? Ich höre eben von dem Kleinen, daß er auf Ihren Befehl von seinem Großvater getrennt werden soll, und errathe den Zusammenhang. Erlassen Sie dem Eckfried die Strafe; seine That war gegen mich allein gerichtet, ich verzichte auf die Genugthuung.“

Vilmut war inzwischen näher gekommen und stand jetzt gleichfalls dicht an der Gärtenhecke.

„Ich bedauere, Ihren Wunsch nicht erfüllen zu können, Herr von Werdenfels,“ entgegnete er. „Eckfried hat eine Schuld auf sich geladen – gegen wen, kommt hier nicht in Betracht – und ich als sein Beichtvater habe ihm eine Buße dafür auferlegt, die er tragen wird. Komm herunter, Toni!“

Die letzten Worte klangen sehr befehlend. Toni konnte nicht allein seinen hohen Sitz verlassen, er sah zu dem Freiherrn empor, ob dieser ihn herunterholen werde, aber es lag eine stumme, angstvolle Bitte in diesem Blicke. Das Kind fühlte instinctmäßig, daß es einen Beschützer gefunden hatte, es schmiegte sich fest an ihn und umklammerte mit beiden Händen seinen Arm.

„Ich bringe den Knaben zu seinem Großvater,“ sagte Raimund kurz und bestimmt. „Sie werden entschuldigen, Hochwürden, wenn ich ein derartiges Strafgericht nicht gelten lasse.“

Er faßte den Zügel und machte Anstalt, weiter zu reiten. Vilmut widersprach nicht, aber es spielte ein leises hohnvolles Lächeln um seine Lippen, als er langsam und jedes Wort betonend sagte:

„Toni, willst Du bei dem Fremden bleiben? Es ist der Felsenecker Herr!“

Toni fuhr zusammen, mit weitgeöffneten Augen, mit dem Ausdruck des vollsten Entsetzens starrte er den Freiherrn an, als habe sich dieser plötzlich in ein Schreckensbild verwandelt, dann aber machte er blitzschnell einen Versuch vom Pferde zu springen und wäre gestürzt, wenn Raimund ihn nicht rasch erfaßt und gehalten hätte. Jetzt aber sträubte sich das Kind mit krampfhafter Heftigkeit gegen die Arme, in denen es eben noch Schutz gesucht hatte, sein ganzer kleiner Körper bebte und zitterte, während es ein lautes Angstgeschrei ausstieß. Es hätte sich gegen einen Mörder nicht verzweifelter wehren können, das eine Wort: der Felsenecker! genügte, um all seine Zutraulichkeit in blindes Entsetzen zu verwandeln.

Raimund sprach kein Wort, er erfaßte den Knaben und ließ ihn vom Pferde niedergleiten. Toni gewann die Hecke, aber er sprang in athemloser Hast zu Boden und rannte auf den Priester zu, hinter dem er sich zu verstecken suchte. So sehr er diesen auch fürchtete, es war doch immer der Herr Pfarrer, und der Mann dort auf dem Pferde war der leibhaftige Böse!

Gregor stand hochaufgerichtet da, und der Hohn spielte noch um seine Lippen. Er war wieder einmal Sieger geblieben in dem Kampfe, seine Hand führte fest und sicher den tödtlichen Stoß auf den Gegner, und diesmal hatte er getroffen, das sah man. Raimnnd warf noch einen Blick zurück, nur einen einzigen, dann setzte er seinem Roß die Sporen in die Seite, daß es sich hoch aufbäumte, und sprengte davon.

Im Dorfe herrschte in der That eine ungewöhnliche Aufregung, selbst die Frauen standen vor den Thüren und sprachen laut und erregt mit einander. In der Mitte der Dorfstraße aber, wo das Haus des Gemeindevorstehers lag, hatte sich fast die ganze Bevölkerung versammelt, es schien dort irgend eine Berathung stattzufinden, aller Augen waren auf die Thür gerichtet, und der Pfarrer mußte wohl schon die Nachricht gebracht haben, daß der Schloßherr auf seinem Willen beharre, denn in der Menge, die aus einigen hundert Personen bestehen mochte, wurden überall Drohungen und Verwünschungen gegen den „Felsenecker“ laut.

Raimund sah und hörte das in dem Augenblick, wo er in die Dorfstraße einbog, er wußte sehr gut, daß ihm dort Gefahr drohte, aber seine Stimmung war nicht danach, der Gefahr auszuweichen. Die eben erlebte Scene hatte ihm gezeigt, wie weit der Bann ging, den Gregor Vilmut über ihn ausgesprochen. Er hatte es gewagt, ein Kind in die Arme zu schließen, das noch gar kein Verständniß für Haß und Feindseligkeit besaß, und selbst von diesem Kinde mußte er Haß und Feindseligkeit erfahren. Der Mann hatte so Vieles erfahren in den letzten Monaten, dies entsetzte Abwenden des Knaben, der sich eben noch vertrauend an ihn geschmiegt hatte, ertrug er nicht, es war der Tropfen, der das längst gefüllte Maß der Bitterkeit zum Ueberlaufen brachte.

Die lärmende Menge war anfangs viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um den nahenden Reiter zu bemerken, endlich wurde er doch von einem der Bauern entdeckt, der laut ausrief:

„Da ist er! Da kommt der Felsenecker!“

[367] Eine jähe, blitzähnliche Bewegung ging durch die ganze Versammlung, Alle wandten sich um, alle Blicke hafteten auf dem Freiherrn, der sich noch in einiger Entfernung befand. Der Lärm verstummte, wie auf Commando, aber das dumpfe unheimliche Schweigen, das urplötzlich eintrat, war noch bedrohlicher für den Schloßherrn.

Da öffnete sich die Thür des Hauses und der Gemeindevorsteher selbst, Rainer und noch einige der angesehensten Bauern traten heraus. Auch sie stutzten, als sie den Freiherrn erblickten, der sich noch in einiger Entfernung befand, und in dem Gesichte des Vorstehers zeigte sich ein Ausdruck von Besorgniß, als er die aufgeregte Menge überblickte, Rainer dagegen sagte ganz laut:

„Der Werdenfels? Um so besser! Dann können wir es gleich hier auf der Stelle mit ihm ausmachen.“

Raimund hatte längst den Galopp seines Pferdes gemäßigt und kam jetzt im Schritt näher. Die Haltung der Bauern ließ keinen Zweifel darüber, daß und wie sie ihn erwarteten, aber er nahm keine Notiz davon, sondern sagte kurz:

„Was sperrt Ihr hier die Dorfstraße? Gebt Raum, daß ich hindurch kann.“

Der herrische, befehlende Ton war ebenso ungewohnt wie unvorsichtig in diesem Augenblicke, aber es lag darin jener herbe Trotz, der die Gefahr herausfordert, statt sie zu vermeiden. Die Menge schien diese Herausforderung auch zu begreifen, denn es wurde ein dumpfes Murren laut, und Rainer trat mit einer trotzigen Bewegung vor, als der Gemeindevorsteher, der einen Ausbruch zu fürchten schien, ihn zurückdrängte und an seiner Stelle das Wort nahm:

„Wir wollten eben zu Ihnen, Herr Baron, auf’s Schloß, um mit Ihnen zu reden.“

„Worüber?“ fragte Werdenfels, indem sein Blick kalt und verächtlich über die Menge hinglitt, die jetzt näher herandrängte. Die Dorfstraße war in der That in ihrer ganzen Breite gesperrt, und anstatt Platz zu machen, umgab man den Freiherrn und sein Pferd von allen Seiten, sodaß er weder vorwärts noch rückwärts konnte.

„Nun, über das, was heute Nacht passirt ist,“ antwortete der Vorsteher. „Ist es wahr, daß Sie bei den Gerichten Anzeige machen wollen, wie der Herr Pfarrer sagt?“

„Ja, denn ich bin nicht gesonnen, noch länger die Zerstörungen meines Eigenthums zu dulden. Uebrigens ist das meine Sache allein.“

„Nun, uns geht sie doch auch an, sollt’ ich meinen!“ brach Rainer los, der sich jetzt nicht länger zurückhalten ließ. „Daß Sie es nur wissen, Herr Baron, ich habe auch einen Buben dabei, und den laß ich nicht in’s Gefängniß. Ich leid’ es nicht, daß ihm etwas geschieht.“

„Das habt Ihr mit den Gerichten auszumachen,“ sagte der Freiherr ebenso kalt wie vorher. „Und jetzt noch einmal – macht mir Platz, ich will hindurch!“

Der Befehl wurde mit einer solchen Energie herausgeschleudert, daß die Bauern, überrascht und bestürzt, wirklich Miene machten, zu gehorchen. Eine rücksichtslose und furchtlose Energie wirkt immer auf die Menge, zumal hier, wo man sie gar nicht vorausgesetzt hatte, aber der Eindruck war nicht von Dauer.

„Oho, wollen Sie etwa mit uns umgehen, wie Ihr Vater?“ rief Rainer höhnisch. „Das geht heutzutage nicht mehr, die Zeiten sind vorbei, und mit Ihnen haben wir so noch eine alte Rechnung abzumachen!“

Die Worte schienen die Menge zu entfesseln, die bisher immer noch eine gewisse Zurückhaltung beobachtet hatte. Von allen Seiten erhob sich lärmende Zustimmung, das Murren wurde zum Geschrei, und Vorwürfe und Verwünschungen, wie sie nur der wildeste Haß, der krasseste Aberglaube erfinden kann, brachen gegen den Freiherrn los. Noch waren es bloße Worte, aber schon in der nächsten Minute konnten es Thätlichkeiten werden.

Der Gemeindevorsteher, der einzige Gemäßigte und Besonnene, versuchte es vergeblich sich Gehör zu verschaffen, er wurde überschrieen, und als er Rainer beschwichtigen wollte, stieß ihn dieser ohne Weiteres zurück.

Raimund hielt inmitten der tobenden Menge, ohne auch nur den Versuch einer Beruhigung oder Verständigung zu machen. Er blickte so fremd und theilnahmlos auf all dies Lärmen und Drohen, als sei er gar nicht der Gegenstand desselben, in seinem Antlitz lag wieder jene todte eisige Ruhe, die mit der Welt und den Menschen abgeschlossen hatte; er war ja gescheitert mit dem Versuche, ihnen wieder nahe zu treten! Nur in seinem verdunkelten Blicke zuckte etwas auf wie herbe Verachtung, als er auf diese Menschen niedersah, denen er hundertmal die helfende Hand gereicht hatte, deren Sicherheit er mit einem Opfer von vielen Tausenden hatte erkaufen wollen – und die ihm nun so lohnten.

„Geben Sie mir meinen Buben heraus und die Anderen dazu!“ schrie Rainer in zügelloser Wildheit. „Wir dulden es nicht, daß sie im Schlosse eingesperrt bleiben. Geben Sie sie heraus!“

„Ja, sie müssen heraus! Wir wollen sie heraus haben!“ tobte und schrie es von allen Seiten, und Roß und Reiter wurden so dicht umdrängt, daß sie sich nicht regen konnten.

Werdenfels hielt mit vollster Kraft den schnaubenden, bäumenden Emir im Zügel, der mit jeder Minute scheuer und wilder wurde: wäre er nicht so vollständig des Thieres Herr gewesen, es hätte sich mit seinen Hufen gewaltsam Bahn geschafft durch seine Bedränger.

Noch wagte sich Niemand an den Freiherrn, aber jetzt gab ein halberwachsener Bursche das Zeichen zum Angriff, indem er die Zügel des Pferdes packte.

„Laß das Pferd los!“ sagte Raimund mit dumpfer, halb erstickter Stimme. „Laß los oder –“

Der Bursche gehorchte nicht – er wandte sich im Gegentheil jetzt gegen den Freiherrn selbst und versuchte ihn herabzureißen.

Raimund zuckte zusammen, als die rohe Faust des Burschen ihn berührte, sein eben noch so bleiches Gesicht wurde von einer flammenden Röthe übergossen; er hob sich hoch im Sattel, die Reitpeitsche pfiff durch die Luft, und ein furchtbarer Hieb sauste nieder auf den Angreifer, sodaß dieser, laut aufschreiend und mit einer blutigen Strieme, zurücktaumelte.

Ein allgemeiner Aufschrei der Wuth und Rache folgte der raschen That, man war im Begriff, sich auf den Freiherrn zu stürzen, aber dieser hatte die Reitpeitsche von sich geworfen und eine Pistole hervorgezogen, welche auch er jetzt immer bei sich trug.

„Zurück!“ rief er, mit einer Stimme so voll und mächtig, daß sie den ganzen Tumult beherrschte. „Zurück, sage ich! Wer es wagt, mich anzurühren, ist des Todes!“

Die Bauern wichen zurück, sogar Rainer ließ die erhobene Hand sinken. Sie waren Hundert gegen Einen, der bei einem allgemeinen Ansturm leicht überwältigt und niedergerissen wurde, aber es war eine alte Erinnerung, die ihre Arme lähmte.

Sie hatten es bisher nicht gewußt, daß auch der jetzige Herr von Werdenfels die Züge seines Geschlechtes trug, weil der Ausdruck bei dem ernsten, düsteren Manne ein so ganz anderer war, in diesem Augenblicke aber trat die Aehnlichkeit mit seinem Vater so unverkennbar, so überwältigend hervor, als sei jenes Bild im Schlosse aus seinem Rahmen gestiegen.

Die Meisten kannten noch jenen Ton und jene Stimme, die sie so oft aus dem Munde des verstorbenen Freiherrn gehört hatten, und das waren auch seine wildflammenden Augen, sein ganzes Antlitz, als sei er aus dem Grabe erstanden und mit ihm die alte Zeit, wo er noch ungestraft Tyrann sein durfte und niedertrat, was sich ihm in den Weg stellte. Dies plötzliche energische Aufflammen des Sohnes, der sich vor ihren Augen zu verwandeln schien, erfüllte die Bauern mit abergläubischem Staunen und die Todesdrohung, die er ihnen entgegenschleuderte, jagte sie vollends in Schrecken.

Man wußte es ja, daß der Felsenecker „fest“ war, daß Niemand ihm etwas anhaben konnte. Er streckte vielleicht mit einer einzigen Kugel die sämmtlichen Angreifer zu Boden und schwang sich dann durch die Luft davon, nach seinem unzugänglichen Bergschlosse, gegen Hexenkünste half ja keine Uebermacht – der Aberglaube, der dem Freiherrn so oft verhängnißvoll geworden war, schien jetzt seine Rettung zu werden.

Der Lärm verstummte, die dichtgekeilte Menge öffnete sich und machte Anstalt, den Weg freizugeben. Rainer, der mit finsterer Stirn und zusammengebissenen Zähnen dastand, sah das, [368] langsam zog er sein Messer hervor und öffnete es und in dem Augenblick, wo Werdenfels wirklich davonritt, sprang er vor.

„Nun, wenn er fest ist, so wird es doch das Pferd nicht sein!“ rief er höhnisch und dabei führte er blitzschnell, aber mit voller Gewalt, einen Stoß gegen den Leib des Thieres, das Messer vergrub sich bis in das Heft darin.

Ein furchtbares, wildes Aufbäumen des auf den Tod verwundeten Pferdes scheuchte Alles aus seiner Nähe, die Menschen stoben rechts und links zur Seite, während Raimund, der noch gar nicht wußte, was geschehen war, vergeblich versuchte, des Zügels Herr zu bleiben. Emir setzte nochmals zu einem letzten verzweifelten Sprunge an, aber die Kraft versagte ihm, er schlug wild mit den Vorderfüßen in die Luft, überschlug sich dann und, den Reiter aus dem Sattel schleudernd, stürzte er im Todeskampfe zusammen.

Das Alles war das Werk weniger Minuten. Das Pferd lag verblutend am Boden und wenige Schritte entfernt der Reiter. Auch von seiner Stirn rieselte das Blut nieder und er lag regungslos ausgestreckt, ohne Lebenszeichen. In der eben noch so haßerfüllten Menge herrschte eine Todtenstille, scheu blickten Alle auf den Gestürzten und auf das sterbende Roß, sie sahen es jetzt freilich, daß der Felsenecker nicht fest war, aber es schien, als hätte er den Beweis mit seinem Leben bezahlt.

Da kam ein Wagen im schnellsten Trabe durch das Dorf, der Kutscher trug die Werdenfels’sche Livrée, und ein junger Mann beugte sich aus dem Schlage. Es war Paul, der von Rosenberg zurückkehrte; als er die ungewöhnliche Versammlung in der Dorfstraße gewahrte, ließ er den Wagen halten und sprang heraus.

„Was giebt es? Was ist geschehen?“ fragte er rasch und unruhig.

Niemand antwortete, aber die Nächststehenden drängten sich unwillkürlich dichter zusammen, um dem jungen Baron den Anblick zu entziehen, endlich nahm der Gemeindevorsteher das Wort.

„Es ist ein Unglück passirt,“ sagte er stockend. „Der Freiherr – ist gestürzt.“

„Gestürzt? Hier in der Dorfstraße?“ rief Paul, indem er sich Bahn machte und den Kreis durchbrach. Ein einziger Blick zeigte ihm, was geschehen war, in der nächsten Minute war er an der Seite seines Onkels und versuchte, ihn aufzurichten.

Da öffneten sich nochmals die Reihen und diesmal ohne jedes Zögern vor dem Pfarrer, den der steigende Tumult denn doch aus seiner Wohnung getrieben hatte.

„Was ist vorgefallen?“ fragte auch er. „Ein Unglück?“

„Nein, ein Verbrechen!“ sagte Paul mit Bitterkeit, indem er auf das erstochene Pferd wies. „Sie sind ja sonst immer am Platze, Hochwürden, wenn in Werdenfels etwas vorfällt – hier kamen Sie wohlweislich zu spät!“

(Fortsetzung folgt.)




Auf Leipzigs Schreber-Plätzen.

Endlich, nach langem Zögern, ist der Frühling zu uns gekommen. In den großen Städten freilich merkt man nur wenig davon, und der weite ermüdende Weg durch die langen Straßen mit ihrem harten Pflaster hält gar Viele ab, ihn in seiner vollen Herrlichkeit in Wald und Flur zu bewundern. Und gerade die Alten und Kranken, denen die reine Frühlingsluft die beste Arznei wäre, und dann die Kinder, die jungen Menschenpflanzen, denen frische Luft und warmer Sonnenschein zum fröhlichen Gedeihen so nothwendig sind – gerade sie erhalten oft am wenigsten davon.

Was müssen doch die Kinder großer Städte entbehren!

Auf die Straßen und staubigen Plätze angewiesen, haben viele von ihnen kaum eine Ahnung von Wald und Flur. Sie kennen die bunte Wiese, das wogende Saatfeld nur aus dem Bilderbuche, und das Trillern der Lerche, den vielstimmigen Vogelgesang haben sie nie gehört. Ihr Auge sieht nur das Nahe, ihr Ohr ist betäubt von dem Getöse der Großstadt, in deren inneren Straßen sogar das Rollen des Donners von dem Rollen der Wagen übertönt wird. Fast alle Naturerscheinungen – außer Regen und Schnee – gehen an diesen Kindern, deren ungeübte Sinne sie nicht zu beobachten vermögen, spurlos vorüber.

Ist das nicht zu viel gesagt?

In Berlin hatten von 100 neu in die Schule eintretenden Kindern nur 17 Schilf gesehen, 18 den Gesang der Lerche, 31 den Ruf des Kukuks gehört, 24 eine Erntethätigkeit, 26 das Pflügen, 26 eine Eiche, 31 den Aufgang der Sonne, 32 einen Berg, 34 ein Dorf, 36 einen Wald, 39 eine Schafheerde, 41 ein Aehrenfeld, 46 eine Wiese, 46 den Sonnenuntergang, 53 ein Kartoffelfeld, 59 Wolken, 60 einen Schmetterling, 63 das Abendroth, 78 einen Regenbogen beobachtet. In anderen weniger großen Städten ist es natürlich besser; aber ähnliche Erfahrungen hat man auch dort gemacht. Wohl sucht nun die Schule durch ihren Anschauungsunterricht Klarheit in die kleinen Köpfe zu bringen, soll namentlich auch den Sinn für Naturbeobachtung anregen; aber die paar Schulspaziergänge im Jahre können dies nicht erzwingen, und Schulgärten giebt es zur Zeit nur wenige. Je älter aber das Kind wird, desto mehr wird es von der Schule in Anspruch genommen, und die leidigen Privatstunden verbittern ihm vollends die wenigen freien Stunden. „Umgang mit der Natur und auf Grund desselben dauernde Freundschaft mit der Natur, das ist das Glück, welches keinem Kinde vorenthalten werden darf.“ Wie weit bleibt man doch hinter dieser Forderung des Jenenser Pädagogen Stoy zurück!

Aber es kommt noch schlimmer!

Dadurch, daß man die Kinder fast den ganzen Tag an das Schul- und Arbeitszimmer fesselte und so die körperliche Ausbildung in schlimmster Weise vernachlässigte – die wenigen, oft nicht einmal in richtiger Weise ertheilten Turnstunden sind kein Gegengewicht gegen die übermäßige geistige Anstrengung – dadurch erzog man jene brillentragende, schwächliche, bleichsüchtige Jugend, die einem heutzutage auf Schritt und Tritt begegnet.

Nun sollen die Lehrer an Allem schuld sein!

Sind es denn aber nicht die Eltern selbst, die nicht müde werden, von der Schule mehr zu verlangen, die Ziele derselben immer höher zu schrauben? Giebt es nicht viele Väter, denen die Ferien als ein Gräuel, jeder Schulspaziergang als eine Bummelei, jeder wegen Hitze freigegebene Nachmittag als unnöthige Zeitverschwendung erscheinen? Da erklärt hier ein Vater: „Wenn’s meinem Sohne auch sauer wird, den Berechtigungsschein zum Freiwilligendienst muß er mir bringen, und sollte er halbe Nächte durch über den Büchern liegen müssen;“ und hier spricht eine Mutter: „Clavierspielen und Zeichnen muß meine Tochter lernen, das Bischen Sitzen wird ihr nichts schaden.“ In unserer schnelllebigen Zeit will man baldige Erfolge sehen, nach einer naturgemäßen Entwickelung fragt man nicht. Ein spielendes Kind ist solchen Eltern ein Aergerniß, sie jagen es zurück hinter die Bücher und sehen es nicht, daß ihr Kind dabei schief, halb blind und elend wird. Wahrhaftig, daß es unter solchen Umständen noch immer gesunde Kinder giebt, ist ein Beweis für die Unverwüstlichkeit und Zähigkeit der menschlichen Natur. Aber hohe Zeit wurde es, daß energische Männer, wie der Düsseldorfer Amtsrichter Hartwich, Einsprache erhoben, daß die Spitzen der maßgebenden Behörden selbst, wie der sächsische Cultusminister von Gerber und der preußische von Goßler, ihr gewichtiges Veto aussprachen. Nun gingen auch Denen die Augen auf, die vorher nicht sehen wollten, und man beklagte allgemein die mit geistiger Arbeit überbürdete Jugend, die um ihre schönsten Lebensjahre betrogen würde. Man wies auf England hin, wo fast überall großartige Spielplätze angelegt sind und die körperliche Ausbildung der Jugend in vorzüglicher Weise gepflegt wird. Aber auch in unserem Deutschland ist schon seit Jahren hier und da in dieser Beziehung ein erfreulicher Anfang gemacht worden. In turnerischen Kreisen sind die von Gutsmuths, Jahn und anderen Meistern gepflegten Turnspiele zeitweilig wohl zurückgedrängt, aber nie ganz vergessen worden, und einsichtige Aerzte und Pädagogen haben immer das alte Wort: „In einem gesunden Körper wohnt eine gesunde Seele“ zur Geltung zu bringen gesucht.

Als ein Ausgangspunkt solcher gesunder Bestrebungen muß Leipzig bezeichnet werden, wo Männer wie Roßmäßler, Bock, Schreber, Hauschild und Andere mit Erfolg für eine naturgemäße Jugenderziehung wirkten. Die ersprießliche Thätigkeit der erstgenannten

[369] 

Auf dem Schreber-Platze der Südvorstadt Leipzigs.
Originalzeichnung von G. Sundblad.

[370] Männer ist wiederholt von der „Gartenlaube“ gewürdigt worden, hier möge nur der Verdienste der Letzteren um unsere Kinder gedacht werden.

Daniel Gottlieb Moritz Schreber ward am 15. October 1808 in Leipzig geboren. Nachdem er die Thomasschule besucht, bezog er, achtzehn Jahre alt, die Universität seiner Vaterstadt, um daselbst Medicin zu studiren. Bei seinem Eintritte in die Universität war Schreber schwächlich organisirt und von dürftiger Gestalt. Aber seine Ausdauer in körperlichen Uebungen machte aus ihm einen kräftigen Mann, einen ausgezeichneten Turner, einen tüchtigen Schwimmer und Reiter, kurz, einen Meister in jeder ritterlichen gymnastischen Uebung.

Diese Erfahrung an sich selbst ward der fruchtbringende Ausgangspunkt alles dessen, was er in Wort, Schrift und That auf den Gebieten des Turnens und der Heilgymnastik, der Jugenderziehung gewirkt hat. 1833, nach Beendigung seiner Studien und Erlangung der Doctorwürde, begleitete Schreber einen russischen Edelmann als Arzt auf dessen Reisen durch Deutschland und Rußland, besuchte sodann behufs weiterer wissenschaftlicher Ausbildung die Universitäten Wien, Prag und Berlin, ließ sich dann 1836 als praktischer Arzt in Leipzig nieder und habilitirte sich zugleich als Privatdocent an der Universität. Die bisher geltenden Ansichten auf dem Gebiete der Heilkunde entsprachen nicht immer seinem Denken und Forschen, er ging eigene Wege, wie viele seiner Schriften beweisen. So unter anderen „Das Buch der Gesundheit“ (1839), „Die Kaltwasser-Methode“ (1843) und anderes. Er wollte eine Kinderheilanstalt errichten, seine Bemühungen waren aber erfolglos, sowie die 1843 an Regierung und Stände eingereichte Schrift: „Das Turnen vom ärztlichen Standpunkte, zugleich als eine Staatsangelegenheit dargestellt“.

Schreber ließ sich dadurch nicht irre machen, im Jahre 1845 gründete er im Verein mit den Professoren Bock und Biedermann den noch heute blühenden Turnverein, dem er lange Jahre hindurch als Turnrath und Vorsitzender angehörte. Das Jahr vorher übernahm er von Professor Carus eine orthopädische Heilanstalt, erweiterte und vergrößerte dieselbe und führte auf diesem Gebiete eine Anzahl wichtiger, segensreicher Reformen ein. Eine Reihe vortrefflicher Schriften über Turnen und Heilgymnastik, von denen manche vielfache Auflagen erlebten, gingen aus diesen Studien und Beobachtungen hervor. Die orthopädische Heilanstalt besteht noch heute unter Leitung von Dr. Schildbach, dem Freunde und ehemaligen Mitarbeiter Schreber’s, und hat sich immer ihren guten alten Ruf, trotz vieler Concurrenz, zu bewahren gewußt.

Im Jahre 1858 endlich erschien Schreber’s Hauptwerk: „Kallipädie oder die Erziehung zur Schönheit des Körpers und Geistes durch harmonische Veredelung der ganzen Menschennatur.“ Dieses in jeder Hinsicht ausgezeichnete Werk ist seltsamer Weise ziemlich unbekannt geblieben. Es mag dies seinen Grund in dem fremd klingenden Titel haben. Vor Kurzem ist es von dem Leipziger Professor Dr. Hennig in zweiter Auflage herausgegeben worden.[1] Es behandelt die gesammte körperliche und geistige Ausbildung, „die harmonische Durchbildung des Menschen nach Geist und Charakter und physischer Vollkraft“; da ruft Schreber aus: „Körperliche Gesundheit vor Allem, denn sie bedingt die Gesundheit der Seele: den Frohsinn. Dieser aber öffnet die Seele allen guten Eindrücken und Aeußerungen, selbst den größten Kraftäußerungen edler Willenskraft. Er ist die Lebenssonne, unter welcher allein alle edlen Keime der kindlich-geistigen Grundkräfte emporkommen und gedeihen, unter welcher sie leichter der erzieherischen Entwickelung zugängig sind, während umgekehrt körperlicher Druck die Entwickelung der Keime der geistigen Schatten – und Giftgebilde fördert. Dem kindlichen Alter fehlt noch die Kraft, sich trotz körperlicher Noth über diese hinaus zur Höhe des Frohsinns zu erheben, wie es dem gestählten Charakter eines gereiften Menschen zuweilen gelingt. Alle Fehler der körperlichen Erziehung erschweren, ja untergraben daher zugleich die geistige Erziehung.“

Gar scharf weist er die Eltern auf ihre Pflichten hin.

„Die Frage: Wo und von wem wird im Allgemeinen die Erziehung am besten vollführt werden? könnte fast überflüssig erscheinen, da die Antwort: von wem anders als von den Eltern, als eine so natürliche, selbstverständliche der Frage auf dem Fuße folgt. Und doch scheint in unserer Zeit gerade der umgekehrte Brauch immer mehr und mehr einzureißen. In gefährlicher, die eigene Schwäche zu bemänteln suchender Selbsttäuschung schieben die Eltern fast die ganze Last, Verpflichtung, Verantwortlichkeit der Erziehung erst den Lehrern zu, die doch hauptsächlich für Unterricht zu sorgen haben, dagegen, besonders in den Schulen, die Möglichkeit der Erziehung des Körpers, des Charakters, des Gemüths in einem auch nur nothdürftig ausreichenden Grade gar nicht mehr in den Händen haben, obschon auch ihre unterstützende Mitwirkung zur Erziehung unentbehrlich ist. Oder man entfernt die Kinder möglichst bald aus dem elterlichen Hause, um sie Pensionaten, Lehr- und Erziehungsanstalten vollständig zu übergeben, in der Meinung, so das Seinige gethan zu haben, ungünstigen Falles wenigstens – seine Hände in Unschuld waschen zu können. Sagen wir es kurz: die elterliche Erziehung droht aus der Mode zu kommen, auch in unserem deutschen Vaterlande, welches doch den Ruhm der Innigkeit des Familienlebens sich noch am meisten gewahrt hat. Wir meinen hier natürlich nicht diejenigen Fälle, wo durch unvermeidliche Nothwendigkeit die Erziehung den Händen der Eltern entwunden wird; nein, es ist hier die Rede von den leider in zunehmender Häufigkeit auftretenden Fällen, wo die Scheingründe, hinter denen sich die Schwäche, Bequemlichkeit, Vergnügungssucht, blasirte Modelaune und wohl noch manches andere Unedle der Eltern verbirgt, die Kinder um den Segen der elterlichen Erziehung bringen.“

Dann richtet Schreber ein ernstes Wort an die Väter, denen er die Hauptschuld des Verfalles der heutigen Familienerziehung vorwirft.

„Sind es nicht Schwächen, wenn wir Väter Dieses oder Jenes von häuslichen Angelegenheiten, was gemeinschaftlich getragen oder durchgeführt werden sollte, auf den Schultern der Frau oder anderer Glieder des Hauses allein liegen lassen; oder wenn wir im Hause stets und auch in Nebendingen auf Kosten höherer Rücksichten unser Ich, unsere persönliche Neigung, Bequemlichkeit u. dergl. obenan gestellt wissen wollen; oder wenn wir aus Zerstreuungssucht, aus vermeintlich socialen Rücksichten ernstere Pflichten gegen die Familie hintansetzen, die Früchte der Erziehung nur genießen, nicht aber auch entwickeln und ausbilden helfen wollen? Wer von uns Vätern könnte sich von allen diesen Schwächen vollkommen freisprechen? Blicke jeder auf sein Leben zurück, und – die Hand auf’s Herz – wir müssen alle mehr oder weniger ein derartiges ‚Schuldig‘ über uns aussprechen.“

Das sind Worte, welche die Zustände unseres heutigen Familienlebens, unserer heutigen Kindererziehung bis in’s Innerste treffen. Als Arzt und als Pädagog entwirft nun Schreber in eingehender Weise in diesem Werke ein allgemeines, dabei aber immer auf alle Fälle anwendbares Bild des Erziehungsganges vom Säuglingsalter an bis zum Uebergange zur Selbstständigkeit, also bis etwa zum zwanzigsten Lebensjahre, dabei die körperliche Seite und die geistige Seite gleichmäßig behandelnd. Der Herausgeber der neuen Auflage erklärt in Beziehung auf diese Schrift:

„Das Streben Schreber’s, ein gesundes, unsere Vorfahren abspiegelndes Geschlecht heranzubilden, sein geistiges Wohl und sein Gemüthsleben gleichmäßig wie das körperliche zu bedenken, wird von wenigen Erziehungsschriften erreicht, von keiner übertroffen.“

Allen Eltern, Erziehern und Lehrern muß dies Werk als ein Hausschatz köstlichster Art empfohlen werden. In dem unermüdeten Streben, ein gesundes Geschlecht heranzuziehen, wandte sich Schreber auch an die „Gartenlaube“. Im Jahre 1860 (S. 414) erschien darin sein berühmter Aufsatz: „Die Jugendspiele in ihrer gesundheitlichen und pädagogischen Bedeutung“, in welchem der wackere Mann goldene Worte zu den Herzen des deutschen Volkes sprach, aber sie verhallten zunächst erfolglos. Dr. Schreber hat es nicht erlebt, daß sich seine Ideen verwirklichten. Am 10. November 1861 starb er im kräftigsten Mannesalter. Aber die Saatkörner, die er so reichlich ausgestreut, sollten gute Frucht bringen. Die Gegenwart wird ihm gerecht, denn alle seine Forderungen fingen an sich zu verwirklichen.[2]

[371] Es konnte nicht fehlen, daß namentlich unter den Leipziger Lehrern das Wirken Dr. Schreber’s von Erfolg war. In den Lehrern erkannte er seine besten Mitarbeiter und dadurch, daß er verlangte, die Erziehung müsse auf genauer Kenntniß der Physiologie und der Psychologie sich aufbauen, suchte er der Erziehungskunst eine feste, wissenschaftliche Grundlage zu geben. Lehrer waren es auch, die in Leipzig den ersten Schreber-Platz schufen. Der erste, welcher die Hand an den Pflug legte, war der als tüchtiger Pädagog weithin bekannte Leipziger Schuldirector Dr. Ernst Innocenz Hauschild.

Auch er verdient es, daß wir hier seine Vergangenheit kurz berühren. Er wurde am 1. November 1808 in Dresden geboren. Dort erhielt er auch seine erste Schulbildung. Später besuchte er die Fürstenschule in Meißen und bezog 1826 die Universität Leipzig, um hier Philosophie, Philologie und Theologie zu studiren. Dann ging er in gleicher Absicht nach München, wo ihn namentlich neuere philologische Studien fesselten. Von 1830 ab ist er Lehrer und Leiter der verschiedensten Anstalten gewesen. Sein pädagogisches Wanderleben hat ihm viele Enttäuschungen, aber auch reiche Erfahrungen gebracht. Er gab verschiedene Lehrbücher in der französischen und englischen Sprache heraus, die vielfache Auflagen erlebten. In dem von ihm gegründeten „Modernen Gesammtgymnasium“ in Leipzig suchte er praktisch nachzuweisen, daß der Schüler vom Deutschen zunächst in die englische und französische und zuletzt erst in die lateinische und griechische Sprache einzuführen sei. Später, 1854, errichtete er eine höhere Töchterschule, die noch heute unter der Leitung eines seiner Schwiegersöhne, des Dr. Willem Smitt, blüht. Mehr und mehr fühlte er sich zur Volksschule hingezogen. Er ward 1862 Director der vierten Bürgerschule, in welcher Stellung er leider nur vier Jahre wirken sollte; bereits am 5. August 1866 starb er, zu früh für die Seinen, zu früh für die Schule.

Hauschild war ein echter Gesinnungsgenosse Schreber’s. Auch er suchte dem alten Satze: „Eine gesunde Seele in einem gesunden Körper“ volle Geltung zu verschaffen. Seine Schule wurde z. B. die erste in Leipzig, welche einen Turnsaal hatte, dann suchte er zwischen Haus und Schule eine innigere Verbindung herzustellen, um seine Ideale verwirklichen zu können. Am 30. April 1864 erließ er an die Bewohner der Westvorstadt, an seine „liebe Schulgemeinde“, einen Aufruf, in dem er zur Bildung eines „Eltern- und Lehrervereins“ aufforderte. Als eine Hauptaufgabe dieses Vereins stellte er die Beschaffung von Spielplätzen für die Jugend hin.

„Wie lange wird es dauern“ – schreibt er – „und unsere Kinder sind, wie die bedauernswerthen Kinder der inneren Stadt, mit ihren Spielen auf das unerquickliche und gefahrbringende Straßenpflaster, auf kleine Höfe, auf winzige Gärten angewiesen. Wollen wir nicht jetzt, so lange der Grund und Boden in unserer Vorstadt noch verhältnißmäßig wohlfeil zu erlangen ist, einen Spielplatz auf alle Zeiten für die Kinder auf der Westseite von Leipzig, für die Kinder der vierten Bürgerschule erwerben, einen großen Spielplatz, auf welchem man zugleich in einem Winkel einen hübschen ‚Kleinkindergarten‘ und in einem anderen Winkel für die Schule einen ganz bescheidenen kleinen botanischen Garten anlegen könnte? Ein Privatmann wird früher oder später einen solchen Platz als gute Baustelle losschlagen, oder seine Erben werden es wenigstens thun; die Schulgemeinde, welche durch ihren Schulverein diesen Platz erworben hätte, wird aber den Spielplatz für ihre Kinder nimmer sich feil machen lassen, so wenig als ein englischer Lord seinen Park in London aufgiebt, wenn auch ringsum die ungeheure Stadt ihm über den Kopf gewachsen ist.“

Hauschild hatte den rechten Augenblick erfaßt. Seine Idee fand solchen Anklang, daß kurz nachher ein solcher Verein in’s Leben trat, der alsbald auch vom Leipziger Rathe einen geeigneten Platz, wenn auch nicht kaufte, so doch pachtweise erwarb. Man wollte dem neuen Verein den Namen seines Gründers beilegen; aber der wackere Hauschild lehnte dies mit aller Entschiedenheit ab und gab in Erinnerung an die Bestrebungen seines verstorbenen Freundes dem jungen Verein den Namen „Schreber-Verein“ und dem Spielplatze den Namen „Schreber-Platz“. Am 29. Mai 1865 wurde dieser Schreber-Platz feierlich eröffnet, und Hauschild hielt die Weihrede, in welcher er dies Geschenk, womit die Eltern und Lehrer ihre Kinder erfreuten, mit einer Weihnachtsbescheerung verglich. Das Jahr darauf starb Hauschild. Sein Andenken lebt fort in seinen Schöpfungen und den Herzen aller derer, die ihn kannten. Auf dem ersten Schreber-Platze Leipzigs ist ihm ein Denkmal gewidmet, das immer bekränzt ist.

Das Beispiel der Westvorstadt reizte zur Nachahmung. Die Saat der beiden edlen Männer ging langsam auf. 1874 trat der Schreber-Verein der Südvorstadt, 1881 der der Nordvorstadt in’s Leben, und jeder Verein hat einen stattlichen Schreber-Platz für seine Kinder zur Verfügung. Die Einrichtungen sind bei allen dreien fast dieselben.

In den „Satzungen“ des südvorstädtischen Schreber-Vereins steht: „Der Zweck des Vereins ist, im Sinne des verewigten Dr. Schreber und Director Dr. Hauschild für die leibliche und geistige Erziehung der Kinder nach besten Kräften zu wirken. Für das leibliche Wohl der Kinder sorgt der Verein durch einen gesund gelegenen, mit Gärten umgebenen Spielplatz, sowie durch Förderung und Pflege geeigneter Spiele auf demselben. Er veranstaltet, soweit es die Verhältnisse gestatten, im Sommer gesellige Zusammenkünfte der Mitglieder mit ihren Kindern und ein großes Sommerfest. Im Sommerhalbjahre soll auch, soweit möglich, durch Pflege des Gartenbaues den Kindern Gelegenheit geboten werden zu einer nützlichen und belehrenden Beschäftigung. Zur Hebung und Förderung der geistigen Jugenderziehung veranstaltet der Verein im Winterhalbjahre möglichst allmonatlich eine Vereinsversammlung, in welcher praktische Erziehungsfragen durch Vorträge mit daran sich anschließender Besprechung erörtert werden.“

Und nun hinaus auf den Schreber-Platz!

Unser Bild führt uns den der Südvorstadt vor. Wir gehen auf dem Schleußiger Wege an der Rennbahn vorüber dem Walde zu. Am Waldrande breitet sich auf einem etwa fünf Acker großen Areal eine reizende Gartenanlage aus. Das ist der Schreber-Platz. Wir treten ein, gehen am Wächterhause vorüber und gelangen bald an eine mächtige Wiese, die, in der Mitte des Ganzen gelegen, von allen Seiten mit Gärtchen, circa 150, umgeben ist. Im Hintergrunde der Wiese erhebt sich die stattliche Spielhalle, die bei plötzlich eintretendem ungünstigem Wetter die Kinder aufnimmt.

Jetzt aber kann das Wetter nicht schöner sein, und das Herz geht uns auf bei dem köstlichen Anblick, der sich uns darbietet. Hunderte von Kindern aller Altersstufen spielen in größeren oder kleineren Gruppen auf der Wiese. Hier haschen sich welche, dort werfen andere mit dem Balle, jene Mädchen führen einen zierlichen Turnreigen aus, diese Knaben üben in Schlangenlinien einen Dauerlauf. Dort sitzen ganz kleine Kinder im Grase und spielen mit Blumen, etwas größere spielen Blindekuh, Katze und Maus und andere altbekannte Jugendspiele. Allen aber sieht man es an, wie glücklich sie sich fühlen; Frühling draußen, Frühling innen. Da lernt man Jean Paul’s Wort verstehen: „Ein Blick in ein frohes, heiteres Kinderherz ist ein Blick in’s Himmelreich.“

Hier und da sieht man auch Erwachsene an den Spielen der Kinder Theil nehmen. Das sind glückliche Eltern, die mit ihren Kindern wieder jung werden, oder Mitglieder der Spiel- und Aufsichtscommission, welche zusehen, daß Alles in rechter Weise geschieht. Sie ordnen die Spiele, sie schlichten den Streit. Diese Herren und Damen sind für den Verein von großer Bedeutung, denn sie verstehen die große Kunst, mit Kindern gut zu spielen. Sie sind aber auch in vortrefflicher Schule gewesen, der „alte Gesell“ war ihr Meister.

Wer vor fünf, sechs Jahren den Schreber-Platz besuchte, der bemerkte gewiß bald einen kleinen freundlichen Herrn mit silberweißem Haar und schwarzem Sammetkäppchen, der, fast immer von einer lustigen Schaar umringt, sich mit ganzer Seele den Kindern und ihren Spielen hingab (vergl. unsere Abbildung). Das war der alte Gesell, Leipzigs Spielvater. Der Mann erinnerte nicht nur in seiner äußeren Erscheinung an Pestalozzi, auch in der Art und Weise, wie er mit den Kindern verkehrte, in seinem ganzen Wesen zeigte er große Aehnlichkeit mit dem berühmten Schweizer Pädagogen. Er erinnerte auch an Fröbel – kurz, man sah es ihm auf den ersten Blick an, daß er ein großer Kinderfreund, ein geborener Lehrer war.

Und die Kinder! Sie fühlten sofort, daß dieser Mann mit den klaren, strahlenden Augen zu ihnen gehörte. So, wie er, konnte Keiner erzählen, so verstand Niemand zu spielen. Es [372] war der Zauber seines reinen kindlichen Gemüths, der sie zu ihm hinzog.

Karl Gesell war ein Schlesier, er wurde am 8. Juni 1800 zu Liegnitz geboren. Frühzeitig regte sich in ihm die Lust zu lernen und zu lehren. Seine Ausbildung erhielt er im Seminar zu Breslau, später besuchte er die Universität in Leipzig. Ihn jammerten besonders die verwaisten und verwahrlosten Kinder. Wo er nur konnte, nahm er sich ihrer an. In Dresden gründete er eine Beschäftigungsanstalt für sie, dann wurde er nach Dessau berufen, wo er eine ähnliche Anstalt errichtete. Von dort ging er nach Mecklenburg und organisirte dort Schulen nach seinem Systeme. Auch als Schriftsteller war er thätig, seine Volks- und Jugendschriften fanden viel Anklang. Gesell liebte heitere Kinder, darum spielte er viel mit seinen Zöglingen. Er wußte, daß ein freudig erregtes Herz guten Einflüssen am leichtesten zugänglich ist. Nach langer unermüdlicher Wirksamkeit in Dessau ließ er sich in Leipzig nieder und entfaltete hier am Waisenhause und in den Schreber-Vereinen eine segensreiche Thätigkeit. Auf den Schreber-Plätzen war er der Liebling von Jung und Alt. Er ordnete und leitete die Spiele und verstand es, die jungen Mitglieder des Vereins, namentlich Mädchen und Frauen, zu gleicher Thätigkeit anzuregen. Als im Herbste 1879 der alte Spielvater starb, da gaben ihm Hunderte von Kindern das letzte Geleite und dankten ihm thränenden Auges für seine Liebe und seine Treue. Er aber hatte für sie gesorgt, indem er eine Anzahl junger Leute aus allen Ständen herangezogen hatte, die nun in seinem Geiste und Sinne die Spiele ordneten und leiteten.

Schreber, Hauschild, Gesell – jeder in seiner Art – sind gewissermaßen die Standesheiligen der Schreber-Vereine geworden, deren Andenken nie erlöschen wird. Bei allen Festen wird ihrer pietätvoll gedacht und ihre Gedenksteine und Bilder werden bekränzt.

Wie schon oben bemerkt, sind die Einrichtungen der Schreber-Vereine und Schreber-Plätze in der Hauptsache einander gleich. Wahrhaft großartig sind die Kinderfeste, welche jeden Sommer mehrmals abgehalten werden. An solchen Tagen, wie am Johannis-Feste, am großen Sommerfeste, am Sedantage ziehen Tausende von Kindern nach ihren Spielplätzen. So waren am großen Kinderfeste 1880 auf dem Schreber-Platze der Westvorstadt über zweitausend Kinder zum festlichen Spiele versammelt. Da nun selbstverständlich auch die erwachsenen Angehörigen dabei sind, so entwickeln sich hier Volksfeste bester Art. Der Platz ist mit Fahnen und Standarten geschmückt, Musik und Gesang erschallt; überall – auf dem Platze und in den Gärten – tummeln sich fröhliche Menschen. Abends zumal, wenn bengalische Flammen und Lampions Alles beleuchten, bietet der Platz einen feenhaften Anblick. Aber diese Feste, so sehr sie gefallen, sind nicht die Hauptsache. Das Wichtigste ist, daß Hunderte von Kindern – es werden auch die nicht dem Vereine angehörenden zugelassen – täglich sich in frischer gesunder Luft unter guter Aufsicht erquicken und austummeln können. Um den Kindern aber auch im Winter die nöthige Erholung zu bieten, will man die Spielplätze in Eisbahnen verwandeln. Im vergangenen Winter hatte die Stadt für eine solche unentgeltliche Eisbahn gesorgt, die viel benutzt wurde.

Dr. D. G. M. Schreber.
Auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Im Winter versammeln sich die Vereine monatlich einmal. Mitunter treten sie zu gemeinschaftlichen Sitzungen zusammen. Es werden anregende Vorträge gehalten und edle Geselligkeit gepflegt. Da namentlich die Lehrer der in den betreffenden Bezirken gelegenen Schulen regen Antheil nehmen, so kommt in diesen Versammlungen das, was Hauschild wünschte, zur vollen Geltung: die Eltern treten mit den Lehrern ihrer Kinder in engere Verbindung und tauschen gegenseitig ihre Erfahrungen und Ansichten aus. Einmal im Winter, zum Weihnachtsfeste, werden auch die Kinder herangezogen und durch eine gemeinsame Bescheerung erfreut. So geht von diesen Vereinen das ganze Jahr hindurch Licht und Leben aus.

Auch auswärts beginnt man ähnliche Einrichtungen zu treffen, so in Magdeburg, Altona, Hamm etc., selbst aus England und Amerika kommen Anfragen. Da sei hier gleich mit bemerkt, daß über Geschichte, Organisation, Kosten etc. der Schreber-Vereine demnächst ein Werkchen von dem um die Weiterentwickelung dieser Angelegenheit verdienten Leipziger Lehrer Eduard Mangner erscheinen wird, auf das wir dann besonders aufmerksam machen werden.

Ob man auch auswärts den Namen Schreber-Verein annehmen wird? Wünschenswerth wäre es, der Einheitlichkeit wegen. Die Hauptsache ist und bleibt aber, daß Schreber’s Geist darin waltet, und daß vor allen Dingen – der Spielplatz nicht fehlt. In Leipzig hatte schon vor zehn Jahren auch die Ostvorstadt einen Schreber-Verein, aber das Wichtigste, der Spielplatz fehlte. Da faßte der junge Baum keine Wurzel und ging wieder ein. Hoffentlich tritt auch hier bald ein frischer Verein in’s Leben, aber mit einem Schreber-Platze; hoffentlich entstehen auch bald an vielen anderen Orten unseres Vaterlandes Schreber-Plätze. Aber man gehe nun weiter.

Voll und ganz wird Schreber’s Idee erst dann verwirklicht, wenn nicht nur die Kinder der Volksschule, wenn auch die Schüler der höheren Unterrichtsanstalten ihre Spielplätze erhalten. Dahin zielt auch der Erlaß des preußischen Cultusministers von Goßler vom 27. October vorigen Jahres, in welchem die hohe Bedeutung der Jugendspiele treffend charakterisirt wird. In dieser Beziehung sind in Leipzig wohl schon Versuche gemacht worden, es fehlten aber bisher die entsprechenden Plätze. Jetzt wird ein solcher in der Nähe des von uns geschilderten Schreber-Platzes eingerichtet. Ein gutes Beispiel hat hier Braunschweig gegeben. Dort hat man schon seit einigen Jahren im Gymnasium die Einrichtung getroffen, daß die sämmtlichen Schüler von Quarta an bis Obersecunda im Sommer wöchentlich zweimal je zwei Stunden hindurch officiell spielen. Eingeführt sind neben deutschen Turnspielen, Cricket, Fußball etc., da diese sich besonders für eine größere Anzahl Spieler eignen. Außer diesen von der Schule eingerichteten Spieltagen kommen jede Mittwoch eine große Anzahl Schüler zu freiwilligem gemeinsamem Spiele zusammen. Gewiß hat man auch anderwärts schon ähnliche Einrichtungen getroffen. Der Erlaß des Ministers wird zum Heile unserer Jugend seine Wirkung nicht verfehlen.

Möchten doch unsere deutschen Gemeindebehörden bei Anlage neuer Schulen mit dem Platze nicht geizen, sondern möglichst Raum schaffen zu einem Schulgarten und einem Spielplatze! Möchten sie sich doch in dieser Beziehung die englischen Behörden [373] zum Muster nehmen. In England giebt schon seit 1847 ein Gesetz besondere Vorschriften über Anlage von öffentlichen Spiel- und Erholungsplätzen, viele Gemeinden gehen aber weit darüber hinaus und bringen die größten Opfer. London verwendet Millionen dafür; Bradford hat ebenfalls mit einem Kostenaufwand von fast drei Millionen Mark fünf große Spielplätze geschaffen, Leeds hat deren auch fünf, Birmingham neun, auch kleine Orte sind nicht zurückgeblieben. – Welch schöne Beispiele! Selbstverständlich müssen neben den Spielen das Turnen, Schwimmen, Schlittschuhlaufen, besonders auch gemeinschaftliche kleine Wanderungen eifrig gepflegt werden „Der Gewinn davon,“ schreibt Minister von Goßler, „kommt nicht der Jugend allein zu gut, sondern unserem ganzen Volk und Vaterland.“

E. Stötzner.




Groß-Feuer in Berlin.

Vor 150 Jahren und jetzt.
Culturhistorische Skizze von C. F. Liebetreu.
(Schluß.)

Einhundertundfünfzig Jahre sind nunmehr vergangen, seit der Herr Magister aus Stettin zusammen mit dem Wirth die Gaststube betraten und die Frühsuppe nach den ausgestandenen Strapazen verzehrten.

Im Urwalde des „Nationalparks des Yellowstone“.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.


Wie damals tönen noch heute die Glocken von St. Marien, St. Nicolai und von der grauen Klosterkirche, wie damals stehen noch elende Häuser aus Fachwerk auf hölzernen Pfählen in der Spree an der Fischerbrücke, wie damals besteht noch der Mühlendamm mit seinen Baracken, seiner engen Straße. Aber wie anders ist sonst die Residenz geworden! Aus 76,000 Einwohnern wurden es mehr als eine Million, und wo einst das Häschen in aller Seelenruhe das ferne Kohlfeld des Gärtners besuchte, wo knorrige Fichten und Föhren standen, oder wo die Spree weite Sümpfe bildete, wo der einsame ermüdete Wanderer durch tiefen Sand der Stadt zustrebte und sich furchtsam umsah nach Raubgesindel, da reiht sich jetzt Palast an Palast, da wogt es durch die Straßen, Gas- und elektrisches Licht verdrängt die Nacht, Tausende von Fuhrwerken jagen durch die Straßen, die Pferdebahnen durchziehen mit ihren Geleisen das Pflaster und dort, wo einst der Herr Magister am Georgen-Thor dem Thorwart hat Rede stehen müssen, da liegt jetzt der Alexander-Platz, und die Züge der Stadteisenbahn, die West und Ost des Häusermeeres verbindet, brausen darüber hin sicher und gefahrlos denn Tausende von Steinbogen sichern ihnen oben den Weg.

Wieder ist’s ein schwüler Sommerabend. Der Bäckermeister Friedrich Wilhelm Steffen steht behaglich in der Thür seines kornblumenblau tapezirten Ladens mit den blendend weiß lackirten Regalen, schaut schmunzelnd auf das große Schaufenster mit den verschiedenen Gebäcken hinter der riesig großen Scheibe und freut sich seines Daseins. Warum sollte er auch nicht? Hat er doch in seinem Vaterstädtchen ehrlich gearbeitet und gespart und, da „Mutter“ auch ein paar Groschen als Mitgift bekommen, hat er das Streben seines ganzen Lebens erreichen können: er hat ein Haus in Berlin gekauft und seit vier Wochen heizt er in der Kaiserstadt allnächtlich mit den Gesellen seinen Backofen, und in den freien Stunden des Tages, da steht er glückselig wie ein Pascha in der Thür seines Ladens, schaut auch hin und wieder hinauf auf die drei Stockwerke bis zur Dachfirste, um sich an der Größe des Besitzes zu erfreuen.

Ein Straßenjunge kommt pfeifend vorbei, die Hände in den [374] Hosentaschen, liederlich, wenn auch nicht zerrissen oder schmutzig im Anzuge. Als er gerade beim Meister angelangt, hört er plötzlich mit Pfeifen auf. Die Gleichgültigkeit ist aus seinem Gesichte gewichen, scharf blickt er hinauf zum Dache, dann tritt er zum Wirth und sagt mit einem Ernst, welchen man diesem durchtriebenen Gesicht nicht zugetraut hätte:

„Meester! Sehen Sie ’mal da oben den Rooch! Ick jloobe, et brennt bei Ihnen!“

Bleich vor Schreck blickt der Mann in die Höhe.

„Bei Gott,“ ruft er verzweifelt, „es brennt! Junge, Du sollst ein Trinkgeld haben, hole mir eine Droschke, so schnell Du kannst, ich will zur Polizei, ich will –“

„Man nich!“ erwidert der Junge eifrig. „Erstens Sie sind woll nich von hier?“

„Nein, mein Sohn!“ sagte der Alte kleinlaut.

„Na, denn kann ick Ihnen man blos sagen, Sie brauchen sich jar nich im Jeringsten zu jraueln! Des is ja nich so schlimm, als wie wo anders.“

„Aber was soll ich thun?“ rief der Mann, der den Rauch immer stärker werden sah, ganz verzweifelt.

„Jar nischt! Ick wer’ die Sache besorgen. Wenn ick commandire, is Moltke jar nischt jejen mir! In zwee Minuten is die janze Feuerwehr hier. Passen Sie mal uff!“

Spornstreichs lief er quer über die Straße. An einem Hause, vor dem eine rothe Laterne das Wort „Feuermelder“ zeigte, machte er Halt, zog seine Pantine vom rechten Fuße und schlug damit eine kleine Scheibe ein, die nicht weit vom Eingange des Hauses angebracht war. Dann drückte er auf einen darunter befindlichen Knopf und – die nächste der hundertundein öffentlichen Telegraphenverbindungen der Stadt ist in Thätigkeit gesetzt, um das Feuerdepôt zu alarmiren. Diese informirt im Nu durchs Weckersignal alle Feuerwehrstationen.

Wo aber die Glocke ertönt, da ist’s, als wenn mit Zauberschlag Alles auf die Beine kommt. Die Mannschaften ergreifen Helm und Geräth und stürzen aus der Wachtstube hinunter auf die Straße, die Remisenthüren fliegen auf, schräg ab auf die Straße rollen die Spritzen und Wasserwagen, die Fahrzeuge für Mannschaften und Geräthe, leicht wie Spielzeug und blitzblank, daß die Sonne ihre Freude damit hat. Und die klugen Pferde in den Ställen, auch sie haben den Wecker gehört, in wilder Ungeduld warten sie auf die Befreiung von der Koppel an der Krippe, ohne Führung laufen sie über den Hof, durch den Hausflur, und ohne Besinnen, ohne den leisesten Wink nehmen sie ihren Platz ein an ihrem Wagen. Das Geschirr wird angeschnallt, die Depesche kommt aus dem Bureau, welche meldet, wo das Feuer ausgebrochen.

„Aufgestiegen! Marsch!“ wird von den Wagenführern commandirt. Auf die Spritze springen vier Feuermänner, ein Oberfeuermann, ein Fahrer hat das Sattelpferd bestiegen, auf dem schweren, gefüllten Wasserwagen, an welchem die Rädertiene schon angehängt ist und den ganz besonders kräftige Pferde ziehen, sitzen der Fahrer und zwei Spritzenmänner, im Nu ist der Personenwagen besetzt mit elf Spritzenmännern, drei Feuermännern, einem Oberfeuermann und einem Hornisten. Die zufällig die Straße Passirenden prallen zurück, stehen doch auf einmal vier bis fünf mit Menschen gefüllte Wagen vor ihnen, deren Pferde ungeduldig der Abfahrt warten, dicht vor ihnen auf einer Stelle, die noch vor einer halben Minute still und leer war. Eine Ordonnanz bringt den Zettel, welcher die soeben aufgenommene Depesche enthält, dem im Thorwege harrenden Brandmeister. Seit dem ersten Läuten des Weckers bis zur Uebergabe dieser Depesche an den Commandirenden ist eine Minute verflossen!

„Groß-Feuer, Stralauer Straße 100,“ liest der Brandmeister laut. „Vorwärts!“ und beim rothflackernden Lichte der Fackeln, beim Klingeln der Wagenglocken, welche dauernd den Fußgängern und Fuhrwerken ihr: „Macht Platz!“ zurufen, saust die Wagencolonne dahin. Zwei Handspritzen fahren zuerst, hinterher rasseln zwei Wasserwagen mit ihren Rädertienen, ihnen folgt der dichtbesetzte Personenwagen, auf dem im letzten Augenblicke der Brandmeister Platz genommen in vorderster Reihe, zuletzt kommt die Dampfspritze mit dem Tender, der Schläuche und Kohlen birgt. Unter ihrem Kessel sind Holzspähne und andere Brennstoffe schon im Voraus angehäuft gewesen, jetzt werden sie in Brand gesetzt, in fünf Minuten muß ja schon genügend Dampf zum Arbeiten der Maschine entwickelt sein; dafür beansprucht sie aber auch zu ihrer Bedienung zwei Oberfeuermänner, acht Feuermänner, einen Heizer, einen Fahrer und einen Maschinenmeister.

In wenigen Minuten ist die Brandstätte erreicht; auch von anderen Richtungen taucht das gluthrothe Licht der Fackeln aus den langen blaßleuchtenden Laternenreihen hervor; andere Züge anderer Depôts kommen, immer lebhafter wird das Wagengerassel, das Klingeln der ankommenden Gefährte, das Pfeifen der Signale, die Häuser scheinen zu erglühen im Fackellicht, die Spritzen machen Halt, die Personenwagen auch, die Mannschaften stehen schon bei ihrem Gefährt stramm in Reih und Glied, sie warten auf die Befehle, welche die Brandmeister und Commandirenden nach ihrer sofort begonnenen Inspicirung der Brandstätte geben werden.

Die Flammen züngeln jetzt aus den Bodenluken, sie haben in aufgeschichteten Tischlerarbeiten nur zu gutes Material gefunden; unheimlich kriecht dicker, gelblich brauner Qualm durch die Fugen der Dachsteine, doch aus den Nachbarhäusern, aus den Fenstern gegenüber drängt sich Kopf an Kopf von Neugierigen, die ohne Furcht vor dem verderbenbringenden Element das interessante Schauspiel betrachten; sie betrachten die Mannschaften auf der Straße, die trotz ihrer großen Zahl, trotz der vielen Wagen, trotz der Enge des Raumes ihre Evolutionen so präcis ausführen, als wäre es ein gerade für diese Stelle eingeübtes Exercitium.

Da sprengt eine Abtheilung berittener Schutzleute heran; ihnen folgen andere zu Fuß, die Straße wird abgesperrt und das schaulustige, müßige Publicum kann nur von Weitem den Verlauf des Feuers verfolgen. Nirgends Furcht oder Unruhe, nirgends Rufen nach Eimern oder Freiwilligen zum Pumpen oder Spritzen. Nur der Berliner Witz macht sich Luft und erregt oft Gelächter.

„Nu seh’ mal blos die hohe Flamme da rechts!“ ruft der Eine.

„Na,“ erwidert der Andere, „da werden woll den Bäckermeester seine Mehlwürmer ordentlich bei schwitzen!“

„Un wat meenste,“ fügt der Dritte hinzu, „wie die Schwaben nanu danzen werden!“

„Un wenn nanu,“ belehrt der Vierte, „so’n jroßer jlühender Balken die ville Schwaben uf’n Kopp fällt, so nennt man det ’n Schwabenstreich!“

Und so geht es fort ohne Unterbrechung.

Die Dampfspritze meldet soeben durch Pfeifensignal, daß ihre Schlauchverbindung hergestellt, sie zum Wassergeben fertig ist. Die Handspritzen sind vermöge ihrer sofort zum Wassergeben bereiten Wasserwagen längst zur Thätigkeit bereit, schon bei ihrer Ankunft ist der Schlauch abgewickelt und bis zum Herde des Feuers gelegt; er ist bis zum Flur des Hauses gebracht, dort eine Verlängerung angeschraubt, er wird zur Treppe hinaufgezogen bis zur Brandstelle selbst. Die Hähne der Hydranten auf der Straße, welche direct der Wasserleitung eingefügt sind, können jeden Augenblick mächtige Wassermassen abgeben oder die leer gewordenen Wasserwagen füllen.

Da schrillt die Pfeife in einem Triller: „Zum Angriff!“ Ein Feuermann nimmt das Mundrohr des Schlauches, andere schlagen mit Beilen und Aexten das Holzwerk ein und suchen durch Zertrümmern der Dachsteine Abzug für den erstickenden Qualm zu verschaffen.

„Spritze drei! Wasser, marsch!“ ertönt es hier, dort das Signal „Schlauch vorwärts!“ und wieder „Wasser, marsch!“ Die Pfeife lockt das Wasser aus den Handspritzen, das Horn dasselbe aus der Dampfspritze. Es ist ein Pfeifen und ein Blasen, daß der Laie glaubt, die Hölle gellt; die Mannschaften aber verstehen in demselben den präcisen, kurzen Befehl des Commandirenden.

Nichts peinigt die Mannschaften bei dieser lebensgefährlichen Arbeit so sehr, als der Qualm. Nicht drei Schritte weit können sich die Feuermänner erkennen: Laternen müssen mitten im brennenden Hause zu Hülfe genommen werden, um sich hier in nächster Nähe der von Qualm umhüllten Feuersgluth zurecht zu finden, auf Händen und Füßen müssen sie kriechen, um nur die etwas weniger vom Qualm geschwängerte Luft, die sich dicht über dem Fußboden noch befindet, zum Athmen zu erhaschen.

„Alles zurück vom Dachstuhl!“ ertönt die Stimme des Brandmeisters.

[375] Sofort wird das Feld dort geräumt. Kaum ist das unterliegende Stockwerk erreicht, da erdröhnt die Luft; ein furchtbarer Krach, die Mauern erbeben – der Dachstuhl ist zusammengebrochen, das Schwerste ist gethan! Jetzt ist Luft da, jetzt läßt sich der Herd des Feuers in seiner ganzen Ausdehnung beherrschen. Riesenhoch zum nächtlichen Himmel stürmen die bis dahin gefesselten Flammen, ein Funkenmeer breitet sich aus über das ganze Stadtviertel.

Dort aber, mitten aus dem Feuermeer, da wirbelt eine weiße Dampfsäule in die Höhe. Dort ist die Stelle, wohin jetzt die Dampfspritze ihren armdicken Wasserstrahl sendet. Minutenlang verweht sie in leichtes Gewölk, die Flammen scheinen sie gierig zu umschmiegen und zu verhöhnen, doch langsam weichen sie scheu zurück, niedriger lodert ihre Gluth. Dort auf der Firste des Daches vom Nachbarhause kann man jetzt, da die Flammen sich niedriger halten, einige Feuermänner erkennen. Sie stehen unbeweglich auf schwindelnder Höhe, vor ihnen das Feuermeer, unter ihnen die Tiefe, sie leiten den Strahl der Handspritze auf das zischende, dampfende Mauerwerk, um die Ausdehnung des Herdes zu verhindern. Dort benutzen zwei Andere eine ausgehobene Stubenthür als Schild gegen die rasende Gluth; langsam dringen sie vor, um immer neue Strahlen in das brennende, knisternde, prasselnde Gebälk zu lenken.

Immer größer wird die Dampfwolke, nur widerstrebend, oft sich wieder riesenhoch erhebend, züngeln die Flammen niedriger. Schwarzes Holzwerk schimmert auf Augenblicke hindurch, immer neue Wasserstrahlen kämpfen ohne Unterlaß weiter gegen das rasende Element.

Die Gefahr ist vorüber. Das Feuer kann nicht mehr weiter um sich greifen.

Immer kleiner werden die Flammen, sie züngeln nur noch hier und da an den rußigen Mauern, huschen über das schwarzgebrannte Gebälk, verschwinden immer mehr im gelblichen Qualm und im Wasserdampf.

„Schlauch zurück!“ ertönt das Signal.

Der Feuermann da oben auf dem Nachbardach läßt das messingene Mundstück seines Spritzenschlauches sinken; er fängt mit dem Munde das letzte noch herausquellende Wasser auf zur Erfrischung seines ausgetrockneten Gaumens, seines mit Qualm und Ruß gefüllten Mundes, seine beschmutzte Hand fährt über das schweißtriefende, vom Rauch geschwärzte Gesicht, er verläßt mit vorsichtigem Schritt die schwindelnde Höhe.

Die Flammen sind erstickt, nur hier und da glüht es noch im Gebälk und unter dem Schutt. Laternen erscheinen jetzt da oben im Dunkel der Nacht; wie Leuchtkäfer bewegen sie sich zwischen den geschwärzten Wänden und Balken, jedes Fleckchen wird untersucht, ob nicht noch irgendwo das feindliche Element versteckt heimtückisch brütet. Die Mannschaft löscht ab. Geschäftige Hände bringen Mollen und Schippen, der heiße Schutt wird hinunter geschafft.

Zwei Stunden sind vergangen nach dem ersten Signal. Das Gros der Feuerwehr rückt ab; nur Wachtposten beobachten noch die gespenstisch hervorragenden Balkenreste und Steinruinen des Giebels.

Alles ist still.

Das Dach, das noch vor zwei Stunden dem Hause unversehrt Schutz bot, es ist verschwunden, die reingefegte Diele des Bodens wird von den Sternen beschienen.

Auf dem Hofe sind die Reste des Gebälkes regelrecht aufgeschichtet, der Schutt liegt in geordnetem Haufen.

Der ehrsame Wirth und Bäckermeister hat sich nach und nach von seinem Schrecken erholt. Jedes Gesicht der Mannschaften hat ihn mit Zutrauen und mit Zuversicht erfüllt. Nun mag, so denkt er, die Versicherungsgesellschaft ihm den Schaden ersetzen. Er geht hinab in den Keller, wo der Backofen seiner wartet, und mischt und knetet tapfer mit den Gesellen die für den Morgen bestimmte Waare.

Nur die Familie im obersten Stockwerk kann keine Ruhe finden. Noch immer trieft das Wasser durch die Decke, und stets an anderer Stelle muß das Hausgeräth vor der Nässe geschützt werden. Ihnen ist die Nacht verloren; erst als der Morgen graut, können sie die übermüdeten Augen schließen.

Die Spritzen, Wasserwagen, Personenwagen sind in ihre Depôts zurückgekehrt. Die Pferde werden versorgt, die Utensilien geordnet, die rußigen Gesichter erfreuen sich des kühlenden erfrischenden Wassers. Endlich, nachdem alle Geräthe sorgfältig gereinigt sind, können die kräftigen Gestalten wieder auf ihrer Pritsche sitzen. Sie rauchen und plaudern und würden sich nicht wundern, wenn von Neuem die Alarmglocke läutete, wenn sie von Neuem hinausmüßten zu „Groß Feuer!“




Zehntausend Meilen durch den Großen Westen der Vereinigten Staaten.[3]

Von Udo Brachvogel.0 Mit Illustrationen von Rudolf Cronau.
II.
Von Dacotah nach Montana. – Das jüngste Weide- und Viehland der Vereinigten Staaten. – Ein erster Blick auf die Felsengebirge. – Nach dem Wunderlande des Yellowstone. – Die Mammuth-Thermen des Nationalparks.

Dacotah ist das drittgrößte Gebiet der, mit Ausschluß Alaskas und des südlich von Kansas gelegenen Indianerterritoriums, zur Zeit aus achtunddreißig Staaten und acht organisirten Territorien bestehenden Union. Den ersten Platz nimmt Texas mit seiner das ganze deutsche Reich fast um ein Viertel seiner Größe übertreffenden Bodenfläche von 274,354, den zweiten Californien mit 157,801 englischen Quadratmeilen[4] ein. Dacotah selbst mißt deren 150,932. Ihm an Größe zunächst stehend ist das als sein unmittelbarer westlicher Nachbar ihm auch zunächst liegende Territorium Montana, mit einer um etwa 7000 Quadratmeilen geringeren Ausdehnung.

Aber trotz dieser unmittelbaren westlichen Nachbarschaft und trotz der völligen Gleichheit der Breitengrade, unter denen die beiden gewaltigen Gebiete sich erstrecken, bilden ihre klimatischen Verhältnisse einen solchen Contrast, daß man sich, wenn man den Gürtel der Bad lands des Little Missouri, der ungefähr ihre Grenze bildet, überschritten hat, thatsächlich in eine neue Welt versetzt findet. Allerdings nicht für das Auge, oder doch wenigstens nicht für jenes, welches nur auf das rein Landschaftliche gerichtet ist. Dieses sieht sich erst nach abermals drittehalbhundert Meilen einem wirklichen Wechsel, dann aber freilich auch jenem vollständigen, gewaltigen und langersehnten Decorationswechsel gegenüber, welcher in dem magischen Wort „Rocky Mountains“ verkörpert ist. Bis dahin ist dieses Territorium Montana gar weit davon entfernt, seinem im wahrsten Sinne des Wortes hochtönenden, eine ganze Berg- und Gebirgswelt verheißenden Namen Ehre zu machen.

Nach wie vor herrscht auch hier der Charakter der ebenen, baumlosen Prairie des Westens vor, bestimmt er ausschließlich die Physiognomie der ganz und gar aufgerollten, eintönigen Landschaft. Und wenn auch die das Territorium von Westen nach Osten quer durchströmenden Hauptflüsse desselben, der Missouri und der Yellowstone[5], sowie die zahlreichen kleineren Zuflüsse dieser beiden, inmitten schmaler Streifen von Pappelgehölz und in Thälern und Einsenkungen dahinfließen, die immer enger und tiefer werden, je weiter man nach Westen kommt: so kann doch innerhalb dieser ganzen östlichen zwei Drittel Montanas ebenso wenig von einem Waldland, als von einem Berglande die Rede sein, wie man es fast achthundert Meilen westlich vom Mississippi doch nachgerade erwarten sollte. Unmerklich von der Tieflandprairie zum Hochplateau der den Felsengebirgen vorgelagerten „Plains“ ansteigend, dehnt

[376]

Die „heißen Mammuth-Sprudel“ im Nationalpark des Yellowstone.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

[377] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [378] sich hier das endlose Land auf Tausende und Tausende von Quadratmeilen in der nämlichen Flachheit, in der nämlichen Baum- und Strauchlosigkeit weiter hin, wie wir es vorher in dem tiefer liegenden Dacotah gesehen haben.

Und dennoch muß es als eine andere Welt bezeichnet werden! Warum? Ein einziges Wort sagt es – das Wort: Winterlosigkeit. Montana ist bereits ein Theil jenes Großen Westens, der nicht nur durch quer darübergelegte Felsengebirgsausläufer von Britisch Amerika her geschützt, sondern auch von den Luftströmungen erwärmt wird, welche in ihren letzten Wellen durch die Pässe und Einsenkungen der Felsengebirgshauptkette vom Stillen Ocean ihren Weg bis hierher finden. In Folge dessen weist Montana kimatische und meteorologische Verhältnisse auf, welche zu denen des nächstbenachbarten östlichen Gebietes schon in dem unvermitteltsten Gegensatz stehen.

Nirgends aber tritt dieser Gegensatz so vollkommen und so jäh zu Tage, wie gerade hier, zwischen den beiden größten Territorien des Neuen Nordwestens, welche, noch gestern das ausschließliche Eigenthum herumschweifender Indianerhorden, heute durch einen ununterbrochenen eisernen Heerweg in den Bereich des Weltverkehrs gezogen, auch schon im vollsten Begriffe stehen, für diesen letzteren von einer gleich großen und naheverwandten und dennoch in ihren ersten Vorbedingungen ganz und gar verschiedenen Wichtigkeit zu werden: Dacotah als ein unvergleichliches Getreideland, Montana als ein Viehzuchtland ersten Ranges! Gehört das erstere noch zu jenen nördlichen Gebieten der Union, welche, ganz offen und ungeschützt gegen die arktischen Regionen daliegend, von den strengsten Wintern, den heftigsten Schneefällen und vor allen Dingen von jenen mörderischen „Blizzards“ heimgesucht werden, die zwar kein Hinderniß für den üppigsten und erfolgreichsten Sommeranbau bilden, dafür aber vom December bis zum Februar wahrhaft polare Zustände schaffen: so liegt das letztere bereits westlich des 103. und 104. Längengrades, mit denen im Großen Westen jene Region der regenlosen Sommer und der milden Winter beginnt, die dem Ackerbaue allerdings nur unter Zuhülfenahme künstlicher Bewässerung wahrhaft lohnende Aussichten eröffnen, dafür aber im Verein mit den geradezu wunderbaren Weidegründen dieser „Plains“ der Massenviehzucht Alles entgegen bringen, was dieselbe nur erheischt. Früher mit seinem im getrockneten Zustande die ganze Nährkraft frischen Wachsthums bewahrenden Graswuchs die nordwestliche Hauptweide des amerikanischen Büffels bildend, ist Montana jetzt, nach so gut wie vollendeter Ausrottung dieses gehörnten Ureinwohners der Prairie, auf dem besten Wege, sich als Productionsland gezüchteter Rinder zu einem Stapelgebiete zu entwickeln, wie es die Vereinigten Staaten in dieser Beziehung bisher nur in Wyoming und Texas besaßen.

Wie weit aber die großen „Ranchmen“[6] des Territoriums bereits heute auf diesem Wege vorgeschritten sind, dürften am besten die Berichte über das Viehverfrachtungsgeschäft der Nordpacificbahn ausweisen. Obgleich dieselbe nur erst vor drei Jahren die Grenze von Montana überschritten, hatte sie doch im vorigen Sommer bereits täglich Hunderte und Hunderte von „Hörnern“ auf eigens dazu eingerichteten Zügen nach den Schlachthöfen der östlichen Großstädte zu befördern. Niemand aber wird diesen dem fernsten Westen entstammenden Heerden bei ihrer Ankunft in Chicago, New-York oder Boston angesehen haben, daß sie nie einen Stall und eine Stallfütterung gekannt, sondern, selbst die Winter im Freien verbringend, auf ihren Hochtriften bisher nur ein Wildlingsleben geführt haben, welches höchstens von der Peitsche des berittenen Cow Boy[7] und dem Brenneisen mit dem Namenszuge ihres Eigenthümers in empfindlicherer Weise beeinflußt worden ist.

Es ist das unter Zuhülfenahme nur geringfügiger künstlicher Bewässerung äußerst fruchtbare und sich dem entsprechend reißend schnell besiedelnde Thal des Yellowstoneflusses, welchem die Nordpacificbahn in einer Länge von etwa 250 Meilen folgt, bis sie Bozeman im Gallatinthale, 1096 Meilen westlich vom Mississippi, den derzeitigen Endpunkt ihrer östlichen Strecke erreicht hat. Bozeman liegt bereits in den Gebirgen selbst – inmitten jenes gewaltigen, langersehnten Decorationswechsels, von welchem oben gesagt wurde, daß er in dem magischen Worte „Rocky Mountains“ verkörpert sei.

Ein magisches Wort, fürwahr, und nur wenige Namen in der gesammten Gebirgsnomenclatur der Erde kingen stolzer, regen die Phantasie lebhafter an. Und doch, ist es nicht eine Art von Enttäuschung, welche dem ersten Blick, mit dem man die hinter jenem Namenzauber liegende Wirklichkeit umspannt, zum Entgelt wird? Dem ersten – dem allerersten Blick – ja! Aber auch nur diesem. Sowohl die Hauptkette des mächtigen, von den Amerikanern so gern als das Rückgrat ihres Continents bezeichneten Gebirges, wie der östlich vorgelagerte Zug der Crazy Mountains – wörtlich der „Verrückten“ oder „Tollen Berge“ – bauen sich schon hier in der ganzen, den Felsengebirgen eigenthümlichen nackten und ungefügigen Massenhaftigkeit bis zur Höhe von acht-, zehn- und noch mehr tausend Fuß auf. Trotzdem, und obwohl es selbst im Hochsommer in seinen höchsten, nordwärts liegenden Gipfeleinsenkungen nicht an Schnee fehlt, bleibt das Gebirgsbild, als Großes und Ganzes, dem ersten Blick doch jenen etwa die Wildalpen der Schweiz charakterisirenden Hoch- und Höchstgebirgseindruck schuldig, den man begreiflicher Weise gerade hier erwartet. Es erklärt sich das leicht genug. Da sich die Rocky Mountains, wo immer man ihnen, vom südlichen Neu-Mexico bis zum nördlichen Montana, vom Osten her naht, überall auf einer bereits zu vier-, fünf- und sechstausend Fuß unmerklich angestiegenen Hochebene erheben, so ist man zuerst naturgemäß außer Stande, die acht-, zehn- und mehr tausend Fuß über dem Meeresspiegel, welche ihnen die wissenschaftliche Vermessung giebt, in ihrer wirklichen Wucht zu erkennen. Aber es währt nicht lange, und aus den Höhen dieser gigantischen Erd- und Steinaufjochungen selbst, die so gelassen in den Himmel über sich hineinragen, als wäre er ihre eigentliche Heimath, steigt die Erkenntniß des Wahren zu dem kleinen Menschenkinde da unten hernieder. Ehe sich’s selbst noch Rechenschaft darüber geben kann, beginnt es das wirkliche Wesen dieser breitgelagerten und breitgegliederten Kolosse zu fühlen. Und vom Fühlen zum Sehen, zum bewunderungsvollen, erschütterten Emporsehen ist dann nur noch ein Schritt.

Wie mächtig aber wachsen diese Berg- und Felsfluchten erst um den Westfahrer empor, wenn ihn Berggefährt oder Saumthier, die hier einstweilen noch die einzige Verbindung herstellen, auf immer wilderen Kamm- und Klippenwegen von Bozeman südwärts tragen! Dorthin tragen, wo die schneegekrönte Hauptkette der Felsengebirge sich in ein Paar weitgeschwungene Hochgebirgszüge theilt, oder richtiger gesagt, ein Paar von schützenden Alpenarmen ausbreitet, als gelte es darin einen allerkostbarsten Schatz oder ein allerkostbarstes Geheimniß dieser ohnehin zu den Wolken entrückten Welt vor der profanen Erde da unten noch ganz besonders zu bergen! Dorthin, wo noch, mit seinen Seespiegeln und Thalsohlen in mehr als Schneekoppen- und Rigihöhe liegend, sich jenes Quellland des Yellowstone ausbreitet, das in seiner ungeheuerlichen Fremdartigkeit den Namen eines Wunderlandes des ganzen Erdballs, in seiner gleichzeitigen traumhaften Lieblichkeit aber nicht minder gebieterisch den eines Nationalparks, eines natürlichen Armida-Gartens des größten Volks der Neuen Welt erzwang!

Es nimmt zwei Tage in Anspruch,[8] bis man von dem neuen Heerweg der Nord-Pacificbahn aus die mit der Scheidelinie von Montana und Wyoming zusammenfallende Nordgrenze dieses Wunderlandes erreicht. Vom Congreß der Vereinigten Staaten unter dem Namen „Nationalpark des Yellowstone“ für alle Zeiten als Volksdomäne abgegrenzt und reservirt, nimmt es genau die Nordwestecke des letztgenannten dieser beiden Territorien ein. In der Umgrenzung eines 65 Meilen langen und 55 Meilen breiten Rechtecks bedeckt es hier einen Flächenraum von 3575 englischen Quadratmeilen. Und in dieser Größe, welche die des ganzen Unionsstaates Delaware oder jene des deutschen Großherzogthums Oldenburg um mehr als die Hälfte übertrifft, ist es mit seinen erlesenen Hochgebirgs-, Wasser-, Wiesen- und Waldscenerien – denn damit ihm auch nicht eine Schönheit fehle, tritt plötzlich der im Felsengebirgswesten längst zum völligen Fremdling [379] gewordene Wald gerade hier wieder in der Fülle des Urwachsthums auf! – thatsächlich der größte und schönste Park der Welt. (Vergl. S. 373.)

Doch nicht genug damit – in dieser selben Größe eines kleinen europäischen Königreiches bildet es zugleich auch mit dem darauf zusammengedrängten Pandämonium (Tempel aller Dämonen) von heißen Quellen, Geysern, Schlammkratern und sonstigem Wasser- und Feuerspuk grandiosester Art die letzte Zufluchtsstätte jenes vulcanischen Großlebens, welches einst die ganze westliche Hälfte des nordamerikanischen Continents beherrschte, ist es eine einzige ununterbrochene Zauberwildniß, zu deren zahllosen Phänomenen sich, über den gesammten übrigen Erdball verstreut, kaum hier und da vereinzelte Anklänge, geschweige denn etwas wie wirkliche Seitenstücke finden.

Gleich das erste dieser Naturmirakel, welches sich dem von Norden her den Nationalpark Betretenden enthüllt, stellt sich in einer Souverainetät dar, wie sie nur dem Unvergleichlichen, dem Einzigen eigen ist. Es sind dies die ein kleines Gebirge für sich bildenden Riesengebilde chemischer und vulcanischer Gewalten, welchen die ersten Erforscher dieses Gebietes die Bezeichnung „White-mountain hot springs“ (des „Weißen Gebirges heiße Quellen“) beigelegt hatten, die jedoch heute nur noch unter dem weniger malerischen, dafür aber um so plastischeren Namen der „Mammuth hot springs“ (der „Mammuth heißen Quellen“) verstanden werden.

Ein kleines, weißschimmerndes Gebirge für sich – nichts mehr und nichts weniger ist es, als was sich der schneeige Wunderbau dieser Mammuth-Thermen in der sie umgebenden bewaldeten Gebirgs- und Felsenwelt erhebt. Etwa drei Meilen lang und bis zu einer halben Meile breit, wächst es inmitten einer tiefen Thaleinsenkung in mächtigen, jäh über einander aufsteigenden, grauweißen Terrassen bis zur Höhe von 400, 600 und 800 Fuß empor, in welch letzterer sich sein langgestreckter höchster Kamm bis zu dem ihn weiterhin fortsetzenden bewaldeten Bergrücken so glatt dahinstreckt, als wäre er zur Herstellung eines luftigen Riesentanzbodens mit einem einzigen ungeheuren Messerschnitt abgeplattet worden. Auf den ersten Blick und von dort, wo man nach Zurücklegung eines letzten geradezu halsbrecherisch abstürzenden Wegstücks in das Thal dieses „Weißen Berges“ einlenkt, erscheint das Ganze wie ein unabsehbarer, unförmlicher Kalk- oder Kreidebruch.

Aber nur näher heran, und alsbald treten aus diesen wüsten Abstürzen weißen Gerölls in immer frappirenderer Bestimmtheit der Umrisse die Formen stufenartig vor einander hergeschobener Becken und Wannen hervor; quellen schon hier und da, gleich leichten hin und her wehenden Schleiern, silberweiße Dämpfe empor; entfaltet sich endlich an und auf diesen wie von der Hand titanischer Künstler gebildeten Kalossalschalen ein Farbenleben, welches zuerst das Werk einer momentanen Blendung zu sein scheint, bis schließlich der ganz nah Herangekommene erkennt, daß er es mit keiner Sinnestäuschung, sondern mit wirklichen, untrüglichen, leuchtenden Farben zu thun hat, neben denen die bunten Gaukelspiele des Regenbogens und des Edelopals zur Unscheinbarkeit herabsinken.

Und nun löst sich dem mehr und mehr in dieses Naturheiligthum Eindringenden auch das Räthsel dieses Schalen-, Dampf- und Farbenzaubers. Das Räthsel – nicht das Wunder, das vielmehr immer magischere Reize entfaltet, je näher man ihm tritt, je mehr man sich darein versenkt.

Die zitternden Silberschleiern gleich aufwallenden Dämpfe entsteigen den heißen Quellen, welche hier allerorten, auf den Plateaus und Terrassen dieses Märchengebirges sowohl, wie an seinen Abhängen, in zahllosen Centralbassins unmittelbar dem Erdinnern entkochen. Die von diesen Kraterbecken aber nach allen Seiten sich ausbreitenden Farben entstrahlen den mineralischen Niederschlägen der nämlichen heißen Quellen. Beständig durch neue Siedefluth aus der Tiefe verstärkt, kochen sie unablässig über die Ränder ihrer Mutterbassins; ergießen sie sich von ihnen aus cascadenartig in die sie umlagernden tieferen Schalen; füllen sie diese selbst mit lichtblauem Krystallgefluth, während sie dort, wo sie wieder abfließen oder verdunsten, über Alles ein ganzes, die gesammte Farbenscala von Lichtgelb, Hellgrün und Rosa bis Krebsroth, Scharlach, Purpur und Braun durchstürmendes Bacchanal von blendenden Tinten und Lichtern ausbreiten.

Und doch ist damit ihr Werk für das Auge noch nicht vollendet. Mit der Vollbringung des berauschendsten Farbenzaubers nicht zufrieden, wollen sie auch Formen-Magier sein, und sie sind es in der That. Mit denselben mineralischen Niederschlägen, mit denen sie im Laufe der Jahrhunderte dieses ganze Kreidegebirge sammt seinen Becken- und Wannen-Gefügen ausgeführt und mit denen sie es seitdem tagtäglich in einen wahren Makart-Reichthum coloristischer Glorien hüllen, schmücken sie gleichzeitig auch noch das von ihrer Azurfluth angefüllte Innere dieser Schalen und Bassins mit den reizendsten plastischen Gebilden aus. Wo sie die Muster dazu her haben? Wer will es sagen? Ob vom Bau der Koralle, ob vom Wachsthum des Mooses, ob von der Bildung der Reiherfeder oder der Schuppenablagerung des Schmetterlingsflügels? Genug, daß nicht nur die beiden zaubermächtigsten Farbenmischer der Welt, Licht und Wasser, am rastlosen Werke sind, die blendendsten coloristischen Effekte hervorzubringen: es trägt auch die plastisch-bildende Natur beständig alles Zierlichste, Holdeste und Grazienhafteste zusammen, um das hier von ihr gedichtete Schönheitsmärchen zu einem vollendeten zu machen.

Und so vereinigt sich in diesen Mammuth-Thermen, und wie in ihnen, noch in Hunderten und aber Hunderten der zahllosen übrigen heißen Quellen, welche das Wunderland des Yellowstone übersäen, Alles und Jedes, was den davor Stehenden berücken und ihn über dem bloßen Schauen völlig vergessen machen kann: daß die Natur in dem Allen noch etwas ganz Anderes, als nur ein Feenwerk für das Auge errichtet hat, daß sie hier, wie im ganzen Yellowstone-Park, auch als Menschheits-Wohlthäterin und Menschheits-Retterin größten Stils zu walten gedenkt. Als Heilung spendende Menschheits-Wohlthäterin, als Leben wiedergebende Menschheits-Retterin! Wer wollte schon heute die Kräfte, welche zu diesem Behufe hier angehäuft sind, selbst nur auf ein bloßes Ungefähr hin abschätzen? Hier, wo – von den Thermen des übrigen Nationalparks gar nicht zu sprechen – im Umkreis einer einzigen Stunde allein die vom ewigen Feuer der Unterwelt erhitzten Fluthen ungezählter Sprudel in solchen Strömen zu Tage treten, daß der hundertste Theil davon an irgend einer Stelle der alten Welt seit Menschengedenken hingereicht hätte, aus dieser einen Stelle ein Mekka für die Leidenden aller Nationen zu machen.

Ja, vom ewigen Feuer selbst! In einer Temperatur von 160, 180, 200 und selbst noch mehr Grad Fahrenheit der Tiefe entsiedend, übertreffen diese heißen Quellen dort, wo sie in undurchsichtigster Azurglorie unmittelbar an’s Licht treten, an Hitze Alles, was man sonst von Thermen und Sprudeln kennt. Aber fast scheint es, als wüßten sie selbst, daß sie mit solchen Gluthen nur zerstören, nur tödten könnten. Und so strömen sie denn, um sich dem Heilung suchenden Menschenkinde freiwillig in allen nur begehrenswerthen Wärmegraden darzubieten, auf jenem Wunderbau selbstgebildeter Becken- und Wannen-Fluchten zu Thal, bis ihre Fluth in den entlegensten und untersten Schalen so abgekühlt anlangt, daß man, auf den Knieen über ihren Rand geneigt, ihr klares Wasser ungescheut schlürfen kann. Auf den Knieen – welche andere Stellung ziemte hier auch dem bewundernden Menschen überhaupt noch!?




Blätter und Blüthen.

Ein seltenes Schicksal. Nach einem Verse des lateinischen Grammatikers Terentius Maurus (… habent sua fata libelli) haben Bücher ihre Schicksale; daß das geflügelte Wort auf Menschen seine volle Anwendung findet, braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß es aber auch für – Bäume gilt, ist jedenfalls eine Thatsache, welche der Erwähnung werth ist. Als Nero Claudius Drusus im letzten Jahrzehnt vor Christo die römischen Feldzeichen nach Westdeutschland trug, wurde, wie geschichtlich feststeht, eine große Heerstraßenbrücke bei Mainz über den Rhein gebaut, um die Hauptfeste castrum Moguntiacum mit dem am jenseitigen Ufer liegenden Castellum Trajani zu verbinden. Die Wogen der Weltgeschichte und die Fluthen des Vater Rhein haben jenes Bauwerk längst untergehen lassen, keine hohe Säule zeugte von verschwundener Pracht, ja man wußte nicht einmal genau die Stelle, wo es gestanden.

Zur größten Freude der Geschichtsforscher und Archäologen fand man indeß bei Gelegenheit eines Brückenbaues vor einiger Zeit die tief im Bett des Stromes versenkten Ueberreste des alten Römerwerkes auf, [380] sie bestanden in einer großen Zahl Eichenpfähle von acht Meter Länge und fünfzig Centimeter Dicke, deren Kern trotz der neunzehn Jahrhunderte sehr gut erhalten war, nur wenige Centimeter sogenannter Erdverkohlung brauchten entfernt zu werden, und der einst von den Legionen des Drusus gefällte deutsche Eichenstamm präsentirte sich in seiner ganzen Kraft und Schönheit. Begreiflicher Weise bemächtigte sich sofort die Industrie des historischen Holzes, einige hundert Centner kamen in die Ateliers des Hofpianosortefabrikanten Biese in Berlin, um hier entsprechende Verwendung zu finden. Das seltene Material erwies sich als außerordentlich geeignet, und es wurden aus demselben Mitte April vier Instrumente (Pianinos) fertig gestellt, deren Wohlklang jedes musikalische Ohr entzückt. Haben jene Eichbäume, die einst von den römischen Aexten erzitterten, unter deren Zweigen unsere heidnischen Altvordern ihre Opfer brachten und welche nun berufen sind, der edelsten der modernen Künste zu dienen, nicht ihre Schicksale“?

Gustav Schubert.     




Für die Nothleidenden in der Eifel

gingen ferner ein: Bürgermeister Erchenbrecher in Leisnig 6 M.; H. Adler in Frankfurt am Main 3 M.; „Die Armen den Aermsten“, durch Cantor Schulz in Naumburg am Bober 9 M.; Th. K. in Hamburg 10 M.; N. N. in Rastenburg 1,50 M.; L. F. in Kaiserslautern 5,10 M.; Zolleinnehmer Drogisch in Dzieditz 5 M.; C. Regeler in Nowawes 10 M.; aus Rönz bei Gülzen 10 M.; T. B. in Lübeck 5,05 M.; F. A. Pieper in Braunschweig 5 M.; Geschwister Hartung in Sulzbach 3 M.; Moritz Schneider in Zeitz 1 M.; O. K. in Weichteritz 10 M.; Familie B. in Görlitz 5 M.; Gebrüder Klinge in Dresden 10 M.; R. Simon in Naumburg am Queis 3 M.; E. R. in Döhren 30 M.; Lehrer D. Heimberg in Jever 3 M.; K. K. in Leutershausen 3 M.; Ottilie Pohle in Dresden 5 M.; von einer Dresdener Kränzelcasse 5 M.; Eugenie, Bruno und Martha C. in Eisenach 6 M.; W. Rothermel in Karlsruhe 20 M.; E. Z. in Burg 3 M.; G. in Hirschberg 6 M.; von einem Hamburger 10 M.; A. Spitta in Schwerin 10 M.; von einer Lehrerin und ihrer Classe in Schönebeck an der Elbe 12 M.; Dr. Ose in Brandis 5 M.; F. M. aus Gr. H. in S. 3 M.; R. T. in Magdeburg 30 M.; Ungenannt in Hainichen 5,05 M.; J. Lüders in Naumburg an der Saale 2 M.; Controleur Eichler in Plauen 3 M.; Frau Weiger in Berlin 10 M.; M. in H. 20 M.; C. O. in Halle an der Saale 3 M.; von der Vöhler evangelischen Schuljugend und ihrem Lehrer 20 M.; aus Emden von J. B. C. in Hannover 10 M.; B. Erdmann in Wittenberge 4 M.; aus Gräfrath 10 M.; C. D. Carstens in Berlin 6 M.; Lehrer J. Rümpelt in Falkenberg 4,50 M.; Ungenannt in Penig 5 M.; aus dem Pfarrhause zu Accune 5 M.; Frau Wittwe J. K. in Frankfurt am Main 5 M.; Apotheke Schwersenz 6 M.; Frau Ida von Lesser in Kiel 3 M.; R. C. in Tannenkrug 10 M.; E. B. in Altona 3 M.; Klempnermeister Hermann Scholze in Königstein 3 M.; L. L. in Mainz 10 M.; aus Lauban von Bernhard Ackermann aus Moskau und einem alten Hannoveraner 16 M.; M. Möller Wittwe in Lauterbach 3 M.; N. V. in Sprottau 3 M.; M. G. in F. 20 M.; gesammelt in der Gesellschaft „Eintracht“ in Blasewitz 22 M.; Gutsbesitzer Pohl in Kalkau 10 M.; Karl Schäfer in Finsterwalde 10 M.; E. N. in Weimar 3 M.; H. K. in Friedeberg 3 M.; Julius J. in Bremen 20 M.; gesammelt von G. Reinbeck in Torgau 10 M.; Ungenannt in Haiterbach 2 M.; Ungenannt in Bamberg 10 M.; W. Gühne in Freiberg 5 M.; aus Ost-Preußen 8 M.; Otto und Jenny Glaßer in Dresden 2 M.; T. L. in Königsberg 30 M.; J. Ebhardt in Komorowen 20 M.; Emma Schmidt und aus der Sparcasse der Kinder Marie, Ida und Karl in Mannheim 12 M.; Geh.-Rath Wedding in Berlin 10 M.; A. Nörgner in Schweidnitz 3 M.; Elise Will in Gießen 5 M.; Beamte der Ober-Post- Direction in Metz 16 M.; M. in Magdeburg 5 M.; O. A. in Stuttgart 5 M.; Rob. Wd. in Berlin 5 M.; Poststempel Waldenburg in Schlesien 5 M.; Dr. L. P. in Metz 6 M.; ein Hamburger 5 M.; W. in Stralsund 3 M.; N. N. und Consorten in Wächtersbach 5 M.; Kegelclub „Humor“ in Laucha 10 M.; gesammelt in der Privatschule von Frau Wagner in Oberndorf 16,50 M.; Irma in Brüssel 6,45 M.; J. Fr. in Halberstadt 3,05 M.; eine Deutsche in Maidenhead 10,20 M.; G. W. Thode und Frau L. Thode in Glasgow 20,40 M.; J. V. in M. 10,05 M.; Kränzchen „E. H. V. M.“ in Halle an der Saale 5,46 M.; Dr. Liebe in Niederlößnitz 10 M.; T. M. in Merseburg 10 M.; Tischlermeister H. Schlums in Nimptsch 3 M.; E. Knopf in Czerniak 16 M.; B. H. in Bromberg 6,20 M; von einem früheren Unterofficier im vormaligen kurhessischen Leibgarderegiment durch C. H. Hagemann in Kassel 150 M.; Ueberschuß einer Sammlung für die Rhein-Ueberschwemmten durch Frau C. Theophile in Brodau 60 M.; Damenkränzchen in Wittenberg 10 M.; N. N. in Oldenburg 10 M.; Ch. Zöppritz in Burgstädt 10 M.; S. S. und M. J. in Breslau 10 M.; A. Z. in Ba. 30 M.; A. L., D. St. und A. K. in Wittenberg 8 M.; Friedländer in Wilhelmsthal 5 M.; Dr. Karl Hauck in Dresden 3 M.; Heinr. Mücke in Roda 5 M.; Landgerichtsdirector Helsig in Bautzen 6 M.; A. Kolbe in Erlau 5 M.; C. Schumpelt in Merseburg 3 M.; Frau Postdirector B. in Erfurt 3 M.; C. B. in London 10,03 M.; P. P. in Frankfurt an der Oder 6 M.; Ungenannt 5 M; Dr. Bezold in München 5 M.; A. M. in Partenkirchen 3 M.; E. K. in v. d. Heydt 3 M.; Eisenstädt in Polnisch-Lissa 2 M.; von einigen Damen in Torgau durch Frau Oberstabsarzt Metsch 35 M.; Gastwirth Wilhelm Ihrig in Kaiserslautern 8 M.; N. N. in Stade 3 M.; Ungenannt in Mülheim an der Ruhr 4 M.; H. M. in Hamburg 10 M; Ungenannt in Osterholz 6 M.; gesammelt in der Schüttingstraße in Oldenburg 8,50 M.; E. Bauer in Dresden 10 M.; Rentier Himmelreich und Apotheker F. Köppen in Rudolstadt 8,05 M.; F. P. in Uhlenhorst 3 M.; C. Heine in Düben 3 M.; Oberförster Rohrbeck in Jankemühl 6 M.; Dr. Risch in Bromberg 10 M.; Marie Nebershausen in Halle an der Saale 3 M.; Leser in Hanau 30 M.; Abonnent in Limbach 2 M.; Frau Betty Kohrs in Stade 3 M.; D. in Saarmund 3 M.; von einigen Deutschen in Pskow (Rußland) durch Otto Kühnemann in Stettin 100 M.; W. H. in B. 3 M.; H. K. in Itzehoe 3 M.; L. in Kiel 3 M.; Spinnmeister G. in Großenhain 1,50 M.; C. P. C. in Schw. 5 M.; Ungenannt in Emden 50 M.; Oberst von Werder in Altenburg 20 M.; O. Kascheike in Drengfurt 5 M.; P. Fuchs in Pirna 3 M.; Ungenannt in Görlitz 3 M.; Gesangverein „Liedertafel“ in Schwannewitz 10 M.; Emm. Schu. in Danzig l5 M.; D. K. Wilkens in Dresden 25 M.; C. C. in Flensburg 6 M.; Frau Joh. Dor. verw. Sarfert in Bockwa und Landgerichtsrath Sarfert in Zwickau 25 M.; L. Hodermann in Dresden 6 M.; Julie Rohde in Naumburg an der Saale 20 M.; K. in Mühltroff 10 M.; H. H. in H. 10 M.; H. Gruner in Weißstein 3 M.; Hauptmann von Graevenitz in Straßburg 20 M.; M. Rein in Zittau 5 M.; A. K. in Dinkelsbühl 5 M.; E. A. in Seidenberg 3 M.; F. Ney in Potsdam 3 M.; N. N. in Berlin 3 M.; Ertrag eines Concerts durch H. Peters in Görtz 60 M.; gesammelt von der Abonnentin J. in Hagen 12,50 M.; Robert Loewe in Steinau 10 M.; Martha und Lenchen in Prenzlau 3 M.; Z. S. in Stralsund 3 M.; H. Cyriax in Bienstedt 6 M.; W. Rosenbusch in Hamburg 25 M.; M. R. 20 M.; Leseverein in Zitzschen 6,70 M.; Auguste und Ida Häbler in Großschönau 10,05 M.; R. E., Sandmann-Sachse, M. K., Jähnig, E. L., D. J., C. G. und Z. in Großenhain 10,50 M.; H. Schröder in Alt-Moabit 5 M.; Dr. C. Grote. Frau O. Grote, Franz, Paul, Clara und Marie Grote in Braunschweig 32 M.; C. H. in Ratzeburg 10 M.; H. E. in Bremerhaven 10 M.; Dr. Th. S. in Dresden 10 M.; D. D. in Woldegk 10 M.; Oehmichen in Probsthaida 11 M.; E. M. und M. M. in Neuteich 5 M.; H. B. in Magdeburg 10 M.; Theuerkauf in Spandau 4 M.; Poststempel Leipzig 5 M.; F. R. in Berlin 5 M.; A. F. in Obersitzko 3 M.; Albert Stolberg in Hannover 15 M.; Frau Rothweiler in Karlsruhe 4,20 M.; Bau-Inspector Leon Kahrdorf in Helmstedt 8,50 M.; Auguste Päsler in Carlsruh in Schlesien 10 M.; Kreisgerichtsrath a. D. Loetze in Halle an der Saale 20 M.; Eva S. in Dresden 2 M.; Ungenannt in Colberg 4 M.; Louis Thiergen in Pegau 5 M.; Fr. Haide in Zerbst 3 M.; Henri Jungck in Malmerspach 40 M.; mehrere Schülerinnen der Privatschule in Hademarschen-Hanerau 8 M.; Poststempel Breslau 20 M.; Lud. Bobsin in Boizenburg ein Stück Kleiderzeug; A. Wezel in Rudolstadt eine Kiste Zwieback; Ungenannt in Willingshausen ein Packet Kleidungsstücke; Gebrüder Klinge in Dresden ein Packet Kleidungsstücke; Cl. Fr. ein Packet Kleidungsstücke: Ungenannt in Hohenelbe ein Packet Kleidungsstücke; F. K. in Aschaffenburg 50 M.; gesammelt von Eduard Gruhle in Staucha 11 M.; Frau Schneider in Frohburg 2 M.; von Dörnberg in Dresden 10 M.; Ungenannt in Peine 15 M.; Poststempel Elberfeld 5 M.; B. und D. H. 3 M.; R. Z. in Gera 2 M.; H. M. 6 M.; Alma W. 3 M.; Lieschen C. 6 M.; M. und J. Zeigner 3 M.; Th. S. in L. 10 M.; Dr. med. Schildbach in Leipzig 10 M.; seine Kinder aus ihren Sparbüchsen 0,45 M.; die kleine Carola ihre erste ganze Sparsumme 0,03 M.; E. F. 1,50 M.; T. E. in Torgau 3 M.; Ungenannt in Breslau 5 M.; C. Sch. in Cönnern 5 M.; Frau B. Thunes in Karlsruhe 40 M.; F. S. in Fürth 100 M.; Ferd. Kuhlbrodt in Berlin 5 M.; Poststempel Zingst 6,75 M.; Frau Professor H. in Reudnitz 5 M.; E. W. in Bensheim 5 M.; aus Habaru (Belgien) 100 Franken; S–h in H. 10 M.; F. S. in Braunfels 10 M.; O. J. aus Stuttgart in Budapest 5 Gulden ö. W.; Georg Cotta in Chemnitz 5 M.; N. N. in Asendorf 5 M.; Karl Krumbiegel in Kappel und C. O. Krumbiegel in Chemnitz 10 M.; Ungenannt in Stadtlauringen 5 M.; B. in Torgau 50 M.; L. Z. 5 M.; G. Reiprich in Sprottau 10 M.; Ungenannt in Ulm 10 M.; Ungenannt in Forst 5 M.; J. M. Giese in Neustadt in HOlstein 5 M.; M. J. in Lichterfelde 40 M.; C. C. Sackermann 20 M.; „Kleeblatt“ in Berlin 90 M.; Else und Aenny in Weimar 10 Mk.; Poststempel Neusalza 1 Gulden ö. W.; Dr. H. in Würzburg 5 M.; A. Kr. in Mecklenburg 5 M.; J. von B. in ’s Gravenhage 25 Gulden h. W.; Emil Voigt 2 Gulden ö. W.; Dr. Lorbacher 20 M.; Turnverein in Neuwelt 5,08 M.; aus X. bei Z. 20 M.; Gustav Wanckel in Rouen 10 M.; H. W. 3 M.; Frau A. Meißner in Leipzig 3 M.; K. W. 100 M.; Ungenannt durch Gebrüder Rubinstein in Wien 5 Gulden ö. W.; B. P. 6 Gulden ö. W.; Ungenannt in Kleinzschachwitz 1,50 M.; E. St. in Burg 1,50 M.; J. M. in Berlin 3 M.; Anna Junk und Helene Röhrsheim in Marburg 2 M.; Ungenannt in Luckau 3 M.; Ungenannt in Bückeburg 3 M.; „Nach Kräften!“ aus Greussen 3 M.; E. D. geb. N. in Glogau 3 M.; Ungenannt in Osterfeld 2 M.; A. S. in Weimar 1 M.; aus Freising 1 M.; Marie S…k in Blankenburg 2 M.; ein Vater von fünf Kindern in Altenburg 1 M.; E. K. in Lößnitz 2 M.; Sophie, Frida und Dora in B. 1,50 M.; Kreisrichter G. Bösser in Hanau 3 M.; Rechtsanwalt Kind in Leipzig 5 M.; Doris H. in Stuttgart 5 M.; Leser in Breslau 5 M.; G. F. in Dresden 1 M.; A. v. E. 5 M.; R. und H. T. 3 M.; Familie R. 12 M.; zwei Leserinnen in Genf 10 Franken; Mary Afenduli in Triest 5 Gulden ö. W.; Mathilde Baumgarten in Leipzig 100 M.; O. B. in Sebnitz 5 M.; N. N. in D. 5 M.; F. Hentze in Kassel 10 M.; Poststempel Grenzhausen 5 M.; Ungenannt in Franzensbad 5 Gulden ö. W.; August Engelmann in Mailand 27,80 M.; Geschwister Thinius in Dahme 5 M.; Ungenannt in Blankenburg 1 M.; G. Müller in Sprottau 1 M.; M. in Herrnhut 5 M.; C. K. in Augsburg 4 M.; Stößer in Rouen 4 M.; X. Y. Z. in Prag 3 Gulden ö. W.; G. Zechmeyer in Nürnberg 5 M.; C. K. in Berlin 3 M. und eine Kiste Kleidungsstücke; Elli 3 M.; Otto Fillou 10 M.; Bruno Opitz in Zittau 5 M.; X. 1 M.: Ungenannt (in schweizerischen Briefmarken) 4 M.; E. M. H. in Stuttgart 20 M.; Ungenannt in Paris 40,55 M.; Heinr. Ramm in Manchester 205,20 M.; Bastel in Schönwald 1 M.; Thüringerin in Dresden 3 M.; M. Schirwat in Daguthelen 7 M.

(Summa 3432 Mark 90 Pfennig, 32 Gulden österr. Währ., 25 Gulden holl. Währ., 110 Franken, 6 Sendungen Kleidungsstücke, 1 Kiste Zwieback.)


Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. „Das Buch der Erziehung an Leib und Seele. Für Eltern, Erzieher und Lehrer von Dr. D. G. M. Schreber. 2. Auflage durchgesehen und mit Rücksicht auf die Erfahrung der neueren Kinderheilkunde erweitert von Professor Dr. C. Hennig, Director der Kinderheilanstalt zu Leipzig.“ Leipzig, Friedrich Fleischer.
  2. Vergl. Eduard Mangner: Dr. G. M. Schreber, ein Kämpfer für Volkserziehung. Leipzig, C. F. Winter’sche Verlagsbuchhandlung.
  3. Unter Meilen sind in diesen Artikeln stets englische Meilen verstanden, von denen 46/10 auf die deutsche Meile gehen.
  4. Es gehen etwa 211/10 englische Quadratmeilen auf die deutsche Quadratmeile.
  5. Der Yellowstonefluß ist der bedeutendste südliche Nebenfluß des Missouri, welchem er, in dem nach ihm benannten Wunderlande entspringend, nach einem Lauf von etwa 500 Meilen in Nord-Montana zuströmt.
  6. „Ranchmen“ Besitzer eines „Ranch“, eines Grundbesitzes von Weideländereien mit Heerdenzucht.
  7. „Cow Boys“, die berittenen Hüter der großen Viehheerden; wörtlich „Kuhjunge“.
  8. In kurzer Zeit wird auch hier die Nord-Pacificbahn eine 75 Meilen lange Schienenverbindung hergestellt haben, die ebenso sehr um der Kühnheit ihres Baues halber, wie um des Zieles willen, welches ihr gesteckt ist, eine Merkwürdigkeit sein wird.