Die Gartenlaube (1881)/Heft 37
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No. 37. | 1881. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig – In Heften à 50 Pfennig.
Mutter und Sohn.
Im Hause des Oberst Friesack, welcher das in S. garnisonirende Artillerie-Regiment commandirte, ward heute ein Familienfest gefeiert, als dessen Hauptpersonen zwei schlanke junge Männer galten. Nachdem der Champagner entkorkt, schenkte der Oberst ein und hob dann sein Glas, um mit dem älteren Gaste anzustoßen, der zwischen ihm und der stillvergnügten Hausfrau saß.
„Auf das Wohl unserer Absolventen, Herr Capellmeister!“ sagte er und winkte den jungen Leuten zu.
Fügen warf einen stolzen Blick auf seinen Mündel. Etwas wie Vaterfreude schwellte ihm das Herz. Ein erstes, festes Ziel war mit Auszeichnung gewonnen worden, und wie sich auch die Zukunft gestalten mochte, das Bild des Jünglings paßte in den stolzesten Rahmen. Er dachte an Genoveva und freute sich des nahe bevorstehenden Wiedersehens mit doppelt frohem Bewußtsein. Während angeregtes Geplauder wie Funken hin und wieder flog, schweiften seine Augen immer wieder zu den neben einander sitzenden Freunden. Nun lag das weite, weite Leben offen vor dieser Jugend – dieser Jugend, die Flügel hatte. An Wind, sie zu tragen, würde es nicht fehlen, hoffte er – und gab es auch einmal Gegenwind, je nun, die Beiden waren stark und jung; sie erreichten dennoch ihre Ziele. Während Fügen’s Optimismus solche Gedanken spann, war der Kaffee gebracht worden, und die Hausfrau zog sich zurück, nachdem sie die Tassen gefüllt und die Herren ihre Cigarren angeraucht hatten.
„Wir bitten um Urlaub, Papa,“ sagte Max Friesack. „Siegmund möchte in’s Freie –“
„Sie werden es mir nicht übel nehmen, Herr Oberst, wenn ich jetzt schon aufbreche,“ warf Siegmund dazwischen. „Sie wissen ja, ich soll heute Abend spielen. Da möchte ich zuvor noch ein Stündchen wandern.“
„Ist ja wahr,“ stimmte der Oberst zu. „Eigentlich ein starkes Stück, sich Morgens als Zögling der Schulweisheit und Abends als Adept der divina musica zu bewähren. Mußte denn die Aufführung Ihres neuen Opus gerade auf diesen Abend angesetzt werden, Herr Capellmeister?“
„Morgen beginnen unsere Ferien,“ antwortete Fügen, „es ist Vorschrift, das Prüfungsconcert am Vorabend zu geben. Soll mein Trio also heraus, so muß es heute geschehen, und das Zusammentreffen des Tages mit dem des Absolutoriums ist ein Zufall, nicht gerade erwünscht, aber auch nicht unüberwindlich. Ich habe nicht zugeredet –“ schloß er mit lächelndem Blick auf Siegmund; „er ist ja durch keinerlei Verpflichtung gebunden, wollte aber von Aufschub nichts hören. Nun muß er zeigen, wie er sich aus der Sache zieht.“
Ein flüchtiges Lächeln Siegmund’s antwortete.
„So lob ich’s mir.“ meinte der Oberst, als sich die Freunde verabschiedet hatten. „Wer wagt, gewinnt. Und daß Sie uns unter diesen Umständen heute keinen Korb gaben, lob’ ich auch! Es hätte uns das einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht; Sie und Ihr Mündel durften uns doch bei der Feier dieser glücklich zurückgelegten Etappe unseres Max nicht fehlen. Er würde sie – davon bin ich überzeugt – keinesfalls so glorios erreicht haben, hätte er sich nicht während der letzten Jahre mit Ihrem Siegmund zusammengespannt. Jammerschade, daß die jungen Leute sich schon so bald trennen müssen. Aber vorerst bleibt Max wohl noch hier und tritt in das Regiment; bis er zur Kriegsschule abgeht, dauert es noch ein rundes Jahr; wie ich höre, soll Ihr Mündel aber jetzt nach Wien oder Paris zur weiteren Ausbildung?“
Ein leichter Schatten ging über Fügen’s Gesicht.
„Darüber soll erst beschlossen werden, wenn wir mit Frau von Riedegg nächstens Concil halten.“
„Apropos,“ fiel der Oberst ein; „Frau von Riedegg! Da möcht’ ich Sie etwas fragen. Siegmund zeigte mir heute sein Absolutorium, und ich wunderte mich, ihn dort als Siegmund Riedegg vermerkt zu finden. Ich dachte immer, er sei von Adel? Es giebt bei uns eine alte Familie des Namens – freilich auf halbem Aussterbe-Etat, so viel ich mich entsinne, und weil es immer hieß: Frau von Riedegg, wenn dann und wann von der Mutter die Rede war –“
„Nur in Folge der landesüblichen Gewohnheit,“ sagte Fügen. „Aber entschuldigen Sie meinen Aufbruch, Herr Oberst!“ fügte er, indem er sich erhob, schnell hinzu. „Ich vergaß in Ihrer angenehmen Gesellschaft die Zeit; es giebt noch mancherlei für den Abend zu ordnen.“ – –
Die jungen Männer waren inzwischen durch die Anlagen bergaufwärts gewandert. Es war herbstlich kühl; die Sonne neigte sich zum Untergang. Sie ließen sich auf einer in halber Höhe angebrachten Bank nieder und blickten hinab auf die vom Abendschein beglänzte Stadt. Die goldenen Spitze der Thürme flammten, und der wilde, lichtgrüne Gebirgsstrom blitzte zwischen den Häuserreihen auf. Stolz und leuchtend lag die alte Fürstenstadt inmitten herrlicher Berge und Wälder, die der Herbst vergoldete.
„Ich bin doch froh, noch hier zu bleiben,“ sagte Max Friesack, „bliebst Du nur auch! Weißt Du, ich freue mich auch so auf [602] Alles, was jetzt kommt. Nichts Schöneres als solch ein frisches. fröhliches Soldatenleben, und früher oder später giebt’s gewiß auch einen Krieg. Da müßtest Du dabei sein, Siegmund! Wenn ich Dich so ansehe, den Prächtigsten auf der ganzen Welt, will es mir nicht in den Kopf, daß Du nichts weiter verrichten sollst, als Clavierspielen und Noten kritzeln. Nimm’s mir nicht übel – ich höre Dir ja für mein Leben gerne zu, aber so Einer wie Du müßte Soldat werden!“
„Du meinst?“ sagte Siegmund, indem er seinen Freund einen Augenblick ernsthaft ansah. Dann stand er auf. Die hohe, fest aufgebaute Gestalt, der edel schöne Kopf gaben seiner Erscheinung trotz ihrer Jugendlichkeit etwas Imposantes, Etwas, dem der von Max gebrauchte Ausdruck entsprach: er sei „der Prächtigste“.
Noch heute war der elastische Körper fein und schlank, aber die Nervosität des Knaben war geschmeidiger Kraft gewichen. In den geistreichen, bald scharf, bald mild blickenden Augen lag viel Festigkeit.
Er blickte schweigend hinab in’s Thal.
„Dazu könnte Rath werden,“ sagte er.
„Was sprichst Du da!“ rief Max, der nun auch aufsprang. „Habe ich recht verstanden? Du wolltest – Du würdest – so sage doch!“
„Ich kann Dir nichts sagen, als daß wir möglicher Weise beisammen bleiben“
Plötzlich erklangen Stimmen von der Höhe. Unwillkürlich blickten beide Freunde gleichzeitig aufwärts. Dann ein leises, silberhelles Lachen, und im nächsten Moment flog eine leichte Gestalt wie ein Vögelchen niederwärts, dem Vorsprung entgegen, der die Ruhebank trug. Die kleinen Füße schienen den Boden kaum zu berühren, bis ein unter ihnen fortgleitender Stein ihren Lauf plötzlich hemmte und das Mädchen auf die Kniee sank.
Siegmund, der nahe stand, sprang hinzu und half der in erster Bestürzung regungslos gebliebenen Kleinen sich zu erheben. Kaum hatte er aber das zarte Figürchen berührt, als es schon federleicht aufgesprungen war. Goldig braune, noch ein wenig erschrockene Augen blickten ihm entgegen. Der allzu rasche Lauf mochte das etwa zwölfjährige Mädchen wohl ein wellig betäubt haben; denn als es wieder aufrecht stand, entglitt der kleinen Hand zuerst ein Genzianenstrauß, dann das Strohhütchen, welches der Kleinen am Arme gehangen. Als Siegmund ihr Beides reichte, sagte sie freundlich:
„O danke! wie ungeschickt ich bin! wenn das Mama gesehen hat!“ Sie warf einen bestürzten Blick hinter sich. „Es war so prächtig, von ganz oben her in einem Zuge herunterzulaufen – wir haben daheim keine Berge. Nur wußt’ ich nicht, daß es hier auf einmal rechtsum geht; wir sind von der Festung her nach dem Aussichtsplatze gekommen – da ist Mama.“
Das zutrauliche Geplauder verstummte, als ein Heer und eine Dame auf dem niederwärts führenden Pfade sichtbar wurden; die Haltung des kleinen Mädchens ward plötzlich eine andere, und die kindliche Grazie verwandelte sich in die Grazie guter Manieren.
„Margarita“ sagte die Näherkommende, ohne im Geringsten die Stimme zu erheben, doch lag etwas in dem Tone, was das Mädchen, sichtlich verschüchtert, dicht an die Seite der Mutter huschen ließ.
Siegmund trat einen Schritt zurück, neben Max, um den Weg frei zu lassen, und beide junge Männer lüfteten den Hut. Während der mit einem Officierspaletot bekleidete Fremde den Gruß durch flüchtige Berührung seiner Mütze gleichgültig erwiderte, hatte der Blick, mit dem die Dame Siegmund gestreift, plötzlich einen eigentümlich forschenden Ausdruck angenommen, der ihn zu befragen schien: wer bist Du?
Seine Augen hafteten während der kurzen Zeit des Vorübergehens auf diesem ihm völlig fremden, nicht jugendlichen, aber schönen Gesichte, das so kalt aussah und ihm doch etwas zu sagen schien, das er nicht verstand.
„Kennst Du diese stolze Semiramis?“ fragte Max sehr erstaunt, nachdem die Gruppe der Fremden aus dem Gesichtskreise der jungen Leute verschwunden war.
„Nein,“ erwiderte Siegmund, dessen ernste Augen noch immer in die gleiche Richtung hinausträumten.
„Um so sicherer kennt sie Dich. Wie sie Dich betrachtete! Mir schien sie wechselte sogar die Farbe.“
„Ich kenne sie nicht,“ wiederholte Siegmund und warf den Kopf zurück, wie es seine Art war, wenn er Störendes abschütteln wollte. „Hoffentlich ist es kein böser Blick gewesen!“ fügte er lächelnd hinzu.
„Oder das kleine holde Ding hat für den bösen Zauber einen Gegenzauber gestiftet“ scherzte Max; „er hängt Dir in sichtbarer Gestalt ganz dicht am Herzen.“
Siegmund’s Blick folgte demjenigen des Freundes und – siehe da! eine tiefblaue Genziane, die sich aus dem Strauße des Kindes gelöst hatte, war an einem Knopfe seines Ueberziehers hängen geblieben.
„Die blaue Blume!“ sagte er heiter, indem er das Zweiglein im Knopfloche befestigte. „Sie soll mir Glück bringen, wenigstes für den heutigen Abend.“ – – –
Der heutige Abend – es wäre schwer zu sagen, wer ihm mit größerer Erregung entgegensah: Meister oder Schüler. Obgleich guter Erfolg für den sorgfältig vorbereiteten, sehr talentirten Debütanten in ziemlich sicherer Aussicht stand, war und blieb doch Siegmund ein Neuling und sollte sich vor einem Publicum bewähren, das nicht nur gewohnt war, feine und scharfe Kritik zu üben, sondern voraussichtlich an den außer der Competenz des Institutes Stehende besonders strengen Maßstab anlegen würde; denn Siegmund gehörte nicht zu den eingereihten Schülern des Instituts und hatte nur dann und wann, bei Anlaß der intimen Aufführungen, einen kleinen Part durchgeführt. Der Beschluß, daß er vor Ende seiner Gymnasialjahre nicht öffentlich auftreten solle, war streng aufrecht erhalten worden.
Fügen nahm heute seinen Tactstock mit innerlicher Unruhe zur Hand und bedurfte einer gewissen Willensanstrengung, um den ersten Theil des Programms, an dem Siegmund keinen Antheil hatte, mit gewohnter Sicherheit zu dirigiren; denn seine Gedanken eilten diesem Theile voraus, dem Momente entgegen, wo Siegmund’s Debüt beginnen sollte.
Der junge Künstler begab sich erst spät, als die Zeit seines Auftretens heranrückte, in das Nebenzimmer des Saales, welches für die Musiker reservirt war. Die Pause war beinahe zu Ende. Fügen eilte dem jungen Manne hastig entgegen.
„Wo bleibst Du?“ rief er vorwurfsvoll.
„Was soll ich hier?“ sagte Siegmund. „Zuhören?“
„Bist Du in Stimmung? Gieb mir einmal Deine Hand! Keine kalten Finger – gut!“
Der junge Mann lächelte, trat an die Verbindungsthür und warf einen Blick in den bis zum letzten Platz gefüllten Saal. Sein scharfes Auge durchforschte die erste Sitzreihe links; dort pflegte auswärtigen Gäste von Rang der Platz angewiesen zu werden. Ein Schatten von Enttäuschung ging über sein ausdrucksvolles Gesicht; fast in demselben Moment empfand er aber, wie sonderbar es sei, daß er in dieser Stunde, welche er zu den wichtigsten Perioden seines Lebens rechnete, nach Fremden ausgeschaut. Und nun erschien es ihm als unbegreifliche Kinderei, daß er dem Scherzworte des Freundes Folge gegeben und die Genziane des Nachmittags wirklich gleich einem Talisman bei sich trug. Im Begriff die halbwelke Blume abzustreifen, erfaßte ihn plötzliche Zerstreuung. Er wähnte zwei Augen auf sich gerichtet zu sehen – das waren aber nicht die braunen lachenden Augen des Kindes, sondern die forschenden tiefblauen Augen der Frau welche ihm heute begegnet.
Das Anklingen einer Saite hinter ihm rief alle Träumereien zur Ordnung. Siegmund’s Partner, der Violonist, gab sich das „La“ an.
„Vorwärts!“ sagte Fügen, im Begriff, an sein Pult zurückzukehren, um das sich die Orchestermitglieder schon geschaart.
Die drei Solisten folgten ihm auf dem Fuße. Als Siegmund sich vor dem Publicum verbeugte, fühlte er sich merkwürdig ruhig und erwartete ganz gelassen den Moment, wo der erste Accord des Flügels einzugreifen hatte. Seine Augen schweiften noch einmal über den Saal hin; er fühlte sich vollkommen Heer seiner selbst, und die Fähigkeit, sich zu concentriren, welche eine seiner individuellsten Eigenschaften war, verbannte jeden Rest von Aufregung. So begann er also muthig die ihm für heute Abend gestellte Aufgabe, und sobald er die Tasten berührt hatte, vertiefte er sich ganz und gar in sein Spiel.
Fügen’s neues Werk brachte die ihm eigene Begabung entschiedener zum Ausdruck, als irgend eine seiner früheren Compositionen. Schon die romanzenartige Melodie des ersten Satzes, in [603] welchem die Saiteninstrumente, voll ausdrucksmächtigen Accorden des Flügels begleitet, wie Gesang hintönten, weckte großen Beifall. Das lieblich beginnende, feierlich prächtige Andante, welches Siegmund die erste Stimme gab, riß die Zuhörer noch lebhafter hin und die wetterleuchtende Gewalt des Finale weckte einen wahren Sturm voll Applaus.
Dreimal zurückgerufen, ward Siegmund, nachdem er in das Zimmer der Musiker zurückgekehrt, von Glückwünschenden umringt. Gönner und Neider – Alle äußerten sich lebhaft über den großen Erfolg, welchen der Debütant gewonnen. Er athmete hoch auf, als der Beginn der nächsten Nummer Alles in den Saal zurückeilen ließ und er sich allein fand. Seine klopfenden Pulse ließen ihn nicht ruhig auf einer Stelle weilen; er ging erregt auf und nieder, warf sich aber endlich doch in einen Sessel, in welchem er, tief in Gedanken, das Ende des Concertes erwartete, um dann mit Fügen nach Hause zu gehen.
Das Programm näherte sich seinem Schluß. Während der zwischen die beiden letzten Nummern fallenden Pause ließ nahes Stimmengemurmel Siegmund aufblicken. Zwei Herren standen mit dem Rücken gegen das Zimmer unter der halboffenen Saalthür und unterhielten sich. Beide waren Siegmund als Musikfreunde bekannt, namentlich der Aeltere, welcher bei Fügen häufig aus und ein ging. Obgleich die beiden Herren ihre Stimmen dämpften, vernahm Siegmund in der tiefen Stille, die ihn umgab, doch jedes Wort. Sie sprachen über sein Spiel. Er wurde dunkelroth und änderte seine Stellung.
„Ganz vortrefflich!“ sagte der Eine enthusiastisch. „Nicht wahr? Wie zart kam jede Feinheit heraus; nicht die leiseste Nüance ging verloren Dieser junge Mensch wird noch einmal von sich reden machen“
„Hm,“ warf der Aeltere ein, „fanden Sie nicht bei alledem den Vortrag ein wenig conventionell? Das heutige Ensemble kann nicht als Maßstab gelten; ich hörte den jungen Riedegg aber wiederholt im Fügen’schen Hause spielen – Beethoven, auch Chopin, und jedesmal hatte ich gleichen Eindruck wie heute: mir wäre bei solcher Jugend ein weniger geschmackvoller Vortrag lieber; spürte man statt dessen nur etwas von dem Ungestüm, von dem dunklen Vorwärtsdringen, das den Anfänger vom beginnenden Virtuosen unterscheidet!“
„Aber ich bitte Sie –“
„Sie haben Recht in Allem, was Sie sagen wollen – ich habe aber auch Recht. Wir hörten einen trefflichen, einen ganz vorzüglichen Schüler des Meisters – diesen Meister wird er aber nie erreichen.“
Der vorgeneigte Kopf des im Schatten sitzenden Lauschers senkte sich tiefer, als der eben einfallende Schlußchor das Gespräch abschnitt. Einige Minuten nachher stand Siegmund rasch auf, nahm seine Noten unter den Arm und verließ das Haus.
Das schwache milde Licht des Neumondes begegnete seinen heißen Augen; hell und still lag die Straße vor ihm, welche von hier in gerader Richtung nach Fügen’s Wohnung führte. Auf dem Platze vor dem Conservatorium zeichneten sich die dunklen Silhouetten wartender Wagen ab, von schwatzender Dienerschaft umgeben. Siegmund wandte sich nach links und ging raschen Schrittes dem Quai zu. Dort war es tief einsam, und vom Strome her wehte scharfe Luft. Der späte Wanderer nahm den Hut ab und ließ den kühlen Wind durch seine Haare spielen, während er zwischen den schlanken jungen Bäumen der Uferanlagen auf- und niederging. Das that ihm wohl, ebenso das Schäumen und Brausen, mit dem das Wildwasser unaufhörlich gegen die Pfeiler der Bogenbrücke schlug.
Das wie Silber und Perlen auf dem Wasser zitternde Licht, so hold es war, sagte ihm nichts in dieser Stunde; sie war ihm keine Stunde der Träume. Jenes starke, wilde und dennoch rhythmische Brausen stimmte aber mit den Schlägen seines Herzens überein. Was er seit Monaten schweigend in sich getragen und durchgekämpft, forderte heute feste Gestaltung von ihm, und er war auch schon mit sich einig. Loszulassen, was als heißer Kämpfe werth erfunden worden, ist aber furchtbar schwer, bleibt selbst dann ein Schmerz, wenn es um des erkannten Besseren willen aufgegeben wird. Der alte Hang, zu dem er seit frühester Kindheit geneigt, packte Siegmund eben jetzt wieder mit so leidenschaftlicher Gewalt, daß er empfand, er müsse das beschlossene Loslassen ohne längeres Zögern zur That beschleunigen. Er hob plötzlich den Kopf. Sein Auge traf die gewaltigen Contouren des Gebirges, das sich, scheinbar näher gerückt, geheimnisvoll und majestätisch gegen den blassen Himmel abzeichnete. Wie anders dessen Formen, als die seiner heimatlichen Gipfel! Und doch mahnten ihn die dämmerigen Riesenhäupter an seine geliebte Heimath, an die theure Gestalt, welche höher und herrlicher in seiner Seele stand, als Alles, was aus Erden aufragte, höher sogar, als sein Ideal, die Kunst!
„Endlich!“ rief Fügen dem Eintretenden etwas unnwirsch entgegen. „Wo um Alles in der Welt hast du gesteckt, Junge? So durchzubrennen – mir nichts dir nichts! Und der Max hat Dich gesucht wie eine Stecknadel und war sehr üblen Humors, daß Du nirgends auszumitteln warst. Die Resi gar, sammt ihren gebratenen Enten! Willst Du von der in den nächsten acht Tagen ein gutes Gesicht schauen, dann mußt Du mindestens eine doppelte Portion aufspeisen. Gelt, Resi?“
Das runzlige Gesicht der Alten, welche eben mit der duftenden Schüssel eintrat, trug wirklich einen verdächtigen Ausdruck, doch schmolz der harte Blick, mit dem sie ihren jungen Herrn begrüßte, bei seinem Anblick sofort dahin. Er war ja ihr Herzblatt.
„Ist’s denn erhört?“ murrte sie vorwurfsvoll, „so erhitzt, und damit herum rennen bei dem Wind! Wenn der Herr Siegmund morgen stockheiser sind, kann er sich dafür bei sich selber bedanken, und wenn er jetzt halb verbrogelte Enten kriegt – na, meine Schuld ist’s nit.“
Der Gescholtene nickte ihr begütigend zu und setzte sich schweigend an seinen gewohnten Platz. Fügen warf einen kurzen, festen Blick auf ihn und begann in seiner lebendigen Weise von Diesem und Jenem zu plaudern, bis die kleine Mahlzeit erledigt war und Resi eine Bowle heißen Glühweines auf den Tisch gestellt hatte. Der Hausherr füllte die Gläser.
„Ziert gleich Bescheidenheit den Mann wie den Jüngling,“ sagte er, „so laß uns doch unter vier Augen anstoßen – auf unser heutiges gutes Glück!“
Siegmund erröthete lebhaft.
„Ich bin beschämt,“ sagte er, während die Gläser zusammenklangen; „verzeihen Sie mir, lieber Meister, daß ich Ihnen nicht eher Glück wünschte zur glänzenden Aufnahme Ihres Werkes!“
„Das namentlich Dein Spiel zu dem schuf, was es bedeuten soll und kann.“
„Sie waren zufrieden?“ fragte der junge Mann zögernd.
„Das fragst Du? Wenn unser Publicum zufrieden ist und das so nachdrücklich äußert, sollte ich meinen, auch Du dürftest befriedigt auf den Erfolg blicken den Dir der Abend gebracht“
Siegmund’s Augen verschleierten sich einen Moment; dann wurden sie weit.
„Dieser Abend hat mir Anderes gebracht,“ sagte er fest. „Wollte ich sagen: Erkenntniß, so wäre das falsch; denn diese kam mir längst, aber er hat mir einen Entschluß gebracht.“
Fügen’s gespannter Blick begegnete dem des Jünglings, doch äußerte er kein Wort, bis Siegmund langsam, nachdenklich hinzusetzte:
„Meine Zukunft kann nicht der Musik gehören –“
Des Meisters Brauen rückten dicht all einander.
„Und weshalb nicht?“ sagte er in einem Tone, dem anzuhören war, wie sehr er sich zusammennahm.
„Weil ich begriffen habe, was ich mich lange sträubte zu begreifen: daß mir Grenzen gesteckt sind, über die ich nicht hinaus kam, wenn ich auch jeden Blutstropfen, jeden Nerv einsetze. Musik ist mir ja der Gipfel des Lebens, aber meine Kraft trägt mich nicht dort hinauf, und doch habe ich Kraft und Willen und Muth gleich Anderen, mehr vielleicht als Viele. Das ist es gerade. Alles Herrliche, das Sie, Meister, wollen und erreichen, das vollbringen Sie doch auch nur als ein Mensch – ich sehe das und kann mich daneben des eigenen Thuns nicht stellen. Was ich je componirt, es ist vielleicht correct, vielleicht melodisch; Sie lobten Manches – die eigenste Kraft, die ich in mir spüre, die kommt nicht darin zum Ausdruck. Unter der Linie dessen zu bleiben, was meine Zeitgenossen bei gleichem Streben vermögen – damit mag und kann ich mich nicht begnügen; es genügt mir nicht, ewig nur ein Virtuose zu sein.“
[604] „Virtuose!“ unterbrach ihn Fügend unwillig, „welches Wort, und wie Du es aussprichst! Hab’ ich Dich etwa zum Virtuosen erzogen? In Einem hast Du Recht: ich leugne Dir nicht, daß wirkliche Schaffenskraft Dir fehlen mag. Giebt es aber keine anderen Ziele für Dich als die Composition? Liebtest Du die Musik so, wie Du sagst, dann könntest Du nicht ohne Weiteres hinfahren lassen, was bisher die Angel Deines Lebens schien. Gerade heraus: was Dich abtrünnig macht, ist nichts und aber nichts, als Dem Ehrgeiz. Du magst Dich nicht begnügen, ein Theil des großen Ganzen zu sein, wenn dies auch Deinem. eigenen Bewußtsein das Ideal repräsentirst. Die Mission, dem Großen, was Andere geschaffen, zur herrlichen Entfaltung zu verhelfen, dünkt Dir zu gering für Deine persönlichen Ansprüche. Ob ich das gut heißen kann, steht aber hier nicht in Frage; ich möchte Keinen zu einem Priesteramte überreden, am letzten einen Deines Gleichen“
Er sprang auf und ging, die Hände auf dem Rücken, eiligen Schrittes hin und wieder. Plötzlich stand er vor Siegmund still, der unbeweglich geblieben, und sagte schroff:
„Nachdem Du, so ganz auf Dich gestellt; Deine bisherigen Zukunftspläne aufgegeben, möcht’ ich Dich fragen, ob Du vielleicht schon einen anderen im Sinne hast?“
„Ja.“ sagte der junge Mann; „ich möchte Officier werden.“
„Was?!“ rief Fügen in entrüstetem Tone.
Siegmund erhob sich. Er war bleich geworden; sein geistvolles Auge blickte fest.
„Wollen Sie mich anhören, lieber Meister?“ sagte er mit etwas bewegter. Stimme. „Ich vermuthete wohl, daß Sie zürnen würden; nur deshalb mochte ich nicht voreilig über Gedanken reden, die mir seit langer Zeit im Kopfe herumgehen. Ja! ich bin ehrgeizig, wenn auch nicht in dem Sinne, wie Sie das Wort nehmen, und ich verdiene darum nicht, von Ihnen geringer geachtet zu werden. Nicht um meinetwillen sehne ich mich hoch zu steigen Als ich mich zum ersten Mal von meiner Mutter trennen mußte, habe ich ihr das Gelübde gethan, sie solle dereinst stolz aus mich werden. Und so weit meine Kräfte reichen, soll sie es werden in jedem Sinne! Sie wissen, wie groß meine Mutter denkt. Gleich einer Fürstin steht sie unter den Menschen, und welchen Platz nimmt sie ein? Ich habe, seit ich bei Ihnen lebe, manche Frau gesehen – ihres Gleichen sah ich nicht. Und sie lebt in Abhängigkeit. Wenn Ihr mir das auch nicht sagt, ich weiß es längst. Um meinetwillen, um reichlicher für mich sorgen zu können, hat sie ihre Freiheit aufgegeben; denn besäße sie Freiheit, zu thun oder zu lassen was sie wünscht, dann blieben wir nicht getrennt, wir, die einander über Alles lieben, über Alles auf der Erde. Ich soll nicht mit eigenen Augen sehen, was Alles sie erträgt, vielleicht in Aussicht auf eine Echtheit, das auch wieder mir zu Gute kommen soll. Oder wissen Sie es anders?“
„Ich weiß nichts, am wenigsten, wohin Du mit Alledem hinaus willst,“ sagte Fügen voll mühsam bekämpfter Ungeduld.
„Ja,“ nickte Siegmund gedankenvoll, „wer wagte auch, sie um etwas zu fragen, das sie verschweigen will? Wie oft hingen mir Fragen und Bitten schon auf der Lippe und durfte doch nicht zu Worte kommen! Was hätte es auch geholfen! Ich war und bin ja nichts. Aber die Zukunft ist mein. Ich will und werde ihr den Platz schaffen, der ihr gebührt – das ist mein Ehrgeiz. Und deshalb will ich Officier werden.“
Seelöwen.
Die Seelöwen[1] und ihre Vettern, die Seebären, gehören zu denjenigen Thieren, die seit lange sprichwörtlich im Volksmunde leben; ihre gerüchtweise bekannt gewordenen Eigenschaften gaben mannigfache Veranlassung zu bildlichen Redensarten, aber wir kannten diese Könige der See eben nur vom Hörensagen, und erst seit einigen Jahren haben wir in Berlin Gelegenheit, uns einerseits von der Richtigkeit der Redensarten „er brüllt“ und „er plantscht (im Wasser) wie ein Seelöwe“ zu überzeugen und andererseits die wohlwollend-schmollende Bezeichnung für nicht ganz leichtumgängliche Freunde „alter Seebär“ als wohlbegründet zu erkennen, eine Bezeichnung, die man bekanntlich an manchen Orten einem tölpelhaft-polternden rasch und gern opponirenden, aber zuletzt doch nachgiebigen gutherzige Menschen anzuhängen liebt. Seit dem Jahre 1878 bewohnt nämlich ein Seelöwe unseren zoologischen Garten und läßt uns seine Brüll-, Schwimm- und Kletterkünste bewundern.
Wie er sich nun hier, in seiner neuen Heimath, unter Director Bodinus’ sorgsamer Obhut benimmt, davon hat die „Gartenlaube“ schon früher (Jahrg. 1876, S. 881) ihren Lesern berichtet; auch hat sie eine Beschreibung der äußeren Erscheinung der Thiere nach den in dem Hamburger zoologischen Garten untergebrachten californischen Seelöwen gegeben. (Vergl. Jahrg. 1875, S. 588.) Unser heutiges Bild zeigt nun Seelöwen in verschiedenen Bewegungen und Körperlage, die sorgfältig gewählt sind, um eine Vorstellung von dem gesellschaftlichen Zusammenleben dieser Thiere in der Freiheit zu geben. Ich kann mich im Hinblick auf jene früheren Schilderungen heute bei der Aufzählung der besonderen Merkmale derselben kurz fassen.
Die Seelöwen gehören bekanntlich zu der Familie der Ohrenrobben, die sich durch das Vorhandensein freier Ohrmuscheln von den beiden andern Familien der großen Ordnung der Robben, den Seehunden und den Walrossen, unterscheidet.
Neben dem Vorhandensein der Ohren ist es, bei der Vergleichung mit dem Seehunde, vorzüglich der abweichende Bau der Füße, der auch dem Laien sofort auffällt, und die ungemeine Beweglichkeit des Seelöwen, die auf ein vom Seehunde ganz verschiedenes Thier schließen lasse. Während bei dem Letzteren die Vorderfüße völlig freie, bis an die starken Krallen dicht behaarte Zehen zeigen, die nur unter einander durch kurze Schwimmhäute verbunden sind, sehen wir an den Ohrenrobben die Zehen des ganzen Vorderfußes, deren erste bei weitem die längste ist, von einer gemeinschaftlich alle bedeckenden schwarzen Haut überwachsen, welche die Zehenstütze weit überragt und auf der man kaum die Spuren der ganz verkümmerten Krallen bemerkt. Der Haarwuchs erstreckt sich wenig über die Mittelhand. Es bilden so die Vorderfüße große dreieckige Flossen. Die Thiere vermögen ihre Hinterfüße nach allen Richtungen hin zu bewegen, sie beim Ruhen unter den Leib zu schlagen und beim Erklettern der Uferfelsen ihrer Wohngebiete als höchst praktische Werkzeuge auf das Ausgiebigste in jeder Weise zu verwenden. Auch an ihnen reichen die Flossenhäute und –Lappen weit über die Zehen hinaus. Ebenso charakteristisch wie die Füße ist bei der Erscheinung des Seelöwen der Hals. Er ragt weit zwischen den Schultern hervor und erscheint, wenn ausgestreckt, schlank und unendlich bewegungsfähig. In der Ruhe jedoch liebt es das Thier, den Kopf bis dicht an die Schultern heranzuziehen Die Halswirbelsäule nimmt dadurch eine schwanenhalsartige Form an, die sich jedoch in den zusammengezogenen mächtigen Speckmassen verbirgt, welche sie um ihre Muskulatur umgeben und eine kolossale faltige Wulst bilden.
Das Ohr, von dem die Familie ihren Namen trägt, bildet eine kleine, walzenförmige Düte, deren Spitze eine Vierteldrehung nach außen macht. Die Ränder, der innere und äußere, liegen dicht auf einander und werden durch das Thier beim Tauchen wasserdicht geschlossen. Die Ohren sind sehr klein, messen beispielsweise bei einem zwei Meter langen Thiere nur drei Zentimeter. Schöne große Augen zieren den Kopf, und ein mächtiger Schnurrbart, von dicken Borsten gebildet, schmückt die Oberlippe; ein gefahrdrohendes Raubthiergebiß bewehrt die kräftigen Kiefer, und kurzes ungeflecktes, graubraunes, an Hals, Bauch und Gliedmaßen schwarzes Haar bedeckt den Körper, welcher in einen kurzen Schwanz endigt.
Die Körpergröße ist sowohl bei den Arten wie auch bei den Geschlechtern verschieden. Während die Männchen der von Steller beobachteten Seelöwe bis zu 5 Meter Länge bei einem Gewicht von 18 Centnern erreichen, überschreiten andere Arten, sowohl die
[605][606] im Norden lebenden, wie die den Süden bevölkernden, das Maß von 21/2 Meter nur um ein Geringes.
Die Weibchen hingegen haben nur in seltenen Fällen mehr als die Hälfte der Länge und den vierten Theil des Gewichts der Männchen. Das Wohngebiet der Seelöwen begreift den ganzen stillen Ocean ein. An allen Küsten und auf den Inseln sowohl denen des südlichen und nördlichen Eismeeres, wie denen der Aequatorländer finden sie sich vor. Meist halten sie ständig dieselben Wohnplätze ein, und nur zu bestimmten Zeiten werden Massenwanderungen nach ihnen angenehmeren, weit abgelegenen Inseln unternommen.
Für gewöhnlich lebt eine größere nach Hunderten zählende Gesellschaft, die aus einzelnen Familien besteht, nachbarlich bei einander. Der Familienvater, das große alte Männchen, hält mit Strenge darauf, daß nicht fremde Eindringlinge ihm seine Familienruhe und sein Fischereigebiet beeinträchtigen. Wie ein Sultan lebt er unter seinen Frauen und Kindern, und der von ihm gewählte Wohnplatz bildet den Harem, in welchem eine Anzahl Sultaninnen sich ihres Daseins freuen. In friedlicher Ruhe und unter den täglichen Beschäftigungen des Nahrungserwerbes fließt der Gesellschaft der größere Theil des Jahres dahin.
Bei den Massen von Nahrung, die so große Thiere bedürfen, finden die bei einander wohnenden Hunderte nicht immer in der Nähe der Küste eine genügende Menge ihnen zusagender Beute, sondern müssen oft die hohe See zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse aussuchen. Nicht nur sind es Krebse, Fische und Muschelthiere, welche das tägliche Brod der Ohrenrobben bilden, selbst Wasservögel gehören zu ihren gewöhnlichen Speisen. Vorzugsweise sind es Pinguine und Möven, deren sie sich, so unglaublich dies scheint, leicht bemächtigen. Die Freßgier der letzteren wird ihr Verderben, und als Opfer einer besonderen List fallen sie den Seelöwen zu.
Scammon beobachtete nämlich, wie Seelöwen, um fliegende Möven anzuködern, vorsichtig an einer Stelle der Oberfläche des Wassers erschienen, jedoch nur die Nasenspitze herausstreckten und, durch geschickte Anwendung ihrer Schnurrhaare das Wasser kräuselnd, die Begehrlichkeit der fliegenden Vögel reizten. Diese Möven, hoffend eine angenehme Beute erhaschen zu können, werfen sich mit Macht herab, um sich ihrer zu bemächtigen – einen Augenblick später fühlen sie die Zähne des Listigen; sie sind ergriffen, werden unter das Wasser gezogen und verspeist. Neben der großen Menge von Nahrung, die täglich auf zwanzig Kilogramm pro Kopf zu veranschlagen ist, halten unsere Seelöwen es immerhin für nöthig, eine Anzahl Steinchen bis zu Pfundschwere zwischendurch zu verschlucken. Auch der Seelöwe will sein Compot zum Fleisch, welches ihm wohl die Verdauung befördern hilft.
Mit diesen gemeinschaftlichen Jagden, an denen Alt und Jung gleichmäßig teilnehmen, verbinden sich auf’s Natürlichste die harmlosen Spiele der Jungen, sowohl unter einander, wie mit ihren Eltern. Da giebt es kein Hinderniß, das die Fröhlichkeit auch nur im Mindesten stören könnte; denn Wetter und Wind, Sonnenschein und Regen, Sturm und Windstille, Frost und Hitze, glatte See und Meeresbrausen sind diesen Thieren vertraute Sachen. Sie, deren natürliches Element das Wasser ist, welches sie in vollendetster Weise beherrschen, die wenige Monate alt schon eine lange Seereise gemacht haben, sie bewegen sich mit einer Leichtigkeit in den Wellen, in welcher sie wohl kaum von anderen Thieren übertroffen werden, da sie im Stande sind, zwei Minuten lang sich unter Wasser zu bewegen, ohne neuen Athems zu bedürfen. Je toller das Wogengebraus, desto höher die Lust, desto mehr werden ihre Bewegungen durch das schäumende Element unterstützt. Wie Pfeile durchschneiden sie das Wasser; mit weit vorgestrecktem Kopfe und langem Halse, hartanliegenden Vorderflossen, nur mit den Hinterfüßen rudernd, schießen sie mit schwach schlängelnder Bewegungen des Leibes durch die Fluthen.
Langsam entsteigen sie, nachdem sie ihre Lust an tollem Spiel gesättigt, dem Wasser; das Haar, durch die Feuchtigkeit dicht an den Leib gedrückt und dunkler gefärbt, giebt dem Körper ein glattes, wie polirtes Aussehen. Großen Landschnecken gleichend, bewegen sie sich schwerfällig den Lagerplätzen zu, wo sie, nachdem sie sich mehrfach geschüttelt, um das Wasser aus dem Felle zu entfernen, sich niederthun und es nun dem Winde und der Sonne überlassen sie völlig zu trocknen
Nachdem das Kriechen und Klettern über und zwischen einander zum großen Theil sein Ende erreicht hat – ganz hört es ja nie auf – sucht jeder sich die Lage zu verschaffen, die seinem augenblicklichen Wunsche angemessen ist und den räumlichen Verhältnissen entsprichst Die alten Männchen halten auf hervorragenden Punkten Wache, und in ihrem Schutze genießt die Heerde der begehrten Ruhe. Diese Ruhe ist jedoch keine lautlose; im Gegentheil tönt aus der großen Masse unausgesetzt ein scharfes kalbartiges Blöken, welches von den einzelnen in kurz abgesetzten Stößen schnell hinter einander wiederholt wird. Es sind die in aufgerichteten Stellung ruhenden, welche diese Töne ausstoßen während die auf Rücken oder Seite daliegenden sich ruhig verhalten. Das Geblök nimmt bei der großen Menge unmusikalisch thätiger riesige Dimensionen an, sodaß es bei ruhiger See mehrere Meilen weit von der Mannschaft eines vorbeifahrenden Schiffes gehört wurde.
Ist nun der Frühling in’s Land gekommen, so treten unsere unternehmungslustigen Helden die Brautfahrt nach den oben erwähnten Sammelplätzen auf einsamen Inseln an. Die Männchen eröffnen den Zug; von allen Seiten strömen ungezählte Schaaren den lang gewohnten traulichen Revieren zu. Hier bewegen sie sich scheu oder gleichgültig gegen einander, bis die Weibchen mehrere Tage nach ihnen angekommen sind, und da diese mit den jüngeren Thieren die große Menge ausmachen, so beleben sich die Inseln in staunenerregender Weise. Tausende und aber Tausende sind hier versammelt und bedecken dicht gedrängt weite Flächen der schlammigen, felsigen oder mit grobem Steingeröll bedeckten Seeküsten. Es handelt sich jetzt für die Männchen darum, aus der Zahl der Zugereisten ihren Hausstand zu erweitern und zu diesem Zwecke neue Familienverbindungen anzuknüpfen. Hierin kreuzen sich aber die Pläne und Absichten der zahlreichen Männchen oft in der mannigfaltigsten und störendsten Weise. Da gilt es, daß jeder sein Recht selbst suche. Die Verhandlungen und Auseinandersetzungen nehmen einen äußerst stürmischen Charakter an; das Faustrecht steht in vollster Blüthe, und tagelange blutige Kämpfe werden unter betäubendem Gebrüll, welches selbst die stärkste Brandung übertönt, von den erregten Thieren um die Herrschaft über die Heerden der Weibchen gekämpft. Im Herzen geknickt, schmerzbewegt zieht sich schließlich der Schwächere zurück, dem glücklichen, mächtigen Sieger den Preis lassend.
In den jetzt folgenden vier Monaten – denn so lange dauert der Aufenthalt in den Sammelplätzen – entwickelt sich das wohligste Familienleben. Die Jungen sind zur Welt gekommen – jede Mutter hat eines, höchstens zwei – und die Eltern sind gemeinschaftlich um ihre standesgemäße Erziehung bemüht; einträchtlich bewacht und belehrt man sie. Die kleinen schwarzen Gesellen müssen lernen auf dem Sande wie auf dem weichen Schlamme zu kriechen, Rollsteine zu überwinden und Felsen zu erklimmen immer sind die Alten zur Hand, um ihre Jungen vor Fall und Mißgeschick zu hüten. Besondere Ueberwindung kostet es den Kleinen, sich mit dem Wasser bekannt zu machen – doch es hilft nichts. Wie Steller erzählt, nehmen die Mütter ihre Kinder auf den Rücken begeben sich in's Meer und werfen sie dort durch Drehung ihres Körpers ab, sodaß sie nothgedrungen schwimmen müssen. Am Ende des Sommeraufenthaltes, wenn die Rückreise in die engere Heimath angetreten wird, sind dann die Jungen auch vollauf befähigt, die Reise mitzumachen
So ausgezeichnete Speckthiere, wie unsere Seelöwen, die noch dann in unzählbaren Heerden vorhanden und leicht und verhältnißmäßig gefahrlos zu jagen sind, forderten natürlich die ausgedehntesten Verfolgungen sowohl durch die Eingeborenen ihrer Heimath, wie auch durch die civilisirten Handelsvölker heraus. Mit Keule und Lanze gehen die Ersteren ihnen zu Leibe, treiben eine Anzahl von sechs bis acht Stück durch Scheuchen mittelst einer Fahne vom Seeufer in’s Innere des Landes, ihren Dörfern zu und tödten die der Bangigkeit fast erliegenden Rathlosen ihrer Kraft Unbewußten durch Keulenschläge auf den Kopf. Den Bewohnern der Inseln, welche das Behringsmeer im Süden begrenzen, sowie der Nordwestspitze Amerikas, sind die Seelöwen ungemein nützliche Thiere: Nachdem die abgezogenen Felle eine Zeitlang zum Zwecke der die Enthaarung erleichternden Gährung auf einander geschichtet gelegen, werden sie zum Hüttenbau und zu Kahnbezügen verwendet, das in Streifen geschnittene Fleisch auf Gerüsten getrocknet und zum Winterproviant aufbewahrt, das Fett und der Thran als Feuerungs- und Beleuchtungsmaterial benutzt, die Eingeweide gegessen, die Gedärme angeschnitten und zu wasserdichten Kleidern verarbeitet, der Magen jedoch, ebenfalls gegerbt, als Vorrathsfaß angewendet
Die weißen Robbenjäger verfahren in ähnlicher summarischer [607] Weise bei der Jagd, nur daß sie sich gleichzeitig größerer Mengen der Thiere zu bemächtigen suchen die nun, von einer Postenkette umzingelt, in geregelter Arbeit mit Kugelschüssen durch den Kopf getödtet werden. Fell und Fett entnimmt man den Cadavern, ersteres, um es zur Leimbereitung zu verwenden, letzteres, um es zu Thran auszukochen.
Die massenhafte Abschlachtung der Robben hat übriges ein merkliches Zurückgehen des Bestandes zur Folge gehabt, daher denn jetzt meist nur noch die Männchen aus den Heerden abgeschossen werden. Früher war der Jagdertrag des Robbenschlages an den californischen Küste allein ein so ungeheurer, daß man jährlich Tausende von Fässern mit dem Thrane der Thiere füllte, und man kann auf die Zahl der Getödteten schließen, wenn man bedenkt, wie selten so große Robben erlegt werden, daß vier genügen, um ein Faß mit Thran zu füllen.
Die Gefangenschaft ertragen die Seelöwen ausgezeichnet und werden außerordentlich zahm, wovon sowohl das Londoner südamerikanische, wie unser Berliner californisches Exemplar Beweise geben. Vorzüglich das erste nach England gekommene Thier stand zu seinem freundlichen Pfleger, dem Matrosen Lecomte, in wahrhaft rührendem Verhältnisse. Das Anziehende der Thiere hat sogar bei der californischen Regierung so viel Anerkennung gefunden, daß sie eine Heerde derselben, gegen achtzig Stück, unter ihren besonderen Schutz genommen hat. Diese Heerde wohnt auf einer steilen Felsgruppe am Eingange der Bucht von San Francisco, wo ihnen keine verderbliche Kugel nahen darf. Aus der Zahl ihrer Brüder auf den benachbarten vogelfreien Ufergebieten stammt auch der Berliner Seelöwe (Arctophoca Gilliesppi) her, und seine eingehende Beobachtung hat die Anregung zu unserem Bilde gegeben.
Die deutsche Seewarte in Hamburg.
Der malerische Höhenzug, welcher die prächtigen Villenanlagen der reichen Hamburger Kaufmannswelt am rechten Elbufer bei Blankenese trägt und über Altona bis nach Hamburg hineinreicht, wird an seinem Südende, dem sogenannten „Stintfang“, von einem monumentalen Gebäude mit vier Eckthürmen gekrönt, dem stolzen neuen Heim der deutschen Seewarte, dem architektonischen Meisterwerke der Hamburger Architekten Kirchenpauer und Philippi. Die feierliche Einweihung dieses großartigen Institutes soll am 14. September dieses Jahres in Kaiser Wilhelm's Gegenwart stattfinden, und an diesem Tage wird auch die Seewarte endgültig die gastfreundliche Stätte verlassen haben, welche ihr seit ihrer Begründung im Jahre 1875 das benachbarte Seemannshaus gewährt hat. Wohl steht es dem verdienstvollen Director der Seewarte, Professor Dr. Neumayer, und seinem Stabe von Gelehrten und Praktikern an, diesen Tag auch für sich als einen Ehrentag zu betrachten, da es ihnen gelungen ist, die Aufgaben des Institutes der Vollendung nahe zu bringen; denn der Name der deutschen Seewarte hat in wissenschaftlichen Kreisen wie auf allen Meeren einen guten Klang, wo immer die deutsche Flagge weht. Für den Laien aber hat das Institut einen täglich in ganzem Umfange empfundenen Werth: es ist uns die größte Wetterprophetin, die uns stets am besten mit Nachrichten über die Witterung des nächstkommenden Tages versieht, da nicht weniger als 80 Procent ihrer täglich ausgegebenen Wetterprognosen eintreffen. Es giebt im ganzen deutschen Reiche vielleicht keine Zeitung und kein Blättchen, die nicht die Wetterberichte der Seewarte ihren Lesern verkündeten. Vermöge seiner sonstigen zahlreichen wissenschaftlichen Publicationen nimmt außerdem dieses Institut einen hohen internationalen Rang unter den ähnlichen Einrichtungen anderer Nationen ein.
Als die „Gartenlaube“ zum ersten Mal (vergl. Nr. 12, 1875) über dieses dem Chef der kaiserlichen Admiralität unterstellte Reichsinstitut Mitteilung machte, hatte dasselbe seine weitgreifende Thätigkeit noch nicht begonnen, und es wurde daher nur in großen Zügen der Arbeitsplan der Anstalt dem Leser angedeutet.
Indem wir heute das Bild der neuen Seewarte nach einer meisterhaft ausgeführten Medaille bringen, welche die Direction zum Tage der Einweihung, dem 14. September 1881, für ihre „Mitarbeiter zur See“ gestiftet hat, geben wir eine kurze Beschreibung der Einrichtung der Innenräume des Gebäudes und ihrer Bestimmung. Das stattliche quadratische Gebäude ist von dem Seemannshause etwa hundertdreißig Meter entfernt und nimmt mit dem dazu gehörenden Terrain den oberen Theil des Stintfanges, welcher sich durchschnittlich dreißig bis zweiunddreißig Meter über den Nullpunkt des Elbpegels erhebt, ein. Die ganze Anlage ist, so weit man dies in der Nähe einer großen Stadt überhaupt beanspruchen kann, zu klimatologischen und wissenschaftlichen Beobachtungen sehr geeignet; denn die Isolirtheit des Stintfanges gewährt genügende Sicherheit für die notwendigen Beobachtungen über die Elemente des Erdmagnetismus, sowie für Compaßuntersuchungen, da größere Eisenmassen in der Umgebung nicht vorhanden sind; sie bietet ferner, Dank ihrer freien Lage, einen günstigen Beobachtungspunkt für die Messung der Windstärke und Windrichtung, sowie eine weite Rundsicht zur Prüfung von Sextanten, endlich aber gestattet die Nähe des Hafens stets den Verkehr der Schifffahrttreibenden mit dem Institute.
Treten wir durch den Haupteingang an der Südwestseite des Gebäudes ein, so überblicken wir vom Erdgeschosse aus fast die ganze innere Anlage. Sämmtliche Räume der drei Stockwerke laufen um einen mittleren quadratischen mit Glas gedeckten Hof und sind mit einander durch Corridore verbunden, die sich wiederum gegen den Hof in Arcaden öffnen. Das Erdgeschoß enthält die Wohnung des Directors Neumayer und die unter dem bekannten Nordpolfahrer, Capitain Koldewey, stehende zweite Abtheilung der Seewarte mit der dazu gehörenden Sammlung von Instrumenten und Modellen. Es ist bekannt, welche Wichtigkeit die nautischen Instrumente für den Schiffer auf hoher See haben, wie er den Compaß nöthig hat, um die Richtung der Fahrt, den Sextanten, um den Stand der Gestirne und dadurch den Ort des Schiffes, Baro- und Thermometer, um die Veränderung des Wetters zu erkennen etc. Da nun schon ein kleiner Fehler des Meßinstrumentes bei den ungeheuren Entfernungen die auf See vorkommen, große Irrthümer über die Lage des Schiffes hervorbringen kann, so hat die zweite Abtheilung der Seewarte die Aufgabe der Beschaffung und Prüfung der nautischen meteorologischen und magnetischen Instrumente übertragen erhalten. Vom ersten Momente an, wo diese Thätigkeit begann, haben die Mechaniker, welche sich mit Anfertigung derartiger Apparate beschäftigt, die Bedeutung der wissenschaftlichen Prüfung erkannt und von Jahr zu Jahr immer mehr davon Gebrauch gemacht. Bis zum Schlusse des Jahres 1879 sind mehr als dreitausend derartige Untersuchungen durch Herrn Koldewey mit Hülfe seiner Assistenten H. Eylert und A. Lauenstein ausgeführt worden.
Eine ganz besondere Thätigkeit entfaltet die Abteilung in Bezug auf die Deviationsbestimmung, das heißt die Untersuchung der Ablenkung, welche die Nadel des Compasses an Bord eiserner Schiffe erfährt. Was die Sammlung von Modellen und Instrumenten betrifft, so ist dieselbe in acht Gruppe geordnet und umfaßt Alles, was zur wissenschaftlichen Schifffahrtskunde in Beziehung sieht. Es ist hier leider nicht der Raum vorhanden, auf die einzelnen Gegenstände einzugehen, deren specielle Instandhaltung dem Mechaniker der Seewarte, Herrn Frank von Liechtenstein, übertragen ist, das Eine darf aber hervorgehoben werden, daß die Beschaffung der Instrumente einen außerordentlichen Aufwand von Arbeit und Erfindungskraft gekostet hat. In erster Linie vertrat hierbei die Direction den Standpunkt, daß sie nach Möglichkeit deutsche Mechaniker und Fabrikanten zur Lieferung heranzog, wie dies überhaupt jetzt unsere staatliche wissenschaftlichen Institute thun, und es kann gar nicht genug betont werden, welchen Aufschwung seitdem die Präcisionsmechanik bei uns genommen hat.
Das erste Stockwerk enthält die Directorialräume und die erste Abtheilung der Seewarte. Zu den erstere gehört unter Anderem ein Conferenzsaal, ein Zimmer für den Meteorologen des Instituts, Dr. W. Köppen, welcher, unabhängig von den einzelnen Abtheilungen, sich wissenschaftlichen Spezialuntersuchungen einschlägiger [608] Art hingiebt und schon eine Reihe werthvoller Abhandlungen publicirt hat, ferner ein Zimmer für die persönlichen Assistenten des Directors, Dr. R. Kleemann etc. Vorsteher der ersten Abteilung ist Capitain Dinklage, seine Assistenten Capitain Haltermann, Capitain Hegemann, der Nordpolfahrer, und Capitain Pust. Der Arbeitskreis dieser Abtheilung umfaßt die maritime Meteorologie, und bedarf die Seewarte hierzu der Unterstützung von Mitarbeitern zur See. Die Schiffsführer, welche sich aus der Handelsmarine hierzu bereit erklären, erhalten die Vortheile der Benutzung aller Einrichtungen der Seewarte unentgeltlich. Ihre Chronometer, Compasse, Sextanten und meteorologischen Instrumente werden geprüft; die Benutzung der Bibliothek und Kartensammlung der Anstalt ist ihnen freigestellt und bereitwilligst wird ihnen schriftlich und mündlich Rath ertheilt über die Ausführung der zu machenden Reisen und in sonstigen nautischer Angelegenheiten. Die Unterstützung, welche die Schiffscapitaine dafür der Seewarte zu leisten verpflichtet sind, besteht nun darin, daß sie alle sechs Stunden während der Fahrt die gemachten Beobachtungen in meteorologische, von der Seewarte ausgegebene Journale eintragen müssen.
Nach Schluß der Reise wird das Beobachtungsmaterial von der ersten Abtheilung systematisch verwerthet und zusammengestellt.
Auch werden an die Mitarbeiter zur See die erforderlichen Instrumente leihweise ausgegeben und solche Capitaine, die sich durch besonderen Eifer in der Förderung der Ziele des Instituts hervortun erhalten eine besondere Prämie. Während bisher als Geschenke für diesen Zweck Uhren, Atlanten, Bücherwecke etc. verwendet wurden, ist die jetzt gestiftete, oben genannte Medaille, welche nach Director Neumayer’s Angaben von dem Medailleur der Hamburger Münze, Herrn Lorenz, ausgeführt wurde, in Gold, Silber oder Bronze nunmehr dazu bestimmt.
Die Verwertung des eingegangenen Materials geschieht nach mehreren Seiten hin, indem auf Grund desselben erstens Publicationen über die Witterungsverhältnisse des Oceans veröffentlicht werden, zweitens aber das sehr großartige Unternehmen der Herausgabe der sogenannten synoptischen Karten ausgeführt wird. Man kann nämlich jedes Schiff auf See für den Moment, wo es Beobachtungen macht, als eine meteorologische Station betrachten und da sich dies für jedes Schiff sehr oft wiederholt, so gewinnt man nach und nach für fast alle Punkte des Oceans eine Menge Material, welches gestattet, aus allen diesen Beobachtungen nachträglich die Witterungsverhältnisse für jeden Tag oder Monat zusammenzustellen und Karten über die Vertheilung des Luftdruckes etc. zu entwerfen. Indem man diese Verhältnisse alsdann später mit den damals auf dem Lande vorherrschenden, die gleichfalls registrirt sind und bekanntlich von einigen Zeitungen sogar täglich als Wetterkarten herausgegeben werden, vergleicht, wird man nach und nach in die Lage versetzt, den Gang der Witterung auf der Erde nachträglich zu verfolgen und die nöthigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Da nun ein einziges Institut diese Riesenarbeit nicht bewältigen kann, so hat in Folge internationaler Vereinbarung die deutsche Seewarte als specielles Arbeitsgebiet einen Theil des Nordatlantischen Oceans übernommen, und zwar denjenigen, welcher sich zwischen dem dreißigsten und fünfzigsten Grad nördlicher Breite erstreckt. Dieses Gebiet wird wieder in Felder von zehn Grad Länge und zehn Grad Breite eingetheilt, und jedes Feld erhält eine besondere Nummer. Beispielsweise führt das Quadrat zwischen vierzig bis fünfzig Grad nördlicher Breite und zehn bis zwanzig Grad westlicher Länge die Bezeichnung: Nummer 146. Ueber dieses „Zehngradfeld 146“ waren bis zum 1. April 1878 nicht weniger als 44,813 Beobachtungssätze von Schiffen eingegangen, welche klimatologisch verarbeitet und publicirt wurden. So wird ein Quadrat nach dem anderen bearbeitet, bis man quer über den Ocean gelangt ist, was etwa sieben bis zehn Jahre dauern wird.
Im zweiter Stockwerk befindet sich die dritte Abtheilung der Seewarte, welcher Dr. von Bebber mit seinen Assistenten Dr. A. Sprung und Capitain C. Felberg vorsteht; hier finden wir auch die Wohnung des Vorstehers, ein Zeichenzimmer, ein Telegraphenzimmer, ein Instrumentenzimmer etc. Die Arbeit dieser Abtheilung umfaßt die Pflege der Witterungskunde, und zwar besonders der Küstenmeteorologie und des Sturmwarnungswesens in Deutschland. Es ist ein weitverzweigter Mechanismus, der hier wirkt und arbeitet. Von allen Seiten strömen hier die telegraphischen Nachrichten zusammen, blitzschnell den Funken mit der Nachricht von den Wetterverhältnissen von Land zu Land, von Ort zu Ort tragend, und, zu einem übersichtlichen Ganzen geordnet, gehen sie von hier an die Häfen und in das Binnenland als Wetterberichte, Wetterkarten und Prognosen, oder sie gehen, wenn es nöthig ist, als Sturmwarnungen an die zahlreichen meteorologischen Stationen und Signalstellen, welche die deutsche Seewarte an den Küsten der Nord- und Ostsee besitzt. Im großen Publicum ist dieser Theil der Thätigkeit der Seewarte bisher am meisten bekannt geworden.
Die vierte Abtheilung der Seewarte, das Chronometer-Prüfungs-Institut, befindet sich nicht im Gebäude selbst, auch nicht auf dem Territorium des Stintfang, sondern vielmehr in einem selbstständigen, gleichfalls von den genannten Architekten erbauten eigenen Hause unmittelbar neben der Hamburger Sternwarte, weil der Director der letzteren George Rümker, gleichzeitig Vorsteher dieser vierten Abtheilung ist. Zweck der Abtheilung ist die Hebung und Förderung der Chronometer – Industrie und die Anfertigung von Correctionen für die Chronometer der Handelsmarine.
Hiermit ist die Zahl der zur deutschen Seewarte gehörenden Gebäude noch nicht erschöpft; sie verfügt noch über ein Compaßobservatorium, das etwa zwanzig Meter von der Südwestfront des Hauptgebäudes entfernt liegt und durch einen unterirdischem Gang mit dem Keller desselben verbunden ist. Auch fungirt in einiger Entfernung von der Nordostfront ein magnetisches Observatorium.
In wenigen Tagen wird nun die deutsche Seewarte unter der erfreulichen Zunahme des Interesses nicht nur des großen Publicums, sondern auch des direct am meisten beteiligten Seemannsstandes in ihre neue Centralstelle unter Beibehaltung ihres bisherigen Arbeitsplanes mit allen Kräften eintreten. Möge es ihr beschieden sein, auch in Zukunft der Mittelpunkt für die Pflege der wissenschaftlichen Nautik und der praktischen Witterungskunde zu bleiben!
[609]
Ein Hüter des Deutschthums im Elsaß.
Zehn Jahre sind in’s Land gegangen, seit wir das Elsaß wieder unser nennen – eine lange Zeit, in der sich Manches vergißt. Unser Volk hat es fast vergessen, daß es einst sehnsüchtig über den Rhein nach den Vogesen blickte und den Straßburger Münsterthurm sich als das Wahrzeichen einer alten politischen Schuld ersah. Heute – über dem geräuschvollen Aufsuchen und Ausbauen nationaler Lebenswege – schweigt die Erinnerung an die schönen Tage, da wir das Reich noch in der Phantasie sahen, da das Elsaß nur noch ein Ziel unserer Sehnsucht war. Damals saß in dem entrissenen Lande ein Häuflein wackerer elsässischer Männer auf schwierigem, undankbarem Posten, unsere Statthalter, die das Deutschthum drüben über dem Rhein für uns verwalteten. Wer erinnert sich ihrer heute noch mit jenem innigen Gedenken, das ihnen gebührt? Und doch sind die Stoeber, Mühl, Otte, Hackenschmidt und Andere, diese elsässischen Dichter, Gelehrten und Pfarrer für alle Zeit vollgültiger Beweis, daß Deutschland nicht ein ihm entfremdetes Land gewaltsam annectirt, sondern einen ihm geistig unverbrüchlich angehörigen Gau sich wieder verbunden hat.
Das moderne Geschlecht hat für das, was Mitlebende gethan – Heroenarbeit vielleicht ausgenommen – ein schlechtes Gedächtniß, und erst wenn der Tod irgendwo anpocht, ein verdienstliches Leben hinwegzunehmen, pflegt auch die Erinnerung an dasselbe dauerndere Formen zu gewinnen.
So mußte auch einer der obenerwähnten elsässischen Männer, Gustav Mühl, der liebenswürdige Dichter, von der Erde scheiden, bis seinen Verdiensten als deutscher Patriot im Elsaß unter französischer Hoheit und als elsässisch-deutscher Dichter Gerechtigkeit und Anerkennung wurde. Als sein lorbeerbekränzter Sarg am Sonntagnachmittag des 29. August 1880 aus dem Patrizierhaus der Düsergasse zu Straßburg nach dem Helenen-Kirchhof bei Schiltigheim getragen wurde, erst da dachte wohl Mancher der Leidtragenden daran, daß einer der getreuen Palatine deutschen Geistes im Elsaß, ein Hüter deutscher Sprache und Sitte dahingegangen. Der deutsche Statthalter fehlte im Trauerzug: – er wußte wohl nicht, daß Einer zur Ruhe getragen wurde, der ehedem auch ein Statthalter im Elsaß war, ein Statthalter des Deutschthums, [610] das er, so lange es seines Amtes war, mit Begeisterung und Ausdauer verteidigte.
Gustav Adolf Mühl wurde zu Straßburg am 7. Mai 1819 als der dritte und jüngste Sohn des Rentners Andreas Mühl geboren. Seine beiden Brüder und eine Schwester leben heute noch in Straßburg. Das Elternhaus Mühl’s war ein altelsässisches, echtstraßburgisches Bürgerhaus, und seine Jugenderziehung ging von dem Princip aus, daß er einst, wenn nicht französischer Beamter, so doch französischer Bürger werden sollte. Vielleicht war es ein deutsches Gedicht, ein deutsches Buch, das dem Knaben in die Hände fiel, das ihn alsdann so sehr für das Land Luther’s, Lessing’s, Schiller’s und Goethe’s begeisterte, daß diese Begeisterung zu seiner idealen Lebensarbeit werden konnte. Deutschland war seine erste Liebe, darf man füglich sagen, und was in dem Knaben schüchtern keimte, diese freudige Hinneigung zu einem damals von seinen Landsleuten wegen politischer Ohnmacht geringschätzig betrachteten Lande, das durchwogte seine Jünglingsseele mit Feuer und bewegte den Mann, bis der Tag der Erfüllung hereinbrach und er sich sagen durfte: „Ich hab’ erlebt, was ich als schönsten Traum durch’s ganze Leben trug.“
In den Kreuzgängen des Straßburger Gymnasiums und im Garten desselben – einer alten Klosteranlage – wandelte oft in den dreißiger Jahren ein ergrauter Professor, an seiner Seite ein begeistert aufhorchender Jüngling. Ihr eifriges Gespräch galt dem Lande über’m Rhein, dem der beredte Lehrer eine glänzende Zukunft verhieß. Sie sprachen über deutsche Literatur, die vor Kurzem zum andern Mal sich einen Ehrenplatz im Schriftthum der Völker errungen. Die feurigen Worte des Lehrers weckten in der Brust des Schülers verborgene Kräfte. Da übergab der Schüler eines Tages dem Professor sein erstes deutsches Gedicht und trat damit in die Genossenschaft der elsässisch-deutschen Poeten ein. Schweighäuser hieß der Professor – Gustav Mühl hieß der Schüler. Und dieser Schüler hat seinem ehrwürdigen Lehrer, der von der französischen Regierung seiner deutscher Gesinnung wegen „kaltgestellt“ wurde, zeitlebens ein dankbares Andenken bewahrst
Die ersten Verse unseres Poeten veröffentlichte der Straßburger Buchdrucker Danbach in seinem „Anzeige- und Unterhaltungsblatt“. Um den jungen Dichter schaarte sich ein Häuflein treugesinnter Freunde, die seine Begeisterung und Neigung für das alte Stammland mehr oder minder theilten. Zu diesen zählte Karl August Candidus, Mühl’s nachmaliger Schwager, welcher, ein nicht genug geschätzter Dichter, anfangs der siebenziger Jahre als reformirter Pfarrer zu Odessa starb und dessen bedeutsamstes Werk sich „Der deutsche Christus“ betitelt. Neben Candidus standen in diesem Kreise die Brüder Stoeber, der Theologe Ungerer, der treue Freund des Mühl’schen Hauses, jetzt Inspector der Neuen Kirche in Straßburg, dann der Dichter Jaeger, der heute noch in einer elsässischen Gemeinde als Pfarrer amtet, der Archivar Schneegans, der schon in den fünfziger Jahren starb und dessen Tod Mühl mit großem Schmerz erfüllte.
Diese jungen Männer haben nicht für ein „literarisches Deutschland“ geschwärmt – im Gegenteil, sie wollten Deutschland politisch groß und mächtig, einig und frei – Gefühle, denen Mühl in einem größeren Gedicht, „Hambach“, Ausdruck gegeben hat, das im Jahre 1842 in Separatdruck erschienen ist.
Zum äußeren Lebensberuf wählte sich Mühl die Heilkunde. Er studirte dieselbe in seiner Vaterstadt und promovirte im Jahre 1847 als doctor medicinae, doch hat er sich niemals der ärztlichen Praxis gewidmet. Nach Beendigung seiner Studierzeit verbrachte er mehrere Jahre auf Reisen. Er besuchte Deutschland wiederholt und lebte längere Zeit in Berlin und Stuttgart, wo er meistens in gelehrten und literarischer Kreisen verkehrte.
Im Jahre 1858 vermählte sich Mühl mit Wilhelmine Candidus, und nun begann für ihn nach der Zeit des Wanderns die der Rast in schöner Häuslichkeit. An der Seite der schönen und edlen Frau verlebte er glückliche Jahre. Im Winter wohnte er in Straßburg; der Sommer verlebte er gewöhnlich in Schiltigheim. Freudig wirkte er für sein Ideal: die Brücke für die geistigen Beziehungen nach Deutschland hinüber zu unterhalten, bei seinen Landsleuten geschichtliche Kenntnisse über das Elsaß früherer, und zwar deutscher Zeiten, zu verbreiten und in Deutschland selbst das Interesse für den nach seiner Anschauung nur zeitweise verlorenen Gau wach zu erhalten. In diesem Sinne hat er an deutschen und elsässischen Zeitschriften rege mitgearbeitet und für deutsche Zeitungen correspondirt. Als getreuer Mitarbeiter des von August Stoeber herausgegebenen „Elsässischen Sagenbuchs“ half er den herrlichen Schatz an charakteristischen Sagen heben, der das Land am Wasgenwalde birgt. Er veröffentlichte ferner Gedichte in den „Elsässischen Neujahrsblättern“ von August Stoeber und Friedrich Otte und lieferte historische Aufsätze für die „Alsatia“, eine literarisch historische Zeitschrift, die August Stoeber von 1851 bis 1874 herausgab. Von früh auf hat er an deutschen belletristischen Unternehmungen mitgearbeitet, nicht von persönlichem Interesse geleitet, einzig um seiner Lebensaufgabe gerecht zu werden.
Gustav Mühl war ein tätiges Mitglied eines Comités für Volksvorlesungen , die in deutscher Sprache zu Straßburg Jahre hindurch abgehalten wurden und kurze Zeit vor dem Kriege erst eingingen, nachdem allmählich alle Mitglieder bis auf den Maire Küß und unsern Dichter ihre Theilnahme versagt hatten. In Vorlesungen suchte Mühl die geschichtlichen Kenntnisse über Deutschland bei seinen Landsleuten auf jede Art zu fördern, um so auf indirecte Weise sein Ideal zu predigen. Dabei hielt er mit seiner edlen Gattin darauf, daß das eigene Heim von französischen Einflüssen gesellschaftlicher Art allenthalben frei blieb: in seinem Hause wurde nur Deutsch gesprochen, und was er in dieser Beziehung für sich und bei der Seinigen that, dafür trat er jeder Zeit mit edlem Mannesmut öffentlich ein, er, der im Leben fast ängstlich schüchtere Mann. Was er für alle diese Mühe und Arbeit bei seinen Landsleuten geerntet, das läßt sich leicht denken. Keine Lorbeeren, dagegen aber vielfach Haß und Mißachtung, und als die Zeit der Erfüllung seiner Träume kam, da hatte die aufgeregte Menge auch für ihn, gleichwie für den eindringenden Sieger, das brandmarkende Wort: „Schwob“.
Mühl war ein tiefreligiöses Gemüth, das ehrfurchtsvoll allem Hohen und Heiligen gegenüberstand. Es war ihm als Dichter keine glutvolle Phantasie eigen; seine Werke strömten nicht mit begeistertem Klange dahin; dagegen war ihm in hohem Grade Innigkeit und Sinnigkeit und eine edle Begeisterung verliehen, und wenn die Flamme, die er auf seinem Altar schürte, niemals grell aufloderte, so leuchtete sie um so mehr mit keuschem und heiligem Lichte. Er war lyrischer Dichter von leisem und innigem Empfinden, und seine Dichtung gleicht der Blume, die bei sinkender Sonne ihren Kelch dem geheimnißvolleren Lichte des Mondes und der Sterne erschließt. Ein Sehnen nach dem Ueberirdischen durchzitterte seine Seele, und nur das Gute war ihm heilig; nur das Heilige erschien ihm groß.
„Trink’ Sokrates! – es wird ein And'rer nahen,
Ein heilig-stilles Wesen liebeshehr –
Der wird noch einen größ’ren Kelch empfahen,
Gefüllet aus der Menschheit Thränenmeer –“
apostrophirt er in einem tiefempfundenen Gedichte den zum Giftbecher verurtheilten Weisen. Leise öffnet die Muse dieses elsässischen Sängers den Mund, gilt es seine innersten Gedanken in Verse umzusetzen, aber kraftvoll wird ihr Ton, lehnt der Dichter seine Empfindung an eine große Idee oder an eine weltgeschichtliche That an. So ruft er in seiner am 5. December 1870 gedichteten „Wacht auf den Vogesen“ energisch aus:
„Hier schaut mein Blick in Zorn entbrannt,
Hinüber dann in’s welsche Land:
Im tiefsten Mark hat’s dir gegraust,
Als du gefühlet meine Faust;
Nun hüt’ dich ferner, hüt’ dich fein
Vor meines Schwertes Blitzesschein!“
Erst kurz vor seinem Heimgange, im Jahre 1878, stellte Mühl eine Auswahl seiner Gedichte in einem Bande zusammen der unter dem Titel „Aus dem Elsaß. Gedichte von Gustav Mühl“ von K. I. Trübner in Straßburg verlegt wurde. Die Sammlung enthält unter Anderem Perlen von seinen Stimmungsbildern aus dem Leben der Seele wie der Natur. Manchen dieser Perlen fehlt ein Geringes: da und dort bleibt der poetische Ausdruck nicht auf seiner Höhe, aber man bedenke: Mühl war elsässischer Poet, dem in seiner engeren Umgebung lange Jahre hindurch das Hochdeutsche nicht aus lebendiger Quelle floß, wogegen ihm als einziger Sprachquell das Straßburgische Dialektdeutsch mit seiner allemannischen Schlichtheit des Ausdrucks zu Gehör kam.
Schlichtheit in Bild und Wort ist die Signatur der ganzen Gruppe elsässischer Dichter, die in den Brüdern Adolf und August Stoeber, unserem Mühl und dem leider auch zu früh dahingegangenen [611] Mühlhauser Georg Zetter (sein Dichtername ist Friedrich Otte) ihre vorzüglichsten Repräsentanten findet. Diese Dichtergruppe bildet gewissermaßen einen Anhang zur schwäbischen Dichterschule: wie die Schwaben sind auch die Elsässer schlicht und knapp im poetischen Ausdrucke; auch sie sind vorzugsweise bemüht, den Sagenschatz der Heimath zu heben und poetisch zu verwerten sowie geschichtliche Vorgänge ihres Landes dichterisch zu gestalten. Nächst einem verwandtschaftlichen Zuge, der den allemannischen Elsässer zum benachbarten Schwaben führte, ist es auch die halb im Dialekte stecken gebliebene schlichte Ausdrucksweise, die den elsässischen Poeten nahezu ohne Ausnahme eigen ist und welche diese veranlaßt haben mag, die schwäbische Dichterschule zu Muster und Vorbild zu nehmen. Es ist bemerkenswerth, daß Keiner der Elsässer in den poetischen Spuren eines Heine oder Freiligrath, die doch Zeitgenossen von Uhland waren, gewandelt ist – das rührt wohl nur daher, daß diesen Poeten sprachbildnerische Voraussetzungen in gewissem Maße von Haus aus abgegangen sind.
Von dieser elsässischen Dichtergruppe wird in nicht allzu ferner Zeit kein Name mehr unter den Lebenden verzeichnet sein; wir werden dieselben nur noch in den Büchern finden – wie lange aber wird es dauern, bis unser nun heimgeholtes Elsaß Poeten zeitigt, die mit freudiger und voll Herzen gehender Theilnahme all der deutschen Literatur wieder mit arbeiten, wie ein Mühl und seine Genossen? Aus dem heutigen Geschlechte werden sie schwerlich erstehen. Um so treuer möge die deutsche Nation den Männern elsässischer Dichterzunge ein ehrendes Andenken bewahren, den Männern, die in ruhmloser Zeit ihr Scherflein freudig in die deutsche Wage legten!
Als die französische Kriegserklärung vor elf Jahren über den Rhein herüber kam, da sprach es Gustav Mühl im Kreis intimer Freunde freudig aus, daß nun der Tag der Abrechnung kommen müsse. Er kam. Als die Kanonen ihre vernichtenden Geschosse in die alte Münsterstadt warfen, war seine Seele mit tiefer Trauer erfüllt; denn er liebte sein Straßburg und sein Elsaß mit treuem Herzen und empfand jede Wunde auf's Schmerzlichste, die dem Land und den Mitbürgern geschlagen werden mußte. Sein Schmerz war aber ein verklärter: er wußte, daß eines Tages die weiße Fahne auf dem Münsterthurm das Ende der Leidenszeit verkünden und sein Straßburg zu einer deutschen Hauptstadt am Oberrhein machen müsse. Als die Deutschen in Straßburg eindrangen und von der Stadt Besitz nahmen, stellte unser Dichter den neuen Behörden, die zu amtiren begannen, seinen Rath und seine Unterstützung rückhaltslos und freudig zur Verfügung. Er war ja kein Besiegter.
Nicht immer haben die Herren, die zuerst in dem zurückeroberten Land das Regiment führten, des redlich deutsch denkenden Mannes Rath gebührend gewürdigt; manchmal wurde er übergangen, wo man ihn hätte rufen sollen; denn die neuen Herren erachteten es als ihre Aufgabe – und oft zu ihrem Nachtheil – auch das schmollende, ja das offenbar französisch gesinnte Element hätschelnd herbeizuziehen. Wenn bei solchen kleinpolitischen Schachzügen Gustav Mühl mancherlei Schmerzliches erfahren mußte, so erlebte er wieder Freudiges, das ihm Trost war für alle Unbill. Dahin gehört die Gründung der Universität Straßburg.
Wer ihn an jenem denkwürdigen 1. Mai 1872, dem Tage der Einweihung gesehen, als im Saale der „Réunion des arts“ zu Straßburg sein Lied:
„Es kam heran der schöne Monat Mai;
Jetzt füllt das Glas! Des Elsaß Weine glühen –“
von Tausenden deutscher Studenten gesungen wurde, wie sein neues blaues Auge in innerer Seligkeit ausleuchtete, als Hunderte zu Gruß und Handschlag sich an ihn herandrängten, der sagte sich wohl: „Für diesen Mann hat der Tag eine tiefere Bedeutung“ – Gustav Mühl war der einzige öffentliche Vertreter des Elsasses bei jenem herrlichen Feste.
Bisher hatte der Dichter als freier und unabhängiger Privatmann gelebt. Das französische Kaiserreich konnte dem deutschen Patrioten kein Amt bieten – er hätte es zurückgewiesen Die deutsche Regierung bot ihm die Stelle eines Bibliothekars an der neugegründeten Universitätsbibliothek an, die der Dichter aus innerer Neigung für diesen Beruf übernahm. Er pflegte mit der ihm eigenen Treue und Gewissenhaftigkeit die elsässische Abtheilung, liebevoll die Schätze an Schriftwerken, Bildern und Blättern ordnend, die da zusammenströmten.
Es waren wieder glückliche Jahre, die Mühl verlebte. Er verfaßte um diese Zeit mit liebevoller Pietät die Biographie des elsässischen Bildhauers Andreas Friedrich, die als Broschüre erschien. Das Lebensbild dieses Meisters von altem Schrot und Korn zu entwerfen, das war so recht eine Aufgabe für unsern Mühl; denn der wackere Meister Friedrich, der aus Rappoltsweiler im Oberelsaß gebürtig war, ist in seiner Kunst ein Zeuge für die Zusammengehörigkeit der Lande links und rechts am Oberrhein – das beweisen die verschiedenen Denkmale, die in badischen Städten und Flecken, wie Offenburg, Achern, Baden, Steinbach und Oberachern stehen, und die größtenteils vom Künstler den betreffenden Orten ohne Entgelt überlasten wurden.
Doch es war, als erregte das Glück unseres Dichters den Neid dämonischer Mächte, die ihre Opfer am liebsten suchen, wo zufriedene Menschen wohnen. Vier liebliche Töchter waren dem Mühl'schen Hause herangeblüht. Die Aelteste folgte einem preußischen Ingenieurhauptmann zum Altar; die Zweite verlobte sich mit einem jungen deutschen Juristen. Auch für dieses Paar wurden schon die Kränze geflochten, die den hochzeitlichen Altar schmücken sollten – da riß der unerbittliche Tod im December 1879 die blühende Braut aus den Armen des Bräutigams. Der unerwartete Schlag traf den zärtlichen Vater in’s tiefste Lebensmark. Wie oft wandelte er in düstersinnenden Gedanken hinaus auf den Helenen-Kirchhof bei Schiltigheim, wo man ihm ein teures Kleinod unter die Erde gebettet. Am 26. August 1880 war er wieder am Grabe – sein letzter Gang. Der Schmerz hatte seines Lebens Kraft gebrochen; der Dichter starb in derselben Nacht.
Am Sonntag den 29. August 1880 trug man ihn hinaus und bettete ihn neben der geliebten Tochter zur ewigen Ruhe. Nahe dem wuchtigen Denkmal, das Straßburg seinem letzten Maire Küß errichtet, ruht der deutsche Patriot und Dichter. Der Traum seiner Seele hat sich erfüllt: er hat das Grab gefunden in elsässischer Erde, die wieder deutsches Land ist. An der offenen Gruft sprach der Vorstand der Universitär- und Landesbibliothek, Professor Euting; er pries die trefflichen Eigenschaften des Verewigten sowohl als Bürger wie als Beamter der Bibliothek und legte einen Kranz auf den Sarg nieder. Dann sprach der Verfasser dieses Aufsatzes einen poetischen Nachruf, dessen Schlußstrophen hier Platz finden mögen:
„Eins konntest du, o Tod, ihm nicht versagen,
Die Heimatherde, die ihn nun verhüllt.
Ihr galt sein Jubel einst; ihr galt sein Klagen;
Von ihr war seine Dichterbrust erfüllt.
Und Manchem glänzt ein Mal in Erz und Stein –
Auch diesen Sänger, seine Saitenspiele
Schreib’ in die Chronik deiner Ehren ein!
Er hat für dich, du schönes Land, gestritten
Er hat für dich, du schönes Land, gelitten,
Und doppelt trug um dich er heißen Schmerz.
Noch wenig Kränze hast du ihm gegeben
Doch bist du reich, o Land, all Blüth’ und Duft,
Gieb um so reichern Schmuck nun seiner Gruft!“
Der Sprecher legte einen Kranz im eigenen wie im Namen seiner Freunde Ludwig Eichrodt und Ludwig Auerbach auf die düsteren Erdschollen.
Nicht nur das Elsaß, ganz Deutschland möge den Namen des Mannes in das Buch der Ehre schreiben, der sich als Lebensberuf das schwere Amt eines Hüters der deutschen Sache im damals französischen Elsaß erkoren hat! Er hat das Amt in Ehren verwaltet; er war als Mensch edel und liebevoll, als Freund treu, aufrichtig und ergeben.[2]
Die Wasserversorgung der schwäbischen Alb.[3]
Ein Culturwerk ist in diesem Sommer vollendet worden, welches in seiner Art einzig dasteht und den berühmtesten Wasserwerken der Welt als ebenbürtig angereiht werden darf. Um es zu schauen, brauchen wir nicht in’s Ausland oder über den Ocean zu fahren; denn es ist auf deutschem Boden entstanden und spendet einem Theile der deutschen Bevölkerung seine Wohltaten.
Wir führen heute unsere Leser in den südlichen Theil Württembergs, auf die schwäbische Alb, welche ihren Namen, mons albus, erhalten hat von „weißen steinen, so auff den äckern an manchen Orten so häuffig allda liegen, daß man kein erden sehen mag“.
Romantisch sind die Thäler der Donauniederung, welche tief in dieses Gebirge von der Südseite her einschneiden; hellgraue Felsen umragen die Ufer der vielfach geschlungenen Albflüsse; grüne Laubwaldungen und zahlreiche Ruinen alter Ritterburgen winken von ihren Rändern dem Wanderer entgegen. Da ist auch manches Wunder der Natur zu schauen, wie der berühmte Blautopf bei Blaubeuren, das merkwürdige Wasserbecken, aus dem der Blaufluß hervorfließt und in welchem die Wasser sich öfters so gewaltig heben und senken, daß, wie die Bevölkerung seit uralter Zeit zu sagen pflegt, der natürliche „Topf siedet“. Verlassen wir aber das schwäbische Unterland und steigen auf die Höhe der Alb, so begreifen wir bald, warum sie die „rauhe“ genannt wurde.
Die regelmäßigen Hügelzüge der Hochebene sind nur hier und dort von Waldungen bestanden, zwischen denen sich weite, mit gewürzhaften Pftanzen bewachsene, aber nicht sehr üppige Weiden hinziehen. Das Alpenvieh, welches in Heerden auf denselben graset, ist von Wuchs klein und unansehnlich. Ein Drittel des Gesammtbodens liegt unbebaut da; öde und verlassen erschien daher mit Recht die Alb allen ihren Besuchern. Aber sogar ein ungeübter Beobachter erkennt bald die Ursache dieser trostlosen Erscheinung. Es fehlt den Höhenzügen ein wichtiges Element, welches selbst der düsteren Landschaft des kahlen norwegischen Felsengebirges Leben verleiht: das aus den Spalten und Klüften der Berge hervorsprudelnde Wasser. Wohl ziehen sich Thaleinschnitte meilenweit durch die Alb, aber umsonst späht in denselben unser Auge nach einer rieselnden Quelle mit üppiger grüner Uferbekleidung. Selbst in den Dörfern erblicken wir kein laufendes Brunnenrohr, und dem durstigen Wanderer wird aus einer gemauerten Cisterne schmutziges Regenwasser zum Trunke dargereicht.
Diese auffallende Wasserarmuth der Landschaft wird nun nicht durch Mangel an atmosphärischen Niederschlägen, sondern durch eine eigentümliche Lagerung und Beschaffenheit der Gebirgsschichten bedingt. Auf der Alb regnet es sogar mehr als im Unterlande; aber die spärliche Ackerkrume, welche der Aelbler bebaut, liegt auf Kalk- und Dolomitfelsen, welche durch zahllose Klüfte und Spalten das Meteorwasser in die Tiefe versinken lassen. Schon an der Oberfläche des Bodens bemerkt man hier große, oft zehn Meter tiefe Einsenkungen, die sogenannten „Erdfälle“ oder „Trichter“, in denen kurz nach einem Regenguß mächtige Gebirgsbäche spurlos verschwinden. Erst am Süd- oder am Nordfuß der Alb ergießen sich die gesunkenen Wasser in größeren Quellen, um den Stromgebieten [613] der Donau oder des Rheines zuzueilen. Diesen inneren Zusammenhang zwischen den Trichtern auf der Höhe und den Quellen im Thalgrunde hat man schon frühzeitig erkannt, und die abenteuerliche Volkssage ließ wohl Enten und Gänse jene unserm Auge für immer entrückten geheimnißvollen Wege durchschwimmen oder Spreu, welche Bauern in die Trichter auf der Alb geworfen hatten, in dem Blautopf zu Tage treten.
Da nun unter diesen ungünstigen Bedingungen auf der Alb stets ein fühlbarer Wassermangel herrscht, so sah sich die Bevölkerung seit uralter Zeit genötigt, das Regenwasser vom Dache des Hauses und der Scheune in gemauerte Brunnen zu leiten und dasselbe aus diesen Cisternen für den täglichen Gebrauch mittelst Eimer zu schöpfen. Außerdem wurde an dem niedrigsten Orte des Dorfes eine Vertiefung gegraben und mit Letten nothdürftig ausgekleidet, in welcher sich das von den Anhöhen herabfließende Wasser ansammelte. Zu dieser „Hühle“ oder „Hülbe“ trieb man das Vieh im Sommer und Winter zur Tränke.
Doch wie war wohl diese mit Mühe gesammelte Flüssigkeit beschaffen!? „Wehe dem Fremden,“ lesen wir in der besagten Denkschrift des württembergischen Ministeriums, „den in einem der quellwasserarmen Dörfer das Bedürfniß nach Wasser anwandelt! Strohgelb bis kaffeebraun ist dessen Farbe; nur wer von Kindheit an sich an den Anblick des gefärbten Wassers gewöhnt hat, kann das Glas ohne Abscheu an die Lippen setzen oder wagt es, sich zu waschen. Ganz unsäglich vollends ist die Flüssigkeit, die in den Hühlen sich sammelt; eine grünbraune Jauche, verdient sie nicht mehr den Namen des Wassers.“
Oft jedoch ereignete es sich, daß sogar diese künstlich hergestellten Wasserbehälter in der trockenen Jahreszeit leer dastanden, und der Aelbler sah sich nun gezwungen, in das Thal niederzusteigen und von dort für seinen Haushalt und sein Vieh Wasser heraufzuholen. Es giebt Jahrgänge, in welchen diese Calamität Monate hindurch gedauert hat, während sie sich gewöhnlich doch wenigstens Wochen lang fühlbar macht. So kamen z. B. vom September 1865 bis zum Januar 1866 im Dorf Hütten täglich 190 Fuhren von der Alb herab, um dort an der Schmiech Wasser zu schöpfen, und im Sommer 1870 fuhren aus den Orten Justingen und Ingstetten Tag für Tag 15 bis 20 Fuhrwerke zum Wasser zu Thal. Von Leuten, die keine Pferde hatten, wurde ein Hectoliter Wasser mit 50 Pfennig bezahlt, und da in Justingen allein 1000 Stück Pferde und Rinder gehalten werden, von denen jedes täglich circa 40 Liter Wasser braucht, so belief sich der tägliche Aufwand zur alleinigen Tränkung des Viehs auf 170 Mark. Daß an Waschen, Putzen und Scheuern in solchen Zeiten gar nicht zu denken war und daß ein derartiger Wassermangel für den Gesundheitszustand der Bevölkerung und das Gedeihen der Viehheerden äußerst nachtheilig wirkte, brauchen wir kaum besonders hervorzuheben. Außerdem ist das Wasserfahren auf den abschüssigen Stegen hauptsächlich im Winter äußerst gefährlich, sodaß dabei oft Menschen und Thiere verunglücken.
Vergebens suchte man seit Jahrzehnten, um diesem Uebelstande abzuhelfen, auf der Alb Brunnen zu graben und Quellen aufzuschließen. Schon in der Tiefe von einem Meter stößt man hier meistens auf den Fels, welcher, einem durch tausend Sprünge und Klüfte gebildeten Siebe vergleichbar, kein Wasser birgt. Auch die Drainage der Felder und die Benutzung des Drainagewassers verboten sich von selbst, einerseits aus Rücksicht auf die Gesundheit, andererseits auf die Landwirthschaft; denn im Gegensatz zu dem Thalbewohner kann sich der Bauer auf der Alb seinen Boden nicht feucht genug wünschen, und er würde sich nie dazu verstehen, ihm die befruchtende Feuchtigkeit zu entziehen.
So blieb nur ein einziger Weg übrig, um dem Wassermangel abzuhelfen: man mußte versuchen, die in die Tiefe gesunkenen Wasser künstlich in die Höhe zu heben, die Quellen, welche am Fuße der Alb hervorsprudeln, in sinnreich angelegten Röhrennetzen wieder auf den Berg hinaufzuleiten. Aber die Lösung einer so großartigen Aufgabe konnte weder von Privaten noch von den wenig bevölkerten Gemeinden der Alb bewerkstelligt werden; es mußte vielmehr die württembergische Staatsregierung die Leitung derselben übernehmen, und es ist ihr auch, Dank dem lebhaften Interesse, welches sowohl König Karl wie der frühere Minister des Innern von Geßler und seit neun Jahren der jetzige Minister von Sick dem Werke entgegentrugen, gelungen, die wichtige Culturarbeit glücklich zu vollenden.
Schon gegen das Ende des Jahres 1866 wurde von dem ersten Staatstechniker für das öffentliche Wasserversorgungswesen Württembergs, Oberbaurath Dr. von Ehmann, die erste Idee zu einer rationellen Bewässerung der Alb kartographisch entworfen. Aber Jahre vergingen noch, bevor der erste Spatenstich gethan wurde; denn in Anbetracht der bedeutenden Höhen, auf welche die Thalwasser gefördert werden sollten, hielt man diesen Plan, der in der Geschichte der Wasserwerke einzig dasteht, für ein gewagtes Project.
Dazu kam, daß der conservative Sinn des Aelblers sich jeder Neuerung widersetzte und die Bauern vieler Ortschaften rundweg erklärten, es nicht besser haben zu wollen, als ehedem Väter und Großväter es gehabt. Den Hauptgrund des Widerstrebens der Bevölkerung bildete aber die Höhe der Kosten, welche die betreffenden Gemeinden tragen sollten und die als „rein unerschwinglich“ bezeichnet wurden. Da jedoch die Staatsregierung wohl voraussah, daß die rationelle Bewässerung dieses Landstrichs ein ökonomisches Aufblühen desselben herbeiführen würde, so beschloß sie, den Albgemeinden materielle Hülfe zu leisten, und erlangte auch von den Ständen die hierzu nöthige Zustimmung. Es wurden zu den Bau-Ausführungskosten des Alb-Wasserversorgungswerkes regelmäßige Staatsbeiträge bewilligt, und zwar im Betrage von je 25 Procent für die beiden Gruppen, die zuerst ausgeführt würden, und von 20 Procent der Gesammtkosten für jede folgende Gruppe. Auch hat die Regierung in anerkennenswerter Weise die Ausführung der technischen Vorarbeiten und die vollständige Bauleitung übernommen.
[614] Der leitende Gedanke des Regierungsplanes war aber, reines Quellwasser aus den tiefeinschneidenden Thälern mittelst kräftiger Pumpwerke und ausgedehnter gußeiserner Röhren auf die wasserlosen Höhen der raunhen Alb zu heben. Zu diesem Zwecke wurde das gesammte Gebiet in neun Gruppen abgeteilt, von denen eine jede ihrer geographischen Lage nach ein für die Wasserversorgung natürliches Ganzes bildete. Jede Gruppe erhielt zunächst eine Pumpstation im Thale, wobei zum Betrieb der Pumpmaschinen grundsätzlich nur Wasserkräfte der kleinen Albflüßchen, der Eyb, der Fils, der Blau, der Schmiech, der Aach und der Lauter benutzt wurden. Bei der Anlage dieser Stationen traf man jedoch vorsorglicher Weise die Einrichtung, im Nothfalle die Wasserkraft jeden Augenblick auch durch Dampfmaschinen ersetzen zu können. Die Leistungsfähigkeit der Werke wurde dabei so normirt, daß sie für den Tag und den Kopf der Bevölkerung gewöhnlich 75 Liter Wasser in die Höhe fördern, bei außerordentlichen Anlässen jedoch für den Kopf 120 bis 130 Liter in 24 Stunden zu liefern vermögen.
Von diesen Stationen aus wird nun das Wasser durch weite gußeiserne Röhren in große Reservoirs, welche auf den Anhöhen der Alb erbaut wurden, gepumpt. Von den Reservoirs dagegen führen gußeiserne Röhren zu den tiefer gelegenen Ortschaften, und durch diese Leitungen fließt das Wasser, dem natürlichen Gefälle folgend, wie in den gewöhnlichen städtischen Wasserleitungen, den menschlichen Ansiedlungen zu. Unsere Abbildung Nr. 3 (Seite 613) veranschaulicht uns die Anlage einer derartigen Leitung; sie stellt einen Theil des Längenprofils der Eybgruppe dar. Unten im Thale sehen wir die Pumpstation bei Eybach; die schwarzen Linien, welche sich von derselben nach rechts und links in die Höhe ziehen, veranschaulichen den Weg der gußeisernen Leitungen, welche in den Hochreservoirs münden und ihnen das Quellwasser des Thales zuführen. Von den Reservoirs dagegen sehen wir punktirte Linien zu den einzelnen Dörfern sich senken; dieselben stellen wieder eiserne Röhren vor, welche die Brunnen und Hydranten (Feuerhähne) der Ortschaften mit Wasser speisen. Welche Förderhöhen dabei überwunden werden müssen, ersehen wir an den fein punktirten Linien, die den Höhenabstand der höchsten Reservoirs bei Böhmenkirch und Stötten von dem Wasserspiegel der Pumpstation bezeichnen: er beträgt genau 282 Meter.
Das war also in allgemeinen Zügen der von der Regierung entworfene Plan der Wasserversorgung der Alb, gegen dessen Ausführung sich die Bevölkerung jahrelang wehrte. Erst als der Staatszuschuß bewilligt wurde, beschlossen die Gemeinden von Justingen, Ingstetten und Hausen, den Bau der 1. Section der Gruppe VIII des allgemeinen Planes in Angriff zu nehmen.
Der 11. Mai 1870, an welchem der erste Spatenstich zur Anlage der Wasserversorgung dieser Gemeinden unter Bauoberleitnug des Staatstechnikers Oberbaurath Dr. von Ehmann gethan wurde, wird wohl noch lange Jahre hindurch in der Erinnerung der dankbaren Aelbler fortleben; denn er bezeichnet für dieselben den Beginn einer neuen Epoche, den Anfang eines menschenwürdigeren Daseins. Von da ab lebten die wetterharten Schwaben der Alb in gar fieberhafter Aufregung; die Cultur schickte sich ja an, die wüste Alb zu erobern; mit ihren lauten Hammerschlägen, mit dem weithin vernehmbaren Stöhnen der arbeitenden Maschinen rüttelte sie die Bevötkerung auf aus dem langen, langen Schlafe. Jetzt begriff man in der stillen Zurückgezogenheit der Berge die Wohlthaten des Fortschritts und das Elend der von Vätern und Großvätern überkommenen Zustände; jetzt hieß es wohl in gutgemeintem Sinne: „Ja, Bauer, das ist was Anderes.“
Lassen wir jedoch über die große Umwälzung, welche die Ausführung der ersten Wasseranlagen auf der Alb hervorrief, die besagte Denkschrift selbst berichten:
„Mitten im Kriegsjahre wurden unter neuen Sorgen die Arbeiten mit äußerster Energie betrieben. Schon am 18. Februar 1871 bei fünfzehn Grad Kälte ergoß sich unter wahrem Festjubel der ganzen Bevölkerung erstmals das herrlichste Wasser aus einer Anzahl stattlicher Brunnen und Hydranten in Justingen, Ingstetten und Hausen, auf jeden Kopf der erstaunten Bevölkerung durchschnittlich siebenzig Liter des so lange auf ihren wasserlosen Höhen ersehnten Elementes weithin spendend. Obgleich in den Straßen und auf geeigneten Plätzen in genügender Zahl aufgestellte sogenannte ‚selbstschließende Ventilbrunnen‘ von einfacher, aber gefälliger und zweckmäßiger Form vorgesehen wurden und bequem zur Wasserentnahme dienen können, so begnügten sich die Bewohner der Gruppenorte doch keineswegs mit diesen öffentlichen Brunnen allein; es wurden vielmehr noch sogenannte ,Privatwasserleitungen‘, besondere Haushaltungsbrunnen, mittelst zahlreicher Abzweigungen von den Straßenröhrennetzen hergestellt. Die mit gutem und frischem Wasser jetzt so reichlich versorgte Bevölkerung wünschte ihre Hahnen auch in den eigenen Häusern, Küchen und in den Stallungen zu haben, um in den letzteren unmittelbar das zahlreiche Vieh zu tränken, statt wie früher in jeder Jahreszeit dasselbe an die schmutzige Hülbe treiben zu müssen. Ueberall, in alle größeren Wirthschaften, Hofräume, Brauereien, sogar bis in die Gemeinde-Armenhäuser ist das Wasser in den Albgruppen eingeleitet, an Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit die Wasserbezugseinrichtungen manches Stadtbewohners weit überbietend.
Schon dem Baue selbst wurde die gespannteste Aufmerksamkeit der Albbewohner und manches Wort des vermutlichen Gelingens oder Mißlingens gewidmet. Als aber dieses erste neue Werk einmal im besten und ungestörten Gange war, entstand eine Wallfahrt nach Theuringshofen zur Pumpstation, nach Justingen, Ingstetten und Hausen. ‚Voll Bewunderung für das geschaffene große Kunstwerk‘ kehrten die Albbewohner wieder in ihre Gemeinden zurück, von jetzt an wenig mehr befriedigt von den eigenen heimatlichen Cisternen, Hülben und ,den Wasserställen‘ für Dachwasser.“
Auf der Alb hauste früher in unbändiger Ausgelassenheit ein furchtbarer Feind, dem der Aelbler machtlos gegenüberstand. Wenn die rothe Feuersbrunst über den Strohdächern der Dorfhütten aufflackerte, dann war vom Löschen keine Rede; dann mußte man Hab und Gut dem zerstörenden Elemente wehrlos überlassen.
Nun geschah es, daß kurz nach der Vollendung der ersten Wasseranlage in dem Orte Justingen eine Feuersbrunst ausbrach, die sofort einen entschieden gefährlichen Charakter zeigte. Mittelst der in der Nähe befindlichen Hydranten konnte aber das Feuer in kürzester Frist gelöscht und das brennende Gebäude buchstäblich mit Wasser überschwemmt werden. Das wirkte überzeugend, und von da ab begann in den Albdörfern eine rührige Agitation für das Wasserversorgungswerk, bis der ursprüngliche Plan der Regierung in der glänzendsten Weise ausgeführt wurde.
Nun steht das große Culturwerk in seiner Vollendung da; es spendet das nöthigste aller Bedürfnisse, frisches fließendes Wasser, den 100 Ortschaften eines rund 1800 Quadratkilometer oder etwa 80 Quadratmeilen umfassenden Landestheiles und einer Bevölkerung von circa 40,000 Seelen. Ueber Berge und durch Thäler winden sich die gußeisernen Röhren in einer Gesammtlänge von 360 Kilometer, während sich von ihnen zahlreiche kleinere schmiedeeiserne Leitungen abzweigen, deren Länge etwa 140 Kilometer beträgt. Von den Höhen des steinernen Plateaus winken 62 schmucke Hochreservoirs und necken förmlich die sagenhaften Berggeister, welche das Regenwasser entführten, um die Alb unbewohnbar zu machen. In den Tiefen der Thäler arbeiten dagegen rastlos die 9 Pumpstationen, täglich 5 Millionen Liter Wasser bis zu einer Höhe von 310 Meter fördernd. Da lebt ja die felsige Alb in Wirklichkeit. Wir hören im Thale ein eisernes Herz schlagen; es treibt die belebende Flüssigkeit in eisernen Schlagadern in die Höhe; es läßt dieselbe zerfließen in tausend kleinen Haargefäßen, und dieses Blut der Alb rinnt ja ausgenützt durch die zahlreichen Spalten und Klüfte des Bergkörpers wieder in’s Thal hinab, um von Neuem den Kreislauf zu beginnen.
Aber unsägliche Mühe kostete es, ehe dieses stolze Friedenswerk des deutschen Geistes fertig dastand. Mancher Schweißtropfen rann über die sinnende Stirn des Gelehrten und über das sonnenverbrannte Antlitz des Arbeiters, bevor die lustig plätschernden Bäche und Flüßchen gezwungen wurden, die schwere Arbeit der Wasserförderung auf die Höhe zu übernehmen. Lassen wir uns einmal die Entstehungsgeschichte der auf unserem Bilde 2 veranschaulichten Pumpstation der Gruppe II im oberen Thale der Fils erzählen!
Zunächst wurde unmittelbar vor dem in reizender Umgebung gelegenen Stationshäuschen ein 3 Meter weiter Grundwasserschacht bis in die unteren reinen Kiesschichten des Thalgrundes abgeteuft, das reichlich demselben zufließende Quellwasser chemisch geprüft und als gutes Trinkwasser erkannt. Damit war eine ergiebige Quelle erschlossen, welche die Bedürfnisse von 10 Ortschaften mit einer Bevölkerung von 7720 Seelen vollauf befriedigen konnte.
Hierauf mußte der Lauf des jungen Filsflüßchens derartig geregelt werden, daß seine Strömung nunmehr im Stande wäre, [615] die Pumpmaschinen, deren Betriebskräfte 50 Pferdekräfte betragen, in Bewegung zu setzen. Zu diesem Zwecke wurde ein neues Nutzgefälle von 15 Meter geschaffen und das Filswasser in einem circa 0,9 Kilometer langen und 3 Meter weiten, offenen Betriebscanale, welchen unser Bild veranschaulicht, bis aus 85 Meter vor die Pumpstation geleitet. Hier endigt diese aus einem sehr schwierigen Terrain hochaufgeführte Canalanlage in einem massiven, völlig wasserdichten und wohl verschlossenen Sammelschachte, von dem sich das Betriebswasser in die große, zur Pumpstation herabführende geschlossene Röhre ergießt. Diese gewaltige eiserne Leitung, welche bei niedrigen Wasserständen die ganze Fils in sich aufnimmt, ist circa 90 Meter lang und hat eine Lichtweite von 1 Meter. Unter starker Neigung stürzt durch dieselbe das Filswasser zur Station hinab, um hier direct das Tangentialrad der Pumpmaschinerie mit voller Wucht zu treoffen. Da die Röhre vollständig frei zu Tage liegt, so wurden noch besondere Vorrichtungen getroffen, welche bei niedrigen Temperaturgraden das Einfrieren des Wassers verhüten und die sich bis jetzt vorzüglich bewährt haben. Die Fundirung des Pumpmaschinen- und Radhauses mußte meist unter dem Wasser vorgenommen werden; das nunmehr fertige, gefällige Backsteingebäude enthält außer den Werkstättenräumen noch ein Wohngelaß für Hülfswärter bei etwaigem Nachtdienste, während für den ersten Maschinenwärter ein besonderes, zweistöckiges Wärterhaus erbaut wurde.
In dem geräumigen Maschinensaale der Station arbeiten die mit zwei großen Druckwindkesseln versehenen vierfachen Pumpwerke unter dem normalen Drucke von 32 bis 33 Atmosphären und heben mittelst einer Druckröhrenfahrt das Quellwasser aus dem Schachte weit über den vom Thale sichtbaren Bergrand bis zu dem Hauptreservoir der Gruppe vor Westerheim in einer Höhe von 305 Meter.
Diese Pumpstation versorgt zur Zeit 6 Haupt- und Hülfsreservoirs mit 280 Hydranten und zusammen über 1500 Hauswasserleitungen nach den Wohngebäuden und Stallungen in den Gruppenorten.
Selbstverständlich ist die Anlage dieser Stationen nicht überall dieselbe; bei ihrem Ausbau mußte der Techniker vielmehr seinen Plan stets den von der Natur gegebenen Verhältnissen anpassen und fast in jedem Fall neue Hülfsmittel ersinnen. So ist z. B. bei der Pumpstation im Eybthale das Eybflüßchen durch die Errichtung eines massiv gebauten Wehres in ein neues Bett, das auf einem Schuttterrain mit unsäglicher Mühe hergestellt wurde, geleitet worden.
Bevor wir aber von den Werken scheiden, wollen wir noch einmal die Alb besteigen und das Innere eines der Hochreservoirs (vergl. Bild 1) in Augenschein nehmen.
Auf besonders hergestellten Betonlagern von durchschnittlich 40 Centimeter Stärke erheben sich die Umfassungswände der Behälter, aus großen Kalksteinen in Cementmörtel gebaut. Um eine vollständige Wasserdichtigkeit zu erzielen, sind dieselben nach innen mit Backsteinvermauerungen bekleidet, welche mit einem spiegelglatten harten Cementverputze gegen die Wasserseite hin abgeschlossen werden. Jedes größere Reservoir ist außerdem durch massive Mauern in zwei besondere, zusammen oder getrennt von einander zu benutzende wasserdichte Hälften geschieden.
Um aber bei etwaigen Störungen an den Pumpmaschinen, welche bis jetzt, wie wir besonders hervorheben, nirgends vorgekommen sind, die Albbevölkerung vor einer plötzlichen Wassersnoth zu bewahren, wurden in vorsorglicher Weise die Reservoirs so groß gebaut, daß der in ihnen vorhandene Wasservorrath, ohne frische Speisung aus dem Thale, die betreffenden Ortschaften je nach ihrer Lage acht bis zwanzig Tage reichlich mit Wasser versorgen kann. Schließlich hat man noch die Reservoirs mit Erdüberdeckungen versehen, wodurch das Wasser vor den Einflüssen der auf der Alb vielfach wechselnden Temperaturen bewahrt bleibt, im Winter niemals einfriert und im Sommer die erfrischende Kühle der Quellen beibehält.
Fragen wir nun nach den Baukosten des Gesammtwerkes, so erfahren wir nicht ohne Ueberraschung, daß der gesammte Aufwand rund 5,610,000 Mark beträgt, wovon etwa 4,335,000 Mark auf die Albgemeinden zur Bestreitung entfallen. Wie gering auch diese Summe an und für sich erscheinen mag, so ist sie dennoch für die wenig bevölkerten Gemeinden, welche sie aufbringen mußten, eine ziemlich bedeutende gewesen. Manche Gemeinden haben dadurch Lasten auf sich genommen, welche auf jeden Kopf die Summe von 200 Mark ergeben. Aber trotzdem stehen wahrlich diese Millionen in keinem Vergleich zu den segensreichen Wohltaten, welche das Werk mit sich bringt, und es ist das Verdienst des Staatstechnikers um so mehr anzuerkennen, weil er mit so geringen Mitteln durch weise Benutzung der ursprünglich schwachen Triebkräfte der Albflüßchen so Großartiges geleistet.
Schon heute erntet man die Früchte dieser Culturarbeit; überall sprießt aus der Alb neues Leben hervor; die früher spärlichen Viehheerden wachsen in ungeahnten Verhältnissen, und allmählich verschwinden auch die noch vor Kurzem so häufigen Krankheitserscheinungen unter Menschen und Thieren. Weite Strecken ehemals unbebauten Landes werden vom Pfluge durchfurcht; Gewerbe und Handel lassen sich in den nunmehr wasserreichen Ortschaften nieder, und mit ihnen hält die städtische Bildung ihren Einzug, während die vortrefflich organisirten Feuerwehren der verheerenden Feuersbrunst ein- für allemal Halt gebieten.
So haben die Schöpfer des Wasserversorgungswerkes der württembergischen Alb sich in friedlicher Arbeit einen unverwelkbaren Lorbeerkranz errungen, der ihnen nicht minder zur Ehre gereicht, als der auf den Schlachtfeldern errungene Siegeskranz. Sie haben ein Werk geschaffen, das bahnbrechend wirken wird und muß und als ein leuchtendes Vorbild dienen kann für Alle, welche unter ähnlichen Verhältnissen die Cultur eines ganzes Landes zu heben suchen.
Blätter und Blüthen.
Zur praktischen Lösung der Frauenfrage. Die Statistik beweist, daß das weibliche Geschlecht in allen Gesammtbevölkerungen überwiegt. Daraus geht unwiderleglich hervor, daß nicht alle Mädchen durch die Ehe in den Wirkungskreis geführt werden können, welcher der natürlichste und angemessenste ist, daß nicht jede weibliche Kraft ihre Verwendung und ihre glückliche Sicherung gegen die Stürme des Lebens unter dem Schutze eines Gatten im eigenen Hause finden kann. Außerdem erschweren gegenwärtig andere Umstände die Schließung der Ehe. Viele, die einst mit geringen Mitteln einen eigenen Hausstand gründeten, dürften heute Anstand nehmen, selbst mit Mitteln, welche dem gesunkenen Geldwerthe entsprechen, diesen Schritt zu wagen. In England bleiben vierzig Procent aller Mädchen unverheirathet. So schlecht ist das Verhältniß in Deutschland nicht, aber dennoch haben auch wir in diesem Punkte Veranlassung genug zu ernster Aufmerksamkeit.
Die Forderung, daß man die Mädchen zu wirthschaftlicher Selbstständigkeit erziehen müsse, wird in immer größeren Kreisen als vollkommen berechtigt anerkannt und auch auf diejenigen Mädchen ausgedehnt, welche in die Ehe treten und die Führung des eigenen Hausstandes übernehmen; denn die Art und Weise, wie unsere Großmütter, lustlos schaffend, diese Aufgabe erfüllten, ist eben nicht mehr ausreichend.
Die erste Folge der größeren Aufmerksamkeit, welche man der Erziehung der weiblichen Jugend in den letzten dreißig Jahren zuwandte, war die Gründung einer großen Menge von höheren Mädchenschulen, und an öffentlichen Schulen dieser Art giebt es jetzt in Deutschland fast dreihundert, die Zahl der Privatschulen aber ist noch erheblich größer. Der Gedanke, den Mädchen eine bessere Schulbildung zu geben und sie dadurch in den Stand zu setzen, mit Erfolg einen zu wirthschaftlicher Selbstständigkeit führenden Bildungsgang zu betreten, ist gewiß ein vollkommen richtiger, und die Gemeinden, welche Mädchenschulen gründen, helfen ohne Zweifel die Wege zu einer gesicherten Zukunft der Frauen wesentlich ebnen. Aber auf dem so gelegten Grunde ist bisher nur in beschränkter Weise weiter gebaut worden. Leider sind wir noch ziemlich weit von der Anerkennung des Grundsatzes entfernt, daß jede ehrliche Arbeit adelt, und so glaubte man auch für gebildete Mädchen nur auf einen engen Kreis von Berufsarten Rücksicht nehmen zu dürfen. Wenn ein junges Mädchen zur Kunst, besonders zur Malerei und Musik, keinen Beruf in sich verspürte, so hielt man eigentlich nur zweierlei für passend: sie konnte Gesellschafterin, oder, wie man lieber sagt, Vertreterin der Hausfrau, und Lehrerin werden.
In rascher Aufeinanderfolge wurden, meistens im Anschlüsse an die höheren Mädchenschulen, Lehrerinnenseminare gegründet, und die Staatsbehörden, welche sich bisher dem höheren Mädchenschulwesen gegenüber ziemlich ablehnend verhalten hatten, erließen Prüfungsordungen und bestellten Prüfungscommissionen. Tausende von Mädchen gingen mit der ihnen eigenen Treue, die selbst das Kleinste wichtig erachtet, und oft mit Hintansetzung der schuldigen Rücksicht auf ihre Gesundheit an die Arbeit. So wurden der hohen Aufgabe der Volkserziehung Arbeiterinnen zugeführt, welche die bedenklichen Lücken, die während der Jahre des [616] Krieges und der Gründerperiode in den Reihen der Lehrer entstanden, würdig ausfüllten. Während der Zeit des Lehrermangels waren fast alle Hauslehrerstellen in weibliche Hände übergegangen, aber jetzt, wo eine rückläufige Bewegung dem Lehramte wieder viele männliche Kräfte zugeführt hat, zeigt sich die Ueberproduction unserer Lehrerinnenseminare. Zahlreich ziehen heute unsere Lehrerinnen in’s Ausland, oft einem bedenklichen Loose entgegen.
Dringender als je ist es daher für Mädchen, die sich auf eigene Füße stellen wollen, geboten, sich nach anderen Fächern umzusehen, und mit Recht legte der Vertreter der preußischen Regierung, Geheimrath Dr. Schneider, es im vorigen Herbste den zu ihrer Hauptversammlung in Braunschweig vereinigten deutschen Mädchenlehrern an’s Herz, nach solchen Fächern auch ihrerseits Umschau zu halten.
Kaum dürfte zur Lösung der Frage etwas näher liegen als die Berücksichtigung einzelner Zweige des Kunstgewerbes, bei welchen der dem weiblichen Geschlechts eigene Formen- und Farbensinn die schaffende Hand wesentlich unterstützt, und in der That sind an vielen Orten kunstgewerbliche Schulen für Mädchen eröffnet worden, die viel versprechen, die allereigenste Domäne der Frauen aber bilden doch die Nadelarbeiten. Es ist erfreulich, daß diese Arbeiten im deutschen Hause wieder zu Ehren kommen; denn lange Zeit mußte es geradezu heschämend wirken, wenn ein Stück altmütterlichen Hausrathes aus der Truhe hervorgezogen und mit den nüchternen und dürftigen Arbeiten der Gegenwart verglichen wurde.
Auf die im Vorstehenden angedeuteten Anschauungen gründete sich die Errichtung zahlreicher Lehranstalten. Die 1866 eröffnete Ecole professionelle in Paris, die weit verzweigten Anstalten des Lette-Vereins in Berlin, die württembergischen Industrieschulen, die Gewerbeschulen in München, Karlsruhe und Hamburg und andere sind zu gleichem Zwecke gegründet und wirken segensreich. Eine besonders gut eingerichtete Anstalt dieser Art, eine wahre Musterschule, besitzt Leipzig in der seit 1875 bestehenden höheren Fach- und weiblichen Gewerbeschule von Frau Auguste Busch.
Aus einer einfachen Nähschule, die Frau Busch jahrelang mit Erfolg geleitet hatte, ist ein alle Zweige weiblicher Nadelarbeit umfassendes Institut geworden. Dasselbe ist in dem neu erbauten, für die Zwecke der Schule auf’s Angemessenste eingerichteten Hause der Leiterin untergebracht und mit den besten Lehrmitteln reichlich ausgestattet. Durch langjährige Erfahrungen und durch auf ausgedehnten Reisen erworbene Anschauungen hat sich Frau Busch in den Besitz der besten Methoden gesetzt und kein Opfer gescheut, um mittelst Einführung anderswo bewährter Einrichtungen ihre schnell emporblühende Schule zu vervollkommnen.
Die Anstalt zerfällt in drei Abtheilungen. Die erste umfaßt eine Reihe von selbstständigen Cursen. Hier wird eine Schaar jüngerer Schülerinnen in den Elementen der Nadelkünste unterwiesen; dort sind junge Mädchen mit den zierlichen Arbeiten der Putzmacherei beschäftigt. Sie werden von ähnlichen Gruppen abgelöst, die Wäsche- oder Kleiderconfection erlernen, in Flicken und Stopfen unterrichtet werden oder sich im Copiren und Entwerfen stilvoller Muster üben.
Dazwischen rauschen in geschäftigem Schwünge Nähmaschinen von verschiedener Bauart, ja selbst in der Waschküche ist noch ein Lehrstuhl für Waschen und Bügeln errichtet. Und überall herrscht derselbe Eifer, sodaß viele Mädchen, ja selbst junge Frauen von Cursus zu Cursus fortschreiten, oder dieselben Curse wiederholen, bis die in der Anstalt erstrebte Selbstständigkeit geschmackvollen Schaffens erreicht worden ist.
Die zweite Abtheilung enthält das Seminar für Handarbeitslehrerinnen.[WS 1] Hier werden die einzelnen Fächer in einem Jahrescursus, bei mangelhafter Vorbildung in zweijährigem Lehrgänge, in systematisch geordneter Reihenfolge gelehrt, wozu pädagogische und methodische Anweisungen kommen. Die Erfolge sind durch vielfache wohlbestandene Lehrerinnenprüfungen bezeugt.
Die dritte Abtheilung umfaßt die weibliche Gewerbeschule und soll ihre Schülerinnen, wie der Name sagt, zu gewerbmäßiger Verwendung der Nadelkünste ausrüsten, und in den Unterrichtskreis dieser Abtheilung sind alle zu diesem Zwecke erforderlichen Hülfsmittel eingereiht, Zeichnen von Schnitten und Mustern, Buchführung, Rechnen, Stoffkunde u. dergl.
Für die ganze Anstalt ist eine Schulsparcasse begründet.
Das allgemeine Interesse kommt der segensreich wirkenden Schule entgegen; denn die angesehensten Frauen der Stadt sind mit fach- und geschäftskundigen Herren zu einem Curatorium zusammengetreten, welches der Leiterin zur Seite steht. Die Stadt- und Staatsbehörden fördern das Unternehmen; Freistellen sind aus städtischen und aus Privatmitteln gegründet, und die Königin von Sachsen hat ihre Theilnahme für die Bestrebungen der Anstalt dadurch bekundet, daß sie alljährlich mehrere junge Mädchen auf ihre Kosten in derselben ausbilden läßt.
Zum Segen der weiblichen Jugend wünschen wir allen verwandten Unternehmungen gleiches Gedeihen.
Eine Vertheilung „deutscher Waffen“ in Siebenbürgen. Die Bitte, welche Friedrich Hofmann’s Artikel „Die Sachsen in Siebenbürgen“ (vergl. Nr. 23 und 24 dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“) für die sächsische Bevölkerung Siebenbürgens ausspricht, hat zu unserer Freude schon jetzt einen hübschen Erfolg erzielt. Wie Dr. Karl Wolff, Chef-Redacteur des „Siebenbürgisch-deutschen Tageblattes“ und Vertreter der Sachsen im nächsten ungarischen Reichstage, aus Hermannstadt berichtet, sind seit dem Erscheinen unseres Aufsatzes aus den verschiedensten Gegenden „deutsche Waffen“ in Gestalt von Lesebüchern und Kinderschriften bei der Buchhandlung Franz Michaelis in Hermannstadt eingegangen.
Der Anfang ist gemacht worden, und wenn die Größe der Sendungen noch in keinem Verhältniß zu dem literarischen Reichthume Deutschlands steht, so sind wir doch fest überzeugt, daß diesem Mißverhältniß abgeholfen werden wird, wenn man erfährt, in welchem Geiste die Gaben in Siebenbürgen empfangen worden sind.
Wie Karl Wolff uns schreibt, hat sich eine Anzahl deutscher Männer in Hermannstadt zu einem Comité vereinigt, um die Vertheilung der Bücher in ärmeren sächsischen Landgemeinden vorzunehmen. Als die zuerst zu berücksichtigende Gemeinde wurde das Dorf Talmesch, der am weitesten nach Süden vorgeschobene, vor den Eingang in den Rothenthurmpaß gestellte Vorposten der sächsischen Ansiedelungen, ausersehen. Dort versammelten sich am Sonntag, den 10. Juli, Nachmittags achtzig Schulkinder in Gemeinschaft ihrer Eltern im Chor der von der Gemeinde bis zum letzten Platz gefüllten Kirche, wo neben dem Ortspfarrer und dem Schulmeister auch die Comitéherren von Hermannstadt Platz nahmen. Nach den einleitenden Worten des Pfarrherrn sprach der redegewandte Karl Wolff zu den Kindern, indem er sie in die Geschichte ihrer Heimath zurückführte und ihnen, trotz der Liebe zum alten Mutterland, die Treue gegen das Vaterland, dem ihr Volk seit sieben Jahrhunderten angehört, als heilige Pflicht pries. Treu sollten die Kinder an ihrem deutschen Wesen, an den deutschen Mutterlauten festhalten. „Denn wäre der deutsche Laut in diesem Lande verstummt, dann würde die segensvolle Verbindung mit dem Mutterlande zerrissen sein und Trägheit und Rohheit würden sich über die gesegneten Gefilde ausbreiten, welche deutscher Fleiß hier an den Thoren des Morgenlandes geschaffen und mit sprechenden Zeugnissen der Bildung und Gesittung geschmückt hat.“
Nach Wolff’s Ansprache wurde eine Anzahl der gespendeten deutschen Bücher als Ehrengaben an die fleißigsten Kinder vertheilt; eine andere wurde der Schulbibliothek überwiesen. Feierliche Stimmung beherrschte Alles, und mit Freudenthränen in den Augen nahmen die Kleinen ihre Bücher entgegen.
Am Schlusse wies der Seminardirector Klein von Hermannstadt in einer Ansprache an die Erwachsenen noch darauf hin, daß der größte Werth dieses deutschen Bücherschatzes in der Gesinnung bestehe, welche die Spenden angeregt habe. Die edelste Wirkung werde darum auch in der Gesinnung hervortreten, die der Bücherschatz hier pflanze und erhalte.
Das war die erste deutsche Büchervertheilung bei unserem siebenbürgischen Bruderstamme. – Wer wird angesichts derselben nicht wünschen, daß eine solche von Dorf zu Dorf im siebenbürger Sachsenlande möglich werde? Brauchen wir noch einmal zu bitten und zu mahnen, daß die Vielen, welche in der Lage sind, hier zu spenden, von ihrem Ueberfluß im Bücherschränke einen so segensreichen Gehrauch machen möchten? Gegenüber der Umständlichkeit der Versendung in so weite Ferne wird die Mittheilung willkommen sein, daß die Buchhandlung von Franz Michaelis in Hermannstadt (Siebenbürgen) derartige Sendungen zwar gern vermittelt, sich dieselben aber zur Bequemlichkeit der gütigen Spender nicht direct, sondern durch ihren Commissionär am Centralsitz des deutschen Buchhandels, die Buchhandlung von Carl Cnobloch in Leipzig, erbittet.
„Die fremdländischen Stubenvögel“ von Dr. Karl Ruß. (Verlag von Karl Rümpler in Hannover. Preis 30 Mark.) Von diesem vierbändigen Werke, das sich durch gründliche Sachkenntniß auszeichnet, hat soeben der dritte Band: „Die Papageien“ die Presse verlassen. Karl Ruß hat die meisten der auf unserm Vogelmarkt auftauchenden Arten selbst gepflegt und ihre Lebensgewohnheiten erforscht; zudem bot ihm seine Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ ununterbrochen das werthvollste Material, wie auch sein Verkehr mit den bedeutendsten Vogelliebhabern, -Züchtern und -Händlern das Werk wesentlich förderte – Verhältnisse, welche das dankenswerthe literarische Unternehmen auf die Höhe der Zeit gehoben haben.
Ruß giebt nun in diesem dritten Bande seines Werkes zunächst eine eingehende Charakteristik der einzelnen Papageien-Arten. Er schildert das Freileben dieser Vögel, soweit es von Reisenden und anderen Beobachtern erforscht worden ist, ertheilt gründlichen Unterricht in der Pflege und Wartung, Züchtung und Abrichtung der Vögel, bespricht ihre Eigenthümlichkeiten, ihre Begabung und ihre Leidenschaften und giebt über die Heimath, den Fang, den Transport, die Einführung und den Marktpreis der Papageien genaue Auskunft. Einen ganz besonderen Werth erlangt aber das Ruß’sche Werk dadurch, daß über jede einzelne Art alles Bekannte und Wissenswerthe mitgetheilt ist, sodaß wir in demselben ein ganz vorzügliches Nachschlagebuch besitzen. Das elegant ausgestattete Werk enthält auf 10 Tafeln Abbildungen von 39 Arten im Buntdruck.
Im Anschluß hieran bemerken wir noch, daß der erste Band des Gesammtwerkes bereits im Jahre 1878 unter dem Titel „Die Körnerfresser“ mit reicher illustrativer Ausstattung erschienen, der vierte Band dagegen, „Die Vogelpflege, -Abrichtung und -Zucht“ behandelnd, gerade im Erscheinen begriffen ist, während die Herausgabe des zweiten Bandes „Die Kerbthierfresser“ erst zu Ende dieses Jahres beginnen wird. Um jedoch die Resultate seiner Forschung auch den weitesten Kreisen zugänglich zu machen, hat Dr. Karl Ruß von dem Ganzen eine gedrängte Ausgabe „Handbuch für Vogelliebhaber“ veranstaltet. Den Freunden der Vogelwelt sei auch dieses Buch hiermit auf das Beste empfohlen.
Eine Abonnentin. Muß der Consequenzen halber leider abgelehnt werden.
„O forsche nicht!“ Bitte, vergleichen Sie Nr. 6, Jahrg. 1880, der „Gartenlaube“!
A. L. in Altona. Sie finden das Gesuchte in der im Verlage von Ernst Keil in Leipzig erschienenen Schrift Scherr’s „Goethe’s Jugend“, geb. M. 4,50.
Lehrerin aus dem Wupperthal. Ihrem Zwecke wird die „Pädagogische Vacanzen-Zeitung“ (Berlin, S. Schwarz’sche Buchhandlung) dienen.
H. R. in Hbg. Wenden Sie sich an den Dr. med. Curschmann, Director des dortigen Hospitals!
- ↑ Der Name des Seelöwen rührt von der südlichpolaren Art dieser Thiere, der Mähnenrobbe, her. Nicht nur ein helles, gelbbraunes Fell zeichnet dieselben aus, sondern die alten Männchen haben auch wirklich vom Kopfe bis zur Rückenmitte einen breiten mähnenartigen Haarkamm, der jedoch mit der Mähne des Königs der Thiere nur eine äusserst schwache Aehnlichkeit hat.
- ↑ In Straßburg hat sich bereits vor Monaten eine Vereinigung gebildet,
welche für die Errichtung eines Mühl-Denkmals Sorge tragen
will. Auch sind, wie man hört, in Berlin, Frankfurt am Main, Lahr
und anderen Orten solche Vereinigungen in der Bildung begriffen. Der
Schatzmeister des Straßburger Comités, Herr Hoff, (Blauwolkengasse 15,
Straßburg) nimmt Beiträge zum Mühl-Denkmal gern entgegen.
D. Red.
- ↑ Anläßlich der Württembergischen Landesgewerbeausstellung zu Stuttgart 1881 hat das württembergische Ministerium des Inneren eine Denkschrift „Die öffentliche Wasserversorgung im Königreich Württemberg unter der Regierung Sr. Majestät des Königs Karl“ herausgegeben, auf welche wir diejenigen, welche das hochentwickelte Wasserversorgungswesen dieses deutschen Staates kennen lernen möchten, ganz besonders aufmerksam machen. Das Werk, auf welches sich die obigen Mittheilungen der Hauptsache nach stützen, ist mit zahlreichen lithographischen Tafeln, die nach den Entwürfen des Oberbaurath Dr. von Ehmann ausgeführt sind, in sehr anschaulicher und gefälliger Form ausgestattet, und auch unsere heutigen Abbildungen sind nach diesen Vorlagen auf Holz übertragen und für die „Gartenlaube“ geschnitten worden. D. Red.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Handarbeiterinnen, vergl. Berichtigung (Die Gartenlaube 1881/42).