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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1874
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[155]

No. 10.   1874.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Drei Tage nach Schluß der letzten Nummer traf von Wiesbaden die unerwartete Trauerbotschaft hier ein, daß der Tod einen der treuesten und ausgezeichnetsten Mitarbeiter der Gartenlaube, den

Herrn Professor Dr. Carl Ernst Bock,

uns für immer entrissen hat.

Was Bock der fortschrittlichen Wissenschaft auf dem Felde der Medicin war, wird eine berufene Feder den Lesern der Gartenlaube schildern, ich vermag heute in dieser kurzen Anzeige nur einen Kranz auf sein frühes Grab niederzulegen, einen Lorbeerkranz der vollsten Verehrung und meinen herzlichsten tiefgefühltesten Dank für seine treue hingebende Mitarbeiterschaft, für seinen unerschrockenen heldenmüthigen Kampf gegen Alles, was ihm schlecht oder verwerflich erschien, für seine aufrichtige Freundschaft, die er der Gartenlaube in allen Wechselfällen ihres Bestehens bewahrt hat. Fest und unentwegt, ein schneidiger und unermüdlicher Streiter, ging er mit der ganzen Kraft seiner wissenschaftlichen Autorität auf sein weitgestecktes Ziel der Volksaufklärung vor und wußte durch seine hinreißenden, klaren und wuchtigen Darstellungen so überzeugend zu belehren und alte Vorurtheile zu beseitigen, wie es vor ihm noch Keinem gelungen. Seinem eifrigen Bestreben, die Wissenschaft zum Gemeingut aller Menschen zu machen, und so die Massen von geistigem Drucke zu befreien, dankt die Gartenlaube eine Reihe Artikel von unvergänglichem Werthe, wie denn sein Wirken auf dem Gebiete der Gesundheitslehre und der Naturwissenschaft überhaupt ein reichgesegnetes und weitgreifendes war und unvergessen bleiben wird wie sein Name!

Friede seiner Asche und nochmals über das kaum geschlossene Grab hinaus den wärmsten Dank der Gartenlaube!

Leipzig, den 20. Februar 1874.

Ernst Keil, Redacteur der Gartenlaube.




Die zweite Frau.
Nachdruck verboten und
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Von E. Marlitt.


(Fortsetzung.)


13.


Sie wandte sich schweigend ab und betrat einen Weg, der am Jägerhäuschen vorüber nach dem Walde lief. Hinter den Scheiben des Küchenfensters sah sie Frau Löhn am Herde stehen, und nicht weit von ihr tauchte Gabriel’s blasses Gesicht wie ein Schemen aus einer dunklen Ecke auf; dahin war er vorhin geflüchtet, als ihn der Hofmarschall während der Debatte mit einer heftig fortscheuchenden Bewegung aus dem Kreise der Hochgeborenen verwiesen hatte. … Es war ein arger Mißgriff ihrerseits gewesen, zu Gunsten des Knaben zu sprechen – sie hatte damit seine Lage unzweifelhaft verschlimmert und dabei „ihr Genick gebrochen“, wie ihr eben der Hofmarschall triumphirend und unfein versichert – die widerwillig geduldete „zweite Frau“ hatte mit diesem Schritt ihre Stellung dermaßen erschüttert, daß es nur eine Frage der Zeit war, wann sie in die Heimath zurückkehre. … Bei diesem Schluß athmete sie wie befreit auf, ein blendendes, hochbeglückendes Licht fiel in ihre Seele – jetzt ging der Anstoß zur Trennung von der anderen Seite aus, jetzt brauchte sie selbst nicht Hand anzulegen, um die Kette abzustreifen, in die sie, von einem grenzenlosen Irrthume befangen, selbst den Kopf gesteckt hatte. Jetzt freute sie sich des Muthes, mit welchem sie diesen orthodoxen Teufelsgläubigen ihre Ueberzeugung in’s Angesicht geschleudert hatte – war nicht jedes Wort ein zerschmetternder Schlag auf Mainau’s Verdummungsprogramm gewesen? … In ihren Händen konnte er unmöglich die Sorge für den Hausfrieden, die Erziehung des Erben von Mainau belassen, wenn er verreiste; das litt schon der Hofmarschall nun und nimmer, und ihm selbst war sicher auch das Verlangen danach vergangen. Er brauchte auch das widerwärtige Aufsehen nicht mehr zu berücksichtigen – zum Eclat war es ja eben am Kaffeetische gekommen. … Frei werden! … Dort das verhaßte Schloß, in welchem sie schon so viel gelitten, erschien ihr [156] von einem versöhnlichen Schimmer umgeben; sie wollte die hier verlebte Prüfungszeit, wenn sie einmal hinter ihr versunken war, für einen schweren, glücklich abgestreiften Traum halten und seiner nicht mehr gedenken. … Zurück zu Magnus und Ulrike! Mit ihnen wieder zusammenleben und weiter forschen in Rudisdorf, im trauten Gartensalon! … Wie gern wollte sie jetzt die schlimmen Launen der Mama, ihre heftigen Zornausbrüche ertragen! Die Hölle dort – wie die Geschwister sich ausgedrückt, war nichts gegen die Qualen des Verlassenseins in der Fremde. Sie ging ja auch nicht zur Mutter, sondern zu Magnus – er hatte es ja fest und entschieden erklärt, daß Rudisdorf Heimath und Zufluchtsort für die Schwestern zu allen Zeiten sein werde. … O Magnus! Thränen füllten ihre Augen bei der Vorstellung, ihn wiederzusehen.

Hinter ihr stürmten in diesem Augenblicke die Jagdhunde freudig bellend aus dem Jägerhäuschen; sie wandte den Kopf – dort kam eben Mainau und beschwichtigte mit einer gebieterischen Handbewegung die an ihm aufspringende Meute. … Wollte er in das Jägerhaus gehen, vielleicht den Shawl der Herzogin holen, der dort niedergelegt war? … Wie stolz und hoch er seinen Kopf trug, als sei er die personificirte Mannesthat und Manneskraft! Und er war doch der Erbärmlichste von Allen – er sprach wider Wissen und Gewissen und schwieg wiederum bei den rohesten Angriffen, lediglich um einer Frau nicht beizustehen, die nicht in seine Pläne paßte. … Sie ging rasch weiter, als habe sie ihn nicht gesehen; aber da stand er schon neben ihr.

„Wie, Thränen Juliane? … Du kannst weinen?“ sagte er mit der ganzen Wollust gesättigter Grausamkeit und sah ihr mit funkelnden Augen unter das Gesicht. Zornig fuhr sie mit dem Taschentuch über die Augen. „Nun, ereifere Dich nicht – Niemand weiß besser als ich, daß sie nicht aus weichem Herzen kommen. Es giebt Thränen der Erbitterung, des gekränkten Stolzes“ –

„Und der tiefsten Reue,“ unterbrach sie ihn.

„Ah, Du bereust Deinen Heldenmuth von vorhin? … Wie schade – ich habe Alles, was Du sagtest, für die innigste Ueberzeugung gehalten, habe gemeint, Du würdest nöthigenfalls für jedes Wort märtyrhaft zu sterben wissen. … Du bereust also? … Soll ich Dir den Hofprediger schicken? Er suchte Dir vorhin mit ganz unerklärlicher Bereitwilligkeit zu Hülfe zu kommen – die Herzogin ist außer sich darüber. … Soll ich ihn schicken, Juliane? – Einen liebenswürdigeren Beichtvater hat die Welt nicht – ich weiß es von Valerie.“

„Ich sollte es gestatten,“ sagte sie, erbittert auf seinen lächelnden Hohn eingehend, „um mich im Hexen- und Gespensterglauben unterrichten zu lassen, damit ich“ – sie verstummte unter glühendem Erröthen mit einer ausdrucksvoll zurückweisenden Geberde gegen ihn.

„Damit Du geliebt würdest, wie ich vorhin ausgesprochen,“ ergänzte er.

Hier nicht! Hier nicht!“ rief sie in Leidenschaft ausbrechend und streckte die Arme verneinend über die Schönwerther Gegend nach dem Schlosse hin. „Ich bereue,“ setzte sie ruhiger hinzu, „daß ich mit meiner unbesonnenen Fürsprache Gabriel’s Geschick beschleunigt habe – alles Andere, was ich ausgesprochen, bin ich bereit Wort für Wort zu wiederholen, ja, wenn ich dazu herausgefordert werden sollte, noch ganz anders zu begründen, jener hochgestellten Lügenhaftigkeit und Deinem ätzenden Spott gegenüber … Ich bereue ferner“ –

„Lasse mich das aussprechen, Juliane – ich möchte mir das nicht gern aus Frauenmunde sagen lassen,“ unterbrach er sie plötzlich sehr ernst unter jenem raschen Farbenwechsel seiner Wangen, der sie heute schon einmal innerlich erschüttert hatte. „Du bereust ferner, daß Du so blindlings, unwissend, so taubenhaft harmlos in die Ehe gegangen bist, und richtest nun gegen mich, ‚den erfahrenen Mann, der genau wissen mußte, was er that, was er verlangte‘, Deine leidenschaftlichen Anklagen“ –

„Ja, ja!“

„Und wenn nun auch er bereute?“

„Du wolltest, Mainau? Du würdest mir gestatten zu gehen? Heute noch?“ fragte sie mit zurückgehaltenem Athem und aufstrahlenden Augen – sie preßte beide Hände wie inbrünstig bittend auf ihre Brust.

„So war es nicht gemeint, Juliane,“ antwortete er, sichtlich bestürzt über diesen mühsam verhaltenen Jubel. „Du hast mich falsch verstanden,“ betonte er mit einem eigenthümlich nervösen Aufzucken der Lippen. „Lassen wir das jetzt – es ist hier weder Zeit noch Ort für eine Verständigung.“

„Verständigung?“ wiederholte sie tonlos und ließ die Arme sinken. „Sie ist ja ganz unmöglich! Wozu denn dieses Hinschleppen? … Mein Gott, ich habe ja jetzt nicht einmal mehr den guten Willen, die ehrlich gemeinten Vorsätze, mit denen ich die neue Lebensstellung angetreten – ich bin verbittert und behaupte nur mühsam meine äußere Ruhe – mit Kopf und Herzen bin ich in Rudisdorf – nicht hier! Das läßt sich wohl eine kurze Zeit durchsetzen, aber lebenslang – unmöglich! … Eine Verständigung!“ – Sie lachte bitter auf – „Vor vier Wochen noch hätte ich sie aus eigenem Antriebe gesucht, im aufrichtigen Wunsche, die so unverzeihlich leichtsinnig übernommenen Pflichten zu erfüllen; heute, nach Allem, was vorgefallen, nicht mehr! Ich weise sie zurück.“

„Aber ich nicht, Juliane!“ rief er heftig, mit schwellenden Stirnadern. … Einen Moment stand sie stumm und eingeschüchtert vor ihm, den sie in solchen Augenblicken fürchtete; aber war es nicht am besten für beide Theile, wenn es noch in dieser Stunde zum Bruch kam?

„Ich glaube zu verstehen, weshalb Du vorderhand mein Verbleiben in Deinem Hause wünschest, und das ist mir in diesem schweren Moment eine große Genugthuung,“ sagte sie sanft. „Du hast erkannt, daß ich Dein Kind mit aufrichtiger Liebe an mein Herz genommen habe – gieb mir Leo mit nach Rudisdorf, Mainau! Ich schwöre Dir, daß ich nur für ihn leben, ihn wie meinen Augapfel behüten will. Ich weiß, Magnus und Ulrike werden ihn freudig aufnehmen; was Alles kann er lernen von diesen zwei Menschen, die geistig so hochbegabt sind! … Dann kannst Du unbesorgt draußen in der Welt sein und auf Jahre verreisen – gieb mir Leo mit, Mainau!“ Sie hielt ihm bittend die Hand hin – er stieß sie heftig zurück.

„Wahrhaftig, es giebt eine Nemesis! … Ich möchte sie lachen hören, Alle, Alle!“ Er warf, selbst hohnlachend, den Kopf zurück und starrte in die blaue Luft hinein, als sähe er Alle, die er meinte, vorüberfliegen. „Weißt Du, wie die furchtbar gezüchtigte Eitelkeit aussieht, Juliane? … ich werde es Dir später einmal sagen; jetzt nicht, noch lange nicht, bis –“ Die junge Frau schritt plötzlich, ihm, der mit dem Rücken nach dem Jägerhäuschen stand, schweigend ausbiegend, nach den Ahornbäumen – dort kam die Herzogin in Begleitung der Hofdame.

… Wie peinlich für Liane! Die brennenden, neugierig vorwärtsstrebenden Augen der fürstlichen Frau hatten die heftige Bewegung beobachtet, mit welcher Mainau ihre Hand zurückgestoßen. Tieferröthend, wie mit Rosengluth überschüttet, ging sie den Damen entgegen – das boshafte Lächeln, das den Mund der Hofdame verzog, entging ihr nicht und machte sie noch befangener.

Ah, die Frau Herzogin hatte eben einen unerquicklichen ehelichen Auftritt durch ihr Erscheinen unterbrochen! Der Eheherr hatte die junge Frau wegen ihrer Tactlosigkeit von vorhin gescholten und ihre Bitte um Verzeihung in so rauher Weise zurückgewiesen, wie es eben nur – die entschiedenste Abneigung vermochte. Jetzt gestand sie sich mit vollkommenster Ruhe, daß dem befangen daherkommenden „Rothkopf“[WS 1] dort zum vollendeten Bild des echt deutschen Gretchens nur die weissagende Sternblume in der Hand fehle – warum sollte sie nicht zugeben, daß diese von allen Seiten geschmähte und angefeindete zweite Frau von bestechendem Liebreiz sei? – Faust liebte sie ja nicht; er behandelte sie grausam, weil – nun, weil sein Tollkopf dieses Mädchen mit den rothgoldenen Flechten nicht so rasch wieder abzuschütteln vermochte, wie er es in glühender Rachsucht an sich gerissen hatte.

„Meine beste Frau von Mainau, warum isoliren Sie sich?“ rief sie der jungen Frau gütig und herzlich entgegen. Sie trug ein Körbchen voll Obst in den Händen und hätte sie es ein wenig höher gehalten, so wäre man versucht gewesen, zu glauben, sie wolle „Tizian’s Tochter“ als lebendes Bild verkörpern, in einer so anmuthigen Stellung blieb sie stehen und erwartete die Herankommenden. „Hier mein Dank für Ihre schönen Blumen – ich habe sie mit eigener Hand gebrochen,“ sagte sie und reichte Liane eine Frucht hin. Die Hofdame warf einen erstaunten [157] Blick auf die Gabe; sie war nicht gewohnt, ihre stolze Herzogin auf diese freundschaftliche Art und Weise danken zu sehen – vielleicht wußte sie noch nicht, daß eine leidenschaftlich empfindende Frau, im Bewußtsein des vollendeten Sieges, über die Grenzen hinaus glück- und gnadenspendend zu sein vermag gegen – die Unterlegene. … Die Frau Herzogin ging noch weiter – war diese wunderschöne Hand, die nach der Frucht griff, nicht eben in unüberwindlicher Antipathie fortgestoßen worden? „Und nun einen Vorwurf, liebe, junge Frau! Warum haben Sie uns bis heute gemieden?“ fragte sie mit sanfter Freundlichkeit. „Ich hoffe, Sie in der allernächsten Zeit bei mir zu sehen.“

Liane streifte mit einem raschen Seitenblick den neben ihr stehenden Mann – seine Nasenflügel bebten leise, als unterdrücke er ein ironisches Lächeln; im Uebrigen hatte er wieder jene vornehm lässige Haltung angenommen, die jedes Interesse an dem, was um ihn her vorging, leugnete. „Hoheit mögen mich entschuldigen, wenn ich dem Befehl nicht nachkomme,“ sagte die junge Frau entschlossen. „Mainau wird in wenigen Tagen seine Reise antreten und mir erlauben, mich nach Rudisdorf zurückzuziehen.“ – Da war es ausgesprochen, und zwar so unbefangen wie möglich; die Lösung geschah unter vollkommen friedlichem Anstrich.

„Wie, Baron Mainau – soll ich das glauben?“ fragte die Herzogin allzu rasch, wie athemlos – sie vergaß sich so sehr, daß die Hofdame in ein verlegenes Hüsteln verfiel.

„Warum denn nicht, Hoheit?“ antwortete er gleichmüthig die Schultern emporziehend; „Rudisdorf hat eine außerordentlich gesunde Lage und bietet die ungestörteste Stille für Geister, die sich am liebsten in sich selbst vertiefen. … Wenn auch selbst ein unstäter Wandervogel, denke ich doch billig genug, einem anderen es nicht zu verwehren, wenn er in sein Nest zurückkehren will. … Nimm Dich in Acht, Juliane, er wird Dein hübsches Kleid zerreißen!“ – er meinte Leo’s riesenhaften Leonberger Hund, der wahrscheinlich, bis dahin im Jägerhaus eingesperrt, sich eigenmächtig befreit hatte, und nun wie rasend vor Freude an der jungen Frau in die Höhe sprang. „Der tolle Bursche hat sich wahrhaftig in eine förmliche Passion für Dich verrannt, – was soll aus dem armen Narren werden, Juliane? – Leo wird sich von ihm nicht trennen wollen!“

Liane biß sich auf die Lippen – das war die Antwort auf ihre Bitte von vorhin, und in welcher frivolen, kaltlächelnden Weise wurde sie ihr gegeben! … Den Blick, der sie begleitete, sah nur die Hofdame; sie beschrieb ihn später der Herzogin als den Inbegriff von Widerwillen – wie ein Funken sei er über „die rothhaarige Frau“ hingefahren.




14.


Mittlerweile durchstreiften die fürstlichen Kinder mit Leo den Park. Sie hatten es sehr bald langweilig gefunden, reifes und unreifes Obst abzureißen und den Weg mit angebissenen Früchten zu bestreuen. Der Kaffeetisch hatte auch keine Anziehungskraft für sie – Frau Löhn wurde mit ihren Tassen, Milchgläsern und Kuchentellern entschieden zurückgewiesen; desto verlockender klangen die einzelnen kreischenden Laute aus den Affenkehlen vom indischen Garten herüber. Zwar war es den Prinzen streng verboten, das Thal von Kaschmir allein, ohne die Begleitung Erwachsener, zu betreten, hauptsächlich des Teiches wegen, der eine bedeutende, ja, verrufene Tiefe hatte. Aber jenes Verbot beirrte sie wenig; drüben unter den Ahornbäumen ging es ja so laut und lebhaft zu; die Mama und Herr Werther kamen jetzt gewiß nicht, und die Hofdame „hatte ihnen ganz und gar nichts zu sagen“, wie der Erbprinz seinem Gespielen Leo im tiefsten Vertrauen versicherte.

Zuerst wurde der Stier aufgescheucht, der sich vergnügt auf dem Uferrasen sonnte: er war aber bejahrt und sehr friedfertiger Natur und zog sich schleunigst hinter die Boscage zurück. Die Schwäne auf dem Teiche flohen vor den gutgezielten Steinwürfen flügelschlagend in ihr Haus, und das flimmernde Volk der Gold- und Glanzfasane zerstob lautlos in alle Schlupfwinkel beim Geräusche der trabenden und verfolgenden Kinderfüße.

„Du, Leo, steckt denn die Hexe noch immer d’rin?“ fragte der Erbprinz, nach dem indischen Hause zeigend.

Leo nickte. „Wenn ich nur dürfte“ – sagte er und hieb mit seiner Gerte durch die Luft.

„Jagt sie doch fort – oder werft sie in’s Wasser!“

„Dummheit – der weiß nicht einmal, daß die Hexen nicht untergehen! Sie schwimmen doch immer obendrauf, und wenn es hundert Jahre dauern sollte – die Berger hat’s gesagt, die wußte es ganz genau.“

Der Erbprinz blieb mit offenem Munde stehen; das Wunder war ihm neu; aber er wurde dadurch erst recht in seinen Vernichtungsplänen bestärkt. „Wenn wir Schießpulver hätten,“ meinte er, „da könnten wir sie ganz bequem in die Luft sprengen. Hauptmann von Horst hat mir gestern in der Stunde erklärt, wie man das macht – man legt einen Schwefelfaden hin –“

„Pulver giebt’s im Jägerhäuschen,“ schrie Leo auf – er war Feuer und Flamme. Die Hexe in die Luft sprengen! Heisa, das gäbe einen Hauptspaß!

Die Kinder liefen durch die Plantagen; sie begegneten dem Erzieher, der sie suchte, und kamen auch an dem Spaliere vorüber, wo die Mama Obst pflückte; aber sie waren schlau genug, von ihrem Geheimnisse kein Wort verlauten zu lassen – es sollte ja eine große Ueberraschung geben. Geräuschlos huschten sie in das Jägerhaus.

Der Schlüssel steckte wirklich im Gewehrschranke; hinter den Glasscheiben hing verlockend ein zwar in den Ruhestand versetztes, aber reichverziertes Pulverhorn, und der Jägerbursche war nicht in seiner Stube. Der Erbprinz stieg auf einen Stuhl, nahm das Horn vom Nagel und prüfte den Inhalt – es war bis herauf gefüllt. Nach Schwefelfaden aber sah er sich vergeblich um; indeß der kleine durchlauchtigste Kopf wußte sich zu helfen. Dort auf dem Nachttische lag das fadendünne Endchen eines Wachsstockes, und aus einem Becher guckten Schwefelhölzchen. „Es geht auch so,“ sagte er und steckte das gesammte Material in die Tasche.

In diesem Augenblicke trat der Jägerbursche herein und überflog mit einem Blicke die ganze Situation. Er war ein junger Mann mit finsteren Zügen, von dem sich Mosje Leo nichts Gutes versprechen mochte. „Mache, daß Du hinauskommst!“ befahl der Kleine in grobem, herrischem Tone, dem man aber doch die Angst um das eroberte Pulverhorn anhörte.

„Oho – aus meiner eigenen Stube?“ versetzte der Jäger – das Blut stieg ihm in das braune Gesicht. Er ging auf den Erbprinzen zu, der, das Pulverhorn mit beiden Händen auf den Rücken haltend, in eine Ecke retirirte, und griff ohne Umstände über die Schulter des fürstlichen Knaben; aber er kam schlimm an – Seine Durchlaucht trat mit den Füßen nach ihm; der andere kleine Prinz zerrte ihn am Rockschoß zurück, und Leo sprang mit hochgehobener Gerte auf ihn los.

„Warte, ich werde es machen, wie der Großpapa!“ schrie er. „Weißt Du noch, wie er Dich mit der Hetzpeitsche über das Gesicht geschlagen hat?“

Der Bursche wurde bleich bis in die Lippen – er hob die Faust, um den ungeberdigen Knaben zu Boden zu schlagen. „Brut!“ knirschte er, sich mühsam bezwingend. „Meinetwegen! Thut doch, was Ihr wollt! Immerhin! Für Euch Alle wär’s am besten, man steckte einen Schwefelfaden unter Euch an!“

Er ging hinaus und warf die Thür schmetternd in das Schloß. Die Kinder warteten in athemloser Spannung, bis seine Schritte auch hinter der Küchenthür verklungen waren, dann schlüpften sie hinaus.

Wenige Minuten darauf kam die Beschließerin aus dem Hause gelaufen und sah, die Hand gegen den Sonnenschein über die Augen haltend, angestrengt über die Anlagen hin. Das geschah in dem Augenblick, wo Baron Mainau in Begleitung der Damen nach den Ahornbäumen zurückkehrte.

„Was giebt’s, Löhn?“ fragte er die sichtlich erregte Frau.

„Im indischen Garten sind sie – die Kinder nämlich, gnädiger Herr – ich hab’ den kleinen Baron noch laufen sehen,“ versetzte sie hastig. „Daß Gott erbarm – sie haben ja Schießpulver und Schwefelhölzchen mitgenommen! Eben sagt’s mir der Jäger.“

Die Herzogin stieß einen Schreckenslaut aus und hing sich an Mainau’s Arm, der sofort den Weg nach dem Thal von Kaschmir einschlug. Liane und die Hofdame folgten, und der Erzieher, der sorglos drüben durch die Spaliere schlenderte, setzte auf einen sehr ungnädigen Zuruf der Herzogin hin auch schleunigst seine langen Beine in Bewegung.

Sie kamen eben recht, um jenes Entsetzen zu empfinden, [158] das uns angesichts einer furchtbaren, an einem Haar schwebenden Gefahr schüttelt. Inmitten der Veranda des indische Hauses, unmittelbar auf der schimmernden Palmriedmatte, hatten die Kinder das Schießpulver zu einem kleinen Haufen zusammengeschüttet, ihn in der Mitte vertieft und das Lichtstümpfchen hineingesteckt – da brannte das dünne Stengelchen lichterloh – die leiseste Erschütterung, ein starkes Ausathmen konnte es umwerfen, oder einen Funken vom Docht lösen. Die Pulvermenge hätte allerdings nicht genügt, um, wie es gewünscht wurde, „das Hexenhaus“ in die Luft zu sprengen; die Gefahr lag in der grenzenlosen Harmlosigkeit der Kinder, die sich selbst ganz und gar nicht in die Mitleidenschaft bei der Sache zu denken vermochten – sie hockten aneinander gedrängt um die sogenannte „Mine“, und die Gesichter darüber neigend, warteten sie athemlos auf den interessanten Moment, wo die Flamme soweit niedergekrochen sei, um an dem Pulver zu lecken.

Leo kauerte zwischen den beiden Prinzen und konnte zuerst die Herbeieilenden sehen. „Still, Papa – wir sprengen die Hexe in die Luft!“ rief er halb flüsternd und die Augen kaum bewegend hinüber.

Mit einem Sprunge stand Mainau vor der Veranda, und ohne die leicht zu erschütternden Stufen zu betreten, reckte er sich weit hinüber und zerdrückte die kleine Flamme in seiner Hand. Als er das Gesicht zurückwandte, war es fahl wie das eines Gespenstes; die Herzogin aber sank unter einem hysterischen Aufschluchzen in die Arme der Hofdame. Sie erholte sich jedoch augenblicklich wieder.

„Die Prinzen gehen heute ohne Abendbrod zu Bette, und dürfen morgen zur Strafe nicht ausreiten, Herr Werther!“ befahl sie hart und streng, während Mainau seinen Knaben an den Schultern hielt und ihn unter heftigem Schelten derb schüttelte.

Liane trat hinzu und legte beide Arme um das aufweinende Kind. „Willst Du ihn wirklich für die Sünden seiner vorigen Erzieherin züchtigen, Mainau?“ fragte sie mit sanftem Ernst. „Ich meine, Du darfst das so wenig, wie man das Volk für derartige Grausamkeiten verantwortlich machen kann, sobald es in seinen finsteren Wahnvorstellungen systematisch erhalten und bestärkt wird.“ – Sie strich mit bebender Hand zärtlich über die wunderschönen Kinderaugen, die nur der entschlossene Griff der väterlichen Hand vor dem furchtbaren Geschick der Erblindung behütet hatte.

Das Gesicht der Herzogin nahm plötzlich jene todtenhafte Wachsweiße an, die Liane schon bei ihrer ersten Begegnung im Walde erschreckt hatte – die fürstliche Frau vergaß, daß der Erzieher ihrer Kinder, die Hofdame, er selbst, dem so leicht das gefürchtete, triumphirende Spottlächeln auf die Lippen trat, um sie her standen; sie sah nur, wie das junge liebliche Weib den Knaben an das Herz drückte, und das war sein Kind, sein Ebenbild, an welches diese gelassene junge Frau so ruhig und selbstverständlich ihre Mutterrechte geltend machte – das war nicht zu ertragen! – Die mühsam niedergehaltene Eifersucht fiel sie an wie ein plötzlich eintretender Wahnsinn. Soweit vermochte sie sich aber doch zu beherrschen, daß sie der Verhaßten nicht sofort mit höchsteigenen Händen den Knaben wegriß, wenn sie auch völlig aus der Rolle der gnädig und huldvoll gesinnten Herrscherin fiel.

„Verzeihen Sie, meine Liebe! Ihre Anschauungen sind so seltsamer Art, daß sie mir zu meinem alten, lieben Schönwerth zu passen scheinen, als wolle man die Tricolore auf die ehrwürdigen Thürme dort pflanzen,“ sagte sie schneidend und zeigte nach dem Schlosse. „Ich kann mir nicht helfen, und Sie mögen mir deshalb auch nicht gram sein, aber mir ist immer, als hörte ich irgend eine Gouvernante, irgend eine simple Schulze oder Müller, ihre wunderlichen Ansichten entwickeln – gilt Ihnen das Vorrecht, den glänzenden Namen Mainau zu tragen, so wenig –“

„Hoheit, bis vor wenigen Wochen war ich die Gräfin Trachenberg,“ unterbrach sie die junge Frau, mit stolzer Ruhe ihren alten, hocharistokratische Familiennamen betonend. „Wir sind verarmt, und auf den letzten Trägern des Namens liegt der Makel der Selbstverschuldung – aber der Stolz auf die Heldenthaten und das fleckenlose Verhalten einer langen Ahnenreihe ist trotzalledem mein Erbtheil; ich weiß gewiß, daß ich es nicht schädige, wenn ich menschlich fühle und denke, und deshalb können auch die Mainau’s unbesorgt sein.“

Die Herzogin klemmte zornig die Unterlippe zwischen ihre feinen, spitzen Perlenzähnchen, und an der wogenden Bewegung der Rockfalbeln sah man, daß ihre kleinen Füße den Kies ungeduldig bearbeitete – die Hofdame und der Prinzenerzieher bemerkten erbebend dieses Zeichen ausgesprochenster allerhöchster Ungnade.

Mainau hatte sich, so lange Liane sprach, abgewendet, als wolle er gehen; jetzt sah er über die Schulter zurück. „Hoheit, ich bin unschuldig,“ versicherte er, beide Hände spöttisch betheuernd auf das Herz legend. „Ich kann wirklich nicht dafür, daß Sie im lieben, alten Schönwerth eine solche Antwort hören müssen – ich glaubte selbst an schlichten Taubensinn. Diese Dame mit dem sanften Lavallière-Gesichtchen hat nicht allein den berühmten Namen, sondern auch das Schwert ihrer heldenhaften Vorfahren geerbt – es sitzt ihr in der Zungenspitze – ich weiß ein Lied davon zu singen.“ Er zuckte unter höhnischem Auflachen die Achseln.

Diese kleine, scharf zugespitzte Scene, bei der jedes Wort der eben zerdrückten Lichtflamme inmitten des Schießpulvers glich, wurde unausgesetzt von dem leisen Weinen der kleinen Prinzen begleitet – der heldenmüthige Erbprinz wollte sein geliebtes Carottengericht auf dem Abendtisch nicht einbüßen, und sein Bruder weinte um den Pony, den er morgen nicht sehen durfte. Herrn Werther’s eifrig geflüstertes Zureden verfing nicht, und als er sie, ohnehin geängstigt durch das sichtbare Zürnen der Herzogin, rasch hinwegführen wollte, da brach das moderirte Klageduett in ein lautes Aufschreien aus.

Fast zugleich hörte man den Fahrstuhl des Hofmarschalls eiligst heranrollen. Mit angstbleichem Gesicht kam der alte Herr näher; als er aber die gesammte Gesellschaft heil und unversehrt erblickte, befahl er dem Jägerburschen, der ihn fuhr, zu halten – er wollte offenbar den nächsten Umkreis des indischen Hauses meiden. Mit ihm kamen auch der Hofprediger und Frau Löhn, Beide in sichtlicher Aufregung, die wohl das Weinen der Kinder erhöht hatte.

„Um Gotteswillen, Raoul, was gehen hier für unerhörte Dinge vor?“ rief der alte Herr. „Ist es wahr, wie die Löhn sagt, daß die Kinder mit Schießpulver gespielt haben?“

„Ein Spiel mit tieferem Sinn, Onkel – die Lotosblume sollte schließlich doch noch in die Gefahr kommen, als Hexe zu sterben: die Kinder haben sie in die Luft sprengen wollen,“ antwortete Mainau mit halbem Lächeln.

„Wär’s nur vor sechszehn Jahren geschehen!“ stieß der Hofmarschall mehr murmelnd heraus, wobei sein Blick scheu das Bambusdach streifte. „Aber nun frage ich, wie kommt das Pulver in die Hände der Kinder? … Wer hat es Ihnen gegeben, mein Prinz?“ wandte er sich an den consequent heulenden Erbprinzen.

„Der Mann da!“ sagte er und zeigte nach dem Jägerburschen, der unbeweglich, in dienstlicher Haltung, hinter dem Fahrstuhl stand. Der kleine Feigling hatte nicht den Muth, für seine That verantwortlich zu sein; er wälzte sie auf die Schultern eines Anderen.

„Aber das ist ja gar nicht wahr!“ rief Leo aufgebracht – seine unbestechliche Wahrheitsliebe und Geradheit empörten sich gegen diese Lüge. „Dammer hat uns das Pulver nicht gegeben; er wollte es ja gar nicht leiden – er war nur schrecklich grob und wollte mich zu Boden schlagen, und dabei hat er uns ‚Brut‘ geschimpft und hat gesagt, für uns Alle wär’ es besser, wenn ein Schwefelfaden unter uns angesteckt würde.“

„Hund!“ fuhr der Hofmarschall wüthend nach dem Jägerburschen herum – er schnellte empor, sank aber ächzend vor Schmerz wieder zurück. „Da siehst Du nun, Raoul, wohin Deine Humanitätsanwandlungen führen! Man ernährt diese Tagediebe und schützt sie mit unerschöpflicher Güte vor dem Hungertode; wenn man aber nicht stündlich mit der Hetzpeitsche hinter ihnen steht, da werden sie frech, stehlen, wo sie können, und schließlich ist man nicht einmal seines Lebens vor ihnen sicher.“

„Beweisen Sie mir einen einzigen Diebstahl, gnädiger Herr!“ rief der Jäger mit auflodernder Heftigkeit – der Mann war schrecklich anzusehen mit seinen rollenden Augen und der dunklen Zorngluth, die seine Wangen bedeckte. „Ein Tagedieb wär’ ich? Ich arbeite redlich –“

„Ruhig, Dammer – entfernen Sie sich!“ gebot Mainau und zeigte nach dem Jägerhause.

[159]

Kosaken-Hochwacht am Kubanflusse.
Nach der Skizze eines russischen Offiziers.

[160] „Nein, gnädiger Herr, ich habe meine Ehre so gut wie Sie, und ich halte vielleicht mehr darauf als die großen Herren, denn ich hab’ nichts weiter! … Geschlagen haben Sie mich schon einmal mit der Hetzpeitsche,“ sagte er mit fliegendem Athem zu dem Hofmarschall – die Worte stürzten ihm förmlich von den Lippen – „ich bin still gewesen, denn ich muß meinen alten Vater ernähren – aber vergessen hab’ ich’s nicht. Von Ihrer unerschöpflichen Güte sprechen Sie? – Wo Sie können, beschneiden Sie uns den Lohn – Sie schämen sich nicht, uns groschenweise das Geld abzupressen – die ganze Welt weiß, wie geizig und hart Sie sind! … So, nun ist’s gesagt, nun gehe ich fort aus Schönwerth; aber hüten Sie sich, hüten Sie sich vor mir!“ Er ergriff mit seinen kräftigen Fäusten den Fahrstuhl, schüttelte ihn heftig und stieß ihn dann von sich, daß er tief in das Gebüsch hineinfuhr.

Die Hofdame und die Kinder schrieen auf, und die Herzogin flüchtete nach dem indischen Hause zurück; Mainau aber riß in sprachloser Empörung einen Pfahl aus der Erde und holte weit aus – ein weicher Schmerzensschrei zitterte durch die Luft.

„Nicht schlagen, Mainau!“ rief Liane unmittelbar darauf mit zuckenden Lippen und ließ die rechte Hand an der Seite niedersinken – sie war lautlos herbeigeflogen, um den Schlag abzuwehren, und während der Jägerbursche gewandt auswich und hohnlachend fortstürmte, war sie getroffen worden.

Einen Augenblick stand Mainau wie versteinert vor dem Geschehenen – dann schleuderte er unter einer Verwünschung den Pfahl weit von sich und wollte mit beiden Händen die verletzte Rechte erfassen; aber er fuhr unwillkürlich zurück vor dem Hofprediger. Dieser Priester hätte sich nicht fanatischer vor das Tabernakel stürzen können, um es gegen Barbarenhorden zu schützen, als er plötzlich zwischen Mainau und der jungen Frau stand – er handelte sichtlich unter der zwingenden Gewalt einer jäh auflodernden Leidenschaft; wie hätte er sonst Miene machen können, den schlanken Leib der geschlagenen Frau an sich zu ziehen, während er mit einer heftigen Geberde die Rechte gegen den Thäter erhob!

„Nun, Herr Hofprediger, wollen Sie mich ermorden?“ fragte Mainau, unbeweglich stehen bleibend, mit langsamem Nachdrucke – er maß den Mann im langen Rocke mit tödtlicher Kälte von Kopf bis zu Füßen; das schmerzliche Entsetzen, das eben noch sein Gesicht geisterhaft gefärbt hatte, war einem verletzenden Ausdrucke von lächelndem Hohne gewichen – diese Ruhe brachte den Geistlichen sofort zur Besinnung. Er trat zurück und ließ beide Arme sinken.

„Der Schlag war zu entsetzlich,“ murmelte er, wie entschuldigend

Mainau wandte ihm den Rücken. Dicht vor Liane stehend, versuchte er, in ihre Augen zu sehen – sie blieben tief gesenkt. Mit einer sanften Bewegung griff er nach der geschlagenen Hand; sie wurde tiefer in die Falten des Kleides gedrückt.

„Es hat nichts zu bedeuten – ich kann die einzelnen Finger leicht bewegen,“ versicherte die junge Frau sanft unter einem schattenhaften Lächeln. Jetzt sah sie auf – ihre Augen glitten theilnahmlos, fast müde an dem sprechenden Blicke hin, der auf ihr ruhte, und sahen mit einem schwer zu beschreibenden Ausdrucke von Sehnsucht in die blaue Luft hinaus.

„Sie hören, es hat nichts zu sagen, Sie können sich beruhigen, Herr Hofprediger,“ sagte Mainau, sich umwendend. „Mir wird es schon schwerer – die schöne Hand dort wird morgen schon wieder mit gewohnter Meisterschaft den Stift führen; ich dagegen muß zeitlebens den Makel, eine Dame körperlich verletzt zu haben, auf meinem Rufe als Cavalier herumschleppen.“ – Welche schneidende Schärfe stand dieser Stimme zu Gebote! – „Nur an Eines möchte ich auch Sie erinnern, Herr Hofprediger – wie mag der unversöhnliche Orden, dem Sie angehören, über Ihre ungewöhnliche Theilnahme denken? … Es ist die Hand einer Ketzerin – verzeihe, Juliane! –, die Sie bemitleiden.“ …

Der Hofprediger hatte sich bereits vollkommen gefaßt. „Sie sprechen gegen Ihr besseres Wissen, Herr Baron, indem Sie uns einer solchen Härte zeihen,“ versetzte er kalt. „Wir werden im Gegentheile nie vergessen, daß auch jene Verirrten uns angehören durch die Taufe –“

„Diese Auffassung dürfte wohl auf einigen Widerspruch bei Luther’s Bekennern stoßen,“ unterbrach ihn Mainau kurz auflachend – er schien Lianens energisch protestirende Geberde nicht zu bemerken und ging der Herzogin entgegen, die sich eben wieder näherte.

„Was für haarsträubende Dinge müssen Hoheit in Schönwerth erleben!“ sagte er, unbefangen und leicht in den oberflächlichen Hofjargon übergehend.

Die fürstliche Frau sah ihn ungläubig prüfend an – er hatte wirklich ein eiskaltes Gesicht. … Bei aller Todfeindschaft, die sie im tiefsten Herzen der jungen Frau entgegentrug, erweckte ihr doch der Schmerz, der dort auf dem erblaßten Antlitze nachzuckte, eine mitleidige Regung – und er blieb ungerührt, er hatte nicht ein bittendes Wort um Verzeihung über die Lippen gebracht – diese zwei Menschen kamen sich nicht näher bis in alle Ewigkeit.

„Ach, Mama, wie sieht Deine Hand aus!“ schrie Leo auf; er hatte, sich an die Mutter anschmiegend, die verhüllenden Rockfalten weggeschoben, und da war die wie mit Scharlach bedeckte, niederhängende Hand sichtbar geworden. „Papa, so schlimm hab’ ich’s mit Gabriel doch nie gemacht!“

So unverdient der Vorwurf auch war, aus dem Munde des Knaben klang er erschütternd. Liane selbst beeilte sich, den Eindruck zu verwischen. Sie wehrte Mainau ab, der, wenn auch mit finsterer Stirn, abermals auf sie zutrat, und versicherte auf den Vorschlag der Herzogin, heimfahren und den Arzt herausschicken zu wollen, daß sich mit frischem Wasser das Brennen in der Haut am schnellsten werde beseitigen lassen; man möge ihr gestatten, sich auf eine Viertelstunde an den Brunnen neben dem indischen Hause zurückzuziehen.

„Das haben Sie von Ihrer Komödie, meine Gnädigste!“ sagte der Hofmarschall impertinent, während der Prinzenerzieher langsam den Rollstuhl wendete, um ihn fortzufahren. „Sie haben vielleicht auf der Bühne gesehen, wie sich eine Dame zwischen zwei Duellanten wirft – da macht sich’s ganz nett – aber die wohlverdiente Züchtigung eines frechen Burschen mit aristokratischen Händen abzuwehren, fi donc – ich halte Das für sehr unanständig! Die geborene Prinzessin von Thurgau, Ihre erlauchte Großmama, auf die Sie sich mit so großem Nachdrucke berufen, müßte sich in der Erde umdrehen –“ er verstummte und fuhr erstaunt herum. Mainau hatte schweigend, die Lippen fest aufeinandergepreßt, den Erzieher ohne Weiteres bei Seite geschoben und rollte nun den Stuhl in förmlichem Sturmschritte vorwärts. Die Anderen folgten, während der Hofprediger den indischen Garten bereits verlassen hatte.


(Fortsetzung folgt.)




 Steppenbild.

 (Mit Abbildung.)

Wild und rauschend, wenn die Mondnacht auf Kaukasiens Steppen ruht,
Wälzt der Kuban durch die Eb’ne silbern schimmernd seine Fluth.

Magisch ist die Nacht der Wüste, lichterfüllt und mittaghell;
Ueber wirres Fluthgestrüppe wirbelt schäumend Well’ auf Well’.

Durch die baumlos öden Weiten leisen Fußes geht die Nacht,
Und die Sterne leuchten droben feierlich in ernster Pracht.

Horch! am Ufer wird es rege: lärmend aus der Hütte steigt
Auf die Hochwacht der Kosake, während rings die Wüste schweigt.

Nach dem Feinde, dem Tscherkessen, schaut er spähend über’s Feld,
Welcher drüben, hinter’m Kuban, hoch der Freiheit Banner hält.

Krieg und Tod denkt der Kosake – plötzlich wird das Herz ihm schwer:
Ferne, fern von der Stanitza tönt die Steppenflöte her.

Ihre Weisen, langgezogen, klingen wie ein Klagelied,
Und das ganze Weh der Steppe leis’ durch ihre Klänge zieht:

Daß so groß und wundermächtig, überwält’gend die Natur,
Und der Mensch in ihrem Schooße ein verschwindend Staubkorn nur.

Und die Töne, echoweckend, ziehn zum Meere mit dem Fluß –
Himmelwärts am Horizonte hebt das Haupt der Kaukasus.

 Ernst Ziel.




[161]
Erinnerungen an Hoffmann von Fallersleben.


Von Rudolf Gottschall.


Wenn die Zeitungen die Kunde von dem Tod eines hervorragenden Mannes bringen, so blättern wir unser Erinnerungsalbum durch und rufen, wenn er uns persönlich bekannt gewesen, die mit ihm verlebten Stunden uns in das Gedächtniß zurück. Hoffmann von Fallersleben, der jüngst in der Benedictinerabtei zu Corvey an der Weser starb, ein Liederdichter im Stil der alten Minne- und Meistersänger, gehörte zu den hervorragendsten Vertretern der vormärzlichen Epoche, ja zu ihren denkwürdigen Typen, und es wäre schade, wenn sein Bild nur in der abgeblaßten Gestalt und Farbengebung fortleben sollte, wie es in unsern Literaturgeschichten zur Schau gestellt ist. Mit Recht verherrlicht man ihn wie alle Männer, welche sich um die Entwickelung deutschen Staats- und Gemüthslebens verdient gemacht haben; doch so viel er auch nach dem März 1848 gesungen, gedichtet und gesammelt hat – seine Bedeutung ist eine durchaus vormärzliche; er ist der politische Wanderdichter der Bewegungsjahre, und wenn er auch jetzt noch satirisch „streiflichterte“ oder seine Stimme hier und da in der „Nationalzeitung“ mit dichterischen Mahnungen ertönen ließ – diese späten Blüthen seiner Muse fanden nur Beachtung, nicht weil sie aus dem Klostergarten von Corvey kamen, sondern weil ihr Gärtner in vormärzlichen Zeiten mit seiner politischen Blumenzucht sich nationale Prämien erworben hatte.

Es war noch auf der Prima, mitten unter Horaz und Sophokles, wo ich die Bekanntschaft der „Unpolitischen Lieder“ Hoffmann’s von Fallersleben machte; sie waren bis in das ostpreußische Landstädtchen gedrungen, wo der Cultus der großen Dichter des Alterthums dicht neben der Arabia petraea des stein- und seereichen Masurens getrieben wurde. Der Eindruck, den diese kleinen geflügelten Epigramme auf jugendliche Gemüther machten, war zwar kein bedeutender. Man war im damaligen Staatswesen noch zu wenig zu Hause, um alle die Mißstände zu kennen, gegen welche der „harmlose“ Liederdichter seine ferntreffenden Bolzen abschoß; doch man hatte das Gefühl, daß da manchen hochwichtigen und hochmächtigen Persönlichkeiten und Einrichtungen des Staates, die noch mit dem chinesischen Zopf behaftet waren, ein Schnippchen geschlagen wurde, und das war ein wohlthuendes Gefühl von Schadenfreude. Auch wußte man ja aus den Schulstunden, was der Satiriker Juvenalis oder der Epigrammatiker Martialis für unsterbliche Männer waren, obschon sie keine großen Helden- und Liebesgedichte verfaßt hatten, und so nahmen wir unsere Mütze auch vor dem unpolitischen Liederdichter ab; man kann ja auch groß sein im Kleinen. Wir waren zwar von den Polizei- und Censurscherereien wenig geplagt worden; aber es kamen doch auch Gerüchte zu uns, wie es damit aussehe im Preußenlande, und was Herwegh in einem begeisterten Liede: „Der Sclaverei Idylle“ nannte, statt welcher er ein „Trauerspiel der Freiheit“ verlangte, das schilderte uns Hoffmann so anschaulich, daß wir erst einen Begriff davon bekamen:

Wie ist doch die Zeitung interessant
Für unser liebes Vaterland!
Was ist uns nicht Alles berichtet worden!
Ein Portepéefähnrich ist Leutnant geworden,
Ein Oberhofprediger erhielt einen Orden,
Die Lakaien erhielten silberne Borden,
Die höchsten Herrschaften gehen nach Norden
Und zeitig ist es Frühling geworden –
Wie interessant, wie interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!

In der That, es war dieselbe Sehnsucht nach Thaten, nur in satirischer Form ausgesprochen, wie wenn Herwegh von der Jugend sang, die sich in „Gluthen eines Meleager“ verzehrte!

Die Einförmigkeit des militärischen Friedensdienstes, dem es an jedem kriegerischen Lorbeer fehlte, wurde in diesen Liedern verspottet, wie wenn in der „Tragischen Geschichte“ der General zur Mitternachtsstunde aus einem angstvollen Traume erwacht:

War’s Krieg und Pest, war’s Hungersnoth?
War’s Hülf- und Feuerschrei?
War’s Hochverrath und Mord und Tod?
War’s blut’ge Meuterei?

Ihm träumte – nun, es war enorm! –
Daß durch das ganze Heer
Erhalte jede Uniform
Hinfort zwei Knöpfe mehr!

Das Alles amüsirte uns Primaner weidlich; es waren niedliche Neck- und Spottgeisterchen, in poetischen Spiritus gesetzte Duodezteufelchen. Und wenn der Dichter Herwegh als politischer Prophet erschien, so war Hoffmann doch mindestens ein poetischer Laubfrosch, der einen politischen Witterungswechsel verkündete.

Einige Jahre darauf, in der Blüthe der vormärzlichen Epoche, sollte ich den Dichter nun persönlich kennen lernen. Es war zur Zeit seines höchsten Ruhmes; denn er war kurz vorher in Breslau seiner Professur entsetzt worden. Solche Amtsentsetzungen waren aber damals Anweisungen auf glänzenden Zeitungsruhm, und der Dichter hatte selbst dieses Ereigniß in einem sangbaren Liede gefeiert:

Ich bin Professor gewesen,
Nun bin ich abgesetzt.
Einst konnt’ ich Collegia lesen,
Was aber kann ich jetzt?

Jetzt kann ich dichten und denken
Bei voller Lehrfreiheit,
Und Keiner soll mich beschränken
Von nun bis in Ewigkeit.

Hoffmann hatte zunächst ein Asyl in Waltdorf, dem Gute des Grafen Eduard von Reichenbach, in der Nähe der schlesischen Festung Neisse gefunden. Unter diesem „säulengetragenen“ gastlichen Dache des feurigen Burschenschafters trafen sich viele Mißvergnügte, besonders die von dem Eichhorn’schen Cultusministerium Gemaßregelten, mochten sie nun Lehrer oder Schüler einer alma mater gewesen sein. Hier sah ich zuerst den hochaufgeschossenen, aber stattlichen, lebensvollen Sänger der „Unpolitischen Lieder“. Nichts von Schwärmerei, von blassem Byronismus, von Weltschmerz, von fliegenden Halstuchschleifen und ähnlichen, in jungdeutschen Kreisen fashionabeln Zügen des Charakters und der Toilette war in seinem Wesen zu finden; er hatte eine frische und blühende Gesichtsfarbe, ein schalkhaftes Lächeln und suchte den „nägelbeschuhten Minne- und Meistersänger“ in schlichten urgermanischen Formen lebensfähig darzustellen. Ein langgetragenes, etwas gekräuseltes Haupthaar, ein weitübergeschlagener weißer Kragen, ein studentischer „Flausrock“ und in der Hand irgend ein urwüchsiger Wanderstock – so trat der in noch frischen Mannesjahren stehende Sänger vor mich hin. Wir Jüngeren hatten damals den Kopf voller philosophischen Gedanken; wir waren bei dem jüngeren Hegelthume in die Schule gegangen. Das mußte man vergessen, wenn man mit Hoffmann zusammenkam; er hatte gar keine philosophischen Steckenpferde und alle dichterischen Tiefsinnigkeiten waren ihm fremd.

Er war seines Zeichens ein Germanist – und niemals hat sich ein Germanist um Philosophie gekümmert; seine Passion waren alte Manuscripte und Drucke; er hatte sie in den Klöstern Deutschlands und der Schweiz aufgesucht, und die „Volkspoesie“, der man seit den Zeiten der Romantiker in Deutschland nachzugehen pflegte, war seine Muse. Er war in dieser seiner Bildung so einseitig wie möglich, und wer die fünf Bände seiner Lebensbeschreibung durchstudirt, der wird ihn immerfort sich in diesem Kreise bewegen sehen. Doch darin war er eben ein ganz tüchtiger Mann, im Leben und Dichten solch eine Nachblüthe altdeutscher Sangesfreudigkeit.

Dabei war er ein warmer Naturfreund. Wie viel sind wir zusammengewandert in dieser von anmuthigen Gehölzen durchzogenen Hügelgegend, für welche die bald heller, bald dunkler blauenden Sudeten den abgrenzenden Horizont bilden! Da, in der Frische des Morgens war er in seinem Elemente, und hinstreifend über die thauigen Waldgründe, sann er über die Lieder nach, die sich zugleich mit ihren Melodien in seiner Seele regten. Er war kein Naturforscher, nicht mit dem Detail der Natur vertraut, etwa wie Jean Paul oder Stifter, kein „Allträumer“, wie Rückert und Schefer; aber er freute sich jeder Blume, wenn er sie auch nicht benennen konnte, und wenn ihn die frischen Lüfte umwehten, dann fühlte er sich wiedergeboren und verjüngt. Jagden, Uebungen im Pistolen- und Büchsenschießen machte er nicht mit; dergleichen gehörte nicht zu seinen Passionen; er war ein friedlicher Wanderer, der nur Blumen sammelte, aber nicht [162] für das Herbarium, und Volkslieder, die er allerdings in seine Mappen legte Er ging im Dorfe umher, um diese naturwüchsigen Poesien aufzuzeichnen; die Frau Gräfin und der Schulmeister loci unterstützten ihn bei diesen Einsammlungen, und wenn auch nicht lauter Goldkäfer, sondern auch mancher Mistkäfer in den Glaskasten dieser Volksliedersammlung kamen – für einen echten Kenner sind solche poetische Naturwunder alle von gleichem Werthe.

Am meisten aber imponirte der minnigliche Liederdichter, wenn er Abends bei einem Glase Wein ältere und neu gedichtete, unpolitische und politische Lieder selbst vortrug, mit seiner etwas hellen Stimme sie nach selbstgefundenen oder benutzten Melodien singend. Es lag eine oft eigenthümliche Gemüthswärme in diesen Vorträgen, die später vielfach der Bänkelsängerei beschuldigt wurden, als er auf seinen Wanderungen durch Deutschland an den Wirthstafeln diese politischen Lerchenlieder oft zum Geräusche der springenden Champagnerpfropfen sang. Ein großer Theil dieser kleinen Nörgeleien ist jetzt veraltet, und man muß sich in vormärzliche Stimmungen versetzen, wenn man ihnen Geschmack abgewinnen will; aber sein Lieblingslied:

Deutschland, Deutschland über Alles,
Ueber Alles in der Welt –

ein Lied, das er stets mit ganz besonderer Wärme vortrug, hat noch jetzt nicht seinen vollen Klang verloren.

Hoffmann hatte eine verschiedene Vortragsweise für seine Lieder. Wenn er seinen unpolitischen Bienenstock schwärmen ließ, da trat der satirische Zug um seinen Mund schärfer hervor. Es war zwar keine bitterböse Satire, sondern mehr eine lächelnde Schalkhaftigkeit, die da den Ausdruck seiner Züge bestimmte. Wenn er aber seine mehr ernsten und patriotischen Ergüsse vortrug, dann leuchtete sein klares Auge geistreich auf, und die schlichte Einfachheit dieser Gedichte wurde durch den Gesang und die kühne Rhythmik seines Vortrags gehoben. Er fühlte sich als Volksdichter, und jedes Publicum war ihm recht, mochten es geputzte Neisser Stadtdamen sein oder Knecht und Magd vom Hofe und aus dem Dorfe. Sehr gern ließ er die Kindlein zu sich kommen, unterhielt sich mit ihnen und sang ihnen vor, wie er ja auch eine Menge hübscher Lieder für die deutsche Kinderwelt gedichtet hat.

Von Waltdorf aus setzte er seinen Wanderstab weiter fort in die deutschen Lande, viel gefeiert mit Hochs auf Straßen und in Wirthshäusern, mit Ständchen und auch mit Fackelzügen. Er hat das Alles sehr ausführlich in seinen Aufzeichnungen und Erinnerungen „Mein Leben“ beschrieben. Damals kam er auch in die Rheinlande und blies mit Freiligrath im Coblenzer „Riesen“ den Champagnerschaum von den Gläsern. Ein „Glaubensbekenntniß“ und die Rücksendung der Pension waren die Folgen dieser Begegnung.

Viele Jahre vergingen, ohne daß ich den Wandersänger wiedersah. Die Zeit war inzwischen eine andere geworden, die Märztage und die darauf folgende Reaction hatten die ganze Atmosphäre geändert. An den Table-d’hôtes wurde wenig Politik mehr getrieben; gegenüber den Aufständen und blutigen Kämpfen in Deutschland erschienen vormärzliche Ereignisse, wie die Amtsentsetzung eines Professors ohne Pension als sehr unwichtige und harmlose Vorgänge. Sangesfreudigkeit war nirgends in Deutschland zu spüren und gegen die vormärzliche Zeit herrschte die größte Gleichgültigkeit. „Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen“.[1]

Es war auf der Altenburg in Ilm-Athen, wo ich Hoffmann wiedersah. Kein größerer Gegensatz als dieser schlichte deutsche Liederdichter und der geniale kosmopolitische Franz Liszt, der so vieler Menschen Städte und Sitten gesehen hatte, Ungar, Franzose, Italiener und Deutscher in einer Person war. Das Morgenroth der deutschen Zukunftsmusik stieg damals am Horizont empor und Liszt in Weimar war ihr begeisterter Apostel. Von hier aus machten „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ die Runde über die deutschen Bühnen, nicht blos durch den Tactirstock des genialen Capellmeisters, sondern auch durch seine Feder der Welt empfohlen. Es war ein pikanter Contrast: das schlichte deutsche Volkslied zu Gast bei der Programm- und Zukunftsmusik, welche die nicht immer schwindelfreien Höhen musikalischer Kunst erstiegen hatte. Hoffmann war etwas gedrückt; seine vormärzliche Blüthenzeit war vorüber; er gehörte zu den kaltgestellten literarischen Größen, obgleich er noch immer frisch seine harmlosen, oft recht duftigen Lieder unter den verschiedensten Etiquetten in die Welt hinaussendete. Auch gab er damals in Weimar eine germanistische Zeitschrift heraus, indem er diesen Studien immer treu geblieben war. Doch die liebenswürdige Gesellschaft ließ keinerlei Mißstimmung aufkommen, wie sie sonst leicht durch die Erinnerung an bessere Zeiten hervorgerufen werden konnte, die durch unsere Begegnung ihm wieder nähergerückt wurden.

Doctor Liszt, wie auch jetzt das thüringische Publicum den römischen Abbé am liebsten nennt, war ebenfalls in rosenfarbener Laune; denn von einem Ausfluge zurückkehrend, wurde er durch die Mittheilung überrascht, daß ihn der Kaiser von Oesterreich zum Ritter der eisernen Krone ernannt habe. Die Fürstin Wittgenstein und ihre anmuthige und geistreiche Tochter machten die Honneurs des Hauses mit großer Freundlichkeit. Bei so frischer Anregung wurde denn Hoffmann’s poetische Ader geweckt; er sattelte seinen Pegasus und ließ beim Champagnerglase einige köstlich frische Improvisationen hervorquellen, zur Verherrlichung des Ritters Liszt und meines armen Selbst.

Seit jenem Abende auf der Altenburg habe ich den Sänger der „Unpolitischen Lieder“ nur noch einmal flüchtig gesehen. Ich freute mich, als ich erfuhr, daß er in der Abtei zu Corvey ein sicheres Asyl gefunden, welches ihm der Herzog von Ratibor gewährte. Da konnte er sich in die alten Drucke und Manuscripte vertiefen, was von jeher seine eifrigste Liebhaberei gewesen war, und auch die Gegend um den Weserstrom war anmuthig genug, um seiner Freude an der Natur willkommene Nahrung zu bieten; denn er war nie bloßer Bücherwurm, er blieb bis zuletzt auch ein frischer Liederdichter, der seine Begeisterung aus Waldesduft und Sonnenschein zog. Seine „Fundgruben“ und Leistungen für die Geschichte der deutschen Sprache mögen von der gleichstrebenden Gelehrsamkeit gewürdigt werden; das deutsche Volk kennt ihn als einen unerschöpflichen Liederdichter, der auch mit seinem poetischen Glöcklein nicht wenig dazu beigetragen hat, daß die Lawine der deutschen politische Bewegung in’s Rollen kam. Und diejenigen, die jetzt auf den bequemen Bänken deutscher Volksvertretung sitzen, werden wohl daran thun, den Männern der vormärzlichen Zeit, welche mit eigenen Opfern dem Volke eine Vertretung erst erkämpfen halfen, ein dankbares Angedenken zu bewahren. Zu diesen Männern gehört der Ex-Professor Hoffmann von Fallersleben, der Wanderpoet einer Epoche, in welcher man Jeden, der von Parlamenten sprach, für eine Art von Hochverräther hielt. In der Erinnerung des deutschen Volkes aber mag er fortleben, wie er in seiner Blüthenepoche erschien – ein frischer, heiterlächelnder deutscher Mann voll Leben und Gesundheit und etwas Schelmerei, mit dem Knotenstocke in der Hand, ein echter deutscher Liederdichter!


  1. Dieses Citat gehört zu denjenigen, die in Deutschland consequent in Wort und Schrift falsch angeführt werden. Alle Welt sagt: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan“.




Pariser Bilder und Geschichten.


Tage des Schreckens.


Von Ludwig Kalisch.


Die Rue de la Roquette ist gewiß eine der interessantesten Straßen von Paris. Sie erstreckt sich von Westen nach Osten, vom Bastilleplatze bis zum Boulevard Montménil; allein sie hat nicht in allen Theilen dieselbe Physiognomie. Wenn man vom genannten Platze in diese Straße tritt, wird man versucht, sie für ein Ghetto zu halten. Sie ist eng und schmutzig und das Pflaster stets schlüpfrig, da hier die Sonne mit ihren Strahlen geizt. Die Häuser sind größtentheils niedrig, jedoch mit geräumigen Höfen versehen. In diesen Höfen herrscht vom frühesten Morgen bis zum späten Abende die regsamste Thätigkeit. [163] Schwere, wuchtige Schläge fallen auf den Ambos; die Blasebälge schnauben; die Dampfmaschinen ächzen und krächzen und aus den Schloten qualmen dichte Rauchwolken, die bei Regenwetter sich als flüssiger Ruß auf die geschwärzten Häuser senken und dieselben noch dunkler färben. Hier befinden sich Blei-, Zink-, und Bronzegießereien, Glashütten, Tapetenfabriken, zahlreiche Werkstätten der Holzschnitzer, Elfenbeindrechsler, Marmorschleifer und Ciselirer. Dieser volkreichste aller Pariser Stadttheile wird fast ausschließlich von der Arbeiterclasse bewohnt. Hier herrscht die Blouse vor, die man nicht gern in den eleganten Stadttheilen sieht; denn die schwieligen Hände, die in ruhigen, friedlichen Zeiten die geschmackvollen Gegenstände verfertigen, welche als „Articles de Paris“ nach allen Enden der Welt versendet werden, um die Kamingesimse oder die Nipptische zu zieren, dieselben Hände greifen in Zeiten der Aufregung schnell zur Waffe und legen sie nicht ebenso schnell nieder.

Ist man etwa zehn Minuten lang durch diese Straße gewandert, so befindet man sich auf einem weiten Platze, von dem sich, rechts bis zur Place Saint Antoine und links bis zum Chateau d’Eau, der unter der Herrschaft Napoleon’s des Dritten und des Herrn Haußmann neu angelegte Boulevard du Prince Eugène mit seinen prachtvollen Häusern ausdehnt. Auf diesem schönen Platze befindet sich die Mairie des elften Arrondissements. Wie der Boulevard selbst trug dieser Platz früher den Namen des Prinzen, dessen Bildsäule auf einem granitenen Sockel vor der Mairie stand. Nach dem Sturze des zweiten Empire wurde der Name Eugène durch den Namen Voltaire verdrängt. Die Statue des Prinzen ward entfernt und an deren Stelle die Bildsäule des Philosophen von Ferney aufgerichtet. Am Fuße derselben ließ die Commune an einem Aprilmorgen die Guillotine, oder wie man dieses Instrument beschönigend nennt: die „bois de Justice“ feierlichst verbrennen. Dieser Verbrennungsproceß hatte dieselben Folgen wie der Scheiterhaufen, auf welchem im Jahre 1848 der Thron Louis Philipp’s in Asche verwandelt worden. Der Thron des Bürgerkönigs ward nämlich bald darauf durch einen andern, durch einen Kaiserthron ersetzt; und so sind auch die verbrannten „Hölzer der Gerechtigkeit“ längst durch eine neue Guillotine ersetzt, welche im Dienste der rächenden Justiz schon rechtschaffen gearbeitet hat.

Was nun die Bildsäule Voltaire’s betrifft, so ist ihr während des Kampfes der Commune der unterste Theil des Rückens durch eine Bombe zerschmettert worden. Man hat das beschädigte Werk vom Sockel gehoben und, nachdem es ausgeflickt war, in dem Jardin Monge am linken Seine-Ufer aufgestellt. Im Quartier latin ist Voltaire’s Statue auch mehr an ihrem Platze. Da man jedoch den Prinzen Eugène nicht wieder aufgerichtet, so steht jetzt der granitene Sockel ohne Bildsäule.

Wir legen diesen Platz zurück und befinden uns in der Fortsetzung der Rue de la Roquette, die sanft aufsteigend einen andern, viel kleineren, mit Platanen bepflanzten Platz durchschneidet. Es ist dies der Platz de la Roquette, der allen Parisern einen Schauder einflößt. Hier finden nämlich die Hinrichtungen statt. Das hohe Thor, das wir rechts in der Mauer erblicken, führt zum Gefängnisse gleichen Namens, und etwa zehn Schritte vor dem Thore bemerken wir am Boden fünf weiße Quadersteine. Auf diesen Steinen wird das Gerüst mit dem Fallbeile errichtet.

Haben wir diesen düstern Platz hinter uns, so erblicken wir zu beiden Seiten der Straße in fast ununterbrochener Reihe große und kleine Magazine und Schuppen, in welchen Grabsteine, Kreuze, Immortellenkränze und sonstige Gegenstände verkauft werden, mit denen der Ueberlebende die Ruhestätten seiner theuren Hingeschiedenen schmückt. Die Straße de la Roquette, die am Bastillenplatze, im Mittelpunkte des Pariser Volkslebens, beginnt, mündet nämlich in den Boulevard Montménil, zwanzig Schritte vor dem Thore des Père Lachaise, wo alles Leben aufhört und Groß und Klein, Jung und Alt, Hoch und Niedrig den ewigen Schlaf schlafen.

In der Rue de la Roquette, in den Seitenstraßen und auf dem Père Lachaise wurde der letzte Kampf der Communards mit den Versaillern gekämpft. In diesem blutigsten aller Bürgerkriege wurde selbst der Schlummer der Todten nicht geschont; denn zwischen den Gräbern hatten die Communards eine Batterie aufgepflanzt, die unaufhörlich Verderben und Zerstörung auf die Stadt schleuderte.

Abwesend von Paris, hatte ich die Schilderungen dieses gräßlichen Kampfes mit um so größerer Angst gelesen, als einer meiner besten Freunde damals in der Straße de la Roquette, und zwar in der Nähe der Bastille, wohnte. Es ist dies ein polnischer Gelehrter, der mit seiner Gattin, einer gutmüthigen, lebhaften Rheinländerin, und zwei Knaben in stiller Zurückgezogenheit lebt. Ich wußte nicht, ob er während der Belagerung und der Herrschaft der Commune in Paris geblieben und was aus ihm geworden war. Ich entschloß mich daher, bei meiner Rückkehr nach Paris seine Wohnung aufzusuchen. Indessen entschwanden mehrere Wochen, bevor ich diesen Entschluß auszuführen vermochte. Ich traf die Familie wohlbehalten, wenn auch etwas bleich und abgemagert, an. Sie hatten Paris keinen Augenblick verlassen, und Mann und Frau versicherten, daß die Belagerung trotz aller Entbehrungen, die sie ihnen verursachte, trotz des Mangels an Feuerung in dem ausnahmsweise strengen Winter, trotz der allerdürftigsten und fast ungenießbaren Nahrung, die unmittelbar vor der Capitulation nur aus Kleienbrod und dürrem Obst bestand, kaum einen Eindruck in ihnen zurückgelassen; denn die Erinnerung an alle Noth und alle Leiden während jenes Winters sei verwischt worden durch den entsetzlichen Kampf, der in ihrer Straße, der vor ihrer Thür gewüthet, und durch die schauderhaften Scenen, die er in ihrem Hause und selbst in ihrer Wohnung veranlaßte.

Ich bat meinen Freund, als ich mit ihm allein war, mir etwas von seinen Erlebnissen mitzutheilen, und er begann:

„Während der Woche, in welcher die Versailler einen Stadttheil nach dem andern den Communards entrissen, lebten wir in beständiger Angst, da wir wußten, daß die Katastrophe in unserer nächsten Nähe stattfinden und wie viel Blut sie kosten würde. Schon der fünfundzwanzigste Mai sollte uns von Dem, was uns erwartete, einen Vorgeschmack geben. Trotz meiner Ermahnungen wollte sich meine Frau, muthig und entschlossen, wie sie ist, nicht abhalten lassen, über den Bastillenplatz zu gehen, um einige Einkäufe für die Haushaltung zu machen.

‚Heute kann ich noch den Gang thun,‘ sagte sie; ‚morgen ist es gewiß schon zu spät. Ich bin ein Weib. Niemand wird mir ein Leid zufügen. Ich gehe nur nach der Rue St. Antoine und bin bald wieder zurück.‘

Sie nahm den Korb und ging.

Aber eine Stunde nach der andern verging, und sie kam nicht. Mich hielt’s nicht mehr in der Wohnung. Ich ermahnte meinen ältern Jungen, seinen Bruder zu überwachen, und begab mich auf den Bastillenplatz, wo rings umher furchtbare Barrikaden aufgerichtet waren. Kaum war ich dort angelangt, als ich auf einige Communards stieß. Einer von ihnen hielt mich sogleich fest.

‚Was treiben Sie sich hier müßig herum ?‘ rief er. ‚An die Barrikaden!‘

‚Ich kann keine Barrikaden machen,‘ erwiderte ich.

‚Die Barrikaden sind längst gemacht Sie werden dieselben vertheidigen helfen, statt hier herumzulungern!‘

‚Ich bin ein Gelehrter,‘ sagte ich.

‚Die Gelehrsamkeit wird Sie nicht verhindern, auf unsere Feinde zu schießen,‘ entgegnete er.

‚Ich habe Weib und Kind,‘ rief ich in Verzweiflung.

‚Wir haben ebenfalls Weib und Kind,‘ schnaubte er mich an und fügte hinzu, indem er mir den Lauf des Gewehrs vor die Brust hielt: Ich schieße Sie nieder, wenn Sie nicht ruhig stehen bleiben. Man wird Ihnen ein Chassepot geben, und Sie werden mit uns kämpfen. Kein Wort mehr!‘

Er hatte kaum das letzte Wort gesprochen, als ich meinen Namen rufen hörte. Mein Weib stürzte herbei und wollte mich den Händen des Communards entreißen. ‚Ich bin seine Gattin,‘ fuhr sie ihn an, indem sie sein Gewehr bei Seite stieß. ‚Es ist feige, einen friedfertigen Familienvater, der als Ausländer sich nicht in Euern Bürgerkrieg mischen will, zum Kampfe zwingen zu wollen.‘

Ein Officier, der einige Schritte von uns mit gekreuzten Armen schweigend der Scene zugesehen, kam nun herbei und sagte zu dem Communard: ‚Lassen Sie ihn los!‘

Der Communard gehorchte mit finsterm Gesichte.

[164] Der Officier begleitete uns nun bis fast an unsere Wohnung. ‚Sie sind ein Pole?‘ fragte er mich.

Ich nickte bejahend

‚Ich habe es an Ihrer Aussprache des Französischen sogleich bemerkt,‘ sagte er. ‚Ich bin ebenfalls Pole. Sie, wie Ihre Gattin haben unklug gehandelt, sich so weit von Ihrem Hause zu entfernen. Verlassen Sie dasselbe nicht mehr, bis der Kampf zu Ende ist! Das Ende wird schrecklich sein. Adieu!‘

In unserm Zimmer angelangt, fiel meine Frau erschöpft in einen Sessel. Sie hatte sich verspätet, da man sie in dem Laden, wo sie Einkäufe gemacht, aus Furcht vor der ihr bevorstehenden Gefahr durchaus zurückhalten gewollt. Wir nahmen uns jetzt vor, den Rath des Officiers zu befolgen und das Unvermeidliche in unseren vier Pfählen geduldig und ergebungsvoll abzuwarten.

Am folgenden Tage, Freitag, wurde bereits in den benachbarten Vierteln gekämpft, und man rüstete sich in unserer Straße zum äußersten Kampfe. Gegen Abend brachte uns eine Arbeiterin aus der Nachbarschaft einen achtjährigen Knaben und bat uns, demselben ein Obdach zu geben.

‚Der Junge ist ein Idiot,‘ sagte sie. ‚Seine Mutter ist während der Belagerung gestorben; sein Vater ist seit einigen Tagen verschwunden. Vielleicht hat er die Flucht ergriffen; vielleicht ist er auf den Barrikaden gefallen. Kein Mensch weiß es, und die arme versimpelte Creatur hat Niemand, der sich ihrer annimmt; denn Jedermann ist in diesem Augenblicke nur mit sich selbst beschäftigt. Ich würde den Knaben gern zu mir nehmen; allein ich weiß noch nicht, wo ich die Nacht zubringen werde; denn in dieser Straße mag ich nicht länger bleiben. Die Angst reißt mir die Nerven entzwei. Sie sind ein Ausländer, ein Gelehrter; Sie haben nichts zu fürchten. Sie sind auch als Menschenfreund bekannt; darum wende ich mich an Sie. Erbarmen Sie sich des unglücklichen Geschöpfes und lassen Sie mich nicht unverrichteter Dinge von Ihnen scheiden!‘

Ich sah meine Frau fragend an.

‚Wie kannst Du noch zögern, Anton?‘ rief sie. ‚Ich würde keinen Hund vor die Thür stoßen, geschweige ein armes, verlassenes, unschuldiges Kind.‘

Ich drückte ihr die Hand.

Die Arbeiterin entfernte sich unter Thränen der Dankbarkeit und mit dem Versprechen, nach beendigtem Kampfe den Kleinen abzuholen.

Wir gaben dem Jungen, der uns mit seinen großen Augen gleichgültig anstarrte, zu essen und bereiteten ihm ein Nachtlager im Schlafkämmerchen meiner Kinder.

Wir thaten die ganze Nacht kein Auge zu. Am frühen Morgen begann der Kampf auf dem Bastilleplatz und zog sich immer näher, immer näher herbei. Die Kanonen donnerten; die Gewehre knatterten, und dazwischen vernahm man ein dumpfes Heulen und Schreien. Wir hielten uns still in der Schlafstube, die auf den Hof geht. Hier wimmelte es von Communards, die ab- und zuliefen und entschlossen waren, die Barrikade an der Ecke der Rue Keller, schrägüber von meinem Hause, auf’s Aeußerste zu vertheidigen. Meine Frau hatte Mühe, die Kinder zurückzuhalten, die, von Neugierde gedrängt, in’s Vorderzimmer gehen wollten, um auf die Straße zu blicken. Was den armen Simpel betrifft, so sprach er kein Wort; aber er lachte hell auf und sprang lustig in die Höhe, so oft er einen Kanonenschuß hörte.

Nach der Mittagsstunde schlug man sich bereits in unserer Straße. Der Kampf entspann sich um die Barrikade in der Rue Keller. Das Geschrei, das Geheul der Kämpfenden, das Krachen und Klirren eingeschlagener Thüren und Fenster zerfleischte fast unser Ohr. Wir glaubten, der jüngste Tag sei gekommen. Da hören wir Waffengeräusch auf der Treppe, und nach einem Augenblicke stehen sechs Versailler vor uns. Meine Frau hatte schnell die beiden Kinder in die Arme gefaßt, und nachdem ich alle Drei in die Küche zurückgedrängt, näherte ich mich den Soldaten, um ihnen zu erklären, daß ich nicht zu den Communards gehöre. Indessen bevor ich noch den Mund öffne, sagte der Anführer derselben: ‚Fürchten Sie nichts, mein Herr! Es wird Ihnen kein Leid geschehen. Wir kommen, um aus den Fenstern des Vorderzimmers die Straße von den Communards zu säubern und sie an der Flucht hinter die Barrikade zu hindern.‘

Es war dies ein junger Mensch mit schönen Gesichtszügen und schwarzen Augen, ein Marseiller, wie er mir sagte.

Ich folgte den Soldaten in’s vordere Zimmer. Sie öffneten die Fenster und schickten sich an, die Chassepotläufe aus denselben zu stecken.

‚Ist es nicht fürchterlich, ist es nicht entsetzlich,‘ fragte ich den Marseiller, der den Hahn seines Gewehrs spannte und vorsichtig aus dem Fenster lugte, ‚auf Menschen wie auf wilde Bestien zu zielen?‘

‚Man zielt auch auf uns, und wir sind ebenfalls keine wilden Bestien,‘ erwiderte er; ‚doch entfernen Sie sich vom Fenster!‘ setzte er hinzu, indem er anlegte, ‚es ist hier nicht –‘

Er konnte den Satz nicht vollenden. Eine Kugel war ihm in die rechte Schläfe gefahren. Ohne einen Seufzer auszustoßen, sank er todt zu meinen Füßen nieder und tränkte den Boden mit seinem Blute.

‚Es war eine von den weiblichen Furien, die ihn getödtet,‘ sagte einer der Soldaten, der eine hellrothe Schramme auf der Stirn hatte. ‚Sie hat sich in einen Durchgang geflüchtet.‘

Ich ging in die Küche zurück und berichtete meiner Frau von dem Vorgefallenen. Sie drückte die Kinder fester an sich und beschwor mich, bei ihr zu bleiben. Ich blieb eine Weile bei ihr; dann ging ich wieder in’s Vorderzimmer. Die Soldaten sagten mir, daß die Barrikade in der Rue Keller genommen und daß vom Bastilleplatze bis dorthin der Aufstand völlig besiegt sei. Sie verlangten ein Glas frisches Wasser und versprachen, den todten Cameraden womöglich in der ersten Abendstunde abzuholen. Sie blieben noch etwa zwei Minuten. Ich hörte nun von ihnen, daß der Gefallene Armand Meunier heiße, in der Schlacht bei Sedan mitgefochten und bis zum Friedensschluß als Gefangener in Deutschland gewesen; in vierzehn Tagen würde er seinen Urlaub angetreten haben.

‚Er war ein braver Soldat und hat ein besseres Loos verdient,‘ sagte einer von ihnen.

Ich athmete auf, als sie sich verabschiedeten.

Meine Frau und Kinder zitterten am ganzen Leibe. Sie hatten beim Oeffnen der Thür den Leichnam im Blute gesehen. Ich bedeckte diesen mit einem Teppiche und schloß die Thür ab.

Wir waren nun auf das Schlafzimmer und das Kinderzimmerchen beschränkt, was bei der schwülen Witterung lästig genug war. Wir hatten zwar noch eine Dachkammer; allein das Dach war von eingefallenen Bomben zerschmettert. Indessen hofften wir, daß sie bald den todten Cameraden abholen würden; allein schon war die Dämmerung eingetreten und Niemand ließ sich sehen. Im Hause herrschte Todesstille. Die männlichen Bewohner desselben waren nämlich sämmtlich Communards und hatten sich entweder geflüchtet, oder waren noch im Kampfe auf den Barrikaden in der Nähe des Père Lachaise begriffen. Selbst der Hausmeister, der Concierge, welcher sich ebenfalls den Communards angeschlossen, war verschwunden. Das Haus blieb also unbewacht.

Inzwischen war die Nacht herangenaht, und wir mußten endlich die Hoffnung aufgeben, den Leichnam vor dem folgenden Tage entfernt zu sehen. Meine Frau und Kinder wollten keinen Bissen zu sich nehmen und gingen zu Bett. Die Ruhe war ihnen in der That mehr Bedürfniß als die Nahrung. Den kleinen Gast aber nahm ich mit mir in die Küche, wo ich ihm sein Lager bereitete. Ich selbst setzte mich auf den Küchenherd, auf welchem ich die ganze Nacht schlaflos verbrachte. Die Nacht war schrecklich genug; denn man schlug sich jetzt auf dem Père Lachaise, auf den Gräbern und zwischen den Gräbern, deren Blumenschmuck statt des Thaues der Mainacht das Blut der Erschlagenen trank. In dieser schlaflosen Nacht hatte ich Augenblicke, in welchen ich an der Menschheit verzweifelte.

Als die Morgenröthe anbrach, war der Kampf zu Ende. Allein das Tödten hörte darum nicht auf. Was sich von den flüchtenden Communards blicken ließ und wer als Communard nur einigermaßen verdächtig war, wurde ohne Weiteres niedergeschossen und zwar ohne Unterschied des Geschlechts und des Alters. Auf den entsetzlichen Kampf folgte die entsetzliche Rache der Sieger. Besonders waren an der Umfassungsmauer des Père Lachaise an jenem Sonntagmorgen die Chassepotgewehre in fortwährender Thätigkeit.

[165] Meine Frau konnte das Bett nicht verlassen. Sie hatte das Fieber. Ich wußte mir nicht zu helfen und zu rathen. Unsere Wohnung, schon sonst eng genug und nun um das größere Zimmer vermindert, wo die Leiche lag, ward unerträglich. Wir waren nahe daran zu ersticken. Und was sollte ich mit dem Leichnam anfangen? Ich durfte mich nicht aus dem Hause wagen, da ich die Meinigen nicht allein lassen wollte und außerdem das Auge beständig auf dem armen Cretin haben mußte. Ich war der Verzweiflung nahe. Endlich kamen gegen zehn Uhr Morgens vier Versailler, um den todten Cameraden abzuholen. Unter denselben befand sich der mit der Schramme. Zwei von ihnen nahmen den Leichnam auf ihre Schultern; die zwei anderen folgten mit ihren Gewehren. Kaum aber waren ihre Schritte auf der Treppe verhallt, als ich einen Lärm vor meiner Hausthür vernahm. Ich hatte die Fenster geöffnet und sah ein Weib in der Uniform der Nationalgarde. Sie hatte sich in einem der benachbarten Höfe versteckt und sollte nun erschossen werden. Es war eine schlanke Gestalt von stolzer Haltung; doch sah sie schrecklich aus. Ihr Gesicht war von Pulver geschwärzt und ihre bestaubte Uniform hing in Fetzen. Drei Mann mit gestreckten Gewehren begleiteten sie auf dem Gange, von dem sie niemals zurückkehren sollte. Sie war just vor meinem Hause angelangt, als man den Leichnam aus demselben trug, und wurde sogleich von dem Soldaten mit der Narbe erkannt.

‚Schießt sie nieder! Schießt sie auf der Stelle nieder, die Megäre!‘ rief er wüthend. ‚Ich erkenne sie. Sie hat dem Armand Meunier die Kugel in den Kopf gejagt.‘

Die Gefangene hatte sich bis jetzt ruhig und unbeweglich gehalten; als aber der Soldat den Namen des Getödteten nannte, stieß sie einen solchen Schrei aus, daß es Allen durch Mark und Bein fuhr. Sie wollte sich auf die Leiche stürzen. Man stieß sie mit den Kolben hinweg.

‚Es ist mein Bruder, mein armer Bruder Armand,‘ rief sie, ‚und ich, ich habe ihn getödtet!‘

Sie warf in ihrer Verzweiflung das Käppi vom Kopfe und zerraufte sich das Haar, das ihr nun aufgelöst über die Achseln fiel. ‚Brudermörderin! Furie! Ungeheuer!‘ schrie es durcheinander, und ein Soldat hob den Kolben in die Höhe, um ihr den Schädel zu zerschmettern. Seine Cameraden hielten ihn davon ab.

Die Einen gingen nun mit der Leiche nach dem Boulevard Richard Lenoir; die Andern führten, oder richtiger, schleppten das Weib nach der Rue Keller.

Bald tönten von dort her einige Schüsse. Das Drama war zu Ende.

Ich sagte meiner Frau nichts von dieser schrecklichen Scene, die kaum so lange gedauert, als ich sie Ihnen erzähle. Erst einige Tage später hat sie dieselbe von einigen Nachbarinnen erfahren.

Ich hatte nun, da mir Niemand an die Hand ging, den Fußboden von den Blutflecken zu säubern, und verbrachte einen Theil des Tages mit dieser gräßlichen Beschäftigung. Als ich Nachmittags auf die Straße ging, um ein Brod zu holen, sah ich, daß die Leichen noch nicht gänzlich fortgeschafft waren. Sie trugen eben einen todten Jungen herbei, den einzigen Sohn unserer Gemüsehändlerin. Er war gestern mit einem Gewehre singend durch die Straßen gegangen und hatte der Nachbarschaft gesagt, daß er sich gegen die Versailler schlagen würde, wie ein Mann. Er schlug sich und fiel auf einer Barrikade in der Rue Servan am Roquetteplatze. Er war noch nicht sechszehn Jahre alt. Das war ein Sonntag, den ich niemals vergessen werde. Es war für mich der schrecklichste jener Schreckenstage, und ein Schauder und ein Grauen erfaßt mich, so oft ich an denselben zurück denke.“ –

„Und was ist aus dem schwachsinnigen Knaben geworden?“ fragte ich.

„Wir behielten ihn noch eine Woche lang nach dem Ende des Kampfes,“ sagte mein Freund, „und erwarteten mit nicht geringer Sehnsucht die Arbeiterin; denn wir wußten nicht, was wir mit ihm anfangen sollten. An die Polizeibehörde uns zu wenden, schien uns nicht rathsam, da wir fürchteten, dadurch dessen Familie und vielleicht auch uns einem gefährlichen Verdacht auszusetzen, jedenfalls aber widerwärtige Untersuchungen zu veranlassen. Endlich traf die Arbeiterin ein. Sie sagte uns im Vertrauen, daß der Vater des Knaben noch lebe, sich aber versteckt halte und gewiß erschossen würde, wenn man ihn entdeckte. Sie nahm den Knaben zu sich und ernährt nicht nur ihn, sondern auch dessen Vater. Wer dieser Mann ist und wo er sich verbirgt, wissen wir nicht und wollen es auch nicht wissen.“




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Eine deutsche Malerherberge im Sabinergebirge.


Wenn der Frühling seinen Einzug in Italien hält und mit so freigebigen Händen seine Gaben über die Erde streut, daß er schließlich, wenn er schon den deutschen Gauen sich nähert, gleichsam sein halbentleertes Füllhorn gewahrend nur lässige Spenden mehr verabreicht; wenn seinen Spuren folgend schon die ersten Züge der Wandervögel ihren Flug nach dem Norden zu nehmen beginnen – dann ziehen in umgekehrter Richtung Reisende aus allen Ländern der ewigen Stadt zu, die schönste Zeit des Jahres am interessantesten Orte der Welt zu verbringen.

Aber den nach längerem Aufenthalte in Rom heimisch gewordenen Fremden zieht es bald unwiderstehlich hinaus in die Berge, welche rings, die weitgedehnte Fläche der Campagna säumend, in wunderbarem Glanze vor seinen Augen liegen.

Schwer ist es dann, eine Wahl zu treffen. Unter dem Einflusse des Frühlings verlieren die classischen Citate, welchen die Menschheit meist nachläuft, viel von ihrer Anziehungskraft, und der Reisende wird mehr und mehr geneigt, sich lediglich durch landschaftliche Rücksichten bestimmen zu lassen, ohne daß jedoch dadurch seiner Verlegenheit schon ganz abgeholfen wäre. Bei Unschlüssigkeiten dieser Art thut man wohl immer am besten, sich vom Instincte der Maler leiten zu lassen. Sie sind es von jeher gewesen, die als die ersten Pioniere in solche Gegenden drangen, welche später, zur Berühmtheit gelangt, das Ziel von zahllosen Fremdenzügen wurden. Ich erinnere beispielsweise nur an die von August Kopisch wiederentdeckte blaue Grotte auf der Insel Capri.

So beschließen wir denn diesmal, nach dem Sabinergebirge zu wandern. Oft, wenn wir Abends auf der via Appia, der alten Gräberstraße Roms, am Grabmal der Cäcilia Metella vorüber, in die Campagna hinausgingen, sahen wir im Osten den langen Zug dieser Berge, in welchen einst die Herniker und Aequer hausten, und die vollen Strahlen der untergehenden Sonne malten auf die kahlen grauen Wände die glühendsten Farben, die sich erst allmählich in jenes gesättigte Violett verwandelten, wie es der Campagna von Rom eigen ist. Freilich zweifelt man beim Anblick dieser kahlen Bergreihen, daß ihre einsamen Thäler besondere landschaftliche Schönheiten enthalten können, und es bedarf bei Manchem wiederholter gegenseitiger Versicherung von Seite der Maler, um ihn zu einem Ausfluge nach dieser Richtung zu bewegen.

Es giebt keine Gegend in der Nähe von Rom, ja vielleicht in ganz Italien, welche ein so charakteristisches Gepräge zeigt, wie das gebirgige Sabinerland. In den Contouren dieser Berge und den mannigfachen Bildern dieser Felsenlandschaften trägt die Natur an sich schon das Gepräge des Kolossalen, ja oft des Schrecklichen; aber dieser Eindruck wird noch in hohem Grade gesteigert durch die besondere Lage der Städte und Ortschaften, welche fast ausschließlich oben auf den Bergen, oft in schwindelnder Höhe liegen. Hier wirkt eine düstere Gebirgsnatur nicht als solche allein, sondern in harmonischer Verbindung mit den Zeugen einer meist ebenso düsteren Geschichte, welche diese Berge sahen. Das graue Gemäuer der hohen schmalen Häuser, welche, wie verschüchtert zusammengedrängt, hoch in de Lüften um die Ruinen ehemaliger Castelle liegen, die überragende Stellung dieser Castelle, welche trotzig den Feind zu erwarten scheinen – das Alles, Grau in Grau gemalt, so daß man oft die Orte nicht von den Felsen zu unterscheiden vermag, die sie umgeben, giebt der Landschaft einen ganz fremdartigen Charakter, und es genügt hier ein bloßer Ueberblick, uns im Allgemeinen mit ihrer Geschichte bekannt zu machen.

[166] Nur in einer Gegend, welche fast niemals aufgehört hat, der Schauplatz erbitterter Kämpfe zu sein, konnten solche Verhältnisse allmählich sich bilden und erhalten. Während in anderen Ländern die Geschichte in den Thälern und auf der Ebene spielt, die Gipfel der Berge dagegen einsam in die Wolken ragen, ist hier das Umgekehrte der Fall: die Menschen haben die Tiefen verlassen, um in den Höhen ein beschwerliches, aber wenigstens sicheres Dasein führen zu können. Jetzt freilich ist dieser Zustand unnatürlich geworden, und sein Bestand, ohne irgend welche Vortheile zu bringen, hat nur noch die Folge, daß Jahr aus Jahr ein[WS 2] unberechenbares Capital an menschlicher Arbeitskraft verloren geht, wobei eben das wirthschaftliche Gedeihen


 Olevano. Casa Baldi.
 Nach einer Skizze von J. Zielcke in Rom.


solcher Gemeinden ein Ding der Unmöglichkeit bleibt. Aber wie denn das Schöne und der Nutzen meist auseinandergehen, so kann man sich vom malerischen Standpunkte aus damit nur einverstanden erklären, daß dieses Charakteristicum der Sabinergebirge sich noch immer erhalten hat.

Aber auch noch in anderer als malerischer Hinsicht ist diese Landschaft interessant: die außergewöhnlich hohe Lage dieser Städte hat selbstverständlich einen sehr mangelhaften Verkehr mit den benachbarten Orten zur Folge, und bei dieser natürlichen Isolirung erhalten sich mancherlei Eigenthümlichkeiten ihrer Bewohner merkwürdig lange. Eine solche Culturinsel ist z. B. das hoch auf einer Felsenspitze gelegene Saracinesco, eine im Jahre 876 von den Saracenen gegründete Colonie. Man glaubt sich in längstvergangene Zeiten versetzt, wenn man hier, in den Gassen wandelnd, durch die Tracht der Bewohner, ja theilweise sogar durch maurische Namen, wie Almansor, an die ersten Anfänge dieser Colonie erinnert wird. Sie hat sich gleichsam als Petrefact der Culturgeschichte erhalten.

Der intessanteste, besuchteste und für längeren Aufenthalt auch am besten geeignete Ort des Sabinergebirges ist Olevano. Man erreicht es von Rom aus am bequemsten unter Benutzung der neapolitanischen Bahn bis Valmontone, indem man von dort aus den Weg über Palestrina und Gennazano einschlägt. Bei einer Windung des steinigen Felspfades, der zu den vorliegenden Hügeln hinanführt, erblickt man plötzlich über sich das Städtchen, welches terrassenförmig an einem kahlen Berghang liegt. Die graue Steinmasse der dicht aneinander stehenden hohen Häuser, die gleichsam in geschlossenen Reihen herunterzusteigen scheinen, ist von den malerischen Ruinen eines zerfallenen Castells überragt. Zur Rechten des Städtchens aber liegt ein runder grüner Hügel, von einem einzeln stehenden Häuschen gekrönt.

Dies ist die Casa Baldi, die deutsche Künstlerherberge.

Vor einigen Jahrzehnten noch wagte sich der Fremde nur selten in diese Gegend, die nicht nur öde und unwirthlich, sondern auch noch durch zahlreiche Banditen unsicher gemacht war. Die Maler allein, bei welchen ja meist nichts zu holen war und die ihrerseits sich von den Räubern gerne verschmäht sahen, waren schon früher hier eingedrungen. Der seiner Zeit berühmte deutsche Landschaftsmaler und Radirer Koch war Ende des vergangenen Jahrhunderts der Erste, der nicht nur Olevano häufig besuchte, [167] sondern schließlich sogar eine Olevanerin zur Frau nahm und sich hier niederließ. Die Studien aber, die er anfertigte, fanden bei seinen Landsleuten unter den Künstlern Roms so viel Anklang, daß diese ihm bald in das gleichsam neuentdeckte Land nachfolgten. Bald erfreute sich Olevano großer Berühmtheit und des besten Rufes. Hierzu trug nicht wenig die Freundlichkeit und der Frohsinn seiner Bewohner bei, die sich noch heut zu Tage in dieser Hinsicht in günstiger Weise von jenen der umliegenden Gebirge unterscheiden.

Aber noch manchem Anderen von den Künstlern erging es schließlich wie Koch. Sie kehrten immer und immer wieder nach Olevano zurück, bis sie schließlich ganz dort blieben und ein Heimwesen sich gründeten. Und es ist nicht zu verwundern; denn zu den Eigenthümlichkeiten, welche das in seine wilden


Civitella.
Nach einer Skizze von J. Zielcke in Rom.


Gebirge eingeschlossene Volk der Sabiner seit ältesten Zeiten bewahrt hat, gehört auch die wahrhaft antike Gestalt und Schönheit seiner Frauen. So kommt es denn, daß auch der Raub der Sabinerinnen, wenn auch in modificirter Form, bis in unsere Tage sich erhalten hat.

Schmale steinige Felspfade, die da und dort als Stiegen sich fortsetzen, sind die Straßen von Olevano. Die Wohnungen gleichen dunklen Höhlen, die in unregelmäßiger Architektur neben und über einander gebaut sind. Tritt man in eine solche Höhle, und es hat sich das Auge allmählich an die Dunkelheit gewöhnt, dann mag man oft die kleinen schwarzen Schweine, deren Zucht hier betrieben wird, in bester Eintracht mit den Kindern sich auf dem Boden herumwälzen sehen. Wenn aber diese Kinder vor die Häuser treten und in den Straßen sich herumtummeln, dann muß man allem Schmutze zum Trotze der an ihren Kleidern, Händen und Gesichtern haftet, an ihnen Gefallen finden. Sorgfältiger in Bezug auf ihr Aeußeres sind natürlich die erwachsenen Mädchen; aber wiewohl sich in Olevano das Leben zum größten Theile in der Oeffentlichkeit vor den Häusern abwickelt, lassen sie sich doch wenig sehen, und führt sie auch ein Geschäft durch die Gassen, so bemerkt man an ihnen doch nichts mehr von dem tollen Naturell der Kinder. Sie sind immer ernst und von natürlicher Gemessenheit in ihren Bewegungen. In den gebräunten, von schwarzem Haare eingerahmten Gesichtern glühen die dunklen Augen, wie von einem inneren nicht ganz ausstrahlenden Feuer, gleich dem von Granaten. Auffällig aber ist, daß, während die Frauen in Italien fast ausschließlich dunkle Haare haben, an manchen Orten Mädchen sich finden, deren Haarschmuck vom hellsten Blond ist und die nicht nur durch ungebräunte frische Gesichtsfarbe, sondern sogar durch blaue Augen ganz aus der Art schlagen. Dies fällt um so mehr auf, weil dagegen das brünette Element als Uebergang fast nicht vertreten ist.

So treffen wir auch in der Casa Baldi, zu der wir von Olevano aus ansteigen, neben der ältern Tochter, die an Gestalt und Ansehen der Mutter gleicht und ganz den italienischen Typus einhält, noch jüngere Mädchen, die uns durch blaue Augen und die Flachsfarbe ihrer Haare an die besten Mädchentypen in den deutschen Alpen erinnern, so daß man wohl versucht sein könnte, weit in die Vergangenheit zurückgreifend, dieses Blond auf den Liebesseufzer irgend eines Gothen oder Longobarden zurückzuführen, der die ewige Stadt zu belagern gekommen war, schließlich aber selbst capituliren mußte. Aber auch die Freundlichkeit, Offenheit und Heiterkeit, mit welcher der Deutsche sich hier empfangen sieht, wird ihn lebhaft an die Alpen und ihre Bewohner erinnern, und um so angenehmer wird er hiervon überrascht sein, als man in der weitaus überwiegenden Mehrzahl von Gasthäusern in Italien das Gefühl nicht los wird, daß man [168] in die Hände der Briganten gefallen sei, welches sich denn schließlich auch bestätigt.

Darum genießt diese Casa Baldi unter den Künstlern Roms einen ausgezeichneten Ruf, und die Fremdenbücher, angefüllt mit Portraits und Zeichnungen aller Art, sind voll des Lobes für die freundliche Familie. Wir finden in diesen Büchern manchen Künstlernamen auf vergilbtem Blatte, dessen Träger seither in seiner Heimath zur Berühmtheit gelangt ist; aber auch viele sind hier verzeichnet, über welchen, sei es in deutscher Erde, sei es auf dem Fremdenkirchhofe in Rom bei der Pyramide des Cestius, längst der Leichenstein sich hebt.

In den Sommermonaten, wenn in Rom die Fieberzeit beginnt, flüchten sich die Maler in großer Zahl in die Sabinerberge. Noch immer ist es Olevano, wo sie sich am liebsten aufhalten, und noch immer sind es hauptsächlich Deutsche, welche sich dort einfinden, um oft wochen-, ja monatelang zu bleiben und die Umgebung nach allen Richtungen hin zu durchstreifen. Aber es mögen auch selbst in dem landschaftlich so hochberühmten Italien wenige Orte zu finden sein, wo ein so herrliches und dabei so fremdartiges Panorama sich aufrollt, wie von dem Hügel aus, auf dem unsere Malerherberge steht. Der Blick schweift zunächst hinüber nach einer Linie von Bergen, von deren Kuppen und Spitzen die hohen Orte herabblicken, zu welchen aus den Thälern die Felsenpfade in langgezogenen Windungen, an den kahlen Wänden hängend, hinaufführen. Wenn am frühen Morgen die Nebel aus der Tiefe emporschweben und sich zu Wolken ballen, dann sieht man noch hoch über ihnen im Sonnenlichte glänzend die Felsenspitzen, auf welchen, gleich Inseln im Luftmeere, diese Orte stehen. Gegen Westen dehnt sich das breite Saccothal, wie ein Garten übersäet mit Reben, die gleich Guirlanden von Ulme zu Ulme sich ranken, mit Oelbäumen, Obstangern und Maisfeldern, dazwischen wieder auf weite Fernen sichtbar die weiß blühenden Mandelbäume und die dunklen regungslosen Cypressen. Am fernsten Horizonte aber, wo auf einem Ausläufer des seitwärts hereinragenden Albanergebirges die Stadt Veliträ sich über die Ebene hebt, schließt sich die verblauende Fläche der Pontinischen Sümpfe an. Die Südseite des Saccothales wird begrenzt durch die massiven Kuppen des Volskergebirges, zwischen weichen da und dort wieder die menschlichen Niederlassungen herüberschimmern.

Wendet man sich dagegen nordwärts, so hat man vor sich auf groteskem zackigem Felsenkamme Civitella, das alte Hernikernest. Wenn dieser Ort von der an sich schon beträchtlichen Höhe Olevanos aus im höchsten Grade malerisch sich darstellt, wie es unser Bild zeigt, so macht er von der Ebene aus gesehen einen so fremdartigen Eindruck, daß man fast geneigt ist, an eine Täuschung zu glauben, die uns dort menschliche Wohnungen sehen läßt. Schief ansteigend zieht sich höher und höher, gleich einer Felsenmähne, der langgestreckte Grat hinauf, auf dessen höchster Erhebung, näher fast den Wolken als der Ebene, Civitella liegt. Dicht aneinander gedrängt stehen die felsenfarbigen Häuser, als seien sie zusammengerückt, uns hier oben alle Platz zu finden.

Nichts könnte der Landschaft so sehr ein historisches Gepräge geben, als diese räthselhafte Lage des Ortes, der ohne alle Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse lediglich nach den Erfordernissen bedrohter Sicherheit dort hinaufgebaut wurde und wie ein Adlernest aus den Lüften herabblickt.

Ein vielgewundener Weg durch interessante Felsenlandschaften führt hinauf nach Civitella, von dessen Höhe man weit hinein in die düsteren Abruzzen schaut, während über das tief unten liegende Olevano weg eine Rundschau sich eröffnet, die, als eine der herrlichsten von Italien bekannt, mit dem matten Silberstreifen des Meeres abschließt. Als ein das ganze Thal und die Zugänge der hinter ihm gelegenen Bergwelt beherrschender Punkt mußte der Felsen von Civitella von jeher in den Kämpfen der Gebirgsvölker eine wichtige Rolle gespielt haben. Welchen Namen aber dieses im Alterthume geführt, ob es auf den Ruinen von Bellegra, von Vitellio oder eines anderen Städtchens gebaut ist, bemüht sich der Forscher vergeblich zu ermitteln. So viel nur geht aus den Ueberresten cyklopischer Mauern hervor, auf welchen ein Theil der Häuser steht, daß schon lange, bevor die Römer mit den Sabinern in Krieg lagen, in diesen Bergen fortwährend gekämpft wurde; denn nur die äußerste Noth und Verhältnisse stetiger Kriegsgefahren konnten die Menschen veranlassen, auf so unwirthlichen Höhen sich niederzulassen.

So ist Olevano auf allen Seiten von Landschaften der merkwürdigsten und erhabensten Art umgeben. Im Osten nur, wo über die runden Kuppen beschneiete Gipfel herüberglänzen, ist die Aussicht begrenzt. Dort steht im Vordergrunde der Monte Serrone, ein plumper Felsenkoloß, nur zum Theile mit rothbraunem Eichengestrüppe bedeckt. Es ist so lange noch nicht her, daß dieser Monte Serrone ein Hauptlager der Briganten barg; der Reisende, der damals bis hierher drang, konnte mit dem Fernrohre bequem die Gestalten der Räuber entdecken, nach welchen man hier ausschaute, wie es in den Alpen nach Gemsen geschieht. Mit ihren langen Gewehren, den Messern und Pistolen im Gürtel, dabei aber behängt mit allerlei Amuletten, Medaillen und anderen Spielereien, mochten sie eine in hohem Grade malerische Staffage für diese wilde Gebirgsnatur abgeben. Gensd’armerie, welche man in die umliegenden Ortschaften mehrmals zu legen versucht hatte, wurde von ihnen absolut nicht geduldet – einer der mancherlei Beweise dafür, daß der Sinn für weltliche Macht bei den Päpsten keinen Schritt hielt mit ihrer Befähigung zu derselben. Erst in neuerer Zeit ist diesem poetischen Unwesen in nächster Nähe der Stadt Rom ein Ende gemacht worden.

Wir hatten uns, vom Zufalle geführt, in Olevano zusammengefunden: zwei Professoren, ein Arzt, ein Dichter und der Schreiber dieser Zeilen – lauter Deutsche, welche vor der Rückkehr in die Heimath und zu den Bücherschreinen noch in diese Berge zu kommen den Antrieb gefühlt hatten. Aber als die für die gemeinschaftliche Abreise von Olevano festgesetzte Stunde gekommen war, hätten wir wohl gern alle Weltweisheit und Wissenschaft dahingegeben, wenn wir dagegen den Pinsel hätten eintauschen kännen, der würdig gewesen wäre, der verewigende Nachahmer dieser Natur zu sein.

Nur unser Dichter – es war Martin Greif – hätte in solchen Tausch nicht gewilligt. Er, dem es leicht wurde, den Beweis zu führen, daß dem Poeten vor dem Manne der Wissenschaft der bessere Theil zugefallen, mahnte uns an die Sehnsucht zurück, die wir trotz der mächtigen Anziehung Roms in dessen Mauern nach dem Zauber und der Stille der nahen Berge empfunden, indem er, die frühere Stimmung fixirend, im classischen Versmaße Catull’s – der einst in diesen Gegenden lebte und dichtete – folgende Hendekasyllaben improvisirte:

Warum fliehen wir nicht zur Bergesstille,
Aus der lärmenden Stadt zur Bergesstille?
Wenn das purpurne Veilchen rings die Stellen
Süßer Ruhe bedeckt und herzlich üb’rall
Mit den lieblichen wohlbekannten Schwestern
In die Seele uns lacht der frohe Frühling,
Wenn erglühend in leisem Roth die Blüthe
Schon zu schwellen beginnt am Mandelbaume
Und der Pinie schwarzer Schatten absticht
Von dem keimenden Grün der jungen Wiesen; –
Aus dem Staube der Stadt und leerer Unruh’
Warum fliehen wir nicht zur Bergesstille?

Und so gaben wir noch einen Tag zu. Wir bereuten ihn nicht als einen verlorenen.

Karl du Prel.




Die Moränenlandschaft.[1]


Von E. Desor.


Unter den Tausenden, die es alljährlich aus der einförmigen Ebene des Nordens nach der Alpenwelt und ihren ewigen Ueberraschungen zieht, mag es nicht Wenige geben, welche es einem Naturforscher Dank wissen, wenn er ihre Blicke auf Erscheinungen richtet, an denen sie sonst achtungslos vorübergingen. Ist es ja doch die schönste Aufgabe der Wissenschaft, die [169] Empfänglichkeit für das Schöne und Erhabene zu steigern und zu veredeln durch ein Lüften jenes Schleiers, durch welchen der Unerfahrene statt des warmen, lebendigen Naturanblicks nur ein verworrenes Schauspiel empfängt.

So wie ein Kunstwerk erst dann uns volle Freude gewähren kann, wenn wir es in seinen zartesten und geheimsten Absichten seinem Urheber nachempfinden und gewissermaßen im Geiste nachbilden, so kann auch die Natur erst dann uns zu ganzem Genusse werden, wenn wir fähig sind, von dem allgemeinen Eindrucke, mit dem sie unsere Phantasie ergreift, auf die Einzelerscheinungen überzugehen und dem großen Schöpfungsgedanken in seine Tiefen zu folgen.

Die Deutung unserer Seen und Höhlen, welche ich vor einigen Jahren unternommen, war wohl mehr auf wissenschaftliche Kreise berechnet; indessen trug ich mich auch dabei mit der Hoffnung, es könnten jene Untersuchungen zugleich das weitere Verständniß verschiedener landschaftlicher Typen erleichtern und den Laien, dessen Auge an den schönen Linien eines Gebirges wohlgefällig haftet, zu tieferer Betrachtung anregen. Es giebt landschaftliche Typen in Menge, welche ausgesprochen genug sind, um von Jedermann sofort aufgefaßt zu werden, und ohne daß es dazu besonderer geologischer und geographischer Studien bedürfte. Wer zum Beispiel erkennt nicht die Alpenlandschaft (eine grüne Matte mit hohen Felsen oder Schneebergen im Hintergrunde), die Juralandschaft (mit ihren dunkeln Tannen und abgerundeten Gebirgszügen), die Landschaft der Molassehügel (mit ihren saftigen Wiesen und frischen Brunnen), die flämische Landschaft, die Wüstenlandschaft, die der vulcanischen Kegel etc.?

Diesen großen, allgemein verständlichen Typen möchte ich hier eine neue anreihen, nämlich die Moränenlandschaft, das heißt jene besondere Gestaltung des Bodens, welche sich durch größte Mannigfaltigkeit der Formen und entsprechende Verschiedenheit des Anbaues bei geringer Ausdehnung kennzeichnet und die bisweilen mitten in der Ebene, öfter jedoch am Fuße des Hochgebirges auftritt. Wir brauchen wohl kaum daran zu erinnern, daß man unter Moränen die Felsen- und Schuttmassen versteht, welche, von Gletschern getragen, mit diesen thalwärts wandern und am Fuße derselben mächtige Ablagerungen bilden.

Den ersten Anstoß zur Aufstellung dieses besonderen Typus der Moränenlandschaft fand ich in Oberitalien, als ich zum ersten Male nach Pfahlbauten in den lombardischen Seen forschte. Nächst dem unteren Theile des Lago Maggiore waren es der Lago di Varese und die denselben umlagernden kleinen Seen von Bardello, Monate, Comabbio, welche meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. In der That fand ich auch dort, was ich suchte. Es mag sein, daß das Gelingen meiner Aufgabe mich rosig gestimmt hatte; sicher ist, daß ich nicht genug über den Reiz der Gegend staunen konnte, wenn ich von einem der Seen zum andern wanderte, bald zu Fuße, bald zu Pferde. Selbst die Pfahlbauern aus der Steinzeit erschienen mir nicht mehr auf einer so niedrigen Stufe, jetzt, da ich sah, welch’ schöne Sitze sie sich auszuwählen verstanden.

Auch scheint es, daß schon seit langer Zeit dieser reizende Strich von den Künstlern als ein hochbevorzugter anerkannt wird. Unendlich ist in der That die Mannigfaltigkeit der Formen, der Farben, der Contraste, wenn man auf der Straße bald an einem mit Laubholz gekrönten Hügel, bald an einem See, oder an einem Moos, weiterhin an einem Rebgelände, an einer grünen Wiese vorbeikommt und dazwischen reiche Villen und prächtige Anlagen hervortreten, die von dem Wohlstande ihrer Besitzer zeugen. Wie der Künstler und der Tourist, so darf auch der Geologe sich der herrlichen Landschaft freuen. Während aber der Künstler sich mit der schönen Realität begnügt, ohne sich um den Ursprung der Formen zu kümmern, wird sich dem Naturforscher die Frage aufdrängen, woher es kommt, daß gerade am Fuße des Gebirges der Boden so eigenthümlich gestaltet ist. Und in der That, es ist dies um so auffallender, als dieser Strich einerseits von dem steilansteigenden Hochgebirge und auf der andern Seite von der flachen lombardischen Ebene begrenzt ist. Unzweifelhaft müssen hier besondere Ursachen gewaltet haben, um einen so eigenthümlichen Contrast hervorzubringen.

Untersucht man nun den Boden dieses Gebiets, so ergiebt sich, daß mit Ausnahme einiger Hügel, die aus festem Gestein bestehen, die ganze Gegend aus losem Material zusammengesetzt ist, aus Sandgeröll, Grien, abwechselnd mit Lehm und Mergel; dazwischen liegen erratische Granitblöcke zerstreut, augenscheinlich Trümmer von zerstörten und zerriebenen älteren Formationen.

Indeß ist auf diese Beschaffenheit kein allzu großes Gewicht zu legen, denn die lombardische Ebene ist gleichfalls aus solch’ losem Material gebildet, nur mit weniger Abwechselung. Und in der That ist das Kriterium weniger in der Beschaffenheit als in der Gestaltung des Bodens zu suchen. Das sämmtliche Material, sowohl der Ebene wie der malerischen Zwischenzone, ist das Product der einstigen großen Gletscher, die bis in die lombardische Ebene reichten. Nur ist zu unterscheiden, daß am Fuße des Gebirges der Gletscherschutt seine eigenthümliche primitive Gestaltung beibehalten hat. Chaotisch und unregelmäßig, wie der alte Gletscher ihn abgelagert hat, liegt er da, während weiterhin in der Ebene das gleiche Material vielfach durch Fluthen bearbeitet, geschichtet und in regelmäßige Lagerung gebracht worden ist. Wir haben es hier, am Lago di Varese, di Comabbio, di Monate speciell mit den Moränen oder Gletscherwällen des alten Gletschers des Tessiner Thales zu thun, wie er sie am Fuße des Monte Campo de’ Fiori zurückgelassen, als er die Ebene aufgab und sich in das Gebirge zurückzuziehen begann. Dies ist die Moränenlandschaft, das heißt das Gebiet der alten Gletscherwälle oder Gandecken.

Aehnliche Erscheinungen begegnen wir in der Brianza zwischen den zwei Armen des Comersees, in jener herrlichen Landschaft, welche den Mailändern von jeher als eine Art Paradies gegolten, wo nach ihrer Ansicht die Luft und das Wasser gleich frisch und wohlthuend sind, wo es die besten Fische und das herrlichste Obst giebt und wo die Menschen das höchste Alter erreichen. Der Boden zeigt sich hier ähnlich gestaltet wie bei Varese, sei es, daß man auf der Straße von Como über Erba nach Lecco fährt, oder am südlichen Ufer einer ähnlichen Gruppe von kleinen Seen, wie die bei Varese, einherwandert. Lago d’Alserio, Lago di Pusiano, Lago d’Anone sind zierliche Wasserbecken, welche den gleichen Ursprung verrathen wie die früher erwähnten und denselben auch an pittoresker Schönheit kaum nachstehen. Sie gehörten zum erratischen Gebiete des großen Adda-Gletschers, als derselbe sich am Fuße der Corni di Canzo und des Pizzo di Forno ausbreitete. Auch hier ist der Moränen-Charakter ein sehr ausgesprochener durch die Mannigfaltigkeit der Bodengestaltung. Gerade dadurch, daß Thäler, Hügel, Seen fortwährend miteinander abwechseln, erlangt die Landschaft jenen eigenthümlichen Reiz, den man in Mailand so hoch zu schätzen weiß, und der noch gesteigert wird durch den großartigen und imposanten Bau des Hochgebirges und die zwei herrlichen Arme des Comersees, welche die Brianza einschließen.

So sollte durch jene unheimlichste aller Erdrevolutionen, die Eiszeit, das Material geliefert werden zu den entzückendsten Landschaften unseres Erdtheils.

Man entkleide in Gedanken jenen malerischen Gürtel seiner Hügel, Seen und fruchtreichen Gelände – und die Gletscherwälle mit ihrem wild-chaotischen Gepräge stehen uns vor Augen.

Aehnliche Eindrücke lassen sich auch am südlichen Ende des Garda-Sees aufnehmen, namentlich in der Gegend von Castiglione, wo das Terrain äußerst mannigfaltig gestaltet ist. Unzählige Hügel durchziehen den Boden und scheinen sogar sich concentrisch aneinander zu reihen, wie dies bei den Erdmoränen mancher unserer jetzigen Gletscher der Fall ist. Und in der That, es ist bereits mehrfach ausgesprochen worden, daß die Schlacht von Solferino auf den Moränen des alten Etsch- Gletschers geschlagen worden. Der Unterschied zwischen dieser Moränenlandschaft und derjenigen des Vareser und Brianza- Gebiets besteht darin, daß sie sich nicht wie letztere an das Hochgebirge anlehnt, sondern einzeln aus der Ebene auftaucht, weshalb sie bei Weitem nicht den gleich großen Eindruck macht und auch in landschaftlicher Hinsicht nicht dieselbe Wirkung hervorbringt.

Wenn die alten Moränen einen so bleibenden Einfluß auf die Gestaltung des Bodens am Südabhange der Alpen ausgeübt haben, so müssen ähnliche Erscheinungen auch am nördlichen Abhange zu gewärtigen sein, indem hier die alten Gletscher jedenfalls eine ebenso große, wenn nicht bedeutendere Rolle gespielt haben, wie auf der Südseite.

In der That sind wir derselben nicht bar. Die Moränenlandschaft ist auch hier mehrfach vorhanden, wenn auch weniger



Nebst einer Beilage: „Ein Werk redlichen deutschen Fleißes“.

[170] in die Augen fallend als in Oberitalien, wo sie die einzige Vermittelung zwischen zwei großen Contrasten, dem steil ansteigenden Hochgebirge und der ganz flachen Ebene, bildet. Bei uns, am Nordabhange, verhält es sich anders. Nicht nur sind die Voralpen weniger hoch, sondern es lagert sich auch noch an dieselbe die Zone der gehobenen Molassen mit ihren nichts weniger als einförmigen Hügeln und Höhenzügen, welche dem Südabhange durchaus fehlen. Somit ist der Contrast weniger auffällig. Außerdem ist nicht zu übersehen, daß auf der italienischen Seite, am Lago di Varese und am Lago Maggiore, das Klima dazu angethan ist, die Eigenthümlichkeiten der Landschaft schärfer hervorzuheben. Der Glanz des südlichen Himmels wie die Mannigfaltigkeit der Bodenencultur, je nach Gestaltung, Lage und Richtung der einzelnen Hügel, geben dort der Moränenlandschaft einen Reiz, den sie auf der Nordseite nicht erreichen kann.

Das auffallendste Beispiel schweizerischer Moränenlandschaft bietet uns die Gegend von Amsoldingen am Fuße des Stockhorns, links vom Thuner See. Anstoßend an die Allmend, bietet sie durch ihre mannigfaltige Gestaltung einen Gegensatz zu der einförmigen Fläche der letzteren und ist deshalb von dem eidgenössischen Stabe vielfach zu Kriegsmanövern benutzt worden, da sich nicht leicht eine Gegend findet, die sich so sehr zur Ausführung der verschiedenartigsten taktischen Aufgaben eignet. Zu diesem Zwecke wurde bereits vor Jahren eine Karte in großem Maßstabe (1 : 25,000) aufgenommen, auf welcher mit Hülfe der Horizontalcurven die Seiten einzelner Hügel nebst dazwischenliegenden kleinen Mösern mit großer Klarheit hervortreten. Auch die Seen, welche so charakteristisch für die italienische Landschaft sind, fehlen hier nicht. Man zählt deren mehrere, der Amsoldinger See, der Uebertschi-See, der Dittlinger See, der Geißsee.

Die ganze Gegend hat dabei etwas so Abnormes, so Zerstückeltes, daß der Gedanke an alte Moränen des großen Aarthals nur angeregt zu werden braucht, um sofort bei Jedem, der nur einigermaßen ein Auge für Reliefformen hat, das Bild der Gletschergebilde zu erwecken. Zur näheren Vergleichung dürfte besonders die alte Moräne vor dem oberen Grindelwaldgletscher geeignet sein. Dieselbe war mir in der Erinnerung geblieben aus den Zeiten meiner Alpenfahrten, als eines der frappantesten Beispiele der Gletscherthätigkeit. Ich besuchte sie abermals im Laufe dieses Sommers und fand meine Ansicht vollkommen bestätigt. Ich hatte außerdem die Befriedigung, daß unsere beste Autorität in der Kenntniß des Bodenreliefs, Herr Oberst Siegfried, nach vorgenommener Vergleichung der Grindelwald-Moräne seine volle Zustimmung zu der beanspruchten Uebereinstimmung ausdrückte. Man begehe diese Moräne in den verschiedenen Richtungen, besonders aber in der Breite, und man wird die gleiche Grundform erkennen. Das Ganze ist eine Anhäufung von schmalen Kämmen oder wellenförmigen Hügeln, öfter von einem erratischen Block gekrönt, dazwischen manchmal eine Vertiefung, eine begraste Fläche und selbst ein kleiner Weiher oder Teich, Alles freilich in bescheidenem Maßstabe, wie man es nicht anders erwarten kann, wenn man die Dimensionen der jetzigen Gletscher mit denen der Eiszeit vergleicht.

Die Gegend von Amsoldingen ist indeß nicht die einzige am Nordabhang der Alpen, die den Typus der alten Moränenlandschaft bewahrt hat. Es müssen deren noch mehrere Beispiele vorkommen, sei es in der Ebene selbst, überhaupt da, wo der Gletscher auf seinem Rückzuge Halt gemacht hat. Vor allen wären, nach Herrn Brunner von Wattenwyl, die Höhenzüge am Langenberg in der Gegend von Zimmerwald bei Bern hierher zu rechnen. Wenn ich nicht irre, so kommen ähnliche Moränenbildungen in der Gegend von Zürich am rechten Ufer des Sees vor. Auch die Gegend von Montreux und von Nyon am Genfer See dürfte dergleichen aufzuweisen haben, ebenso das Rheinthal und vielleicht das Gebiet des Säntis.

Es sind dies nur Andeutungen, die hauptsächlich zum Zweck haben, die Aufmerksamkeit aller Derjenigen, welche für die Erkenntniß unseres Bodens einiges Interesse hegen und nicht als blinde Touristen ihren Bädeker abwandern, auf diese eigenthümliche Form der Landschaft zu lenken. Sollte sich die hier aufgestellte Theorie bestätigen, so hätten wir einen Landschaftstypus mehr in die Geographie einzuführen, und zwar einen solchen, der nicht zu den unbestimmtesten und uninteressantesten gehört – die Moränenlandschaft.




Blätter und Blüthen.


Ein Besuch bei Christian Fürchtegott Gellert. Wer wollte es den biederen Hainichern von heute und ehemals verargen, wenn sie den Leipziger Professor mit Stolz den Ihrigen nannten? Zweifelhafter dürfte der Anspruch der Bewohner der umliegenden Ortschaften sein, die den Dichter darum als den Ihrigen betrachteten, weil sie in der Jugend seine Mitschüler und Gespielen und später seines Vaters Beichtkinder waren. So vier Bäuerlein aus dem nahen Berthelsdorf, deren Namen Klio in die Tafeln der Erinnerung glücklicher Weise unlöschbar eingezeichnet hat. Sie unternahmen die für die damalige Zeit gewaltige Reise nach Leipzig, um auch einmal in ihrer Weise in den Genüssen der Messe zu schwelgen und vielleicht auch das durch Gellert unsterblich gewordene Rhinoceros zu sehen. Aber in Leipzig gewesen zu sein und den Professor nicht zu sehen, wahrhaftig! das hieße, „in Rom gewesen zu sein und den Papst nicht gesehen zu haben.“ Darum faßt man sich ein Herz und sucht den ehemaligen Spielgenossen, der unterdeß die höchste Staffel europäischen Ruhmes erstiegen – hat ihn doch selbst der alte Fritz einer Audienz gewürdigt und ihm einen Schimmel verehrt! – in seiner bescheidenen Junggesellenwohnung auf. Ermuthigt durch den überaus herzlichen Empfang und in wohlberechtigter Erwägung des Umstandes, daß man daheim, wenn sie ohne handgreiflichen Beweis von ihrem Besuche erzählen, ihnen zurufen könnte: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube,“ faßt endlich Einer, da sie bereits Abschied genommen, den Muth zu der kühnverwegenen Bitte um „ein paar Zeilen“ von seiner Hand. Man tritt in’s Zimmer zurück; Müller und Zobel behalten im Entzücken ihres Herzens über die Leutseligkeit des verehrten Landsmannes oder aus angestammter Unkenntniß der nöthigsten Höflichkeitsformen den Dreimaster auf dem Kopfe.

Sinnend blickt Gellert alle Vier nochmals an, setzt sich dann an seinen Schreibtisch, und schalkhaft lächelnd überreicht er nun den Scheidenden das billet-doux. Daheim angekommen, versammeln sie die männlichen Ortsangesessenen im Gasthofe, und ein des Lesens Kundiger muß den andächtig Lauschenden den Inhalt des feierlich entfalteten Documentes verkünden. Groß war nun allerdings das Staunen der Meßreisenden, als sie offenen Mundes und voll gespannter Erwartung das Verslein hörten – man erinnere sich, sie hießen Wohlgemuth, Schütze, Müller und Zobel – das Verslein also:

Wär’ ich immer wohlgemuth
Und ein guter Schütze,
Schöß ich Müllern durch den Hut,
Zobeln durch die Mütze.

Dr. G. H.




Kleiner Briefkasten.


G. B. in S. Der allegorische Scherz „Ein Mene Thekel für Ascher-Mittwoch“ in Nr. 7, unseres Blattes ist das Erstlingswerk eines Schlesier Zeichners, Namens Adolf Pettinger. Die Leistungen dieses bisher noch völlig unbekannten Talentes sind um so anerkennenswerther, als Pettinger nicht Künstler von Beruf ist, sondern ohne jede akademische Vorbildung, ja, ohne auch nur eine Stunde Zeichenunterricht genossen zu haben, seine ganze Fertigkeit in der Führung des Stifts durch eigene Kraft errungen hat. Sie werden mit uns in den Wunsch einstimmen: „Ehre und fröhliches Gedeihen diesem wackeren Streben!“

An den Kynologen in Danzig. Von der Redaction der Gartenlaube beauftragt, Ihre Frage, ob die Bergmann’schen Hunde in Waldheim wirklich so schön wie auf meinen Bildern sind, selbst zu beantworten, kann ich nur in vollster Aufrichtigkeit versichern, daß dies der Fall ist. Denn ich bin kein Hundekenner, und habe mich schon aus diesem Grunde, wie ich dies aber auch sonst stets thue, begnügen müssen, Cäsar und die übrigen Hunde nur so treu wie möglich darzustellen, und bei dem im Herbste des vorigen Jahres erschienenen großen Bilde war dies schon deshalb nothwendig, um die bedeutenden Formenunterschiede wiederzugeben, welche wohl auch jeder Hundekenner herausfinden wird. Die Bilder stehen insofern noch weit hinter der Wirklichkeit zurück, als die herrliche Färbung der Thiere, vor Allem die classische Farbe Cäsar’s, gar nicht angedeutet werden konnte. Dagegen ist bei dem im Frühjahre 1872 erschienenen Einzelbilde Cäsar’s die Behaarung desselben selbst bis auf die einzelnen Locken völlig genau wiedergegeben, was keine leichte Aufgabe war. Von diesem Blatte und dem zugleich in jener Nummer erschienenen Kopfe Cäsar’s würde ich Ihnen aus Freude über Ihr Interesse gern einen Separatabdruck schicken, wenn ich Ihre Adresse wüßte.
H. Leutemann.

E. H. in Schw. Ein Institut, wie Sie es im Auge haben, ist das kürzlich unter dem Namen „Berliner Frauenschutz“ (Berlin, Friedrichstraße Nr. 243) von der Frau Justizrath Helene Martins, geborenen Cosmar, gegründete. Dasselbe macht es sich zur Aufgabe, Vermittler auf dem Gebiete weiblicher Berufsthätigkeit zu sein, und ist seiner Solidität wegen namentlich solchen Damen warm zu empfehlen, welche entweder als Repräsentantinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Vorleserinnen, Gesellschafterinnen, Kindergärtnerinnen, Bonnen oder Wirthschafterinnen placirt zu sein oder Kräfte aus diesen Berufszweigen ihrem Hause zu gewinnen wünschen.




Berichtigung. In Nr. 4 unseres Blattes ist in dem Artikel „Was uns die Waldmenschen erzählen“, auf Seite 60 in der letzten Zeile der ersten Spalte zu lesen: „Gesandtschaft in Ava“, statt „Arta“, und in der drittletzten Zeile der zweiten Spalte: „uns in der Entwicklungsgeschichte“, statt „und von etc.“



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wir erlauben uns, die Leser der Gartenlaube noch besonders auf obigen Artikel aufmerksam zu machen. Der berühmte Geolog, der Freund Humboldt’s und Agassiz’s, erörtert hier zum ersten Male eine Erscheinung der Alpenwelt, die für alle Freunde der geologischen Wissenschaft von größtem Interesse sein dürfte.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Rothlopf“
  2. Vorlage: ein ein