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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1861
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[545]

No. 35.   1861.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Ein Deutscher.

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Schluß.)

Bei diesem Bedenken Reichardt’s wurde der junge Frost, die Augen fest auf das Gesicht des Sprechenden gerichtet, einen Schatten blässer und neigte nur zustimmend den Kopf. „Sie wissen,“ fuhr Reichardt vor sich niedersetzend fort, „daß ich letzten Sommer Ihre Schwester Margaret und Harriet Burton in Saratoga traf, und daß Harriet, die mein Geigen zum Tanz ein Niggergeschäft nannte, mich als Organisten nach Tennessee schickte. Ich hatte mit Margaret damals nur wenige Worte gewechselt, und doch waren sie hinreichend gewesen, mir das ganze Herz zu öffnen, als habe ich sie schon längst gekannt, als stehe ich auf durchaus gleicher Stufe mit ihr, und während mir Harriet trotz des engen Beisammenlebens in ihrer Heimath, trotz des Dankes, welchen ich ihr schuldete, innerlich völlig fremd blieb, war Margaret meine stete und liebste Erinnerung, mein Denken im Wachen und im Traume. – Sie wissen, wie ich in Ihr Geschäft kam,“ fuhr der Redende nach einem tiefen, halbunterdrückten Athemzuge fort, „entsinnen sich des ersten Abends, an welchem ich Ihrer Schwester wieder Aug’ in Auge gegenüberstand – nun, John!“ unterbrach er sich, entschlossen den Blick hebend, „an diesem Abende kam plötzlich die Erkenntniß über mich, daß ich eine Leidenschaft unbewußt in mir groß gezogen hatte, die, so sehr sie mich auch oft beseligt, mich doch jetzt um so elender machen mußte; ich war der jüngste Clerk im Geschäfte, hatte dazu meine Stellung nur Mr. Frost’s Wohlwollen zu danken, und auch die leiseste Hoffnung für meine Herzenswünsche erschien mir Wahnsinn. Sie wissen, wie ich an diesem Abende Ihr Haus verließ, und das war der Anfang eines Kampfes gegen mich selbst, den ich redlich mit allen meinen Kräften durchfocht, der mich aber wohl aufgerieben hätte, wenn ich nicht als einzige Rettung zu dem Entschluß gekommen wäre, New-York zu verlassen. Da haben Sie Alles, was Ihnen räthselhaft erschienen sein mag!“

„Und nun?“ rief John, in dessen gespanntem Blicke ein ganz neues, verändertes Leben zu blitzen begann.

„Ich weiß kaum selbst, was ich Ihnen weiter sagen soll,“ erwiderte Reichardt, von Neuem das Auge senkend, „Harriet hatte mich errathen, überrumpelte mich und nahm mir das Wort ab zu bleiben –!“

„Das ist wirklich so?“ fragte der Andere, als wage er der Gewißheit noch nicht vollen Raum zu geben. „Und doch –“ brach er dann plötzlich aus, „ich glaube Ihnen, Reichardt, ich bin ein Esel gewesen, geben Sie mir einen Kuß!“ Beide Arme schlang er um den überraschten Deutschen und zog diesen dann mit sich auf die bereitstehenden Stühle nieder. „Ich sage Ihnen, Mann, Sie haben mit Ihren Worten einen glücklichen Menschen gemacht,“ fuhr er erregt fort, „einen doppelt glücklichen, und ich will’s Ihnen verzeihen, daß Sie mich, und sich selbst so lange auf die Folterbank gespannt haben; es ist einmal so, wo die Mädchen in’s Spiel kommen, wird auch der Klügste zum Narren! Machen Sie Ihre Sache mit Margaret fertig – ich verstehe jetzt Vieles, was mir auch an ihr unverständlich war – und nach Allem, was bis jetzt geschehen, denke ich kaum, daß Vater einen großen Schrecken über die Geschichte bekommen wird. Daß ich mich aber einen Esel nannte – well, Sir! ich war bis heute noch nicht völlig über Ihre Beziehungen zu Harriet klar; als sie hier eintraf, wollten Sie plötzlich weg; heute Morgen erfahre ich, daß ein Brief von ihrem Vater angekommen ist– wann, weiß ich nicht – der sie wieder nach Hause ruft, und eben so plötzlich entschließen Sie sich wieder zu bleiben; ich habe mich gewehrt gegen die aufsteigenden Gedanken und konnte doch nicht davon loskommen – weg damit! Sie werden mich aber besser verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß ich Harriet morgen in ihre Heimath zu begleiten und nicht ohne sie wieder zurückzukehren gedenke!“

„Und was treibt sie so schnell wieder weg?“ fragte Reichardt, in dessen Innerm es bei John’s Ergießung klarer, wolkenloser Frühlingshimmel geworden war.

„Familiengeschichten, Teufelsgeschichten!“ erwiderte der Andere, „Mrs. Burton hat kopfüber das Haus verlassen und ist abgereist, so viel ich verstehe, und Harriet soll ihren Vater nicht allein lassen. – Aber jetzt kommen Sie, um irgendwo einen Imbiß zu nehmen,“ rief er aufspringend, „ich habe noch so viel Geschäfte, daß ich nicht zum Essen nach Haus gehen kann, und Sie schenken mir die Zeit, die Sie noch haben. Heute Abend werden Sie natürlich, um von Harriet Abschied zu nehmen, in unserm Hause sein.“

Als Beide den Broadway erreichten, holten sie den alten Frost ein. „Fertig mit Johnson?“ fragte John, ihn aufhaltend.

„Ich glaube, wirklich fertig, und wir werden ihn schwerlich wieder in unserm Hause sehen!“ entgegnete der Angeredete. „Er scheint so wenig an eine wohlmeinende Ermahnung gewöhnt zu sein oder eine Verpflichtung zum Dank anerkennen zu können, daß ich ihm den Stand der Dinge völlig habe klar machen müssen, und erst, als er sich schriftlich gebunden, die Hälfte der ihm werdenden Versicherungssumme zu Black’s Einlage in sein Geschäft zu schlagen, habe ich seine Forderung bewilligt. Sein Geschäft verliert nichts bei dem Arrangement, Black aber erhält dadurch die [546] Macht, die er neben einem Menschen wie Johnson nur zu nöthig haben wird!“ Mit einem freundlichen Nicken trennte er sich von den jungen Leuten. – Der Geschäftsschluß war an diesem Abend kaum vorüber, als Reichardt sich auch schon auf dem Wege nach Frost’s Hause befand. Ein Drängen und Zweifeln, ein Hoffen und Fürchten zog ihn mit Macht dahin und als er dort die Klingel faßte, meinte er kaum anders zu fühlen, als da er zum ersten Male hier gestanden hatte.

Er fand die sämmtlichen Familienglieder in dem hintern Zimmer, wo das Piano stand, versammelt. Sein erster Blick indessen flog nach Margaret; er sah ihr Gesicht bei seinem Eintreten aufglühen, aber ein helles, klares Lächeln grüßte ihn und schuf in seiner Seele plötzlich eine Gewißheit seines Glücks, die alle seine Seelenkräfte wie mit neuem, sprudelndem Leben durchströmte. Lachend beantwortete er John’s launigen Gruß, trat mit einem fast muthwilligen Blicke Harriet’s neckendem Auge, in welchem wieder der ganze sprühende Geist früherer Zeit erwacht zu sein schien, entgegen und saß bald, ein Gefühl wie beseligende Heimath im Herzen, unter den Uebrigen.

Es waren sonderbare Stunden, welche sich an diesem Abende folgten. Oft war ein Gespräch über die gewöhnlichsten Dinge im Gange, und doch schien es mit einem Interesse und einer glücklichen Laune geführt zu werden, als läge in jedem Worte noch ein anderer, geheimer Sinn. Bald stockte die Unterhaltung wieder gänzlich, während Jedes seine eigenen Gedanken zu verfolgen oder die eines Andern in dessen Augen errathen zu wollen schien, bis der alte Frost mit einigen Worten der Unterhaltung einen neuen Anstoß gab.

„O, da fällt mir etwas ein,“ rief Harriet mitten in einer solchen Pause, „Mr. Reichardt ist gewiß einmal so freundlich, uns das deutsche Lied zu singen, das er in meines Vaters Hause vortrug. Höre ich es nicht noch einmal, so quäle ich mich gewiß wieder Tag für Tag damit ab und finde doch die Melodie nicht!“

Bereitwillig erhob sich der Deutsche, während John herzu sprang, um das Piano zu öffnen.

„Zieh’n die lieben, gold’nen Sterne,“

begann der Erstere nach der Einleitung, kaum aber hatte er die Anfangs-Strophen gesungen, als es ihn wie ein unbesieglicher Widerwille gegen das Musikstück überkam. Alle mit seiner „Schwester“ Mathilde früher durchlebten Scenen schienen von den Klängen plötzlich vor seine Seele gerufen worden zu sein. Das Lied, in diesem Kreise gesungen, wollte ihm wie eine Verhöhnung und Entweihung seiner tiefsten, besten Gefühle erscheinen, wie ein Herüberziehen der geschwundenen Trübsal in sein jetziges Glück – er brach plötzlich ab und sprang auf. „Erlassen Sie mir das Stück heute Abend,“ sagte er fast bittend, „zum rechten Vortrag gehört auch die rechte Stimmung, und seit ich meine Heimath hier gefunden habe, vermisse ich wahrlich keine andere.“

Fast unwillkürlich hatte sein Blick bei den letzten Worten Margaret’s Auge gesucht, und wie ein helles Verständniß strahlte es ihm dort entgegen; Harriet aber war aufgesprungen und rief in lustigem Spotte: „O Sie können auch sentimental sein? Zur Strafe sollen Sie jetzt gerade dies Lied weiter singen!“

„Ich schaffe Ihnen die Noten und einen englischen Text obendrein, Miß!“ gab Reichardt wie in halber Angst zurück. Zu seinem Glücke aber ließ die Meldung, daß der Abendtisch bereit sei, ein weiteres Verfahren gegen ihn nicht aufkommen.

Der alte Frost erhob sich, und die beiden Paare folgten. „O Miß Margaret,“ flüsterte Reichardt dem Mädchen zu, das leicht in seinen Arm gehangen neben ihm schritt, „wie geht es sich heute so anders zu Tische!“

Sie hob lächelnd das große Auge zu ihm. „Warum haben Sie nicht längst schon Ihre bösen Geister, die sicherlich nicht in unser Land passen, von sich gejagt?“ fragte sie.

„O, Sie haben nur zu Recht; aber wahrlich,“ erwiderte er leise, indem er mit festem Drucke die über seinem Arme hängende kleine Hand faßte, die nur kurz sich dagegen sträubte, „Sie sollen nichts mehr von Gespensterfurcht an mir wahrzunehmen haben!“

Als Reichardt zwei Stunden später seine Wohnung wieder betrat, blickte ihm vom Tische sein Violinkasten entgegen, und es wurde ihm, als merke er erst jetzt, wie lange er das Instrument, diesen verschwiegenen Freund in Leid und Freud’, vermißt habe.

Bedurfte er doch eines Vertrauten im Augenblicke mehr als je, um sich aussprechen zu können. Denn hatte er sich auch tief glücklich gefühlt, als er Margaret zu Tische geleitet, so sollte er es doch noch in größerem Maße während des Mahls selbst werden. Da hatte John, der eine Weile nachdenklich gesessen, plötzlich begonnen: „Ich denke, Vater, Du wirst Dich mit Margaret ziemlich einsam fühlen, so lange ich weg bin, und ich möchte deshalb vorschlagen, daß Ihr Reichardt als meinen Stellvertreter bei den Mahlzeiten installiret – er scheint sich ja jetzt behaglicher in unserem Hause zu fühlen!“ hatte er mit einem Blick auf Margaret hinzugesetzt, welcher dieser das Blut in die Wangen getrieben. Und der alte Frost schien angenehm von dem Gedanken berührt worden zu sein, und Reichardt hatte auf die Frage um seine Zustimmung nur mit ganzem Herzen sich zur Disposition stellen können, und so war er jetzt schon fast zum Familiengliede geworden.

Als er den Violinkasten öffnete, blickte ihm, unter die Saiten des Instruments geschoben, ein zierliches Billet entgegen. Er entfaltete es rasch und las:
„Bruder Max!

Noch einmal einen herzlichen Gruß von der Schwester. Ich empfing Deinen Absagebrief mit recht gemischten Empfindungen, aber es ist wohl besser so, daß wir unsere Wege nicht auf’s Neue vereinigen – wenigstens besser für mich, die jetzt so glücklich und zufrieden ist, als sie es nur jemals zu werden erwartete. Laß uns also Abschied von einander nehmen, und sollte uns das Leben je wieder einmal zusammen führen, so möge das von der Noth hervorgerufene Geschwister-Verhältniß aus unserer Erinnerung gestrichen sein – meinerseits glaube ich dies Mr. Fonfride zu schulden, und Dir kann ja am wenigsten an einer Vertraulichkeit gelegen sein, welche nur Deinem edelmüthigen Herzen entsprungen war. – Kaum glaube ich, daß wir unsere Kunstreisen noch für längere Zeit fortsetzen werden; sie waren ohnedies für Fonfride nur mehr das Steckenpferd des einzeln stehenden Mannes, und seit er in nähere Beziehungen zu einzelnen im gleichen Hotel mit uns wohnenden Familien getreten ist, scheint auch das Wanderfieber bei ihm nachzulassen. Er hat schon seit Deiner Absage davon gesprochen, nur eine Tour bis New-Orleans zu machen und von dort, ehe wir einen festen Wohnort wählen, mich zu einer Vergnügungsreise nach Frankreich mit hinüber zu nehmen.

So lebe denn wohl, Max, werde so glücklich als Du es verdienst, sei zum letzten Male gegrüßt und geküßt, und vergiß die Zeit, die trotz all ihrer Noth doch eine so glücklicke für mich war.

Mathilde.“ 

Reichardt blickte noch eine Weile sinnend in die Zeilen, er brachte den geschwundenen Tagen ein kurzes Todtenopfer. Dann aber rasch den Kopf hebend und mit hellen Augen vor sich, wie in eine sichtbare, sonnenbeglänzte Zukunft blickend, griff er nach seiner Geige, Alles was in ihm lebte, in der so lange entbehrten Zwiesprache mit den Klängen des Instruments ausströmend, und erst nach geraumer Zeit, als ihn ein frostiges Gefühl an seine kalte Stube mahnte, suchte er sein Bett.


Vier Wochen waren verstrichen, für Reichardt wie ein langer, heller Frühlingstag. Der alte Frost hatte mit jedem Tage mehr die unsichtbare Schranke, welche ihn trotz allen Wohlwollens von seinen Untergebenen trennte, fallen lassen und hielt den jungen Mann oft den größten Theil des Abends fest, sich in Gespräche über die verschiedensten Angelegenheiten des öffentlichen und geschäftlichen Lebens mit ihm vertiefend, oder sich bequem in den Lehnstuhl streckend, zu einer musikalischen Unterhaltung ermunternd. Mit einer ganz eigenthümlichen Befriedigung hatte Reichardt schon am zweiten Abend nach seinem Eintritt in die Familie in Margaret eine notenfeste Pianospielerin entdeckt, und am dritten Tage war seine Violine nach Frost’s Hause gewandert, wo sie von da ab ihren bleibenden Ruheplatz auf dem Piano fand. Trotz dieses engen Beisammenlebens aber war Margaret dem Deutschen äußerlich noch nicht um einen Zoll breit näher getreten, und nur ein innerliches gegenseitiges Verständniß schien ihrem Umgange mit jedem Tage eine größere Freiheit und Sicherheit zu geben; selbst als in der dritten und vierten Woche verschiedene Ball-Einladungen aus angesehenen Familien für Reichardt eintrafen, und er, eine [547] neue Bruderrolle übernehmend, oft allein an Margaret’s Seite seinen Eintritt in die fashionable Gesellschaft machte, änderte sich dieses Verhältniß nicht, in dessen Reinheit und Offenheit er sich vorläufig glücklich fühlte. Meinte er doch mit jedem Tage unverhohlener in des Mädchens Auge zu lesen, was ihm Worte nur hätten sagen können, und hätte er doch überdies kaum gewußt, wie eine nähere Erklärung mit ihr herbeizuführen.

Da wurde ihm eines Morgens ein Brief von John von der Post gebracht. Einige Mal hatte er schon durch des alten Frost’s oder Margaret’s Vermittelung Grüße von dem Abwesenden erhalten, und mit einiger Verwunderung über diese jetzige directe Zuschrift beseitigte er den Umschlag. Er las:

„Liebster Freund!

Wir sind hier auf diesem prächtigen Stück Erde, das mir recht wohl gefallen könnte, wenn ich eben kein New-Yorker Kind wäre, bald zu Ende; wir – das heißt zuerst der alte Mr. Burton, der einen Theil seiner Besitzungen bereits verkauft hat, und den Rest verwalten lassen will, bis sich ein weiterer Käufer findet, und sodann Harriet und ich, von welchen Herrschaften ich weiter unten reden werde. Sie sind, wie ich durch Harriet weiß, mit den Vorfällen in der Familie bekannt, und so erzähle ich Ihnen denn, daß Curry, der geistliche Bock, während der Nacht durch Burton selbst aus dem Schlafzimmer von dessen sauberm Weibe geholt, von einigen handfesten Negern festgehalten und dann durch den Sheriff nach dem County-Gefängniß gebracht worden ist. Der alte Gentleman hat sich durch die Entdeckung wie durch Harriet’s Entfernung so aus seiner gewöhnlichen Natur treiben lassen, daß er, ohne Schonung gegen Mrs. Burton, den klaren Sachverlauf zu Protokoll gegeben hat. Kaum ist aber die Sache ruchbar geworden, als sich auch ein Mob bildet, um das Gefängniß zu erbrechen und den Strafact in die eigene Hand zu nehmen; der Sheriff erläßt ein rasches Aufgebot an alle bessere Bürger, aber erst als das Gefängniß bereits gestürmt und der heilige Mann in den Händen des Volks, gelingt es, ihn halbtodt der kurzen Execution am nächsten Baume zu entziehen. Jetzt sitzt er in Nashville hinter Schloß und Riegel und sieht dem Zuchthause entgegen. Mrs. Burton hat sich über die ersten Schwierigkeiten durch Ohnmachten forthelfen wollen, der alte Herr aber hat noch dieselbe Nacht ihre sämmtlichen Sachen zusammenpacken lassen und sie selbst am Morgen mit der Postkutsche zu ihren Verwandten geschickt. Der Scheidungsproceß ist bereits eingeleitet, und die Entscheidung wird schnell genug erfolgen.

Als wir hier ankamen, war nun freilich der Gemüthszustand des alten Gentleman nicht eben der brillanteste, er hatte, seit er am Tage der Vorfälle von seinem Advocaten gekommen, keinen Schritt wieder aus dem Hause gethan, und als ich in der ersten passenden Stunde ihm den Vorschlag machte, mir Harriet zur Frau zu geben und mit uns nach New-York überzusiedeln, schien ich nur seinen halben Wünschen entgegen zu kommen. Er ist schneller auf meine Ideen eingegangen, als ich gehofft hatte, und was ein unermüdlicher New-Yorker zur Verwirklichung thun konnte, das habe ich gethan.

Nun aber, liebster Freund, kommt die Hauptsache.

Ich war mit Harriet schon, ehe wir New-York verließen, in Ordnung gekommen; als ich aber heute die Erwähnung unserer nahen Abreise benutzte, um sie zu nähern Festsetzungen über unsere Vereinigung zu bestimmen, erklärt sie mir, daß sie nicht eher an etwas wie Hochzeit denken werde, ehe nicht Ihr Verhältniß mit Margaret zur vollen Reife gediehen und Ihre Vereinigung bestimmt sei; beide Hochzeiten müßten zusammen gefeiert werden.

Jetzt, bester Freund und künftiger Bruder, frage ich Sie doch um Gotteswillen, wie steht es? Sie sehen, daß mir plötzlich Hände und Füße gebunden sind – melden Sie mir umgehend den Stand der Dinge, und was Sie durch einen raschen Entschluß vorher noch zu ordnen vermögen, das thun Sie – wenn nicht Ihret-, so doch um meinetwillen. Soll ich mich in Ihrer Sache an den Vater wenden, wenn Sie nicht gleich den Muth dazu finden können, so sagen Sie es, oder disponiren Sie in irgend einer Weise über mich; ich gehe jetzt für ihre allerbaldigste Schwagerschaft mitten durch den Höllenpfuhl.

Ihr John Frost.“ 

Reichardt hatte die letzten beiden Sätze der Zuschrift dreimal durchgelesen; endlich legte er sie bei Seite, stützte den Kopf in beide Hände, und ein Schauer, aus Seligkeit und Bangen gemischt, überkam ihn. Plötzlich aber, wie zu einem Entschlusse gelangt, erhob er sich und blickte nach der Uhr. Es war noch über eine Stunde bis zur Mittagszeit im Frost’schen Hause. Behutsam riß er das erste Blatt des Briefs herab, faltete den Rest zusammen und dann rasch nach seinem Hute greifend verließ er die Office, in dem vordern Zimmer hinterlassend, daß er binnen einer Stunde wieder zurück sein werde.

Er hatte den Weg nach seiner jetzigen zweiten Heimath eingeschlagen und traf Margaret am Piano. Mit einer leichten Verwunderung in ihren Zügen erhob sich das Mädchen, als sie den Eintretenden erkannte, die sich noch zu erhöhen schien, als Reichardt herantrat und das bewegte Auge, ohne sogleich das erste Wort finden zu können, auf sie geheftet hielt.

„Ich habe soeben einen direkten Brief von John in Bezug seines Verhältnisses zu Harriet erhalten, der mich veranlaßt, Sie einige Minuten allein zu sehen, Miß Margaret,“ begann er endlich, „und ohne Sie mit dem übrigen Inhalte zu plagen, bitte ich Sie nur, diese beiden Schlußsätze aufmerksam zu lesen.“

Er reichte ihr mit leise bebender Hand den Brief, mit dem Finger die genannte Stelle bezeichnend. Sie warf noch einen kurzen, fast forschenden Blick in sein Gesicht und neigte dann den Kopf nach der Schrift – Reichardt hielt sie fest im Auge. Plötzlich schoß ein tiefes Roth in ihre Wangen, sich von hier aus über Stirn und Hals verbreitend: sie wandte sich, die Hand mit dem Briefe sinken lassend, rasch ab und schritt nach dem Fenster. Einen Augenblick nur stand Reichardt unschlüssig, im nächsten wußte er, daß jetzt der Augenblick da sei, sich volle Klarheit zu schaffen, und kühn im innern Drange schritt er ihr nach.

„Margaret, Sie wenden sich von mir?“ fragte er, an ihre Seite tretend, und die volle Tiefe seiner Empfindung zitterte in seiner Stimme, „bin ich ein Thor gewesen, daß ich einer Hoffnung Raum gab und nicht floh, als ich noch die Kraft dazu hatte?“

Sie blieb wortlos in ihrer Stellung.

„Margaret,“ begann er dringender, „sehen Sie mich an und reden Sie ein Wort zu mir, ich kann nicht so von Ihnen gehen, ohne daß Alles, was ich bis jetzt mein Glück und meine Zukunft genannt, über mir zusammenbricht; sagen Sie mir, bin ich Ihnen nichts – nichts als der gewöhnliche Gesellschafter gewesen? – Margaret!“ und aller Drang seines Herzens, die ganze Weiche seines Gefühls lag in dem Tone dieses letzten Wortes.

Da hob sie langsam den Kopf; noch glühte ihr Gesicht, und um den frischen Mund bebte es wie ein Widerspiegeln ihrer erregten Seele, aber aus ihrem tiefen, feuchtglänzenden Auge blickte dem Harrenden eine ganze Welt von Liebe entgegen und ließ es wie einen urplötzlichen Rausch über ihn kommen. Er hatte sie umschlungen und wußte kaum, wie es geschehen, er bedeckte sie, die widerstandslos in seinen Armen hing, mit Küssen und fand sich erst wieder, als sie, eng an ihn geschmiegt, das Gesicht an seiner Brust geborgen hatte. Bald aber, wie sich zusammenraffend, erhob sie den Kopf und faßte seine beiden Hände. „Gehen Sie jetzt,“ sagte sie fast ängstlich, „gehen Sie, Vater kann jeden Augenblick hier sein!“

„O, er soll bald Alles wissen – ich fürchte ja die bösen Geister nicht mehr,“ rief Reichardt im überquellenden Bewußtsein seines Glücks, „aber,“ setzte er plötzlich in deutscher Sprache hinzu, „sag’ ein mal nur „Max“ zu mir, Margaret, und ich gehe!“

Ein Lächeln voll tiefer Seele breitete sich über ihr Gesicht.

„Geh jetzt, Max!“ erwiderte sie deutsch und auf’s Neue von einem dunkeln Roth übergossen, barg sie den Kopf an seiner Schulter. – Den Rückweg nach der Office machte Reichardt fast nur mechanisch. Sich gewaltsam von den immer neu aufsteigenden Erinnerungen an die eben durchlebte Scene losreißend, hatte er alle seine Gedanken auf den nächsten, schwersten Schritt gerichtet, der sich als unmittelbar folgend aus dem jetzt vollbrachten entwickelte. Es wäre ihm unmöglich gewesen, zum Mittagstisch zu bleiben und dem alten Frost ruhig unter die Augen zu treten; eine Frage über sein Ausbleiben konnte nicht fehlen, und ehe er sich mit einer Lüge [548] half, war es besser, das, was einmal geschehen mußte, sofort zu thun – John sollte nicht sagen, daß er keinen Muth gehabt. Er wollte gerade und offen an Margaret’s Vater schreiben, ehe dieser wieder mit ihm zusammentraf. Trotz dieses klaren Entschlusses hatte er, in der Office angelangt, dennoch ein starkes Gefühl von Zagen zu überwinden, ehe er nach der Feder griff, um die letzte Entscheidung seines Schicksals herbeizuführen, und eine geraume Zeit währte es, ehe er die passenden Anfangszeilen gefunden und seine Sätze in Fluß kamen.

Was er schrieb, war der völlige Abdruck seines Innern. Er schilderte mit kurzen Worten seinen früheren Seelenkampf, der ihn zu einem Verlassen des Geschäfts gedrängt, bis Harriet’s Dazwischenkunft Hoffnungen in ihm geweckt, deren Erfüllung bisher als einfache Unmöglichkeit vor ihm gestanden; er erzählte von dem inneren Glück, welches ihm seitdem durch das engere Zusammenleben mit der Familie erblüht und daß er wohl noch lange keinen weiteren Schritt zu einer Aenderung dieser Verhältnisse gewagt hätte, wenn nicht John’s Brief, welchen er beilegte, ihn zum Handeln getrieben. Er bekannte, daß soeben eine Verständigung zwischen ihm und Margaret stattgefunden, daß er aber nicht vermöge, ruhig zu sein, ohne seinem väterlichen Freunde die volle Sachlage eröffnet zu haben. Er sprach keine Bitte aus, äußerte keine Hoffnung, der Brief war nichts als ein vertrauungsvolles Bekenntniß, und so, als er ihn noch einmal durchlesen, schloß er ihn mit einem tiefen Athemzuge und sandte ihn durch einen der Porters nach Frost’s Hause. Es war halb vier Uhr geworden, als er geendigt; aber er wußte, daß Frost vor Vier nie seine Wohnung verließ.

Und nun folgte eine Stunde „Hängens und Bangens in schwebender Pein.“ Bald wollte ihm der rasch gethane Schritt als die größte Uebereilung seines ganzen Lebens erscheinen, bald traten ihm wieder Frost’s wohlwollende Züge vor die Augen, und er suchte sich zu vergegenwärtigen, welchen Ausdruck sie wohl beim Lesen seines Briefs annehmen würden, bald überredete er sich selbst, daß es in der Lage, in welcher er sich befand, kaum einen andern Weg als den eingeschlagenen für ihn hätte geben können. Es war halb fünf Uhr geworden, ohne daß er zu einem Striche an seinen Arbeiten gekommen wäre; mit jeder weiteren Minute aber begann mehr eine stille Bangigkeit über Frost’s verzögerte Ankunft sich seiner zu bemächtigen, und doch, wenn er sich ihn eintretend dachte, hätte er die Entscheidung gern noch weiter hinausgeschoben.

Da öffnete sich plötzlich, ohne daß er ein vorheriges Geräusch vernommen, die Thür; ernst trat der alte Handelsherr in’s Zimmer und schritt mit einem: „Kommen Sie herein, Reichardt!“ hindurch. – Der Angeredete aber hätte nicht zu sagen vermocht, ob die Worte kurz oder freundlich gewesen waren. Nur einige Secunden gebrauchend, um mit einem kräftigen Athemzuge seine Brust zu erweitern und seinen ganzen Muth zusammenzuraffen, folgte er.

Frost hatte sich auf einen der Divans geworfen und deutete mit einem: „Setzen Sie sich einmal hierher, lieber Freund!“ auf einen bereits herbeigezogenen Stuhl. Wie sich einen Moment sammelnd blickte er vor sich nieder, Reichardt aber meinte während dieser Pause sein eigenes Herz schlagen zu hören.

„Sie haben mir einen Brief gesandt,“ begann endlich der Erstere aufsehend, „und ich muß Ihnen sagen, daß Vieles des darin Enthaltenen mir nicht ganz unbekannt war, wenn ich auch kaum einen so raschen Schritt wie Ihren heutigen von Ihnen erwartete. Wie alt sind Sie wohl, Sir?“

„Ein und zwanzig Jahr geworden!“ erwiderte der Deutsche halblaut.

„Very well, und Margaret ist erst siebzehn,“ nickte Frost: „ich gestehe Ihnen aber, daß ich die allzufrühen Heiratben nicht liebe, wenn ich auch Ihrer geistigen Reife gern vollen Credit gebe. Selbst John hat noch Zeit, besonders da durch die Uebersiedelung von Harriet’s Vater jede Nothwendigkeit für eine beeilte Vereinigung der jungen Leute wegfällt, und ich werde ihm noch heute meine Ansicht darüber mittheilen, indessen,“ fuhr er nach kurzem Schweigen fort, während dem langsam die Farbe aus Reichardt’s Backen gewichen war, „will ich gern diese Gelegenheit wahrnehmen, um Ihnen offen meine Absichten und Wünsche in Bezug auf Sie mitzutheilen, so wenig ich auch daran dachte, daß dies jetzt schon geschehen solle. Sie sind mir lieb, Reichardt, ich habe Vertrauen zu Ihrem Charakter und Ihrer eigenthümlich gebildeten Natur, und ich, habe mir gesagt, daß Sie einmal für John, sobald dieser das Geschäft übernähme, eine nothwendige Ergänzung bilden würden, während einige Mängel Ihrerseits, wenigstens Mängel für unser Amerika, die gerade aus Ihren besten Eigenschaften entspringen, durch John paralysirt werden müßten. Ich habe mir ferner gesagt, als ich die erste Ahnung von Ihrer Neigung zu Margaret erhielt, daß es ein reiner Gewinn sei, wenn deren mütterliches Vermögen für das Geschäft durch Sie erhalten blieb, und so gesteht Ihnen der Kaufmann, daß ihre Wünsche mit dem natürlichsten Interesse meinerseits zusammentrafen, denen ich als Mensch, der ich selbst meine Carriere vom armen Clerk aus gemacht habe, kaum etwas entgegen zu setzen gehabt hätte. Aber Sie sind noch in einem Alter, Reichardt, in welchem sich, so viel ich auch von Ihnen hoffe, niemals eine bestimmte Garantie für eine Neigung geben läßt, und Margaret soll ebenfalls erst noch die Welt sehen und sich prüfen; ich will jetzt nicht störend in ein Verhältniß greifen, das sich einmal entsponnen hat, indessen lassen Sie vorläufig einmal ein Jahr oder länger verstreichen, ehe Sie mir wieder einen Brief, ähnlich dem heutigen, schreiben.“

Mit jedem Worte des Sprechenden war die Farbe mehr in Reichardt’s Gesicht zurückgekehrt, seine Augen glänzten auf und wurden größer, zwischen ihnen indessen stand eine sichtlich peinliche Spannung auf das „aber“ des Schlußsatzes, das nicht ausbleiben konnte. Es kam, und kaum hatte er den Sinn desselben ergründet, als er auch aufsprang und mit beiden Händen die Rechte des alten Herrn faßte. „Mr. Frost – !“ mehr ließ ihn seine innere Bewegung nicht sprechen.

All right, Sir! ich weiß, wie Sie’s meinen!“ rief Jener sich erhebend und kräftig des jungen Mannes Hand schüttelnd, „bleiben Sie, wie Sie sind, und Sie sorgen für unser beiderseitiges Interesse. –“

Reichardt war nach seinem Arbeitsplatze zurückgekehrt, aber es litt ihn hier nicht länger; er mußte hinaus und sich Luft machen. Laufende Geschäfte gab es um diese Tageszeit für ihn fast nie, und so griff er nach seinem Hute, raschen Schrittes die Office verlassend. An dem Ausgange zur Straße lief er fast einen ihm begegnenden Menschen über den Haufen, fühlte sich aber auch zugleich fest am Arme gefaßt. „Was ist’s denn, brennt’s oben’?“ Der Kupferschmied war es, der ihm lustig die Worte entgegenwarf und das Gesicht des Eilenden nach dem seinigen kehrte.

„Meißner!“ rief der Letztere angenehm überrascht, „wo stecken Sie denn, daß ich Sie niemals mehr sehe?“

„Arbeit, fürchterliche Arbeit, aber auch Bezahlung danach!“ war die Erwiderung, „er hat seinen Mann gekannt, der Mr. Frost, als er mich unterbrachte, und gewußt, was ich brauche. Noch zwei Jahre so, Reichardt, und ich habe mit meinem Bischen zusammen eine Farm, wie sie mir schon lange in der Nase steckt. Aber noch einmal, was rebellirt denn in Ihrem Kopfe?“

Reichardt blickte ihn mit leuchtenden Augen an. „Sie wissen noch immer nicht, warum ich hier fort wollte, und nicht, warum ich wieder blieb,“ sagte er mit gedämpfter Stimme; „haben Sie wohl, als Sie in Frost’s Hause waren, eine junge Dame dort gesehen ?“

Gespannt nickte der Andere.

„Meißner, das wird meine Frau!“ rief ihm Reichardt im ausbrechenden Glücke in’s Ohr, faßte dann dessen Kopf mit einem derben Schütteln zwischen seine Hände und eilte davon. Der Kupferschmied aber sah ihm einige Secunden wie verblüfft nach, ließ dann einen halblauten Pfiff hören und brummte, mit der Faust in die flache Hand schlagend: „Wahr, und wieder wahr: Nur immer laufen lassen, was sich nicht halten läßt!“

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Die amerikanische Cylinder-Presse.

Unter dem elektrischen Drahtnetzwerke, das sich immer dichter über den Londoner Häuser-und Schornsteinmassen verstrickt, bemerkt man leicht hier und da einen Mittelpunkt zusammenlaufender Fäden, die sich an hohen thurmartigen Säulen vereinigen und von da in's Innere herabzucken. Ganz besonders fällt ein so geschmückter Palast in der Zeitungsgegend der City auf. Es ist die tägliche Geburts- und Werkstätte einer der drei Penny-Zeitungen: „Standard“, „Daily Telegraph“ und „Morning Star“, deren jede täglich in 48 Foliospalten á 150 Zeilen, á 40–50 Buchstaben und daher – mit Rücksicht auf die vielen enggedruckten Theile – in ungefähr 8000 Zeilen und beinahe einer halben Million Buchstaben erscheint und jeden Morgen frisch überall hundert Meilen rund um London für einen Penny oder 10 Pfennige tausendfach ausgeschrieen und Millionen von Menschen in Omnibus, Eisenbahnen und Dampfschiffen vor die Nase gestoßen wird. Die drei Penny-Zeitungen erscheinen täglich in mehr als 200,000 Exemplaren, wovon auf eine einzige mehr als die Hälfte kommen.

Ueber 100,000 Exemplare, jedes mit etwa einer halben Million Buchstaben, alle Morgen frisch, das will geschrieben, gesetzt und besonders gedruckt sein!

Die amerikanische Cylinder-Presse.

Beachten wir hier blos das letzte Wunder – den Druck. Wer nur die oberflächlichste Kenntniß von dem Mechanismus des Druckens, auch in seiner vollkommensten Art mit Dampf, besitzt, wird sich sagen, daß eine Zeitung, die immer von Abend bis etwa Morgens um 2 Uhr geschrieben und gesetzt wird, nicht mit den bei uns bekannten vollkommensten Mitteln schon früh um 7 Uhr in 100,000 Exemplaren über die Welt hin fliegen kann.

Dies ist nur möglich mit einem dampfgetriebenen Mechanismus, der mehr leistet, als alle in Deutschland bis jetzt thätigen Dampfpressen, mit der Hoe’schen „Zehn-Cylinder-Typen-Revolvirungs-Maschine“, wie sie officiell genannt wird. Meines Wissens ist noch kein solches Wunder in Deutschland thätig. Mau könnte sie hier auch schwerlich verwerthen und genügend füttern. Polizei und Steuern und eine altväterische, faule Art, Zeitungen zum Verkauf zu bieten und zu lesen, also Behörden und Publicum und Zeitungseigenthümer zugleich sorgen nach Kräften dafür, daß keine Zeitung wohlfeil, frisch und in 100,000 Exemplaren erscheine.

Die Hoe’sche Maschine wird aber auch bei uns nöthig werden, wenn die Schwingen unseres geistigen und materiellen Lebens von den Bleigewichten polizeilicher Furcht und von unserer eigenen Schwerfälligkeit befreit sind. Bis jetzt hat es blos ein Organ in Deutschland bis über 100,000 Exemplare gebracht, keine Zeitung, sondern das Blatt, das der Leser nicht erst zu suchen braucht, wenn er die Gartenlaube liest.

Sie hat auch zuerst auf die Hoe’sche Presse aufmerksam gemacht. Wir versuchen hier, mit Hülfe einer Abbildung, eine bestimmtere Vorstellung von diesem genialen und praktischen Wunderwerk des amerikanischen Oberst Richard Hoe (gespr. Joh) beizubringen, ohne uns dabei auf technische Einzelnheiten einzulassen, die ohne technische Vorkenntnisse und entsprechende mathematische und mechanische Einzelnheiten doch schwerlich verständlich werden würden.

Das Haupt- und Mittelstück der Maschine ist ein horizontaler, großer Cylinder, 4 1/2 Fuß Durchmesser, der sich, mit den gesetzten Buchstaben auf einem Theil seiner Oberfläche, dreht und damit andere Cylinder, die sich an ihn schließen, in drehende Bewegung setzt. Die abzudruckenden Buchstaben oder Typen nehmen blos ein Viertel der Cylinder-Oberfläche ein, der andere Raum dient mit als Druckerschwärze verbreitendes Mittel. Um diesen Haupt-Cylinder herum liegen parallel zehn kleinere, die Druck-Cylinder, die, während sich ersterer je einmal umdreht, jeder einen weißen Bogen Papier drehend gegen die Typen drucken und so mit jeder Umdrehung des großen Cylinders zehn bedruckte Bogen liefern. Zu beiden Seiten dieses Walzwerks sehen wir in den verschiedenen Etagen der Maschine Jungen, welche jeden der zehn Druck-Cylinder immer mit neuen Bogen versehen. Das ist eine sehr einfache Operation. Die Bogen liegen platt über einander vor ihnen, sodaß sie immer nur den obersten durch einen Druck und Strich mit einem platten Stück Elfenbein zu lockern und an dem einen Rande ein wenig zu lüften brauchen, um sie den metallenen Fingern der Maschine zugänglich zu machen, die bann von selbst den Bogen glatt und sicher in den Mechanismus reißen. Dieser bedruckt die Bogen und liefert sie sicherer, leichter und schneller, als irgend ein intelligenter Organismus erlernen könnte, bedruckt platt über einander mit Hülfe von großen Klappen und Flügeln, wie sie auf der rechten Seite besonders sichtbar werden, auf verschiedenen Stellen ab.

Die Quelle der Druckerschwärze befindet sich unter dem Haupt-Cylinder, von wo sie durch Vertheilungs- und Ausgleichungs-Cylinder nach jeder Druck-Operation frisch auf die Typen gedrückt wird. Die sichere, leichte Art und Weise, wie dies durch bloße Umdrehungen der verschiedenen Cylinder geschieht, kann hier um so weniger veranschaulicht werden, als wir im Bilde gerade vor der Maschine stehen und keinen Anblick von einer Seite gewinnen.

Wir bemerken nur noch, daß die Leichtigkeit und Sicherheit, womit die Maschine 20-30,000 Bogen in der Stunde druckt, auch das dünnste und schwächste, daher wohlfeilste Stroh-Druckpapier verwendbar macht, wie denn auch alle drei Penny-Zeitungen auf solchem Papier erscheinen, wenn sie sich inzwischen nicht schon der befreiten Einfuhr ausländischen Papiers (Deutschland besteuert höchst unnobel noch die Lumpenausfuhr) bemächtigt haben und deutsches Papier brauchen.

Ein großer Vortheil der Maschine ist noch, daß trotz der gerundeten Stellung der Typen-Formen gewöhnliche Typen verwendet werden, nicht, wie für andere Cylinder-Pressen, expreß dazu gegossene. Die Querlinien, womit die Typen befestigt werden, müssen natürlich dem Cylinder entsprechend etwas gerundet sein, während die längs angebrachten ganz gerade sind. Die einfachen mechanischen Vorrichtungen zur Befestigung der gradlinigen Typen in der rundlich gebogenen Form, sodaß sie sogar fester stecken, als in einer ganz ebenen, beruhen auf Schraubenwerten, die sich ohne Zeichnung nicht leicht erklären lassen. Hier kam’s uns blos darauf an, ein Bild von der Maschine zu geben, welche im Stande ist, in jeder Stünde 30,000 Bogen zu bedrucken, welche Leistung, bloßen Menschenhänden anvertraut, kaum für den hundertfachen Preis möglich wäre.

Sie wird von einer 24-Pferdekraft-Maschine getrieben, die jeden Augenblick von der Einwirkung auf die Presse so getrennt [550] werden kann, daß letztere in demselben Augenblicke absolut stillsteht, um durch einen einzigen Griff wieder sofort in Arbeit versetzt zu werden.

Die Presse wiegt über 900 Centner, ist 35 Fuß lang, 12 breit und 18 hoch. Sie kostet an Ort und Stelle in der Hoe’schen Anstalt etwa 8000 Pfund Sterling und einen guten Theil Transport in 40–50 verschiedenen Kisten und Kasten. Sie arbeiten zu sehen, ist ein Genuß, den sonst keine dampfmechanische Thätigkeit gewähren kann, da sich hier Großartigkeit und spielendste Feinheit mit wunderbar erscheinenden Wirkungen vereinigen.





Ein Blatt des Gedenkens an die Wittwe Jean Paul’s.

An einem Nachmittage in den ersten Tagen des Februar 1860 versammelte sich, vor dem Leichenhause des Münchner Friedhofes eine kleine Zahl von Männern, um einer Frau das Grabesgeleite zu geben, die das beneidenswerthe Erdenloos betroffen hatte, einst die Gattin Jean Paul Friedrich Richter’s zu heißen.

Unter der kleinen Zahl von Leidtragenden waren nur wenig künstlerische und literarische Namen vertreten, an denen München in neuester Zeit doch nicht arm ist, nur der alte Vogel v. Vogelstein und Riehl waren zu bemerken. Die Uebrigen glänzten durch ihre Abwesenheit. Der protestantische Geistliche hielt eine lange Rede, in welcher er nebenbei zu bemerken beliebte, daß die Verstorbene die Gattin eines berühmten Mannes gewesen sei, dazu heulte ein eisiger Wind über das öde, offene Grab hin – die Zuhörer fröstelten – es war ein recht trauriges, in Rückblick auf das reiche Leben der Verblichenen unwürdiges Begräbniß.

Der Verfasser dieser Zeilen war nicht nur unter den Anwesenden, sondern auch unter den aus vollem Herzen Leidtragenden. Seine Gedanken gingen von diesem einsamen Grabe nach einem anderen, weit von diesem entfernten, am Fuße des Fichtelgebirges gelegenen, nach dem Grabe auf dem Baireuther Kirchhofe, das Jean Paul und seinen Sohn umschließt. Er hätte so gern seinen Gefühlen und Erinnerungen an dieser Stätte einen Ausdruck gegeben, aber allen den Anwesenden stand bereits die Furcht vor Erkältung auf den Mienen geschrieben, und Erkältung ist in München bekanntlich eine sehr gefährliche Sache.

Wo der Schwerpunkt unseres Wirkens war, da sollte auch die Stätte unserer Ruhe sein, und so hätte die Wittwe Jean Paul’s ihr letztes Plätzchen auf dem schönen Kirchhofe in Baireuth finden müssen, an der Seite ihres Gatten und ihres Sohnes, in der Umgebung der Gräber theurer Freunde, die um Jean Paul’s Ruhestätte gleichsam Grabeswacht hielten. Wie frei und heiter ist der Baireuther Kirchhof gelegen, wie still und traulich ist dieses grüne Plätzchen, Jean Paul’s Grab, das noch von den Eschen des Grabes der Freundin beschattet wird! wie eng und dumpfig dagegen ist das Münchener campo santo, wie öde und schaurig hier das Grab! Eine Frau wie die Wittwe Jean Paul’s, die, ausgestattet mit feinem Verstande und hoher geistiger Selbstständigkeit, ihre einzige und ganze Bedeutung in der Unterordnung unter einen höheren Geist findet, ist in der That bedeutend und wäre schon für sich selbst unseres Interesses würdig, auch ohne den Strahlenglanz, mit dem ein Dichterhaupt auch das ihrige umzogen hat.

Aus dem geistig regen Berlin, aus glänzenden Verhältnissen war sie im ersten Jahre dieses Jahrhunderts dem Dichter in die Einsamkeit und Einfachheit seines Lebens gefolgt. Jean Paul war in seiner Jugend eine Gefahr für alle Frauenherzen. Groß und schlank von Gestalt, hatte er einen Kopf von echt germanischer Schönheit: ein großes, tiefes blaues Auge, eine gewölbte Stirn, blondes in’s Bräunliche spielendes gewelltes Haar und dazu etwas Unsagbares in seiner Stimme, das, vereint mit hoher Begeisterungsfähigkeit, die Herzen Aller bezwang. Von seinem ersten Erscheinen in Weimar 1796 an bis zu seiner zweiten Anwesenheit in Berlin 1801 war sein Leben ein immerwährender Triumphzug durch die Herzen der Frauen zu nennen. Sie zogen ihm nach wie einem anderen Rattenfänger von Hameln. Er hatte heiße Liebeskämpfe zu bestehen mit Charlotte von Kalb, Emilie von Berlepsch, mit Caroline von F., einer Hofdame der Herzogin von Hildburghausen. Glänzend und genialisch erfüllten sie seine Phantasie – aber nicht sein Herz, dieses war nur einer aufbehalten, Carolinen, der Tochter des Geheimen Obertribunalraths Meyer in Berlin.

Nach einem längeren Aufenthalte am Hofe der Herzogin von Hildburghausen, einer der vier Schwestern auf dem Throne, an die er die Widmung des Titan gerichtet hatte, nach einer neuen Herzenstäuschung mit der erwähnten Hofdame, war der bereits in der Mitte der dreißiger Jahre stehende Dichter damals nach Berlin gekommen, und hier, auf der Grenze zweier Jahrhunderte, auf der Höhe seines Schaffens und seines Ruhmes, sollte er durch ein Zusammentreffen von Umständen, welches wir kurzsichtige Menschen Zufall nennen, diejenige finden, welche alle Ansprüche an das Weib seines Herzens und seiner Wahl zu erfüllen versprach. Der gelehrte Kriegsrath Zöllner hatte zu Ehren des Dichters ein großes Gartenfest veranstaltet. Es war jene social unschuldige Zeit, wo ein preußischer Minister einen deutschen Dichter noch zur Tafel einlud, und Jean Paul hatte beim Minister von Alvensleben gegessen, so daß er um einige Stunden später, als die Gesellschaft geladen war, in dem Gesellschaftslocal eintraf. Nur noch ein Platz am Ende der Tafel war leer, an der Seite Carolinens, den der Dichter denn auch sofort einnahm und den ganzen Abend nicht mehr verließ, so sehr hatte ihn seine Nachbarin durch ihre mädchenhafte Anmuth, die Einfachheit und Feinheit ihrer Manieren, durch Geist, Bildung, Reinheit der Gesinnung, Verehrung alles Schönen und Großen, vor Allem aber durch jenes selbstlose, unbegrenzte Wohlwollen für alle Menschen, welches er bei den Frauen bisher gesucht, aber nicht gefunden hatte, zu fesseln gewußt. Dieser Abend hatte für sein Herz entschieden, doch erklärte er sich bestimmt erst nach einem halben Jahre in einem Briefe an den Vater.

Ein Dichter auch im Leben, feierte er im Wonnemonate seine Hochzeit, zu welcher ihm die Königin Louise von Preußen durch den Herzog Georg von Mecklenburg, ihren Bruder, ein silbernes Theeservice überreichen ließ.

Ueber diese erste Begegnung Jean Paul’s mit seiner Gattin war lange Zeit eine andere Lesart in Umlauf, die romantischer klang als jene. Nach dieser hätte Jean Paul, eingeladen bei Carolinens Vater, der sich für literarische Bestrebungen lebhaft interessirte, sich nach Tisch in ein Zimmer zurückgezogen und sei dort eingeschlafen: Caroline sei ohne Vorwissen durch ein Geschäft in das Zimmer gerathen, hätte den schlafenden schönen Dichter erblickt und sich nicht enthalten können, auf seine Lippen einen Kuß zu drücken. Jean Paul sei erwacht, aufgesprungen und dem tief beschämten Mädchen mit den Worten nachgeeilt: Sie müssen meine Frau werden! An der ganzen Geschichte ist aber kein Wort wahr. Dieselbe war nach der Versicherung der Gattin Jean Paul’s die böswillige Erfindung eines neidischen Mädchens, das sich auf Jean Paul Hoffnung gemacht hatte.

Als vorläufiger Wohnort des jungen Paares war Meiningen bestimmt, wo Einsamkeit und die freundlichen Beziehungen des Dichtern zum Herzog einen ebenso angenehmen als poetisch fruchtreichen Aufenthalt versprachen. Auf dem Wege dahin stellte der neugebackene Legationsrath, welchen Titel Richter kurz vor seiner Verheirathung von dem Herzog von Hildburghausen erhalten hatte, die junge Frau dem Dichterhofe in Weimar vor. Sie fand durch Natürlichkeit, Anmuth und Geist, namentlich in den Kreisen von Herder, Wieland, Knebel und Einsiedel, großen Beifall, auch die Herzogin Amalie zeichnete sie besonders aus und versprach bei dem ersten freudigen Familienereignisse die Pathenstelle zu übernehmen. Nur Goethe und Schiller mit ihren geläuterten Schönheitsidealen verhielten sich diesmal gegen den formlosen Dichter und dessen Frau mit auffallender Zurückhaltung, und auf der andern Seite war die junge Frau in ihrem sittlichen Gefühle um keinen Preis zu bewegen, Goethe’s Haus zu betreten, wo bereits Fräulein Vulpius ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Ihre Bekanntschaft mit Goethe beschränkte sich daher auf ein flüchtiges Begegnen am dritten Orte. Noch schlimmer war es ihr mit Schiller ergangen, den sie im Theater bei einer Vorstellung des Wallenstein und auch nur aus der Ferne gesehen hatte.

Der Aufenthalt in Meiningen währte trotz der Bitten des [551] Herzogs und der Anerbietungen des Präsidenten von Heim nur zwei Jahre. Von Meiningen wurde für ein Jahr der Wohnsitz nach Coburg, immer näher an Baireuth, verlegt, bis dann die Übersiedelung nach dem Ziele der Sehnsucht Jean Paul’s, nach dessen geliebtem sonnigen Marienthale am Südabhange des Fichtelgebirges, nach Baireuth, vollständig geschah. Hier übte die Verstorbene fast durch ein halbes Jahrhundert, still und verborgen vor der Welt, jene hohen Tugenden, welche ihr bis an’s Lebensende die Achtung und Verehrung aller derer erworben haben, welche das Glück hatten, auf ihrem Lebenswege ihr zu begegnen. Wenn auch Manche finden wollen, daß im Aeußern Baireuth, natürlich reducirt, mit Berlin eine auffallende Aehnlichkeit habe, so läßt sich das weniger von der Gesellschaft sagen, obwohl es damals in dieser Richtung noch besser war, als heute. Wir wollen damit nur andeuten, wie schwer es jeder anderen Frau mit weniger Genügsamkeit und Lebensklugheit geworden wäre, sich in die neuen, oft kleinlichen gesellschaftlichen Verhältnisse zu finden. Aber der Liebe wird Alles leicht. Die junge Gattin und Mutter war mit ihrem Herzen ganz in die Herzen ihres Gatten und ihrer drei Kinder hineingewachsen. Sie war für Jean Paul die leise, die unsichtbare Hand, die vor ihm her Alles aus dem Wege räumte, was den hohen Schwung seines Geistes hätte hemmen können. Sie war ihm Natalie und Lenette zugleich, Natalie, mit der er von den höchsten Dingen reden konnte, Lenette, die ihm die saftigsten Braten vorsetzte. Sie allein hatte seine hieroglyphischen Charaktere, die er Schrift nannte, entziffern können. Was er Tags über geschrieben hatte, ging Abends zum Copiren in ihre Hände über. War auf diese Weise ein Werk beendigt, so wurde es von beiden Seiten einer genauen Durchsicht unterzogen und ein Heft angelegt, in welches die Ergänzungen mit dem Zeichen eines Quadrates und einer Zahl eingetragen wurden, während eine bloße Einschaltung nur mit einem Halbmonde bezeichnet war. Die Folge einer zweiten Durchsicht war ein zweites Heft, welches zur Aufnahme der Ergänzungen jener Ergänzungen bestimmt war. Daher dieses Einschaltungssystem, dieser endlose Periodenbau in den Werken des Dichters, der übrigens an seinen Erzeugnissen außerordentlich feilte und nicht das kleinste Billet ohne eine originelle Wendung des Gedankens schreiben konnte.

Auf diese Weise hatte die Gattin alle von 1801–1818 erschienenen Werke copirt, später übernahm die älteste Tochter diese Beschäftigung, nicht ohne Gefahr für ihre eigne geistige Selbständigkeit. Aller Geist ist egoistisch, und Jean Paul war ein so mächtiger, daß er ganz unbewußt keine geistige Eigenart neben sich bestehen ließ. So mußte sich auch die Gattin allmählich von dem mächtigen Magnete anziehen lassen und nahm unwillkürlich seine Sym- und Antipathien an. Namentlich war dies in literarischer Beziehung der Fall. Herder und später die Romantiker standen ihrem Gefühl und Geschmacke näher, als Goethe und Schiller; nächst jenen waren ihr Sterne, Swift, Smolett lieb, von denen sie noch in späteren Jahren die durchlesenen Handexemplare Jean Paul’s besaß. Von dem regen Bildungseifer der Frau möchte am deutlichsten der Umstand sprechen, daß die fast siebenzigjährige noch englischen Unterricht nahm.

Alle Humoristen lieben eine gute Küche, und bei Jean Paul war dies in den Jahren seiner Ehe um so mehr der Fall, als er früher die Genüsse des Lebens hatte entbehren müssen. Wie er in seinem ganzen Leben die Beziehungen zu seiner Jugend festhielt, so liebte er auch die Speisen in der Art, wie sie seine Mutter einst zubereitet hatte. Nicht ohne Mühe gelang es der jungen Frau, dieses Geheimniß der Zubereitung zu ergründen. Ihr zarter Sinn wußte seinen Neigungen und Liebhabereien in jeder Weise entgegenzukommen. So fehlte am Martinitage nie eine fette Gans auf dem Tische. Jedes der Kirchenfeste hatte sein eigenes Gebäck, und Weihnachten durfte die Stolle um keinen Preis fehlen, und die Stolle mußte aus Hof sein. „Natürlich aber buk ich sie selbst, und die größte Lust hatte ich, wenn er beim Essen derselben meinte, in Hof habe man doch einen eigenthümlichen Vortheil in der Bereitung des Backwerkes.“ Bei diesen Worten lächelte sie und freute sich in späten Tagen noch über diese ökonomische Mystifikation.

Der Tod des einzigen einundzwanzigjährigen Sohnes hatte ihrem liebenden Mutterherzen eine tiefe Wunde geschlagen, und dazu mußte sie ihren eigenen ungeheueren Schmerz in die Brust zurückdrängen, um den des Vaters zu mildern. Max Richter war das Opfer des Ruhmes seines Vaters, er wollte in dessen Fußstapfen treten, verzweifelte an seiner Kraft und rieb sich innerlich selbst auf. Die Mutter liebte diesen an Körper und Geist gleich hoffnungsvollen Sohn, wie nur je eine Mutter ein Kind geliebt hat. Noch am Ende ihrer Tage war das Andenken an diesen Sohn der nie versiechende Thränenquell ihres Herzens. Oft traf der Verfasser sie lesend in den Briefen des Sohnes oder denen des damaligen Prorectors der Universität Heidelberg, des Hofraths Schwarz, der über den strebenden, ringenden Jüngling für das Mutterherz wahre Dithyramben geschrieben hatte.

Wenn man bisher von Jean Paul’s Privatleben sprach, legte man den Beziehungen zu einer Frau eine Bedeutung bei, die jedenfalls übertrieben ist. Frau Rollwenzel, die Wirthin am Wege nach Eremitage, war eine ganz gute, biedere Frau, die vortreffliche Kuchen buk und eine Stärke in der Bereitung von Karpfen besaß, aber eine Frau, an welche den Dichter lediglich die Gewohnheit fesselte und vielleicht auch eine kleine Dosis von Eigenliebe, deren Reiz gerade in der Bewunderung einer Frau auf dieser niedern Stufe der Gesellschaft lag. Frau Rollwenzel weinte stets, wenn ihr der Dichter seine Producte vorlas. Ja, aber sicherlich hat sie nicht verstanden, was er ihr las, und gewiß hätte ein ehrenfester Leichensermon des kräftigen Pfarrers von St. Johannis bei ihr dieselbe Wirkung gethan.

Von innigeren Beziehungen, die man hier und da hatte durchschimmern lassen, konnte nicht die Rede sein. Wenn wir auch zugeben, daß die Ehe Jean Paul’s nicht ohne jene Conflicte blieb, die jeder tiefere, geistige Inhalt dieses heiligen Verhältnisses bedingt, Conflicte, die um so tiefer sein werden, je bedeutender zwei Naturen, so war doch seine Gesinnung zu rein, sein Begriff von der Ehe zu erhaben, als daß er sich in dieser Beziehung je hätte etwas zu Schulden kommen lassen. Das eheliche Band zwischen Beiden war durch ein geistiges Band gefestet und verklärt. Seine Liebe und Verehrung für die Gattin war am Ende dieser Ehe dieselbe wie im Anfang geblieben, und mit Recht konnte sie nach dem Tode des Gatten an eine befreundete Dame schreiben: „Ich möchte mein Leben mit keinem andern vertauschen. Ich habe in jeder Beziehung das Höchste genossen.“ Daher sie auch nach dem Heimgange ihres Mannes in Briefen an befreundete und distinguirte Personen sich mit einem gewissen Stolz in ihrer prächtigen Handschrift als die Wittwe Jean Paul’s unterschrieb.

Nach dem Tode des Gatten war es einsam um sie geworden. Die beiden Töchter folgten dem Zuge ihres Herzens und der Bestimmung ihrer Gatten nach München. Die ältere hatte den früheren Maler und späteren Kunstschriftsteller Ernst Förster geheirathet, die jüngere einen bairischen Officier. Von den Freunden des Hauses waren die einen von Baireuth weggezogen, wie Hofrath Langermann, der einem Rufe nach Berlin folgte, ferner ein Sohn Herder’s, andere starben Einer nach dem Andern hin, wie die Familie des Präsidenten von Welden, Emanuel Osmund, der katholische Geistliche Oestreicher. – „Oft kommt es mir vor, als wäre ich auch schon gestorben,“ pflegte sie oft zu äußern.

Vom Jahre 1825 bis 1850 führte sie in Baireuth jenes stille Wittwenleben, von dem wir nachher sprechen werben. Ein zweimaliger Aufenthalt in München und eine Reise nach Berlin, waren die einzigen Unterbrechungen. In Berlin begegnete man der seltenen Frau mit besonderer Aufmerksamkeit, besonders von Seiten der Frau von Paalzow und der Prinzessin Wilhelm, welche der Wittwe des Verfassers der Levana mit ihrer jüngsten Tochter, der späteren Königin von Baiern, auf dem Arme entgegenkam.

Eine freudige Botschaft war für die Ueberlebende der Entschluß König Ludwig’s, Jean Paul auf dem Gymnasiumsplatze in Baireuth eine Statue zu errichten, und diese Enthüllungsfeierlichkeiten waren die glänzenden Herbstlichter ihres Lebens. „Anfangs,“ äußerte sie, „war es mir, als ob ein Schwert durch meine Seele dränge, wenn ich an dem Standbild vorüberging – später verlor sich zwar das Gefühl, aber wenn ich es heute noch vermeiden kann, vorüberzugehen, vermeide ich es doch.“

Man muß es den Baireuthern zum Lobe nachsagen, daß sie die Ehre, die Wittwe Jean Paul’s in ihren Mauern zu haben, wohl zu schätzen wußten. Von Seite der Gesellschaft war „die Frau Legationsräthin“ der Gegenstand zarter und steter Auszeichnung, von den niederen Schichten wurde der „Jean Paulin“ als einem Wesen höherer Art begegnet. Voll pietätvoller Rücksicht benahm sich vorzüglich die Familie des Banquier Schwabacher gegen sie, indem sie von der großen Wohnung, die Jean Paul bei Lebzeiten [552] inne hatte, das Arbeitszimmer und das Wohnzimmer des Dichters zum Nachtheil des größeren Theiles absonderte und der Wittwe überließ, welche noch durch fünfundzwanzig Jahre diese Räume bewohnte. Der Verfasser erinnert sich heute noch des Gefühles der bangen Ehrfurcht, mit welcher er als achtzehnjähriger Mensch diese Räume betrat. Eine kleine Frau, gekleidet in ein graues, dichtes Wollengewand, empfing ihn. Die Gestalt war etwas gebeugt, aber von feinem Anstand und edler Würde gehalten. Der Kopf in der Umrahmung der sehr dichten Garnirung einer fast altmodischen Haube, war der Ausdruck geistiger Frische und herzlicher Güte. Die Wangen behielten merkwürdiger Weise bis in das höchste Alter einen rosigen Anflug, und dieses große, klare, glänzend braune Auge war der thatsächliche Beleg für ihren Ausspruch: „Ich bin der Meinung, daß, je älter, desto glühender man wird.“

Die ganze Einrichtung der Wohnung war einfach und schmucklos und erinnerte an frühere Zeiten. An einer Wand hing in braunpolirtem Rahmen eine größere Zeichnung des verstorbenen Sohnes, dieser gegenüber ein Pastellbild Jean Paul’s aus dessen späteren Jahren, gemalt von Kreul in Nürnberg, und darunter ein Medaillonbild des Obertribunalrathes Meyer. An dieser Wand stand auch das altmodische, mit braunem Wollzeug bezogene Sopha, auf dem der Dichter seinen letzten Athemzug ausgehaucht hatte. Das daneben liegende Arbeitszimmer Jean Paul’s, in dessen Heiligthum einst nur die geistreiche Herzogin von Kurland einzudringen so glücklich war, hatte sich für den Verfasser nur einmal, und zwar bei einer festlichen Gelegenheit, geöffnet. Da war noch der Tisch, an dem der Dichter gearbeitet, das Repositorium, in dessen Fächern die Tagebücher, Collectaneen und Manuscripte lagen, da waren noch die Stiegen für die Kanarienvögel, da hing eine Bleistiftzeichnung, Portrait Jean Paul’s aus seiner Jugend, da waren noch viele theure Reliquien, und ein Blick durch das Fenster fiel auf die dichte grüne Laube des Gartens, in welcher er so oft den Eingebungen seinen Genius gelauscht hatte, und flog weiter nach den lichtblauen Höhen des Fichtelgebirges.

Ein hoher Genuß war es, wenn die Legationsräthin Einen einlud, an ihrer Seite auf dem Sopha Platz zu nehmen, wenn sie vergangene Zeiten und Menschen heraufbeschwor oder irgend ein Thema aus der Geschichte des Tages herausnahm und mit ihrem klaren, sanften, wohltönenden Organ eine Unterhaltung darüber anknüpfte. Sie interessirte sich für alle Erscheinungen des Tages, sei es in Literatur oder Politik. Namentlich hatte sie das Jahr 1848 beschäftigt, und Verfasser konnte sich bei ihrer Furcht vor der Republik hin und wieder eines Lächelns nicht erwehren. „Die Republik,“ behauptete sie, „sei nur eine Staatsform für Branntweintrinker.“ Nach den Ideen und Kreisen, in denen sie sich bewegte, darf eine solche Aeußerung ebensowenig Wunder nehmen, als es unrecht wäre, zu glauben, daß die Vertreterin derselben eine gehorsame Dienerin ihres aristokratischen Umganges gewesen sei.

Wenn Aristokraten hochmüthig waren, und sie die Absicht merkte, war sie es noch mehr, trotz ihres bescheidenen, anspruchslosen Sinnes, der so weit ging, daß sie nie zu bewegen war, zu einem Portrait zu sitzen. So conservativ sie in politischen Dingen war, so freisinnig war sie in religiösen. Ihre religiösen Anschauungen wurzelten in dem seichten Rationalismus ihrer Jugendzeit. Sie halte denselben aber mit einem positiven, geistigen Inhalt zu vertiefen gewußt. Der Grün-Donnerstag war ihr Abendmahlstag. – „Ich nehme das Abendmahl nicht etwa in dem Glauben, daß ich damit den wahren Leib und das wahre Blut Christi erhalte, sondern daß ich durch Erneuerung dieser äußeren Form desto thätiger und wirksamer in der Liebe gegen meine Mitmenschen werde.“ – Bei ihrer Begeisterung für alles Edle war ihr jede Rohheit in Gesinnung oder That auf das Tiefste verhaßt. Es strahlte eine sittliche Würde von ihr aus, die glücklicherweise jede derartige Aeußerung von selbst von ihr ferne hielt. „Es ist ein schlechter Geschmack,“ lautet die Stelle eines ihrer Briefe, „Geschmack am Schlechten zu finden, und schon aus ästhetischem Gefühl sollte man immer gut sein.“ Dabei war ihre Redeweise immer fein und gewählt, und für das Gemeine in der Welt hatte sie keine Worte.

Bewundernswerth war ihr praktischer, ökonomischer Sinn, der dem Baireuther Publicum Anlaß zur Erfindung von allerhand kleinen Anekdoten gab. Die guten Leute konnten nicht begreifen, wie eine Frau, die eine nicht unbedeutende Pension und vielleicht ein Vermögen von 40,000 Thlr. besaß (35,000 Thlr. hatte Reimer in Berlin für das Verlagsrecht sämmtlicher Schriften bezahlt), wie diese mit fast kaum 300 Thalern jährlich sich begnügen konnte. Es ist wahr, daß sie ihre Gäste nicht eben lucullisch bewirthete, aber wer hätte das auch verlangt? Dafür war sie für ihre Familie das Bild werkthätiger, edler, nie ermüdender Liebe. Für ihre Familie strickte, nähte sie den ganzen Tag, für ihre Familie hätte sie selbst darben können, und dem Bitten und Drängen dieser Familie nachgebend, entschloß sie sich im Jahre 1850, Baireuth zu verlassen und nach München in das Haus Förster’s überzusiedeln. „Seit zwei Monaten,“ schrieb sie in einem Briefe aus München vom 25. Juli 1850, „bin ich nun mit aller Habe hier und, indem ich die Bedürfnisse und Wünsche aller Meinigen mit allen Sinnen wahrnehmen und belauschen kann, viel glücklicher, als in Baireuth. Freilich kann ich jetzt weniger mir selbst leben, allein befriedigter, beruhigter, indem ich für diese theuersten Gegenstände meiner Sorge und meiner Liebe das Möglichste zu thun in Nichts gehindert bin. Sie haben mich, entfernt von ihnen, nur immer für sie beschäftigt gesehen, beurtheilen Sie demnach die Aufgaben, die ich mir selber stellte, da ich ihnen nahe bin, und die Bedürfnisse von elf Menschen meinem Auge naheliegen. Auf Welt und Geselligkeit habe ich verzichtet, sogar die brieflichen Mittheilungen an entfernte Freunde und Bekannte sehe ich mich genöthigt zu beschränken, und möchte fast Jeden bitten, mich für todt zu halten, was ja auch so gut sein könnte und hoffentlich nicht mehr ferne sein wird.“

Ehe sie aber dieses Ziel erreichte, sollte ihr der bittre Kelch des Lebens und der Schmerzen noch einmal gereicht werden. Sie sollte noch am Sarge ihrer ältesten Tochter weinen, die im Anfang des Jahres 1853 starb. „Gott hatte dieses reine, nur Liebe ausströmende Herz viel lieber, als mich, und nahm sie, auf dem Höhepunkt ihres Lebens stehend, in seine Vaterarme auf. Bald ihr nachzufolgen, ist mein innigstes Gebet!“

So schrieb sie am Tage nach dem Scheiden dieser Tochter. Sie folgte ihr erst nach sieben Jahren, fast an demselben Tage, nach einem Leben voll Mühe und Liebe im dreiundachtzigsten Lebensjahre.

Georg Horn.


Pariser Bilder und Geschichten.
Von Sigmund Kolisch.
Mirès.

Der Gerichtspalast von Paris brachte in den ersten Tagen des Juli ein Drama zur Aufführung, welches ein grelles Licht auf die politisch-socialen Zustände des französischen Kaiserreichs wirft und einen Abgrund zeigt, der geeignet ist, nicht nur die zunächst betheiligte Gesellschaft, sondern die europäischen Völker sammt und sondern zu erschrecken und zu belehren.

Die Moral, welche aus diesem Drama schreit, lautet: „Wehe, tausendfach wehe der Nation, die in einem Anfall von feiger Angst ihre Kräfte hingiebt, einem Herrn, wie er auch geartet sei, die sich taub, blind und stumm machen läßt, damit sie nicht höre, was über ihr Schicksal berathen wird, nicht sehe, wie man die Fäden spinnt, an welchen sie gehalten und geführt wird, damit ihr kein Warnungs- und Schmerzensruf entfahre! Ohne Freiheit keine Sicherheit, ohne Freiheit der Presse keine Sicherheit der Person und des Eigenthums, keine Redlichkeit in der Verwaltung, keine Gesetzlichkeit, alle Interessen der Bürger der Willkür des Beamtenthums, den Uebervortheilungen jeder Art bloßgestellt. Die Entwürdigung und die Demoralisation werden allgemein, da Jeder sich gezwungen sieht, seine Ueberzeugung zu verbergen, zu verleugnen oder gar aufzugeben, wenn diese der Behörde, die Alles vermag, mißfällig sein könnte und ihm folglich nur zwischen Feigheit und Abtrünnigkeit die traurige Wahl bleibt.“ Das ist die Moral. [553] Das Drama, von dem hier gesprochen wird, ist nichts Anderes, als der gegen Herrn Jules Mirès geführte Proceß. Kaum läßt sich’s entscheiden, wer in dem Schauspiel die kläglichste Rolle spielt, ob die Angeklagten, ob die Ankläger, oder die Richter. Fürchterlich erscheint jedenfalls, was in demselben als Fatum auftritt und Alles lenkt, Alles beherrscht, Alles erdrückt. Der vielbeneidete Speculant, der als „großes Muster“ „Nacheiferung“ weckte, dessen Erfolge die nach Gewinn lüsterne Generation reizten, den Arbeiter aus seiner Werkstatt, den Bauer von seinem Pfluge, den Concierge aus seiner Loge, den Beamten aus seiner Kanzlei, den Kaufmann aus seinem Laden, den Künstler von seiner Feder, seinem Meißel oder Pinsel, das Weib aus dem Heiligthume ihres Hauses, von ihren Kindern zu dem gefährlichen Spiele zogen, in welchem sie die redlich im Schweiße des Angesichts erworbenen Groschen, ihr eigenes Heil, ihre eigene Zukunft, das Heil und die Zukunft der Ihrigen einsetzten und verloren, dieser Speculant, welchem Tausende wie einem glänzenden Stern bewundernd folgten, wurde am 11. Juli wegen Betrugs und Mißbrauchs des Vertrauens zu fünf Jahren Gefängniß verurtheilt.

In der Begründung des strengen Spruches wird ihm zur Last gelegt, daß er Actien, welche in die von ihm geleitete Geldanstalt, die sogenannte „Allgemeine Eisenbahncasse“ als Unterpfand niedergelegt wurden, ohne Willen und Wissen der Besitzer zu hohen Preisen verkauft, daß er die Besitzer durch Ertheilung der von den Papieren entfallenden Interessen in dem Wahne erhalten hat, daß ihre Einlagen, die nicht mehr existirten, unangetastet geblieben, und sie erst dann von dem Verkauf in Kenntniß setzte, als die Actien im Werthe bedeutend gesunken waren, und dadurch, daß er ihnen diesen niedern Preis anrechnete, einen bedeutenden Gewinn erreichte. Ferner wird ihm zur Last gelegt, daß er gegen einen bloßen Empfangsschein Actien der Gesellschaft, deren Geschäfte er führte, aus der Casse nahm, sie verkaufte und wieder zurückkaufte und den durch diese Operation erzielten Gewinn, welcher der Gesellschaft gehörte, behielt, – daß er Einzahlungen auf Eisenbahnobligationen annahm, die nicht vorhanden waren, da die Unterzeichnungen zahlreicher, als die ausgegebenen Obligationen waren, – daß er endlich in den Jahren 1858, 1859 und 1860 den Actionären seiner „Caisse“ falsche Dividende, d. h. einen Gewinnst ertheilte, der nicht vorhanden, sondern vom Capital genommen war, wodurch die Actionäre und das Publicum irre geführt wurden.

Herr Mirès hätte sich besser vertheidigen können, als er es gethan hat, und statt die Ungesetzlichkeiten, die er sich zu Schulden kommen ließ, juristisch rechtfertigen zu wollen, hätte er seinen Richtern folgende Fragen stellen sollen: Bin ich nicht das natürliche Product der bestehenden Verhältnisse? Folgte ich nicht der vorherrschenden Moral, die den Erfolg höher stellt, als das Gesetz, die dem Gelingen, dem glücklichen Resultat das Recht zu Füßen legt und dem Sieg, wie er auch erfochten sein mag, den Preis ertheilt? Kann ich dafür, daß die Gesellschaft, geistig gelähmt und entwürdigt, gezwungen, alle höheren Bestrebungen aufzugeben, das Gebot beobachtete: Du sollst keine andern Götter haben neben dem Golde, und der als ein Heiliger verehrt wurde, der sich im Dienste des Goldes vor Allen hervorthat? daß man die Größe eines Menschen, wie in einer dahingeschwundenen Zeit einzig nach der Zahl der erlegten Feinde und der eroberten Waffen, nach der Zahl der erbeuteten Millionen maß? Steht es nicht in meinen Büchern verzeichnet und weiß man es nicht auch ohnedies, wonach die mit den höchsten Staatsämtern bekleideten Personen jagen? Kann von mir mehr Tugend, als von den Männern gefordert werden, welche das allerhöchste Vertrauen genießen und die Interessen der Nation in Händen haben? Mußte ich nicht denken, daß ich recht handle, da ich mit den Vertretern der Gesetze Hand in Hand ging? Wenn meine Ausweise unrichtig waren, meine Inventarien Ziffern anführten, die nicht ganz an ihrer Stelle waren: ahmte ich darin nicht dem officiellen Beispiele nach? Hat man nicht häufig an dem Staatsbudget das, was man das „Gleichgewicht“ nennt, bewundert, das doch lediglich einer glücklichen, aber freilich etwas willkürlichen Anreihung von Ziffern zu verdanken ist? Wirft man dem Crèdit mobilier, der von der Regierung beschützten und begünstigten Anstalt, nicht dasselbe vor wie mir? Hört man nicht auf der Börse, in den Rechenstuben, überhaupt in den Kreisen der Geldleute über Unrichtigkeit der Werthangaben schreien, so oft die Herren Pereire einen Ausweis über die Geschäfte der von ihnen vertretenen Anstalten liefern? Murrt man nicht überall und laut genug gegen die Geschäfte, die der Crèdit mobilier zusammen mit dem Seinepräfecten, Herrn von Haußmann, macht? gegen die Arbeiten, die sie zusammen in Paris ausführen, und von denen der größte Nutzen, wie geklagt wird, eben nicht der Stadt zufällt? Sollte es Ihnen nicht bekannt geworden sein, daß Herr Louis Lazare in dem von ihm redigirten Municipalblatte, Revue municipale, einen Artikel veröffentlichen wollte, in welchem er nachwies, daß die Arbeiten, die die Crèdit mobilier in Paris ausführen läßt, nach einem Plane vorgenommen werden, welcher sich auf dem Stadthause befindet, und welcher nur widerrechtlicher Weise von einer so hochgestellten Person, wie der Seinepräfect, mitgetheilt werden konnte? Hat die Sache dadurch ihre Bedeutung verloren, daß man den Redacteur höflichst ersuchte, den Artikel dem Feuertod oder mindestens dem Gefängniß in dem Schreibepulte zu überliefern? Warum ist die Gerechtigkeit in Frankreich auf der einen Seite nicht nur blind, sondern auch taub und stumm, und auf der andern Seite scharfsichtig, von feinem Gehör und redselig? Warum wiegt sie auf ihrer Wage mit ungleichem Gewicht? – Es wäre dem kaiserlichen Advocaten, der die Anklage zu unterstützen hatte, schwer geworden, auf diese Fragen zu antworten.

Herr Mirès (Jules) hat im December des Jahres 1809 zu Bordeaux das Licht der Welt erblickt. Vermögenlos, ohne ein Handwerk erlernt zu haben, ohne alle Kenntnisse, schleppte er sich seit seinem zwölften Jahre von Anstellung zu Anstellung, bis er 1841 den Weg aller Unzufriedenen, aller Glücksucher in Frankreich einschlug, den Weg nach Paris. Aber auch in der großen Stadt versuchte er Mancherlei ohne Erfolg. Erst gegen Ende des Jahres 1844 fand er an der Börse den geeigneten Schauplatz für seine Thätigkeit. Im Jahre 1848 kaufte er mit Herrn Millaud zusammen die Eisenbahnzeitung, wodurch er den Grund zu seinem Emporkommen legte. Von da ab nahmen sein Ruf und sein Reichthum zu. Große, kühne finanzielle und industrielle Unternehmungen folgten eine auf die andere, bis gegen Ende des Jahres 1860 das Unheil in der Form eines Processes über ihn hereinbrach. Sonnabend den 15. December (1860) wurden die Bücher in den Rechenstuben der Allgemeinen Eisenbahncasse gerichtlich versiegelt, und zwar in dem Augenblicke, als Herr Mirès im Namen der ganzen vertretenen Gesellschaft die Actien der abgeschlossenen türkischen Anleihe auszugeben im Begriffe stand.

Die gerichtliche Maßregel wurde durch einen Baron Pontalba herbeigeführt, welcher sich als Angeber im häßlichsten Sinne des Wortes darstellt. Es ist nicht zu berechnen, wie groß und heilig der Zweck einer Angeberei sein muß, um dieser den empörenden, widrigen Charakter zu benehmen. Die Angeberei des Herrn von Pontalba ist von der niedrigsten Art; denn sie entsprang unbestreitbar aus dem gemeinsten persönlichen Interesse.

Der Baron Pontalba ist ein adeliger Börsenspieler. Seine Mutter befindet sich im Besitze eines beträchtlichen Vermögens, das die kluge Frau aber durchaus nicht gesonnen ist, von ihrem Sohne verspielen und verprassen zu lassen, der bereits Millionen durchgebracht hat. Folgende Scene, von der man erzählt, ist am besten geeignet, den würdigen Baron Pontalba zu kennzeichnen.

Eines Abends vor Sonnenuntergang befindet er sich in dem Salon seiner Mutter. Mit einem Male verlangen Gerichtsdiener im Namen des Gesetzes Einlaß. Der Commissär, welcher sie führt, zeigt einen Verhaftsbefehl vor, ausgestellt gegen Herrn v. Pontalba, der Wechsel unterzeichnet hätte und die betreffenden Summen nicht bezahlen könne. Die Diener der Gerechtigkeit thun, was ihre Pflicht, und bemächtigen sich der Person des Schuldners. Dieser sinkt in Ohnmacht; Frau von Pontalba, wie sehr sie das Thun und Treiben ihres Sohnes mißbilligt, fühlt doch wie eine Mutter; geängstigt und ergriffen von dem Auftritt vor ihren Augen, bezahlt sie die Wechsel, die ihr Sohn ausgestellt hat. – Und darauf war es abgesehen. Herr v. Pontalba brauchte Geld und setzte dieses erbauliche Drama mit Hülfe eines Freundes in Scene, dem er Wechsel ausstellte und von dem er sich verfolgen ließ, um seine Mutter zu prellen. Dieser einzige Zug offenbart die hohe edle Sinnesweise des Mannes, welcher Herrn Mirès in’s Verderben gestürzt hat; die Art, wie er dieses Werk vollbringt, ergänzt auf’s Vortheilhafteste das Bild dieser anziehenden Menschengestalt.

Die „Eisenbahncasse“ des Herrn Mirès hat, wie jede ähnliche Anstalt ihren „Ueberwachungsrath“, der dazu bestimmt ist, [554] die Verwaltung zu überwachen, d. h. die Verwaltung durch die Geranten zu controlliren und die Interessen der Actionäre (der Gesellschaft) zu vertreten und zu wahren, in gegebenen Fällen zu vertheidigen. Ein Mitglied des Ueberwachungsrathes bei der Eisenbahncasse des Herrn Mirès war der Baron von Pontalba.

Herr von Pontalba, welcher ein Grundeigenthum zu Monlt-l’Evêque im Werthe von zwei Millionen besaß und ein erhebliches Einkommen seiner Beziehung zur Eisenbahncasse verdankte, spielte mit Unglück auf der Börse und wurde der Eisenbahncasse 1,200,000 Franken schuldig, die auf den Grund von Mont-l’Evêque hypothekarisch vorgemerkt und der Gesellschaft gesichert wurden.

Im Jahre 1858 machte Herr von Pontalba im Interesse der Eisenbahncasse eine Reise nach Marseille. Im Jahre 1859 wurde er von den Geranten nach Rom geschickt und ihm die Aufhebung der auf seinem Grundeigenthum lastenden Hypothek von 1,200,000 Franken zugesagt, wenn es ihm gelingen würde, die Unterhandlungen zu Rom, mit welchen er betraut wurde, an ein glückliches Ende zu führen. Die Sendung des Herrn von Pontalba verunglückte aber gänzlich. Er hatte in zwanzig Monaten 259,000 Franken verbraucht, ohne etwas auszurichten. Diese Summe wurde ihm ausbezahlt. Nichtsdestoweniger erhob er nach seiner Rückkehr aus Rom Ansprüche auf die 1,200,000 Franken, d. h. auf die Entlastung seines Bodens von Mont-l’Evêque, die ihm ausdrücklich blos für den Fall eines Gelingens zugesagt worden war. Für seine Reise nach Marseille verlangte er, die Kosten abgerechnet, nicht mehr und nicht weniger als 30O,000 Franken. Natürlich weigerten die Geranten die unmäßigen unverdienten Beträge. Herr von Pontalba drohte eine gerichtliche Klage wegen Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung der Eisenbahncasse einzureichen, wenn seinen Forderungen nicht Gehör gegeben würde. Da sein Drohen ohne Wirkung blieb, schritt er zur Ausführung, reichte im November 1860 persönlich eine Klage beim Justizminister ein und wendete sich außerdem mit seiner Forderung an das Civilgericht, nachdem er vorher den Buchhalter des Herrn Mirès, einen Herrn Devaux, durch Mittel, welche leicht zu errathen sind, zum Austritt aus dem Hause bewogen, und für seine Zwecke gewonnen hatte. Der Minister Herr Delangle wies die Klage zurück, Herrn von Pontalba zu größerer Vorsicht einer Anstalt gegenüber rathend, an die so große und zahlreiche Privatinteressen geknüpft sind.

Am 4. December 1860 reichte Herr von Pontalba die Klage beim kaiserlichen Procurator ein, welche der Justizminister zurückgewiesen hatte und in welcher all die Unregelmäßigkeiten aufgezählt waren, die er der Verwaltung der Eisenbahncasse vorwarf. Am 15. December 1860 wurde Herr Mirès vor den Untersuchungsrickter geladen, und an demselben Tage noch wurden, wie schon oben angegeben wurde, die Bücher der Eisenbahncasse unter Siegel gethan. Also gedrängt, in all seinen Operationen gestört, gab Herr Mirès endlich nach, und der Notar Herr Mocquart brachte zwischen ihm und Herrn von Pontalba eine Ausgleichung zu Stande, welcher zufolge Herr Mirès aus die 1,200,000 Franken, welche auf Mont-l’Evêque vorgemerkt waren, verzichtete und seinem Gegner für die Reise nach Marseille 200,0OO Franken (statt 300,000) baar ausbezahlte.

Und um darüber ja keinen Zweifel übrig zu lassen, daß es ihm bei der Angeberei durchaus nicht um das Interesse der Gesellschaft, sondern lediglich um Erpressung von Geldsummen, auf die er kein Recht hatte, zu thun war, stand Herr v. Pontalba von der Klage ab, so wie er von Herrn Mirès den unrechtmäßigen Tribut erzwungen hatte. Am 18. December fand die Auszahlung statt, am 19. fielen die Siegel von den Büchern des Herrn Mirès.

Die Aufregung im Publicum aber, durch die Begebenheiten seit dem 4. December, die mehr oder weniger entstellt bekannt worden, erzeugt und erhalten, wollte sich nicht so leicht, wie die Gerechtigkeit, beschwichtigen lassen und überdauerte den Rückzug der Klage durch Herrn von Pontalba. Von allen Seiten erhob sich ein Geschrei gegen die „verwegene Speculation“, gegen den Mißbrauch, welchen finanzielle Gewandtheit mit der Unwissenheit und Leichtgläubigkeit der Menge treibe. Und dieses Geschrei wurde so laut und drohend, daß man es selbst im Palaste nicht überhören konnte. Die Sache kam in einem Ministerrathe zur Sprache, und der Minister, welcher sich ohne Schuld wußte, Herr von Persigny nämlich, hob den ersten Stein auf. „Es bestehe,“ sagte er, „ein enger Zusammenhang zwischen der Regierung und Herrn Mirès, da dieser zwei Blätter verwaltet, welche im Interesse der Gewalt wirken: Le Constitutionnel und Le Pays, Journal de l’Empire. Dieser Zusammenhang, verbunden mit den Gerüchten, welche hochgestellte Personen zu Mirès gesellen, legen der Regierung die Pflicht auf, Herrn Mirès gegenüber die ganze Strenge der Gesetze in Anwendung bringen zu lassen.“ Im Ministerrathe erhob sich keine nachdrückliche Einwendung, da Jeder sich verdächtig zu machen fürchtete. Der Kaiser stimmte Herrn von Persigny bei, und das Schicksal des Herrn Mirès war entschieden. Es wurde beschlossen, daß der kaiserliche Advocat aufgefordert würde, die Klage aufrecht zu halten, die Herr von Pontalba reichlich bezahlt zurückzuziehen für gut befunden. Der kaiserliche Advocat vollzog den Befehl. Am 15. und 16. Februar 1861 wurden die Bücher und Schriften in den Bureaux der Eisenbahncasse mit Beschlag belegt. Am 17. wurde Herr Mirès verhaftet und nach Mazas gebracht, wo er in strenger Abgeschlossenheit von jedem Verkehr fast bis zu seinem Processe gehalten wurde.

Trostlos erscheint die Abhängigkeit von der Regierung, welche die Gerichte auch bei dieser Gelegenheit wieder an den Tag legten, und der Gehorsam, mit welchem sie sich nach jedem Winke von oben herab richteten, statt mit verbundenen Augen unerbittlich ihren Weg zu gehen.[1] Der Staatsanwalt hätte die Sache fallen lassen, obgleich die Anklage des Herrn von Pontalba eine fortwährende Beeinträchtigung der Gesellschaft durch die Geranten darlegte, wenn ihm nicht vom Ministerium die Weisung fortzufahren zugegangen wäre. So wie aber Herr Mirès von der Regierung dem Gerichte geliefert wurde, da zeigten sich die Vertreter des Gesetzes mit einem Male wie von einer Wuth gegen den Angeklagten ergriffen, so daß der Eifer, mit welchem sie dessen Vernichtung betrieben, sogar die Gegner, ja die Opfer der von Herrn Mirès gegründeten Anstalt empörte. Herr Massé, welcher bei den Gerichtsverhandlungen, die Angelegenheit Mirès betreffend, den Vorsitz führte und dem es folglich oblag, mit Ruhe und Unbefangenheit, ohne jede Neigung nach der einen oder der anderen Seite hin die Debatten zu lenken, zeigte sich so leidenschaftlich gegen den Angeklagten eingenommen, daß man ihn eher für den Ankläger, als für den Präsidenten zu halten versucht war, und daß sich die öffentliche Meinung nicht ohne einige Lebhaftigkeit gegen ihn aussprach.

Am Abend des Tages, da Herr Mirès zu der größtmöglichen Strafe verurtheilt wurde, welche von der Zuchtpolizei verhängt werden kann, befand ich mich in einer bürgerlichen Gesellschaft der rue du Sentier. Natürlich daß man kaum von etwas Anderem als von dem gerichtlichen Ereigniß sprechen hörte. Zu meinem Erstaunen hatte die Schadenfreude, mit welcher die arbeitsamen Kaufleute den Sturz des Herrn Mirès vorhersahen, einer milderen Stimmung, ja einer mitleidigen Theilnahme an dem Schicksal des gesunkenen, des verlornen Mannes Platz gemacht.

„Zu fünf Jahren Gefängniß!“ sagte ein Hemdenfabrikant, „das ist zu viel, das hört auf Gerechtigkeit zu sein. Zwei Jahre wären mehr als genug gewesen.“

„Was der arme Mann von so heftiger Gemüthsart und von so hochgehendem Ehrgeiz nur leiden muß!“ sagte ein überaus reicher Modewaarenhändler. „Im Jahre 1858 war mein Sohn auf einem Balle, den Herr Mirès gab. Noch heute erzählt er von der orientalischen Pracht, die da herrschte, von den vornehmen Personen, die den Speculanten umflatterten. Ein Hof war in einen Saal umgebaut worden, der nur für die eine Nacht zu dienen hatte und den nächsten Tag wieder eingerissen wurde. 100,000 Franken hat die Arbeit gekostet. Und im Jahre 1861 ist er ruinirt, vernichtet, zu fünf Jahren Gefängniß verurtheilt! Dieser Wechsel ist zu fürchterlich!“

„Der Aufwand, den er trieb, ist sein Unglück,“ meinte ein Bankier, „den verzeihen ihm die Herren vom Gesetze nicht, die sich in den Schulen und Gerichtsstuben jahrelang abmühen, ohne es so weit gebracht zu haben, wie der glückliche Spekulant. Wenn [555] auf einem Balle im Stadthause oder anderwärts Frau und Fräulein Mirès mit ihren kostbaren Gewändern, mit ihren Perlen und Diamanten all die Frauen und Töchter der Gerichtspräsidenten, der kaiserlichen Procuratoren, der gesammten Magistratur verdunkelten, so haben diese ihren Zorn den Gatten und Vätern mitgetheilt, der sich nun, da der arme Mirès in ihre Hände gefallen ist, Luft macht. Der Präsident, wie der Staatsanwalt, wie die Richter zeigten sich unerbittlich.“

„Es kann talentvollen und thätigen Rechtsgelehrten,“ bemerkte ein Notar, „in der That nicht angenehm sein, von einem glücklichen Abenteurer ohne Kenntniß, ohne Verdienst überflügelt zu werden.“

„Was hat aber diese Unannehmlichkeit mit der Gerechtigkeit zu schaffen?“ wandte der Bankier ein.

„Freilich, freilich!“ scholl es von allen Seiten, und der Notar hielt es für angemessen, auf diesen Einwurf nichts weiter zu antworten. – –




Aus dem Norden.
Von Dr. Alfred Brehm.
V. Das Morastschneehuhn.

Wir waren noch nicht warm im Fogstuen geworden, als sich uns der meinen Lesern bereits bekannte Jäger Erik mit der Anfrage vorstellte, ob wir nicht auf Schneehühner jagen wollten. Er verstehe, sagte er, die Kunst, die Vögel heranzulocken, und es sei vollkommen gleichgültig, ob wir gut schießen könnten oder nicht; zu Schuß sollten wir kommen, das dürfe er versprechen.

Man kann sich denken, daß wir mit größtem Vergnügen auf das Anerbieten des alten Graukopfs eingingen. Wir hatten bereits vergeblich nach den Morast-Schneehühnern herum gespürt, und ich kann wohl gestehen, daß ich auf keine andern Vögel begieriger war, als auf dieses Huhn. Man hatte mir in Christiania von seiner Balze erzählt, und das war genug, um einen deutschen Vogelkundigen, welcher eben bloß die Balze des Auer- oder Birkhuhns aus eigener Anschauung kannte, zu begeistern, auch wenn derselbe nicht Jäger gewesen wäre, wie ich. Jeder Jäger giebt mir Recht, daß das Wort „Balze“ wie Harmonie durch die Seele klingt und gleichsam den ganzen Menschen wie elektrisch berührt. Und nun hier die Balze eines mir noch neuen Vogels! – mehr bedurften wir nicht, um alle Reisemüdigkeit sofort zu vergessen.

Wir richteten uns also flugs in unsrer Wohnung ein, putzten die Gewehre und ordneten das Jagdzeug für den nächsten Morgen; denn natürlich glaubten wir bei dem ersten Grauen des folgenden Tages von dem Alten geweckt zu werden. Wie groß aber war unser Erstaunen, als Erik bereits ½10 Uhr Abends erschien und uns zur Jagd aufforderte. Es war schon wahr, die Nacht war hell, denn wir befanden uns bereits im Ausgange des Mai, und die Mitternachtsonne, welche um diese Zeit bereits Norwegens nördlichen Theil bescheint, sandte ihr Licht schon wenigstens bis in die Mitte des Landes herab. Aber dennoch wollte das uns gar nicht in den Sinn, anstatt am Morgen vor Mitternacht auf die Balze auszugehen. Doch wir sollten noch mehr erfahren.

Halb ungläubig folgten wir dem alten Jäger, und noch ungläubiger wurde ich, als mir Freund Berghaus verdolmetschte, daß unser Jagdgebiet unmittelbar hinter dem Hause beginne, daß der Alte hoffe, schon in einer Entfernung von wenigen hundert Schritten uns Schneehühner vorzuführen. So wanderte ich kopfschüttelnd dem Gebirge oder vielmehr den Hügelreihen zu, welche auf der bereits mehr als 4000 Fuß über dem Meere gelegenen Hochebene fußten. Unmittelbar hinter dem Hause betraten wir den Sumpf oder Morast, welcher alle ebenen Stellen des Gebirges bedeckt und überhaupt in ganz Norwegen da auftritt, wo das im Ueberfluß vorhandene Wasser nicht schnell genug Abfluß findet. Alle trockenen Stellen eines solchen Morastes sind mit Birken, Wachholder, Weiden und niedrigem Gesträuch und Gestrüpp bewachsen; denn der eigentliche Holzwuchs hat aufgehört, und die Wälder sind längst in der Tiefe zurückgeblieben. Die wasserreichern Stellen des Morastes werden von einem gelblichgrünen Moosteppich überzogen, aus dem sich die frischen grünen Moosbeeren und wenige Gräser erheben, während alle darin zerstreut liegenden Steine mit Flechten bekleidet sind. Der Grund dieser Moräste ist verhältnißmäßig fest, denn das Moos wurzelt gewöhnlich auf einem unnennbaren Steingeröll, welches den Untergrund aller dieser Niederungen bildet; doch finden sich häufig genug sehr schlammartige Stellen dazwischen und unter Umständen größere und kleinere Seeen.

Dies war das Revier, in welchem wir jagen sollten. Gegenwärtig hatte der Morast freilich noch nicht sein sommerliches Gepräge; ein Schneefeld reihte sich an das andere und ließ uns noch eine schwache Vorstellung gewinnen von den ungeheuren Schneemassen, welche der Winter hier zusammengehäuft hatte: denn der Schnee lag noch jetzt so hoch, daß die Wachholderbüsche fast vollständig und die niedern Weiden- und Zwergbirkengestrüppe vollständig bedeckt waren. Demzufolge konnten wir natürlich von dem eigentlichen Morast so gut als Nichts wahrnehmen. Unser Weg führte uns von einem Schneefeld auf das andere, und bei weitem die meisten dieser Ueberreste der Winterdecke waren so fest, daß wir, ohne nur im Geringsten einzusinken, über sie hinweg gehen konnten. An den Stellen aber, wo ein von der Höhe herabkommendes Rinnsal den Schnee unterwaschen oder theilweise aufgezehrt hatte, genossen wir alle Jägerfreuden einer Sumpf- oder Wasserjagd im vollsten Maße; denn dort fielen wir nicht blos bis unter die Arme in den Schnee, sondern wateten auch unter den lebhaftesten Verwünschungen über alle Schuhmacher ganz Deutschlands mit augenblicklich durchnäßten Stiefeln und Gamaschen durch die eiskalten Waldbäche, welche ein förmliches Wassernetz über die ganze Fläche gebreitet hatten.

Der alte Erik hatte ganz wahr gesprochen, als er uns sagte, daß unsere Jagd gleich hinter dem Gehöfte beginnen werde, denn schon auf dem zweiten oder dritten Schneefeld glaubte er einen Versuch seiner Zauberkünste anstellen zu können. Die Nacht war mittlerweile vollständig hereingebrochen, d. h. es war so dunkel geworden, daß man wohl noch im Sitzen, aber nicht mehr mit Sicherheit im Fluge schießen konnte. Der Kukuk, welcher längst eingetroffen war, hatte seinen Abendruf beendet; nur die Wasserläufer und noch mehr die Regenpfeifer ließen sich vernehmen. Von den Hühnern bemerkten wir keine Spur und vernahmen auch keinen Laut, welcher uns an eine Balze hätte erinnern können.

Der Alte lauschte und äugte wie ein Luchs in die Dämmerung hinaus, und es schien uns fast, als habe er mehr durch sein Spürvermögen, als durch Gehör und Gesicht, Kunde bekommen, daß in der Nähe Morasthühner sein müßten. Mit einem Male blieb er stehen und rief einigemal hintereinander mit ganz eigenthümlicher Betonung: „djiak, djiak,“ und „djí-ak, djí-ak,“ in die Nacht hinaus. Unmittelbar nach seinem Lockrufe hörten wir in der Ferne das Geräusch eines aufstehenden Huhnes, und in demselben Augenblick vernahmen wir auch den schallenden Ruf des Thieres, welcher ungefähr wie „Err – reck – eck – eck – eck“ klang. Dann war wieder Alles still. „Aha!“ sagte Erik. „da haben wir sie ja. Ich wußte wohl, daß wir hier Hähne finden würden.“ Und von Neuem begann er zu locken, immer schmachtender, schmelzender, hingebender, verführerischer. Der alte bärtige Geselle wurde zur sinnbethörenden Sirene mit seinen Lockungen, welche, wie ich mich später überzeugte, den Paarungsruf des Weibchens in einer vollkommen täuschenden Weise wiedergaben. Auf das „djiak“, welches den liebeglühenden Hahn aufgerührt hatte, folgte jetzt ein zartes, unendlich schmachtendes und Gewährung verheißendes „gu, gu, gu, gurr,“ und wirklich antwortete der nun noch mehr angefeuerte Hahn im selbigen Augenblick – das Fluggeräusch wurde stärker, – Erik gab ein Zeichen, wir fielen hinter den Büschen nieder, – und unmittelbar vor uns auf der blendenden Schneefläche stand der Morasthahn in voller Balze. Es war ein Anblick zum Entzücken! Aber das Jägerfeuer war mächtiger, als der Wunsch des Forschers, das Schauspiel zu genießen: ich hatte unwillkürlich mein altes, treues Gewehr aufgenommen, [556] und ehe der Hahn noch einen Ton von sich gegeben hatte, wälzte er sich bereits in seinem Blute.

Ein Stimmgewirr ohne Ende folgte dem Knall des Schusses, welcher donnernd von dem Berge zurückklang. Die Hühner waren mäuschenstill, aber alle Regenpfeifer und Strandläufer zeigten durch ihr lautes und wiederholtes Geschrei deutlich genug, wie unangenehm sie aus ihren Nachtträumen erweckt worden waren; aus einem nicht fernen Teiche hob sich mit harten Flügelschlägen eine Entenschaar, dem starken Geräusch nach zu schließen, ein Flug von Trauerenten, welche eben jetzt an die Paarung gedachten, und mit lärmendem „Schack, Schack“ rauschten Wachholder-Drosseln durch das Gebüsch.

Das Huhn wurde aufgenommen, und die Jagd ging weiter. Schon nach wenigen hundert Schritten ließ der Alte wieder seine verführerischen Lockungen hören, und diesmal antworteten anstatt eines Hahnes deren zwei. Ganz wie vorhin wurde der Hitzigste von ihnen herbeigezaubert. Jetzt aber gönnte ich mir die Freude der Beobachtung.

Am entgegengesetzten Rande des Schneefelds fiel der stolze Vogel ein, betrat dort leichten Gangs das Schneefeld und lief gerade auf uns zu. Es war hell genug, um ihn schon in der Ferne deutlich wahrzunehmen. Aber der liebesrasende Gesell dachte gar nicht an Gefahr und kam näher und näher, bis auf wenige Schritte an uns heran. Das Spiel halb erhoben, die Fittiche zu beiden Seiten gesenkt, daß sie fast den Schnee berührten, den Kopf niedergebogen: so lief er vorwärts. Plötzlich schien er sich zu verwundern, daß die Lockungen geendet hatten, und nunmehr begann er seinerseits sehnsüchtig zu rufen. Mehrmals warf er in ganz eigenthümlicher Weise den Kopf nach hinten, und tief aus dem Innersten der Brust heraus klangen, dumpfen Kehllauten vergleichbar, abgesetzte Rufe, welche man ungefähr durch die Sylben „gabâuh, gabâu“ ausdrücken könnte. Die Norweger übersetzen sie mit den Sorten: „Hvor er hun?“ zu deutsch: „Wo ist sie? Wo ist sie?“

Und der Alte war wirklich so frech, mit seiner Menschenstimme zu antworten, den Hahn glauben zu machen, daß das Weiblein, die ersehnte Braut, sich blos im Gebüsch versteckt habe. Leiser und schmachtender als je, rief er wiederholt in der vorhin angegebenen Weise, und eilfertig rannte der Hahn mit tief gesenktem Kopf und Flügel herbei, dicht an uns heran und buchstäblich über unsere Beine weg; denn wir lagen natürlich der Länge lang auf dem Schnee. Doch jetzt mochte er seinen Irrthum wohl eingesehen haben, er stand plötzlich auf, stiebte davon und rief allen übrigen Mitbewerbern ein warnendes, leises Knurren zu. Jetzt mochte Erik locken, wie er wollte, die zahlreich versammelten Hähne zeigten blos Bedenken; kein einziger aber ließ das laut schallende Err – reck – eck – eck wieder vernehmen.

Doch wir zogen weiter und verhielten uns auf eine Strecke von mehreren Minuten hin ganz ruhig, bis unser Alter glaubte, daß wir in das Gebiet noch ungestörter Hähne eingetreten wären. Dort wurde die Jagd fortgesetzt, und ich erlegte nach den ersten Lockungen einen zweiten Morasthahn und nach wenigen Minuten bereits den dritten. Nunmehr aber schienen die Thiere gewitzigt worden zu sein; es war vorbei mit der Jagd, nicht aber auch mit der Beobachtung. Denn zu meiner Freude bemerkte ich, daß fortan die Weibchen, welche sich bisher ganz unsichtbar gemacht hatten, die Warnungen übernahmen, um ihre Liebhaber von dem Verderben abzuhalten. Aus diesem Umstande, den ich später durch vielfache Beobachtungen bestätigt fand, glaube ich schließen zu dürfen, daß der Herr Gemahl eines Morastschneehuhns sich zuweilen Artigkeiten gegen andere Schönen seines Geschlechts erlaubt, welche sich mit dem Begriff einer wohlgeordneten Ehe nicht recht vertragen; auch der alte Erik versicherte mir, daß die erlegten Hähne keineswegs blos ungepaarte, noch nach einer Gattin seufzende, sondern die Herren Ehegemahle wären, welche zu Ehren des schönen Geschlechts hier einen Kampf zu bestehen oder vielleicht gar der Minne süßen Lohn sich zu erwerben gedächten.

Unsere Jagd hatte doch einige Stunden gedauert, Mitternacht war vorüber, der neue Tag graute bereits im Nordost. Der Kukuk ließ sich wieder vernehmen, das Blaukehlchen brachte noch träumerisch seine ersten Klänge dem Morgen dar, im tiefen Sumpf wurde es lebendig, und die klangvollen Stimmen der Strandläufer mischten sich öfter als in der Nacht mit dem fast schwermüthigen Rufe des Goldregenpfeifers oder des Morinells, welcher mehr in der Höhe seinen Sitz aufgeschlagen hatte. Wir wendeten uns heimwärts und störten unterwegs noch viele, viele Paare des Morasthuhns auf. Denn sicherlich hatten auf dem kleinen Gebiete, welches wir durchwanderten, 50 bis 60 Paare Herberge genommen. Doch sie waren alle viel zu scheu geworden, als daß sie uns hätten nahe genug kommen lassen, um einen Schuß auf sie abzufeuern; nur eine Ente versah es und wurde unsere Beute. Aber wir waren auch so zufrieden mit unsern drei Schneehähnen, daß wir uns gar kein größeres Jagdglück wünschten.

Wir schliefen bis gegen Mittag, merkten aber gar bald an dem bleiernen Dahinschleichen der Zeit, daß unsere Sehnsucht nach dieser reizenden Jagd durch das gestrige Glück nur noch vergrößert worden war. Kaum konnten wir die Nacht wieder erwarten, und trotz des feinen Sprühregens, der eisigkalt vom Himmel fiel, gingen wir mit dem zehnten Glockenschlag wieder hinaus, und diese, und die folgende, und die dritte und jede Nacht, welche wir auf dem Dovre-Fjeld zubrachten, und später noch viele andere. Da habe ich denn den merkwürdigen Vogel genau genug kennen gelernt und kann nun schon aus eigener Anschauung die Beschreibung von ihm geben, welche ich nach dieser Schilderung meinen Lesern schuldig zu sein glaube.

Das Morastschneehuhn ist ein schönes, großes Thier, welches ungefähr zwischen Birk- und Rebhuhn in der Mitte steht. Seine Länge beträgt 15, die Breite 24 Zoll. Je nach der Jahreszeit ist es verschieden gefärbt. Im Winter ist es bis auf den schwarzen Schnabel und Schwanz, sowie einige bräunliche Federsäume an den Flügeln und den hochrothen, prachtvollen Augenkamm, blendendweiß, im Sommer dagegen bunt, wie der Morast selber. Schon Mitte Aprils zeigen sich am Kopfe die dunkleren braunen Sommerfedern; Anfangs Mai ist bereits der Rücken gescheckt; im Juni vollendet sich die Mauser, und im Juli endlich trägt das Thier sein volles Sommerkleid. Die Federn sind kastanienbraun und an der Spitze dunkel gebändert; auf dem Rücken sind sie gewöhnlich lichter gesäumt, doch wird dieser Saum nach kurzer Zeit abgestreift, und dann sieht die ganze Oberseite gleichmäßig rothbraun aus; aber die Farbe wird durch viele schwarze Punkte und Strichelchen unterbrochen; die Schwungfedern bleiben immer weiß, die äußern Schwanzfedern immer schwarz. Gleichzeitig mit der dunkeln Befiederung der Vorderseite hebt und röthet sich beim Männchen der Brauenkamm, welcher ja bekanntlich auch bei unserem Birkhahn während der Balze anschwillt. Die Hennen sind den Hähnen immer voraus, wenigstens in der Sommermauser; sie tragen bereits das volle Sommerkleid, während jene noch ganz buntscheckig sind. Aber trotzdem wissen sich auch die Männchen vortrefflich zu verstecken. Ihr Kleid ähnelt auch im Uebergange dem Gelände selbst mit den von der Schneeschmelze noch übrig gelassenen Schneehäufchen und Schneefeldern, und sie, wie alle Hühner, verstehen die Kunst meisterhaft, Oertlickkeiten aufzusuchen, welche der Gleichfarbigkeit mit ihrem Gefieder wegen sie decken und schützen. Man kann recht eigentlich sagen, daß dieses Thier das Kleid sich beständig nach der Heimath paßt; es wird bunt mir dem Frühjahr und weiß mit dem Winter, wie die Landschaft selber. Wenn die Schneehühner ihr Sommerleben durchgelebt, wenn sie ihre Liebeskämpfe ausgefochten und die zahlreiche Brut groß gezogen haben, schecken sie sich wieder, wie im Frühjahr; aber nun kommt zunächst die weiße Farbe zum Vorschein und zwar eher an dem übrigen Körper, als am Kopfe. Fällt dann plötzlich Schnee, so sieht man die klugen Thiere eifrig beschäftigt, sich die dunklen Federn auszurupfen, und Eines hilft dabei dem Andern. Da liegen an einer Lagerstelle oft die dunklen verrätherischen Federn des Sommers massenweise; so versicherte mich wenigstens mein alter naturkundiger und von mir oft erprobter Jäger; denn ich selbst konnte die Morasthühner eben blos im Frühjahr und Sommer beobachten.

Das Morasthuhn ist ein ganz reizendes Geschöpf in allen seinen Bewegungen. Sein Flug ist sehr leicht und schön; er ähnelt dem des Birkwildes, nicht dem der Rebhühner, und zeichnet sich besonders dadurch aus, daß das Huhn auf ganze Strecken hin schwebt. Gegen das Ende hin, also kurz vor dem Einfallen. stößt das Männchen regelmäßig sein lautschallendes „Err-reck-eck-eck-eck“ aus; das Weibchen fliegt immer stumm. Der Lauf ist überaus gewandt. Das Thier versteht es ebenso meisterhaft, über die trügerische Moosdecke, als über den frischen Schnee

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Das Schneehuhn.

hinwegzulaufen. Die breiten, dicht befiederten Füße kommen ihm dabei trefflich zu statten; dieselben sind überhaupt ganz vortrefflich für sein Leben geeignet. An den Zehen sitzen wahre Krallen, Nägel von einem halben Zoll Länge, oben stark gewölbt, nach unten tief ausgehöhlt, täuschend an die langen Klauen erinnernd, welche unsere Modenarren zu tragen pflegen. Damit scharrt es im Winter den Schnee weg und gräbt sich tiefe Gänge in demselben, um sich zu schützen und zu seiner Nahrung zu gelangen. Man will sogar beobachtet haben, daß die Nägel wechseln, d. h. bald größer und breiter, bald kürzer und schmäler werden; die Erklärung ist leicht zu geben. Im Sommer nutzt sich der Nagel auf dem harten Boden ab, im Winter, wo der weichere Schnee weniger Widerstand leistet, wächst er vorn rasch nach und über seine gewöhnliche Länge hinaus. Je nach der Jahreszeit ist der Aufenhalt und das Leben des Morasthuhns verschieden. Im Winter treibt es der Mangel zuweilen von seinen Gebirgen herunter, selbst bis an die Meeresküste und dicht heran zu bewohnten Gebäuden, jedenfalls aber in die Birkenwälder, wo wenigstens nicht die ganzen Bäume verschneit sind. Um diese Zeit bilden die Knospen der Birken seine ausschließliche Nahrung, und noch lange im Frühjahr frißt es vorzugsweise Birkenknospen und später Birkenblätter. Nun geht die Schneeschmelze an; die Wasser stürzen brausend zu Thal; die warmen Südwinde räumen oben auf den Bergfeldern auf. Jetzt steigt das Morasthuhn wieder empor, doch niemals zu den Spitzen, nämlich dorthin, wo die Geröllhalden den Gipfel umlagern, – denn dort wohnt das Alpenschneehuhn, ein blos in der Gestalt und Farbe ähnliches, sonst aber durchaus unähnliches Thier. Jetzt sucht unser Morasthuhn vorzugsweise die Birkenbestände auf, und hier beginnt denn auch sein Liebesleben mit all der Lust und Freude, mit all dem Kampf und Streit. Sofort nach der Paarung, und wenn die ärgsten Kämpfe unter den Hähnen ausgefochten sind, zieht sich jedes Paar nach einem besondern Standort zurück.

Die Balze währt noch lustig fort, da hat das Weibchen schon längst seine Eier gelegt. An sonnigen Abhängen der Hochebene, zwischen dem bereits schneefreien Gestrüpp der Haide, der Moosbeeren, der Heidel- und Mehlbeeren, zwischen niederem Saalweidengesträuch, im Gebüsch der Zwergbirken und des Wachholders, hat sich das Weibchen eine flache Vertiefung gescharrt und mit einer Hand voll dürrem Laub, mit Grashalmen und andern trockenen [558] Pflanzentheilen, auch mit den eigenen Federn unordentlich ausgelegt. Die Vertiefung ist aber immer wohl geborgen, stets unter einem dichten Zweig angelegt, gewöhnlich unter dem dichtesten, niedrigsten Busche in der ganzen Umgebung. Hier findet man schon Ausgangs Mai, sicher Anfangs Juni neun bis zwölf, zuweilen aber auch fünfzehn, sechzehn birnförmige, glatte, glänzende Eier von okergelber Grundfarbe mit zahllosen leberbraunen oder rothbraunen Fleckchen, Pünktchen und Tüpfelchen bedeckt. Die vollkommen erd- oder besser pflanzenfarbige Henne brütet auf ihnen mit großer Hingebung, und der Hahn macht den treuen, guten Wächter. Mit wahrem Heldenmuth giebt er sich der augenscheinlichsten Todesgefahr preis, zeigt sich dem Jäger tolldreist und bemüht sich, durch lautes „gabâu, gabâu“ und Neigen des Leibes seine Herrschaftsrechte über das Stückchen Grund und Boden in der deutlichsten Weise kund zu geben, giebt sich den Anschein, als wolle er dem Jäger den Eintritt in sein Reich verwehren. Im Nothfall fliegt er weg, und die Henne bleibt immer ruhig sitzen, scheint sich gar nicht um die ihr drohende Gefahr zu kümmern.

Unter sich kämpfen selbst die brütenden Schneehühner noch, und die Norweger behaupten steif und fest, daß die Weibchen sich gegenseitig ihrer Eier berauben, wo es nur immer anginge, wie dies ja auch die nebeneinander brütenden Enten und manche Ammer-Arten zu thun pflegen. Auch jetzt noch ist immer die Mitternacht den Hühnern die liebste Tageszeit, zumal oben im Norden, wo die Sonne groß und herrlich am Himmel steht und ihren rothen Duft auf alle Berge legt. Nach zehn Uhr Abends beginnt eigentlich die wahre Lebendigkeit erst; das Männchen ruft, und andere antworten; es kommt wohl auch zu kleinen Kämpfen und Streitigkeiten, bis endlich jedes Weibchen mit sanftem „djake“ und „gu, gu, gurr“ den Gemahl nach Hause fordert. Geht Alles gut, so schlüpfen schon Ende Juni die Küchlein aus den Eiern. Vom Juli bis zum August sieht man dann die Eltern mit ihren ausgeschlüpften Jungen im Moore. Der Vater geht mit stolzen Schritten, hochgehobenen Hauptes voraus, beständig sichernd und bei Gefahr sein „gabâu, gabâu“ rufend. Die Mutter folgt lautlos mit der reizenden Kinderschaar. Bei wirklich drohender Gefahr giebt sie sich aber, wie unser Rebhuhn, dem Feinde preis, um ihre Brut zu retten. Sie hinkt, sie flattert, sie wankt vor dem Jäger ober vor dem Fuchs dahin, versucht alle Künste der Verstellung, lockt den bösen Feind weiter und weiter, rettet ihre kleine Schaar, schwirrt plötzlich auf und fliegt in großen Bogen nach dem ersten Orte zurück, wo sich die Kinderchen inzwischen wohlgeborgen hatten. Dann ruft sie leise gluckend nach ihnen, und da und dort wird’s lebendig: hinter dem Moosbusch hervor, zwischen dem Gestein heraus huscht und rennt es, und in wenigen Minuten ist die kleine Schaar wieder versammelt.

In der ersten Jugend haben die niedlichen Geschöpfe ein dunkles Kleid, welches einem Moosbündel des Morastes zum Verwechseln ähnlich sieht. Sie sind rasch und behend, wie alle wilden Küchlein, und laufen leicht und gewandt über Schlamm- und Wassergräben hinweg, die kleinen stumpfen Flügel zur Erlangung des Gleichgewichts benutzend. Schon in den ersten acht Tagen sprossen die Schwungfedern, und wenn die Küchlein zehn Tage alt sind, flattern sie bereits. Die ersten Schwingen sind braun und schwarz gewässert, denen unsrer jungen Rebhühner ganz ähnlich; aber schon in der ersten Mauser treten weiße an ihre Stelle, und bei den folgenden Federerneuerungen, welche mehrmals nöthig werden, weil die Schwingen für die größer und größer werdenden Thiere immer bald zu schwach sich zeigen, wachsen immer wieder weiße Schwungfedern nach.

Schon mit der kleinen Brut suchen die Eltern die Schlammmoore auf, und namentlich das Gebüsch der Saalweiden bietet ihnen jetzt eine willkommene Zufluchtsstätte. Sie verdienen um diese Zeit den Namen Morasthuhn in jeder Hinsicht; denn sie sind wahre Sumpfvögel geworden und scheinen sich auch auf dem flüssigsten Schlamme mit Leichtigkeit bewegen zu können. Ende August sind sie ganz erwachsen, und im September beginnt nun bereits die Mauser wieder. Im Winter beim hohen Schnee bleibt dann die ganze Familie noch zusammen; sobald aber gegen das Frühjahr hin die Liebe sich geltend macht, sprengen sich die Völker, und die jungen Hähne treten nun schon kühn als Bewerber der alten und jungen Hennen aus.

Das Morasthuhn bildet in Norwegen eines der geschätztesten Jagdthiere. Seine große Häufigkeit gewährt dem nur einigermaßen geschickten Jäger eine ergiebige Ausbeute, und deshalb findet man auch viele Normannen mit vollstem Rechte der schönen Jagd leidenschaftlich ergeben. Auf dem Dovre-Fjeld lernte ich einen Engländer kennen, welcher bereits seit sechs Jahren in Norwegen wohnt und von einem der elendesten Moräste zu dem andern zieht. Das stehende Thema der Erzählung dieses Jägers war: „Vor sechs Jahren war ich hier und schoß in sechs Wochen 320 Hühner. Das folgende Jahr zog ich nach Jerkin; da schoß ich 240. Vor drei Jahren war ich in Kongsvold, da schoß ich aber blos 180. Das beste Jahr jedoch war voriges, da habe ich über 400 erlegt, und dieses Jahr läßt sich auch recht gut an.“ Leider muß ich dieser ganz hübsch klingenden Erzählung hinzufügen, daß die Engländer, wie überall, wo sie in der Fremde erscheinen, für die Landeseingebornen ein wahrer Gräuel und eine wahre Geißel sind. Bis nach den Lofoten hinauf tragen diese unglücklich Rastlosen ihre Angel und ihr Gewehr. Mitten unter den Mücken sitzen sie und fischen Lachse, und in den tollsten Morästen siedeln sie sich an und schießen Schneehühner. Die Zahl entscheidet: sie kennen keine Hegung und keine Schonung; sie schießen die Jungen nieder, wenn sie den Lerchen oder Wachteln gleich groß sind, und werfen sie weg, ihren Hunden zu, nachdem sie die Zahl der erlegten Stücke sich aufgeschrieben haben. Deshalb darf man es dem Normann nicht verdenken, wenn er jeden Fremden mit Mißtrauen ansieht und sich erst sehr sicher stellt, ehe er einem Jäger erlaubt, auf seinem Grund und Boden zu jagen. Er fürchtet mit Recht diese englischen Scheußlichkeiten. Der Normann erlegt blos die erwachsenen Schneehühner, im Herbst mit dem Gewehr, im Winter mit Netz und Schlinge. Aber nur die Wenigsten kennen die herrliche und rechtliche Jagd, welche mich der alte „Erik“ lehrte, und ich habe wieder einsehen lernen, daß der Reisende Glück haben muß, wenn er Etwas sehen, Etwas kennen lernen will.

Zum Schluß möchte ich eine Bemerkung hinwerfen: Ich bin fest überzeugt, daß sich das Morastschneehuhn in Deutschland einbürgern läßt, und daß also mit der Einführung des prächtigen Geschöpfes ein neues und vollkommen unschädliches Wildpret gewonnen werden könnte. Wie das anzufangen, darüber vielleicht später einmal an diesem Orte, – falls ich glauben darf, daß eine derartige Belehrung erwünscht sein sollte.




Schutzmittel gegen Krankheiten.
Unterziehjäckchen, wollene Strümpfe und Bauchbinde.

„Aber ich will mich nicht verweichlichen;“ – „was soll ich denn dann machen, wenn ich in’s Alter komme?“ – „nein, das kann ich nicht aushalten, das ist mir zu unbequem.“ Solche Reden muß der Arzt hören, wenn er eins oder das andere jener oben genannten heilsamen Kleidungsstücke zu tragen empfiehlt. Und so sprechen nicht etwa blos kerngesunde Menschen, nein, auch Solche, die aller Augenblicke den Pips haben, oder wohl gar schon an organischen Uebeln leiden.

Wie viel lebensgefährliche acute und chronische Leiden, ganz abgesehen von der Unzahl von Katarrhen, Rheumatismen und Brechdurchfällen, würden nicht aufkommen können, wenn man sich zur richtigen Zeit jener Schutzmittel bediente! Vorzugsweise sind es aber Herzkrankheiten und Lungenleiden, gegen welche dieselben zu schützen vermögen. Verf. fand unter der ihm zugänglichen nicht etwa geringen Masse von Kranken, die an der asiatischen Cholera litten, nicht einen einzigen, der eine Bauchbinde (aber auch bei Nacht) getragen hätte. Ja er selbst, Jahre lang ein Abhärtungs-Fanatiker, der aber trotz aller Abhärtung doch fortwährend schwächelte und kränkelte, am bösen Halse, an Husten und Heiserkeit litt, wurde, als er sich endlich in die Arme der Verweichlichung warf, kerngesund und konnte sich nun mit seinem lieben Jäckchen und wollenen Strümpfen ohne Nachtheil nicht unbedeutenden Strapazen [559] aussetzen. – Und das ist ja auch ganz natürlich, denn unser Körper ist nicht von Eisen, sondern vermöge seiner Einrichtung und in Folge unserer jetzigen sogen. Civilisation, zumal in gemäßigten Klimaten, so leicht und so oft schädlichen Einflüssen der Außenwelt ausgesetzt, daß man sich, will man gewissenhaft mit seiner Gesundheit umgehen, gegen diese Schädlichkeiten, so viel es nur immer geht, zu schützen verpflichtet ist.

Unter den Schädlichkeiten, welche am häufigsten gefährliche Krankheiten nach sich ziehen, steht die Kälte und vorzugsweise die Erkältung obenan, und deshalb haben die Menschen ihren Körper schon seit langer Zeit mit schlechten Wärmeleitern (Wolle, Seide, Pelzwerk, Flaum) umgeben, um theils jenes Maß von Eigenwärme, welches zum Gesundsein unentbehrlich ist, zu erhalten, theils um eine schnelle Abkühlung der erhitzten Haut mit Unterdrückung der Schweißabsonderung zu verhüten (s. Gartenl., Jahrg. 1858. Nr. 2).– Es sind nun aber gewisse Stellen unseres Körpers gegen Kälte empfindlicher als andere, und es werden deshalb durch die Erkältung dieser Stellen auch leichter Krankheiten hervorgerufen. Allerdings findet das nicht selten bei verschiedenen Menschen in verschiedener Weise statt, allein bei den Allermeisten sind die Erkältungen der Füße, des Bauches, des Rückens und der Achselhöhlen am schädlichsten.

Das Unterziehjäckchen, auf der bloßen Haut getragen, schützt ebenso den Rücken wie die Achselhöhlen und, wenn es noch über den Bauch (wenigstens über die Oberbauch- oder Magengegend) herabreicht, auch diesen vor Erkältung. Obschon man sich nun sehr bald an ein solches Jäckchen so gewöhnt, daß man dasselbe gar nicht wieder abzulegen wünscht, so kann es doch dadurch noch erträglicher gemacht werden, daß man die Aermel desselben sehr kürzt (aber Aermel muß es zur Verhütung der Achselhöhlenerkältung durchaus haben) und daß man die Brust damit unbedeckt läßt (da diese weit unempfindlicher gegen Kälte als der warme Rücken ist). Auch braucht dieses Jäckchen, wenigstens im Sommer, nur ganz dünn, aus Baumwolle gefertigt zu sein, während im Winter ein wollenes oder seidenes zweckmäßiger ist. Gerade im Sommer, wo in Folge des Schwitzens der heißen Haut das Hemd nach schneller und stärkerer Abkühlung naßkalt wird und dann eine oft recht gefährliche Erkältung veranlassen kann, gerade da ist das Unterjäckchen äußerst heilsam. Uebrigens erzeugt es auch gerade im Sommer, und zwar gegen alle Erwartung, dadurch noch ein großes Wohlbehagen, als es den größten Theil des Schweißes durch sich hindurch in das Hemd bringen läßt und so von der Haut das unangenehme Gefühl des Anklebens feuchter Leinwand abhält. Um nun aber seine Vorzüge ganz vollständig entwickeln zu können, muß das Jäckchen gestrickt oder gewirkt sein, denn dann kann die Hautausdünstung bequemer in und durch die Maschenräume hindurch in das Hemd dringen.

Wer sich starker Erhitzung mit nachfolgender schneller Abkühlung oder gar der Zugluft auszusetzen hat, wer in feuchten und kalten Localen zubringen und zumal darin schlafen muß, wer leicht und stark schwitzt, zu Rheumatismen (s. Gartenl. 1856. Nr. 47) und Katarrhen (besonders im Athmungsapparate) disponirt, wer sogar schon von Husten, Herzklopfen, kurzem Athem und herumziehenden Schmerzen heimgesucht ist, dem ist das Unterziehjäckchen geradezu ganz unentbehrlich. – Sollte ein Jemand, der sich den Gefahren der Erkältung auszusetzen hat (wie ein Arbeiter im Freien ober in naßkalten Räumen, der Landmann, Soldat, der Bewohner von heißen und Fiebergegenden), oder der sich überhaupt nicht einer Hausknechtsgesundheit zu erfreuen hat, eine ganz besondere Antipathie gegen das Leibjäckchen haben, nun, der trage wenigstens ein baumwollenes, wollenes oder seidenes Hemd. – Uebrigens ist das eine alte Großmutteransicht, daß, wer sich einmal bejackt hat, nun zeitlebens dem Unterjäckchen verfallen oder wohl gar von Jahr zu Jahr ein wärmeres Jäckchen zu tragen genöthigt sei. Davon nun aber, daß ein solches Jäckchen eine die Gesundheit ganz zerrüttende Schweißsucht hervorzurufen im Stande wäre, davon kann erst recht keine Rede sein. – Natürlich soll nicht jedem gesunden Menschen dieses Kleidungsstück zum fortwährenden Tragen hierdurch empfohlen werden, sondern nur dann, wenn derselbe bei Hauterhitzung eine schnelle oder heftige oder längere Zeit andauernde Abkühlung zu fürchten hat. Wer sich aber nicht einer ganz guten Gesundheit, die schon einen Puff aushalten kann, bewußt ist, der greife seinem Körper mit einem Unterziehjäckchen unter die Arme.

Die Bauchbinde (aus Baumwolle, Wolle, Seide oder weichem dünnem Leder), welche zum Theil mit durch ein langleibiges Brustjäckchen ersetzt werden kann, verhütet durch Warmhalten des Bauches Magen- und Darmkatarrhe, die sehr häufig sind und den Grund zu mannigfachen Verdauungsstörungen (besonders zu Durchfall mit und ohne Kolikschmerzen) abgeben. Diese Katarrhe, wenn sie nicht gleich bei ihrem Entstehen gehörig beachtet werden, laufen bei kleinern Kindern (wo sie Brechdurchfall veranlassen) in den allermeisten Fällen tödtlich ab und können recht gut durch Warmhalten des Bauches, zumal in der Nacht, wo sich die Kinder gern bloß strampeln, verhütet werden (s. Gartenl. 1854, Nr. 17). Freilich läßt sich hier die Bauchbinde, weil sie in der Regel über den Bauch in die Höhe geschoben wird, besser durch eine Art Schwimmhose oder durch einen über die Füße und den Unterleib gezogenen Sack ersetzen, die aber beide an ihrem hintern Theile, gewisser Bedürfnisse wegen, aufgeschlitzt sein müssen. – Erwachsene, die (zumal auf Reisen) leicht von Magenbeschwerden und Durchfall heimgesucht werden, finden in der Bauchbinde, und wenn sie auch noch so dünn ist, ein ganz treffliches Schutzmittel, doch müssen sie dieselbe vorzugsweise auch in der Nacht und zumal bei heißer Witterung tragen. Die meisten Brechdurchfälle, die man so gern dem Obst-, Salat-, Eis- und dgl. Essen zuschreibt, verdanken ihr Entstehen dem Bloßliegen des Bauches in der Nacht. Und daß der Ausbruch der asiatischen Cholera, der gewöhnlich in den Morgenstunden erfolgt, bei den allermeisten Kranken der nächtlichen Baucherkältung zuzuschreiben ist, steht fest. – Wo’s überhaupt nicht richtig im Bauche ist, da ist die Bauchbinderei am Platze.

Wollene Strümpfe werden zwar von den meisten Damen, auch wenn dieselben fortwährend an kalten Füßen und Kopfschmerzen leiden, doch und zwar theils aus Eitelkeit (weil der dickere Strumpf einen größern Fuß macht), theils aus Empfindlichkeit (weil das Wollene Jucken erzeugt) verdammt, allein sie – ich meine nämlich nicht die Damen, sondern die wollenen Strümpfe – sie sind trotz alledem gut, sehr gut, denn wenn es auch einzelne Glückliche giebt, deren Füße gegen Nässe und Kälte unempfindlich sind, so ist doch bei den allermeisten Menschen der Fuß insofern ein schwacher Punkt, als Erkältung desselben (zumal durch kalte Nässe) in diesem oder jenem Theile des Körpers, am liebsten aber im und am Kopfe, Krankhaftes nach sich zieht, und eine solche Erkältung können in den meisten, allerdings nicht in allen Fällen, die wollenen Strümpfe verhüten. Aber sie machen einen schweißigen Fuß! Nun, wenn das auch wirklich einmal der Fall wäre, so ist das kein Unglück und jedenfalls den nicht selten sehr gefährlichen Krankheiten, welche durch Fußerkältung veranlaßt werden können, weit vorzuziehen. Auch erfährt man darüber, wie der schwitzende Fuß nicht unangenehm wird, das Nöthige in dem Aufsatze der Gartenlaube 1858, Nr. 47.

Da die Feinde der Verweichlichung, also auch des Unterjäckchens, der Bauchbinde und der wollenen Strümpfe jedenfalls von Zeit zu Zeit Erkältungen erdulden werden, so wollen wir denselben aus reiner Menschenliebe, damit sie nicht etwa den Folgen der Erkältung unterliegen, nicht blos unser in der Gartenlaube (1858, Nr. 2) besprochenes diätetisches Verhalten dagegen, sondern auch die von Hering empfohlenen homöopathischen Heilmittel, ersteres im Ernste, letztere im Spaße, empfohlen haben. Herr Constantin Hering[2] schreibt nämlich: bei Verkältungen im Frühjahre paßt Weißnieswurz, Sumach oder Holzkohle; im Sommer Tollkirsche, Zaunrübe, Antimonmetall oder Holzkohle; im Herbste Weißnieswurz, Quecksilber oder Sumach; im Winter, wenn es trocken ist, Sturmhut, Tollkirsche, Zaunrübe, Krähenaugen, Kamille oder Schwefel, manchmal auch Brechwurzel, wenn’s aber feucht ist, Muscatnuß, Bittersüß, Weißnieswurz oder Holzkohle. Sollte man sich auf der rechten Seite erkältet haben, dann ist nach dem Hrn. lebensmagnetisch-homöopathischen Sanitätsrathe Dr. Lutze Tollkirsche, bei linkseitiger Verkältung dagegen Sturmhut, Quecksilber, Krähenaugen oder Schwefel anzuwenden. Gegen Blödsinn empfiehlt Dr. Hirschel Muscatnuß; diese würde demnach auch für einen Dummen passen, der sich im Winter, wenn’s naß ist, erkältet hat.

Bock.

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Blätter und Blüthen.

Eine Carriere. Zu der revolutionairen Erhebung, die im Mai des Jahres 1849 am Rheine stattfand, stellte die Jünglingsschaar der Universität des revolutionären Bonn ihr Contingent in drei Studenten, von denen der eine sich Karl Schurz nannte. Der von hier auf das benachbarte Zeughaus zu Siegburg unternommene Putsch mißglückte und führte die Leiter desselben nach der Pfalz, um sich der Bewegung, die dort in voller Blüthe stand, anzuschließen. Ihnen folgte Schurz. Er trat in die pfälzische Bürgerarmee ein, die gerade in ihrer Bildung begriffen war, und wurde nach deren Organisirung zum Adjutanten des Obersten Anneke ernannt. Der Ausgang dieses Feldzuges ist bekannt; das Schicksal vieler seiner Führer in den Mauern von Rastatt verhallt; dasjenige der Flüchtigen über Länder- und Meeresweiten dunkel und großen Theils traurig.

Nur von einem Fall weiß ich zu erzählen, der nicht nur seine heitern Lichtseiten aufweist, sondern in diesem Augenblicke sogar blendende Strahlen eines glänzenden Glücks von sich wirft. Es ist die einfache Geschichte Karl Schurz’s, eines Sohnes armer Eltern, aus der Gegend von Bonn, der sich von dem rauhen Pfade eines geächteten Verbannten zu der glatten Bahn eines Diplomaten, zu dem Vertreter einer großen Nation an dem stolzesten Hof der Höfe, in einem der schönsten Länder der Erde emporgeschwungen hat. Auf der Kanone zu Rastatt vor Müdigkeit nach dem Tage des Kampfes entschlafen, ward er nach der Cernirung der Festung durch die Preußen zum Gefangenen in den Mauern. Sein guter Genius verbarg ihn den Augen der Häscher eine kurze Zeit, bis er, Dank seinem außerordentlichen Scharfblick, bei Nacht und Nebel einen Ausweg durch einen engen unterirdischen Graben entdeckte, der ihn aus der Festung in’s freie Feld hinausführte auf den Weg zur Flucht, zur Freiheit.

Nach einem raschen, glücklichen Uebergang über den Rhein langte der Jüngling in der Schweiz an, wo seine Freunde in tiefer Sorge um ihn trauerten und die Tage des Exils trostloser noch, als um ihr eignes Geschick, um dasjenige ihrer tapfern Brüder, die dem Standrecht verfallen waren, empfanden. Während es einiger Monate für den ohnehin schwächlichen jungen Mann bedurfte, sich von den erlittenen Strapazen zu erholen, sann sein Geist nur dem einen Gedanken nach, nämlich seinen mit in die Gefangenschaft gefallenen und zugleich schwer verwundeten Freund und Lehrer Gottfried Kinkel, dem der ewige Kerker oder gar die Kugel des Standrechts drohte, zu befreien. Er schrieb zu dem Ende von seinem Exil in der Schweiz aus nach Bonn an die edle Frau den gefangenen Dichters und fragte an: ob und was eigentlich zur Rettung ihres Gatten geschehen sei? – Sie antwortete: nur einige vergebliche Versuche seien gemacht, sonst nichts; Jeder aber sei von dem Gedanken durchdrungen, daß er auf eine oder die andere Weise befreit werden müsse. Schurz antwortete ihr und erbot sich, das Werk zu unternehmen, sie solle nur für die Mittel, die es erfordere, sorgen.

Der kühne Jüngling, selbst ein Landflüchtiger, verließ darauf sein sicheres Asyl und reiste auf verschiedenen Kreuz- und Querzügen nach Köln ab. Dort blieb er einige Zeit, um Vorbereitungen zu seinem Werke zu treffen, consultirte mit Johanna Kinkel, dieser herrlichen und muthigen Seele, und ging dann, da sein geheimer Aufenthalt in Köln anfing aufzufallen und es in Bonn gar bekannt geworden war, daß er dort sei, nach Brüssel und Paris. Unterdessen hatte die edle Johanna sich dem Anscheine nach ruhig in Bonn verhalten, aber auf schwierigen und geheimen Wegen das zur Bewerkstelligung der Flucht ihres Gatten nothwendige Geld herbeigeschafft. Damit ausgerüstet ging Schurz nach Moabit und Spandau, um hier, wie es in der Anklageschrift gegen einen Mitschuldigen heißt, „das mit außerordentlicher List und Verwegenheit ausgeführte Unternehmen“ zu Ende zu führen.

Wer die doppelt umzingelte Festung Spandau kennt, wer je von der Wachsamkeit der preußischen Wächter, mit der sie besonders des Dichters Zelle umstellt hatten, gehört hat, wird die Schwierigkeit des Unternehmens begreifen, für welches selbst die Ankläger dem neuen „Blondel“ das Prädicat der „List und Verwegenheit“ beilegen. Obwohl von dem kaum zwanzigjährigen jungen Mann das Wagniß mit der größten Umsicht, die weder den kleinsten noch den größten Umstand außer Acht läßt, eingeleitet war, so scheiterten doch viele Versuche, ehe der letzte gelang. Die endliche Ueberredung des Gefängnißwärters Brune, dieses hochherzigen Mannes, der die Flucht wesentlich unterstützte, das Nachmachen der verschiedenen Schlüssel, waren nicht das Geringste, was zum glücklichen Gelingen des Werkes beitragen mußte; die hundertfachen Einzelheiten sind zur Zeit oft genug zur Sprache gekommen, und einer spätern vielleicht bleibt es aufbewahrt, genauere Aufschlüsse noch über dieselben zu geben. So viel mag hier noch am Platze sein, daß in jener wilden und stürmischen Nacht vom 6. auf den 7. November 1850, in welcher Kinkel der Freiheit zurückgegeben wurde, der tapfere und jugendliche Freund am Fuße der schaurigen Veste stand, von deren hohen Mauern der Entfesselte mit entsetzlicher Todesgefahr hinabgelassen wurde, dem Befreiten mit hochklopfender Brust entgegenharrte und eine rasende Flucht mit ihm unternahm bis zum Meere und über das Meer, auf welchem ein furchtbarer Sturm die im elenden Zweimaster Dahinschaukelnden endlich an das Ufer von Schottland verschlug, woselbst sie dann in Edinburg landeten. Von dort setzten sie in einem bessern Fahrzeuge nach Frankreich über, wo in Paris die in Todessehnsucht harrende Gattin sich mit dem Dichter wieder vereinigte.

Der muthige Befreier theilte darauf das Exil mit seinen Freunden in London. Nach einem Aufenthalte von etwas länger denn einem Jahre daselbst, in welchem er die Bekanntschaft seiner jungen Frau, einer Dame aus einem geachteten Hause Hamburgs gemacht, ging er nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Mit dem Schatz einer gründlichen Kenntniß der englischen Sprache und einem Schatz von wissenschaftlichen Vorkenntnissen überhaupt ließ er sich in Philadelphia nieder, legte sich hier eifrig auf das Studium der Rechtskunde und lernte dabei die Geschichte des Landes und insbesondere die seiner Parteien kennen. Dann ging er ein Jahr später nach den Staate Wisconsin, wo deutscher Fleiß und deutsche Intelligenz unsern Landsleuten eine bereits achtunggebietende und einflußreiche Stellung erworben hatte. Nahe der Hauptstadt Madison, in einer Stadt, Watertown genannt, siedelte er sich mit seiner jungen Familie an und nahm Theil an dem politischen Streben in den beschränkten Kreisen städtischer Verwaltung. Dann richtete er sein Augenmerk weiter auf die Politik des jungen aufstrebenden Staates, dessen herrliche Constitution denkenden Republikanern ein Fundament bietet, auf welchem sie die stolze Freiheitshalle weiter bauen können. Er bethätigte sich daher in den berathenden Versammlungen, hielt Reden in den öffentlichen Meetings und suchte namentlich für die republikanische Partei Propaganda zu machen. Mit dieser ging er dann aber auch – um den localen Kunstausdruck zu gebrauchen – durch „Dick und Dünn“. Wenn das Parteicommando lautete: links! so hielt er links; wenn es hieß: rechts! so bog er auch dahin aus. Seine Argumente hatte er, ein echter Advocat und Diplomat, eben so gut für eine Parteifrage als gegen dieselbe bereit liegen. Die entschiedenen Leute vom Princip wollten ihm ein solches Verfahren zum schweren Vorwurf machen, allein er ließ sich nicht irritiren und folgte der Parteifahne getreu und mit bewunderungswürdiger Disciplin.

Sein Talent und seine Ausdauer, Eigenschaften, die bald von den Amerikanern wie von den Deutschen, besonders aber von den Parteigängern anerkannt wurden, sollten belohnt werden, und zwar trotz seiner Jugend mit dem höchsten Amte im Staat, dem des Gouverneurs. Dieser voreilige Versuch scheiterte, nicht, wie man behaupten wollte, an dem Nativismus der Eingeborenen, nein, vielmehr an der ruhigen Beurtheilungskraft der einfachen amerikanischen Bürger und Farmer, die dem Herrn Schurz alle mögliche Gerechtigkeit zollten, ihm die Verdienste, die er sich um die Partei erworben, in deren Lager er allerdings die große Masse der Deutschen mit überzeugender Redekunst hinüber geführt, dankend anerkannten, aber behaupteten: die Staatsruder ihres Landes nicht den Händen eines Jünglings anvertrauen zu dürfen, der, obgleich sehr wissensreich, doch von der eigentlichen Administration eines Staates durchaus keine Kenntniß haben könne. Schurz wurde dadurch nicht entmuthigt, vielmehr warf er sich mit Todesverachtung in den „heißen Kampf“ der letzten Präsidentschafts-Campagne der Vereinigten Staaten und errang hier ein Thatenfeld, auf welchem er die goldenen Lorbeeren davon trug, die die Republik ihren Getreuen spendet nach dem Grundsatze: „Wem der Sieg, dem die Beute!“

Herr Schurz beanspruchte nun in Folge dessen Anfangs seine Sendung nach Turin als Gesandter. Warum man ihm diesen Wunsch nicht gewährte, ist nicht bekannt; in der amerikanischen Presse cursiren darüber die verschiedensten Meinungen. Dagegen hat die Administration der gegenwärtig an das Ruder getretenen republikanischen Partei der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ihn mit einer andern eben so glänzenden und noch wichtigern Mission betraut. Sie hat den ehemaligen armen Studenten aus Bonn, den landflüchtigen und nicht amnestirten Sohn Preußens, sie hat ihren Adoptivbürger zum Vertreter ihrer großen Nation gemacht und ihn als Gesandten an den Hof der Königin Isabella von Spanien nach Madrid instruirt und dirigirt, an dem er bereits vor einigen Wochen angekommen ist.

Herr Schurz ist der erste deutsche Bürger in Amerika, der mit einer Mission ersten Ranges beehrt wurde. Es ist kein Zweifel, daß er nicht nur ein würdiger Repräsentant seines neuen Adoptivvaterlandes, sondern auch seiner alten Heimath stets eine Ehre sein wird. Er übernimmt die schwere Verantwortlichkeit desselben in einem kritischen Augenblick. Seine ihm angeborene und in vielen Fällen bewährte Diplomatie wird ihm im Verkehr mit denjenigen am Hofe Isabella’s, zu Statten kommen. Spanien ist den Vereinigten Staaten nicht freundlich gesinnt und glaubt aus den gegenwärtigen Mißständen desselben einen Vortheil ziehen zu können. Der deutsche Plebejer Schurz wird der holden Isabella und ihren spanischen Granden – gleichviel ob mit Courtoisie und Grandezza – aber eindringlich und beharrlich darthun, daß die stolze Union feststeht, einerlei ob einige ihrer Sterne verdunkelt oder gar als Irrwische für eine geraume Zeit verschwunden sind.



Zum Abonnement auf das zweite Semester empfehlen wir die

Deutsche Turn-Zeitung.

Herausgegeben von Goetz.
eine Nummer von einem halben oder einem ganzen Bogen. Preis halbjährlich 18 Ngr.

Die Deutsche Turn-Zeitung hat sich die Aufgabe gestellt und, wie es der Erfolg beweist, diese Aufgabe mit Glück gelöst, das Turnen in seinen vielfachen Beziehungen zu besprechen, dabei belehrend zu unterhalten und freundschaftlich vermittelnd zwischen den zahlreichen Freunden des Turnens in den Vereinen im In- und Auslande, denen sie somit als Organ dient, aufzutreten. – Zum Unterschied von der in Coburg erscheinenden Turn- und Wehrzeitung bemerken wir ausdrücklich, daß unser Blatt nur den rein turnerischen Interessen dient, innerhalb derselben aber jeder vernünftig begründeten Ansicht seine Spalten öffnet. Die Deutsche Turn-Zeitung ist kein Parteiblatt, sondern ein Sprechsaal für Alle, die es ehrlich mit der Turnerei meinen. - Leipzig, im August 1861.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.


  1. Wir können uns mit dieser Auffassung unsers verehrten Mitarbeiters nicht ganz einverstanden erklären. Die gegen Mirès zeugenden schwer gravirenden Thatsachen sind nicht wegzuleugnen. Wenn die Gerichte dabei mehr Energie als gewöhnlich zeigten, so mag der Grund dazu wohl mehr in der allgemeinen Empörung gegen den längst verdammten Schwindel gelegen haben, weniger in der Anreizung seitens der Regierung, die in dieser Angelegenheit mehr zu fürchten als zu gewinnen hatte.
    D. Red.
  2. Es ist hier der amerikanische, ja nicht etwa mein Freund, der leipziger Hering, gemeint.