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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1856
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[349]
Spiele des Zufalls.
Novelle von August Schrader.
I.

An einem trüben Herbsttage Morgens acht Uhr fünf Minuten ward in Braunschweig der Schnellzug expedirt. Das erste Zeichen zur Abfahrt war bereits gegeben und der größte Theil der Reisenden hatte die Wagen bestiegen. Da erschien auf dem Perron ein alter Herr in einem kostbaren Pelze, dem ein Bediente in amaranthfarbner Livree voranging. Herr und Diener hatten graue Haare, sie schienen in einem Alter zu stehen und unterschieden sich nur durch die Kleidung und durch die Körperconstitution. Der Herr war klein und dick, der Diener lang und hager.

„Erste Wagenklasse!“ rief der Diener dem Schaffner zu.

„Hier!“

Der Schaffner öffnete ein Coupé. Mit Hülfe seines Dieners stieg der Herr im Pelze ein, und warf sich behaglich in die gepolsterte Ecke.

„Meine Cigarren, Lorenz!“

„Hier, Herr Senator!“

Lorenz überreichte seinem Herrn ein Etui, dem die Reichhaltigkeit des Inhalts anzusehen war. Während der Senator sich eine Cigarre anzündete, präsentirte Lorenz dem Schaffner das Billet.

„Lorenz!“ ertönte der Baß des Reisenden. „Auf der nächsten Station, wo länger als fünf Minuten angehalten wird, bringst Du mir ein Glas Madeira!“

„Sehr wohl, Herr Senator!“

„Jetzt nimm Deinen Platz ein, und hüte Dich vor Erkältung!“

„Zu dienen, Herr Senator!“

Lorenz entfernte sich. In dem Augenblicke, als der Schaffner die Thür des Coupé’s schließen wollte, erschien eine Frau, die hastig fragte:

„Erste Klasse?“

„Hier!“

Die Frau wandte sich zu einer Dame, die ihr auf dem Fuße folgte.

„Steigen Sie gefälligst ein, Frau Landdrostin!“

Die Frau Landdrostin war völlig in schwarzen Atlas gekleidet; sie trug ein Atlascapuchon mit schwarzem Schleier und einen reichen mit Zobel verbrämten Atlasmantel von derselben Farbe. Ihre Gestalt und Haltung waren graziös, aristokratisch; ihr Gesicht ließ sich nicht erkennen, da der Schleier es dicht verhüllte. Sie trat an den Wagen, dessen Thür man wieder geöffnet hatte.

„Schon besetzt!“ rief sie in einem Tone aus, der mehr Schrecken als Ueberraschung verrieth.

„Ein Coupé erster Klasse enthält zwei Plätze, Madame!“ antwortete artig der Schaffner.

„Weisen Sie mir einen andern Waggon an, mein lieber Freund!“

„Es thut mir leid, daß ich Ihren Wunsch nicht erfüllen kann.“

„Warum? Warum?“

„Weil ein Waggon völlig besetzt sein muß, ehe ich einen zweiten öffnen darf. Ich bitte, beeilen Sie sich!“ sagte dringend der Schaffner, der in diesem Augenblicke das letzte Glockenzeichen und das schrillende Pfeifen der Locomotive hörte. „Ihr Billet?“

„Wenden Sie sich an meine Kammerfrau!“ antwortete stolz die Dame, indem sie einstieg.

Die Thür schloß sich hinter ihr. Die Kammerfrau präsentirte dem Schaffner zwei Fahrbillets, die er coupirte.

„Sie wollen auch mitfahren?“ fragte er.

„Zweiter Klasse!“

„So nehmen Sie rasch Platz, wenn Sie nicht zurückbleiben wollen!“

Der Schaffner riß hastig den nächsten Wagen auf, und schob die korpulente Zofe, die fest in einen grünen Tuchmantel gewickelt war, hinein. Lorenz, der sich zufällig in dem Wagen befand, streckte dienstwillig die Arme aus, und nahm seine Reisegefährtin in Empfang. An demselben Augenblicke setzte sich der Zug in Bewegung. Es war ein Schnellzug – wir sagen daher nichts über die geflügelte Eile desselben. Von den zehn Wagen, aus denen dieser Zug bestand, haben nur zwei Interesse für uns: es ist der erster Klasse, in dem die Herrschaft Platz genommen, und der zweiter Klasse, in dem sich die Dienerschaft befindet. Der letztere folgte unmittelbar dem erstern.

Der Senator Beck, ein ruhiger Charakter, den Kleinigkeiten nicht zu erschüttern vermochten, lag unbeweglich in seinem gepolsterten Sitze und rauchte mit dem hohen Genusse seine Havanna, den die erste Morgencigarre dem leidenschaftlichen Raucher gewährt. Er würde ohne Zweifel der Dame, welche die Kammerzofe Frau Landdrostin titulirt, höflich gedankt haben, wenn diese ihn gegrüßt hätte; aber da sie schweigend und, wie es schien, erbittert über die zufällige Gesellschaft, eingestiegen war und so weit als möglich, von ihm sich niedergelassen hatte, so hielt er es für überflüssig, sich der gewöhnlichen Höflichkeit gegen fremde Damen zu befleißigen, und verblieb als behäbiger Senator ruhig in seiner Ecke. Um seine Gleichgültigkeit noch mehr zu entschuldigen, fügen wir hinzu, daß der Senator, obgleich er schon fünfundfünfzig Jahre zählte, noch Garçon war, und daß er den Frauen nie einen Vorzug [350] vor den Männern eingeräumt hatte. Der arme Mann! Er war Anachoret inmitten eines civilisirten Volks und hatte keine Ahnung von den süßesten Freuden dieser Welt. Sein Leben war in der freien Stadt Bremen unter Essen, Trinken und Rauchen verflossen. Uebrigens kleidete er sich mit Hülfe seines Lorenz sehr geschmackvoll, war ein wohlunterrichteter Mann – eigentlich Kaufmann, denn er gehörte nicht zu den studirten Senatoren – hatte eine schöne, breite Figur, eine gerade, offene Stirn, spärliche graue Haare und einen feinen Anflug von der Röthe, die man die Weinröthe nennt. Wäre er verheirathet gewesen, so hätte man ihn den Typus der Patrizier nennen können, die 1630 den letzten Hansetag in Lübeck beschickten, und die Rose in dem Rathskeller zu Bremen pflanzten.

Der Senator hatte viel zu denken, so daß er schon nach zehn Minuten seine Begleiterin, die sich durch keine Bewegung bemerkbar machte, vergessen hatte; er war nur mit sich und seiner Cigarre beschäftigt. Den Charakter der Gegenstände, über die er nachdachte, konnte man aus seinen Mienen schließen: bald lächelte er wie ein Stillvergnügter, der den Himmel in seiner Brust findet; bald kniff er die Lippen zusammen wie ein Mensch, dem ein treffender Witz das Zwerchfell erschüttert, aber sich schämt, laut darüber zu lachen – dann wieder schüttelte er ernst das Haupt, bewegte die Lippen, als ob er eine gewichtige Rede hielte, legte die Stirn in Falten oder machte mit der Hand, welche die Cigarre hielt, eine entscheidende gebieterische Bewegung. Dabei hatte sich nach einer Viertelstunde der elegante Wagen dergestalt mit Tabaksrauch gefüllt, daß die Frau Landdrostin, die an eine solche Atmosphäre nicht gewöhnt war, erst zu hüsteln, dann laut zu husten begann. Aber der Herr Senator hörte dieses Avertissement nicht, das jedem fühlenden Manne ein Befehl gewesen sein würde. Er dachte, lächelte, lachte, zürnte und rauchte fort.

Die Landdrostin, die immer noch ihren Schleier nicht gelüstet hatte, versuchte mit ihren kleinen, behandschuhten Händen ein Fenster zu öffnen – es war umsonst, ihre Kraft reichte nicht aus. Sie hielt ihr feines Batisttuch mit brüsseler Spitzen über dem Schleier vor den Mund – aber auch dieses Mittel schützte nicht vor dem sich stets mehrenden Ambradufte der Havanna.

„Mein Gott,“ seufzte sie, „das wird zu arg!“

Es schien, als ob ihr Stolz verschmähete, das zu fordern, was die Höflichkeit gebot. Vielleicht auch hielt sie es unter ihrer Würde, mit dem octroyirten Begleiter ein Gespräch anzuknüpfen, und die Bitte um Einstellung des Rauchens mußte nothwendig zu einer Anknüpfung werden, da sie eine Gefälligkeit in sich schloß.

Plötzlich hielt der Zug an, und die Stimme des Conducteurs rief: „Wolfenbüttel! Zwei Minuten!“

Nach einer Minute ward die Thür des Coupé’s geöffnet und Lorenz erschien mit einem Krystallglase, in welchem der Madeira funkelte, den der Senator bestellt hatte. Der Senator führte Wein aus seinem eigenen Keller mit sich. Während die Landdrostin die frische Luft einsog, schlürfte der Senator den Madeira. Der Weingeruch am frühen Morgen machte die Dame schaudern; sie wollte mit dem Schaffner sprechen; dieser aber zeigte sich nur wie eine flüchtige Erscheinung, er schloß rasch die Thür und verschwand von dem trüb angelaufenen Fenster. Der Schnellzug raste weiter.

Halb ohnmächtig vor Zorn und Ekel sank die Dame in die Kissen zurück; sie mußte sich der Gefangenschaft von Neuem unterwerfen. Der furchtbare Begleiter verblieb in seiner unerschütterlichen Ruhe, in seinem eisigen Schweigen. Jetzt, wo er nach Wein roch, hätte die Landdrostin sich um keinen Preis mit ihm in ein Gespräch eingelassen. Unter solchen Umständen wurden die Minuten zu Stunden. Je mehr Rauchwolken dem Munde des Reisenden entströmten, je peinlicher ward die Lage der armen zartnervigen Frau, die bedauerte, nicht ein Coupé für sich allein genommen zu haben.

Die Luft in dem engen, geschlossenen Raume war nach kurzer Zeit so dicht, daß die Landdrostin fast erstickte. Sie warf den Schleier zurück, und sah durch das Fenster, indem sie ihrem Begleiter den Rücken zuwandte. Aber die Luft ward dadurch nicht reiner.

„Mein Herr, mein Herr,“ rief sie endlich, „ich muß sie bitten, das Rauchen einzustellen!“

Der denkende Senator erinnerte sich jetzt, daß er nicht allein war; er wandte sich und sah in das exaltirte Gesicht seiner Begleiterin. Dieses Gesicht gehörte zwar einer Frau von vielleicht fünfzig Jahren an, aber es trug noch die unverkennbaren Spuren einer zarten, pikanten Schönheit. Der Hut drückte einige braune Locken an die Schläfe; das große dunkle Auge war noch glänzend, der Mund zeigte weiße Zähne, über dem Munde spielte der leichte Schatten eines Bärtchens, und an der linken Wange befand sich ein kleiner Leberfleck, der ihr im achtzehnten oder zwanzigsten Jahre zum Entzücken schön gestanden haben mußte. Die Brauen waren stark und schwarz; der Teint war zart weiß, und die kleine, sanft gebogene Adlernase verlieh der Physiognomie einen imponirenden Adel.

„Madame,“ antwortete sehr artig der Senator, „ich bedaure, daß Sie mich nicht früher auf ein Versehen aufmerksam gemacht haben, das Ihnen, wie ich begreife, sehr unangenehm sein muß. Ich bin zwar ein leidenschaftlicher Raucher, aber ich bringe gern ein Opfer, um mich Ihnen gefällig zu zeigen.“

Nach diesen Worten öffnete er ein Fenster, warf die brennende Cigarre hinaus, und wollte das Fenster wieder schließen.

„Bitte,“ sagte rasch die Dame, „lassen Sie offen!“

„Mit Vergnügen!“ antwortete ruhig der Reisende, indem er das Fenster befestigte.

Eine blaue Rauchwolke zog aus dem Wagen in die frische Morgenluft hinaus. Die Landdrostin nahm ihr weißes Tuch, und beschleunigte durch Wehen den Abzug dieser Wolke.

„Puah!“ rief sie mit aristokratischem Widerwillen, indem sie wie erschöpft in den Sitz zurücksank.

Das Benehmen der Dame, so großer Artigkeit gegenüber, berührte den Senator unangenehm, denn er besaß eben so viel Patrizierstolz, als Ruhe und Gelassenheit. Der Gedanke, daß sie ihn für weniger halten könne, als er war, bestimmte ihn, der ohne Zweifel sehr vornehmen Dame durch ein Gespräch seine Ebenbürtigkeit zu beweisen.

„Das Reisen,“ begann er, „hat stets seine Unannehmlichkeiten, und zu den größten derselben rechne ich die Unterbrechung der alltäglichen Gewohnheiten, die in der Heimath das Leben angenehm machen.“

„Warum bleiben Sie denn nicht zu Hause?“ fragte spöttisch die Dame, die keine Lust hatte, sich mit dem ihr verhaßt gewordenen Manne in ein Gespräch einzulassen.

„Das ist ja eine malitiöse Person!“ dachte der Senator.

„Nun wird er wohl schweigen!“ dachte die Landdrostin.

Aber sie täuschte sich, denn der Senator Beck war nicht der Mann, der aus Höflichkeit schwieg, wenn ihn eine Frau beleidigte, und vorzüglich eine alte Frau.

„Madame,“ sagte er lächelnd, „dieselbe Frage könnte ich an Sie richten.“

„Warum?“

„Weil Sie in Ihrem Zimmer fordern können, was man Ihnen auf der Reise, wenn Sie nicht in einem eigenen Wagen fahren, aus Delikatesse gewährt.“

„Sie provociren meinen Dank?“ fragte sie höhnend.

„Nein, Madame; wohl aber glaubte ich, daß Sie einem höflichen Manne gegenüber die Gesetze des Anstandes nicht verletzen würden.“

„Ich richte mein Betragen nach dem Ihrigen ein.“

„Wie Schade, daß Sie eine Frau sind!“ rief der Senator.

„Warum?“

„Weil ich Ihnen sonst eine meiner Havanna-Cigarren angeboten haben würde.“

„Vergessen Sie nicht, mein Herr, daß wir uns hier nicht in einem Kaffeehause befinden!“ rief die Landdrostin entrüstet.

„Die Kaffeehäuser, Madame, scheinen Ihnen nicht fremd zu sein, da Sie die Gewohnheiten derselben kennen! Mir sind sie bis zu diesem Augenblicke fremd.“

„Mein Gott, wohin bin ich gerathen!“ rief die Dame.

„Schöppenstedt!“ rief draußen der Schaffner. „Zwei Minuten!“

Der Zug hielt. Gleich darauf ward die Thür geöffnet und Lorenz erschien, um nach den Befehlen seines Herrn zu fragen.

Unter dem Arme trug er die Madeiraflasche, und in der Hand das Krystallglas. Die Landdrostin hatte verachtend den Kopf abgewendet, um die Trinkscene nicht zu sehen; sie beobachtete durch das Fenster die gegenüberliegenden Häuser.

„Lorenz, in welchem Wagen fährst Du?“ flüsterte der Herr.

„In dem nächsten hinter dem Ihrigen!“ antwortete der Diener.

„Meine Begleiterin kann das Rauchen nicht vertragen, und [351] Du weißt, daß ich ohne zu rauchen nicht reisen kann. Du bist kein Raucher, wechseln wir die Plätze.“

Der Senator stieg aus, Lorenz stieg ein, ohne ein Wort zu entgegnen. In demselben Augenblicke schloß der Schaffner eilig die Thür. Der Senator hatte kaum noch so viel Zeit, um den folgenden Wagen zu besteigen, in dem er sich mit der Kammerfrau der Landdrostin allein befand. Die Glocke gab das Zeichen, und der Zug setzte sich in Bewegung.

„Wo ist der Conducteur?“ fragte plötzlich die Landdrostin, die einen Entschluß gefaßt hatte. „Conducteur!“ rief sie, indem sie sich umwandte.

„Sie werden ihn nicht mehr sprechen können, Madame, da der Zug bereits im Gange ist!“ antwortete ehrerbietig eine sanfte Stimme.

„Himmel, was ist das?“

„Es ist zu spät, Madame! Sie müssen sich bis zur nächsten Station gedulden.“

Die Dame starrte den langen Lorenz in seiner amaranthfarbenen Livree an. Noch immer hielt er das Glas in der Hand und die Flasche unter dem Arme.

„Wer ist Er, mein Freund?“

Lorenz lächelte mit seinem devotesten Lächeln.

„Ich bin kein Raucher, liebe Madame; beruhigen Sie sich nur!“ antwortete er. „Mein Herr will Ihnen nicht lästig fallen, und darum hat er mit mir den Platz gewechselt.“

„Das ist zu arg,“ flüsterte erbleichend die Dame. „Diese Impertinenz! Ein Livreebediente sitzt mit mir in einem Coupé! Mir schwindet die Besinnung!“

Sie zog ein kleines goldenes Flacon hervor, und hielt es unter die Nase. Lorenz, ein guter, gemüthvoller Mensch, ahnte die Bedeutung nicht, welche die Dame seinem Erscheinen unterlegte; eben so wenig hatte er einen Begriff von ihrem Charakter.

„Madame,“ sagte er mitleidig, „Ihnen ist unwohl – darf ich Ihnen von diesem echten Madeira ein Gläschen anbieten? Er erwärmt den Magen und bringt das Blut in Wallung.“

Die Frau Landdrostin sah ihn mit einem durchbohrenden Blicke an; ihre Gesichtsmuskeln zuckten und ihre Lippen bebten. Sie war in tiefster Seele verletzt – der Herr hatte ihr Cigarren geboten, und nun bot ihr der amaranthfarbene Bediente Madeira.

„Mein Freund,“ sagte sie stolz, „ich bin gewohnt zu befehlen, wenn ich bedient sein will! Werfe Er augenblicklich die Flasche und das Glas, deren Anblick mir Ekel bereitet, durch das Fenster!“

„Verzeihung, Madame!“ stammelte der bestürzte Lorenz.

„Nehme Er den Hut ab!“ fuhr die erbitterte Landdrostin fort.

Lorenz setzte seinen betreßten Hut auf den Boden.

„Und nun entferne Er die Flasche!“

„Nein, Madame, ich werde das Frühstück meines Herrn, der nur Wein aus seinem Keller trinkt, nicht entfernen,“ antwortete fest der treue Diener. „Außerdem begreife ich nicht, warum Sie so erbittert gegen mich sind, da ich es doch gut mit Ihnen meine. Sie brauchen sich nicht zu geniren, aus dem Glase meines Herrn zu trinken – wenn Sie wüßten, wer er wäre – –“

„Ich will es nicht wissen. Und nun schweige Er!“

Der arme Lorenz saß wie eine Statue da. In diesem Tone hatte sein Herr, obgleich er ihm schon dreißig Jahre diente, noch nie mit ihm gesprochen. Lorenz hing mit einer unerschütterlichen Ergebenheit an seinem Herrn, und der Senator schätzte den Diener, wie ein altes liebgewordenes Möbel. Der gute Alte fühlte sich tief verletzt, zumal da er keinen Anlaß zu dieser Behandlung gegeben hatte.

„Die Frau muß närrisch sein!“ dachte er. „Ich will schweigen, so lange ich kann; aber wenn sie es mir zu arg macht, werde ich ihr deutlich zu erkennen geben, daß sie mich sehr wenig kümmert. Ich freue mich, so oft ich eine Frau kennen lerne, daß mein Herr nicht verheirathet ist. Ich will lieber ein halbes Dutzend Männer, als eine Frau bedienen.“

Lorenz hatte sich über seine Begleiterin weiter nicht zu beklagen, denn sie verschmähete es, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen; Glas und Flasche auf dem Schooße, dachte er über das angeregte Thema so lange nach, bis er einschlief. Die Landdrostin wurde erst dann aufmerksam auf diesen Zustand größter Ruhe ihres Nachbars, als er ihn durch ein lautes Schnarchen verrieth.

„Mein Gott,“ flüsterte sie, „soll ich denn das Ziel meiner Reise nicht erreichen, wollen mich denn diese Menschen tödten? Welch’ ein widerwärtiges gemeines Geräusch! Vorhin hätte ich mir Mund und Nase zustopfen mögen, jetzt wäre es nöthig, daß ich mir die Ohren verstopfte. Selbst die erste Klasse unserer Staatseisenbahnwagen schützt vor der Berührung des Pöbels nicht – ich werde bei meiner Rückkehr diesen beklagenswerthen Mangel höchsten Orts zur Sprache bringen.“

Das graue, halb kahle Haupt des alten Lorenz hatte sich auf die Brust herabgesenkt; dadurch ward sein Athmen so geräuschvoll, daß es wirklich stärkere Nerven, als die der Frau Landdrostin, unangenehm berühren mußte. „Bediente, Bediente!“ rief sie mehr als einmal. Aber der Bediente war so fest von Morpheus Armen umschlungen, daß Worte ihn nicht zu befreien vermochten. Es gab kein anderes Mittel, dem entsetzlichen Concerte ein Ende zu machen, als die Berührung. Aber womit sollte sie ihn berühren – mit der Hand? Nein, das konnte sie nicht über sich gewinnen! Noch überlegte die aristokratische Dame, und sie dachte bereits an einen derben Fußtritt, als das Pfeifen der Maschine und die langsamere Bewegung des Zuges eine Station ankündigten. Gott sei Dank, hier konnte sie die Folterqualen enden. Kaum stand der Zug, als sie an das Fenster klopfte, und nach dem Schaffner rief. Aber der gute Mann, der einzige Retter aus der Noth, war nicht zu sehen, denn er entließ die Passagiere, deren Ziel Oschersleben, die gegenwärtige Station, war. Statt seiner zeigte sich Susanne, die Kammerfrau, auf dem Perron. Die Herrin gab der Dienerin durch Zeichen ihren lebhaften Wunsch zu erkennen. Susanne verschwand, um den säumigen Beamten an seine Pflicht zu erinnern. Während dieser Zeit betrachtete die Landdrostin den Bedienten; er schlief und schnarchte fort. Vier Minuten verflossen. Da endlich erschien Susanne mit dem Schaffner und die Thür des Gefängnisses ward geöffnet. Die Reisende stieg aus.

„Madame, der Zug fährt im Augenblicke weiter! Ich bitte, behalten Sie Ihren Platz.“

„Unmöglich!“

„Das Zeichen ist gegeben – der Schnellzug wartet nicht!“

„Susanne, wo ist Dein Wagen?“ fragte die Dame, die sich nicht entschließen konnte, in der Gesellschaft des schlafenden Bedienten weiter zu reisen.

„Dort!“ sagte Susanne, indem sie auf den nächsten Wagen deutete, dessen Thür offen stand.

Die Maschine stieß einen gellenden Schrei aus.

„Ich muß schließen, meine Damen!“ rief der Schaffner, indem er die Thür des Coupé’s erster Klasse ergriff. !

Der Landdrostin blieb nichts, als dem Beispiele des Senators zu folgen.

„Susanne, nimm meinen Platz, ich werde den Deinigen nehmen!“ rief sie, getrieben von dem Drange der Umstände.

Die bebende Zofe führte den Befehl aus, und der Schaffner schloß die Thür. In diesem Augenblick bewegte sich die Wagenreihe.

„Schnell, Madame, schnell, oder Sie müssen zurückbleiben!“

Der Schaffner hob die Dame in den folgenden Wagen und schloß hastig die Thür hinter ihr. Der Schnellzug brauste davon. Halb ohnmächtig war die Landdrostin in den Sitz gesunken, denn sie hatte den furchtbaren Raucher beim Einsteigen erblickt, den einzigen Passagier in dem Coupé. Die arme Frau war aus dem Regen in die Traufe gekommen. Der Senator konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, denn er begriff und billigte das Mißgeschick der edeln, stolzen Frau, die ihn in seiner Würde gekränkt hatte. Er war nicht rachsüchtig; aber diese kleine, von dem Zufalle gefügte Züchtigung machte ihm Vergnügen. Nachdem er noch einige lange Züge gethan, öffnete er lächelnd das Fenster und warf zum zweiten Male seine Cigarre hinaus. Dann wickelte er sich in den Pelz, legte sich zurück, und schloß die Augen.

Diese Höflichkeit und diese Verachtung machten ihn der Landdrostin noch verhaßter, als er ihr bereits war. Sie fühlte das Lächerliche ihrer Situation, und eine Frau, sie sei jung oder alt, kann dem Manne nie verzeihen, der sie lächerlich gemacht hat. Die beiden Passagiere wechselten kein Wort, keinen Blick. Nach einer Stunde kamen sie in Magdeburg an; hier trennten sie sich [352] als die erbittertsten Feinde, jeder war froh, von der lästigen Gesellschaft des Andern befreit zu sein. Sie ahnten nicht, daß sie sich einander sehr nahe standen, und daß sie sich unter ernsten Umständen bald wiedersehen würden!




II.

Die Scene, die der Verfasser jetzt mittheilen wird, empfiehlt er der besondern Nachsicht der freundlichen Leserinnen unserer Gartenlaube. Er befindet sich in einer ähnlichen Lage wie der Senator Beck der Landdrostin gegenüber, das heißt, er wird von den Umständen gezwungen, die Galanterie ein wenig aus den Augen zu lassen, um so wahr als möglich zu schildern, ein Bestreben, dessen er sich nicht entäußern darf, wenn er vor dem Richterstuhle der Kritik einigermaßen Gnade finden will. Um der Verzeihung der Leserinnen desto sicherer zu sein, fügt er noch hinzu, daß er mit den Augen des Hypochonders sieht, eines Menschen, der Alles in einer grauen Färbung erblickt.

Um dieselbe Zeit, als sich die beiden Reisenden in Magdeburg trennten, befanden sich in Leipzig zwei junge Damen in dem Salon eines eleganten Hauses, das an einem der belebtesten Plätze steht. Die eine von ihnen, eine bleiche, zarte Schönheit, stand in vollständiger Toilette am Fenster, und sah sinnend durch die großen Spiegelscheiben auf den belebten Platz hinaus. Sie trug eine Mantille von schwarzem Sammet und einen braunen Atlashut mit weißen Straußfedern. Die zweite Dame, eine blendende, üppige Schönheit, stand noch vor dem Spiegel und ordnete die schwarzen Locken unter dem prachtvollen weißen Hute; hinter ihr stand das Kammermädchen, den seidenen Mantel bereit haltend.

„Ist der Wagen schon da?“ fragte sie, ohne die Blicke von dem Spiegel abzuwenden, der das reizende Gesicht der vierundzwanzigjährigen Frau zurückgab.

„So eben fährt er vor,“ antwortete die Dame am Fenster.

„Den Mantel, Sophie!“

Das Kammermädchen legte behutsam den eleganten Mantel um die schwellenden Schultern der Herrin. Dann entfernte es sich.

„Schon wieder sind Sie in das unglückselige Sinnen versunken, das ich nicht verbannen kann! Wilhelmine, fast möchte ich Ihnen zürnen.“

Wilhelmine trat von dem Fenster zurück. Ein schmerzliches Lächeln verbreitete sich über ihr bleiches, ausdrucksvolles Gesicht, als sie die Hand der Freundin ergriff und antwortete:

„Sie haben Recht, Elise! Halten Sie mich für eine Thörin, aber zürnen Sie mir nicht. Sie wissen, daß Ihre Freundschaft mir unentbehrlich geworden ist, wie die Luft, die ich athme.

Ich begreife, daß Ihnen meine Besuche oft lästig werden müssen.“

„Liebe Freundin, ich behaupte, daß ich schlimmer daran bin, als Sie!“ sagte Elise mit erzwungener Heiterkeit. „Mein Mann ist eifersüchtig wie der Mohr von Venedig, er bewacht jeden meiner Tritte und Schritte, und nur wenn ich in Ihrer Gesellschaft bin, stellt er seine kränkenden Beobachtungen ein – muß ich mich nicht glücklich preisen, wenn Sie mich ohne Ihren Mann besuchen? Opfern Sie mir nicht einen Theil der kostbaren Zeit, die Sie der Liebe widmen könnten?“

„Glauben Sie mir, ich fühle das Bedürfniß, mich auch der Freundschaft zu erfreuen und wiederhole Ihnen, daß ich trotz der zärtlichen Liebe meines Mannes große Sorgen habe.“

„Ach, es hat ein Jeder in dieser Welt sein Kreuz zu tragen!“ seufzte Elise. „Wir sprechen Morgen oder übermorgen mehr über dieses Kapitel – jetzt folgen Sie mir, daß ich Sie in die Gemäldegallerie führe, Sie kennen dann alle Sehenswürdigkeiten unserer guten Stadt. Vergessen wir auf eine Stunde das Hauskreuz, das die Liebe bereitet.“

Wilhelmine seufzte lächelnd; dann küßte sie die Stirn der Freundin, als ob sie ihr für diesen Entschluß danken wollte. In dem Augenblicke, als Elise die Thür des Salons zu öffnen im Begriff stand, trat ein Mann von vielleicht dreißig Jahren ein. Betroffen blieb er stehen, als er die beiden Damen erblickte.

Nachdem er Wilhelmine mit kalter Artigkeit gegrüßt, fragte er:

„Du willst ausfahren, Elise?“

„Um meiner Freundin die Gemäldegallerie zu zeigen,“ antwortete die junge Frau, die mit Verdruß die Aufregung ihres Mannes bemerkt halte. „Ich glaubte die zwei Stunden, die Du in Geschäften außer dem Hause verbringen wolltest, nicht besser anwenden zu können!“ fügte sie ruhig hinzu. „Willst Du mich begleiten?“

„Nein; aber ich ersuche Dich, zu Hause zu bleiben!“

„Bernhard, wenn ich Dich nun bitte, mich zu begleiten?“ fragte Elise, ihren Unwillen verbergend.

„So müßte ich Deine Bitte ablehnen, und auf meiner Forderung beharren.“

„Auf Deiner Forderung? Bernhard, Frau von Beck ist meine Freundin!“

„Aber Herr von Beck ist nicht mein Freund; ich spreche in diesem Augenblick eine Gesinnung aus, die ich schon zu lange aus übertriebener Artigkeit geheim gehalten habe. Wenn Frau von Beck darauf Rücksicht nehmen will, so wird sie mich der Unannehmlichkeit überheben, das so eben Gesagte zu wiederholen.“

Bernhard trat in den Salon, setzte seinen Hut auf einen Tisch, zog hastig die Handschuhe aus, und warf sie in den Hut. Elise erröthete, sie war keines Wortes mächtig. Wilhelmine war bleich geworden, und Thränen standen in ihren dunkeln Augen. Schweigend reichte sie der Freundin die Hand, und verschwand aus dem Saale. In dem Vorzimmer schwankte sie, und sank auf einem Stuhle nieder.

„Mein Gott, was ist das?“ flüsterte sie.

Nachdem sie einen Augenblick starr zu Boden gesehen, raffte sie sich gewaltsam empor, eilte zitternd die Treppe hinab, verließ das Haus, bezeichnete dem Kutscher ihre Wohnung, und stieg in den Wagen, der davon fuhr.

Wir kehren in den Salon zurück.

(Fortsetzung folgt.)




Land und Leute.
Nr. 5. Die Ruhl und die Rühler.
Die Gegend. – Die schönen Ruhlerinnen und die Elephantine. – Ueberall Poesie. – Geschichte von Ruhla. – Ein Ort und drei Landesväter. – Wie der Herr so der Knecht. – Die Ruhl im vorigen Jahrhundert. – Die Leidenschaften der Rühler. – Taubenzüchter. – Finkenschlag.

Wie die schlafende Natur auf einzelne Menschen alle reizenden Gaben des Körpers und des Geistes häuft, so auf einzelne Gegenden und Landschaften. Die Natur ist die größte und wahrste Dichterin. Auf viele tausend Meilen fruchtbares ebnes Ackerland in Hellas gab sie nur ein zwei Stunden langes Thal Tempe. Auf die fruchtreichen Gegenden des nördlichen und mittlern Thüringens gibt sie die nur wenige Stunden im Umfange haltende reizende Gebirgslandschaft des nordwestlichen Thüringerwaldes, deren Mittelpunkt und merkwürdigster Ort Ruhla oder die Ruhl ist, die neuerdings wieder von Bade- und anderen Reisenden so viel besucht wird. Der vorherrschende Charakter dieser Berggegend ist durchaus der der Milde und Anmuth.

Mit dem Reiz der Gegend verbindet sich ein schöner, edler, deutscher Menschenschlag, geistig und körperlich wohlbegabt, zu Scherz und Frohsinn und Lebenslust vorzüglich geneigt, witzig und neckelustig, voll reizender Schelmerei und Schalkhaftigkeit. Und auch in der Menschenwelt ist das anmuthige und milde weibliche Element das hervorragende, überwiegende. Die fast mehr als die griechische von Kennern hochgehaltene deutsche Schönheit der ruhlaer Mädchen ist schier weltberühmt. Nicht vergebens strömen in der schönsten Jahreszeit alljährlich eine Menge Studenten aus Jena, Göttingen und anderen Universitäten nach Ruhla, um einige Tage hier im Genuß der Schönheit zu verleben, welche ihr natürlicher ästhetischer Sinn in Berg und Thal und den Menschenkindern weiblichen

[353]

Rühlerinnen. Ansicht von Ruhl.

Geschlechts bewundert. In der That, es kann nichts Lieblicheres in der organischen Natur geben, als eine schlank gewachsene Rühlerin mit ihren blonden oder braunen Zöpfen, ihren großen blauen, von Muthwillen und Schalkhaftigkeit lachenden Augen, ihrem frischen von Grazien umgaukelten Mund, in ihrer feinen, kleidsamen Volkstracht mit dem turbanähnlichen Kopfputz. Und dazu die eigenthümlich singenden und schnarrenden Töne der rühler Mundart, in der so Vieles naiv und witzig klingt, was im Hochdeutschen kahl und farblos erscheint, vom spitzen, gewandten Zünglein eines so allerliebsten Bergkindes doppelt, ja zehnfach interessant. Laß Dich nur in ein Gespräch mit ihr ein, und es ist Eins gegen Hundert zu wetten: Du wirst nach einer halben Stunde wie bezaubert von ihr sein. Und am Ende bist Du doch der Gefoppte, der Gegenstand ihres naiven Spottes. Es sind noch keine zwanzig Jahre her, als die unter dem Namen der „schönen Elephantine“ eines schier europäischen Rufes genießende Rühlerin eine große Menge Fremder nach Ruhla (sie war die Gastwirthstochter im Gasthofe zum Elephanten; daher ihr improvisirter Name) und nach Mechterstedt, einem Dorfe an der Straße von Eisenach nach Gotha, wo sie Gastwirthin war, zog, und es gab gewiß Keinen, den sie nicht mit ihrer gewandten, witzigen und köstlichen Unterhaltung entzückte. Kehrten doch im letztern Orte sogar die Königin von England und der Prinz Albert bei ihr ein, um sie, das schönste Weib aus dem Volke in Thüringen, kennen [354] zu lernen, und sie unterhielt sich mit den hohen Herrschaften eben so „lustig“, wie mit ihres Gleichen. Die andern Mädchen stehen ihr wahrlich nicht viel nach, da sie aber auf allen Bäumen wachsen und keine Gastwirthstöchter sind, so ist von Einzelnen nicht so viel Gerede, wie zu seiner Zeit von der Elephantine war.

Zu der schönen Natur und dem schönen Menschenschlage steht die Geschichte dieser Gegend im Einklang, und auf keine andere hat die Sage, die poetische Schöpfung des Volks, so viel duftende Kränze geworfen. Da ist kein Berg, kein Thal, kein Fels und kein Bach, von welchen sich das Volk nicht reizende Dichtungen zu erzählen weiß. Der Aberglaube, das so oft verkannte und thöricht geschmähete Kind einer längst vergangenen Zeit, blüht hier noch in manchen Beziehungen kräftig, wie eine tausendjährige Eiche, auch zum Beweis, daß diese Gegend der Sitz eines großartigen Kultus unserer heidnischen Vorfahren war. Denn im deutschen Polytheismus wurzelt er, und aus ihm saugt er noch heute seine Lebenskraft, wenn er auch das Kreuzeszeichen zur Schau trägt.

So ist überall Poesie auf dieses kleine Stück Erde gestreut, wie duftende Blüthenflocken, und die Menschen dieser Berge und dieses Thales erfreuen sich ihrer. Sie lieben die schöne Natur, den Frohsinn, das Vergnügen, sie lieben Musik und Gesang, und musiciren und singen selbst nach Herzenslust, sie lieben die Singvogel, die Tauben, die Blumen, und ihre Liebe äußert sich meist auf originelle Weise. Inzwischen hat sich doch vieles von der alten kernigen Naivetät verloren, und die Kultur hat auch die Kinder des Ruhlathales nicht allein äußerlich beleckt. Seit hundert Jahren schwindet die Volkstracht mehr und mehr, hat sich das Idiom, die Sprache der alten Thüringer, der hochdeutschen Aussprache mehr und mehr genähert und die frischen, brennenden Farben des Aberglaubens sind zu unbestimmten Tönen verblichen und verschwommen. Man erzählt die Sagen jetzt als Kuriositäten, und die Liebhaberei der Finken, Tauben, der Nelken, und Aurikel hat die flagrante Leidenschaftlichkeit der Altvordern verloren. Will man die heutigen Rühler ganz verstehen, so muß man die Rühler aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts betrachten. So weit kennen wir sie aus mündlicher und schriftlicher Ueberlieferung. Was weiter zurückliegt, ist nur Geschichte, nicht mehr Sittenbeschreibung.

Ruhla ist höchst wahrscheinlich einer der ältesten Orte im Gebirge, doch hat er früher weiter östlich in einem höhern nach dem Gebirgskamm sich emporsehenden Thale gelegen, welches noch heute „die alte Ruhl“ heißt. Der Sage, daß die ältesten Einwohner aus Tirol eingewandert seien, jedenfalls aus der Lautähnlichkeit (die Ruhl, Tirol) entstanden, widersprechen Mundart und Sitte, welche ächt thüringisch sind. Da ist kein Laut, der an ein anderes Land erinnerte, am wenigsten an Tirol. Die alten eigenthümlichen Spiele und Tänze haben das unverkennbare Gepräge autochthonischer Originalität.

Die früheren Bewohner Ruhla’s waren zumeist Waffenschmiede, und der nahe Hof der Landesfürsten, der Landgrafen von Thüringen, auf der Wartburg, mochte ihnen guten Verdienst gewähren; außerdem Hammerschmiede, Bergleute, Köhler. Nach dem Verfall des Ritterthums wurden allmälig Messerschmiede aus ihnen. Als solche treten sie mit scharf ausgeprägter Physiognomie in unsern Gesichtskreis. Aber so schlau und so thätig sie auch sind, es fehlt ihnen die Genialität der Industrie. Sie verstehen es nicht, mit der Zeit fortzuschreiten, geschweige ihr voran zu gehen. Wie sie sich wahrscheinlich erst als Waffenschmiede von andern hatten überflügeln lassen und deshalb gezwungen gewesen waren, zur Messerfabrikation zu greifen, so ließen sie sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den Rang auch in diesem Industriezweig ablaufen, und auch sie kam in Verfall. Dafür kam das Verfertigen von Pfeifenköpfen aus Holz, Thon, Meerschaum, und das Beschlagen derselben und der Porzellanköpfe mit Messing auf. Doch auch dieser Nahrungszweig ist schon seit Jahrzehnten sehr precär geworden und geht seinem Verfall entgegen. Andere Nahrungszweige tauchen auf, wie denn seit Kurzem eine nicht unbedeutende Portemonnaisfabrik errichtet worden ist. Uebrigens leidet der schöne freundliche Ort an allem Elend des Fabrikwesens, physischem und moralischem, das zum starken Dämpfer des sonst so lustig aufjauchzenden Volksgeistes geworden ist.

Ruhla wäre jedenfalls eine eben so große und blühende Bergstadt wie Suhl, wenn die Zerspaltung des Orts ihn nicht in seiner Entwicklung aufgehalten hätte. Als die Fürstenthümer Koburg und Eisenach, welche die beiden Herzöge und Brüder Johann Kasimir und Johann Ernst erst gemeinschaftlich und dann getheilt, jener Koburg, dieser Eisenach regiert hatten, bis sie nach Johann Kasimir’s Tode wieder auf eine kurze Zeit unter Johann Ernst vereint worden waren, nach dem Tode des letztern 1638 an die verwandten Fürstenhäuser von Weimar und Altenburg fielen, und die Söhne des früh verstorbenen Herzogs Johann von Weimar ihre Landesportion unter sich theilten – ein unseliger Gebrauch deutscher Fürstenhäuser, welcher die gesunde Blüthe Deutschlands sehr geschädigt hat – erhielt Herzog Ernst, welcher in der Geschichte den Beinamen des Frommen führt, in der Ländertheilung vom Jahre 1640 das gothaische Land, Herzog Albrecht, sein jüngerer Bruder, das eisenacher, und beide Bezirke wurden selbstständige Fürstenthümer. Es war gewiß kein guter Einfall, daß im Ruhlathale das Flüßchen Ruhla, wahrscheinlich Rolla, d. i. rollendes, stürzendes Wasser, von welchem der große Gebirgsort den Namen erhalten hat, als Grenzscheide der beiden Fürstenthümer bestimmt wurde. Denn da der Bach, von jener Bestimmung Erbstrom genannt, den Ort in zwei ziemlich gleiche Theile scheidet, so erhielt die südwestliche Hälfte den eisenacher Herzog zum Herrn, der nordöstliche den gothaer. Der untere, westliche und größere Theil der gothaischen Hälfte stand wiederum in einem Lehnsverhältniß zu den Herren von Uetterodt zu Scharfenberg in Thal; der obere oder östliche gothaische Theil gehörte dagegen zum Amte Tenneberg. So bestanden in Ruhla drei Gemeinden und dreierlei Regiment. Die dadurch herbeigeführten Nachtheile wurden durch eine merkwürdige, fast republikanische Handels- und Gewerbefreiheit ausgeglichen, die in jetziger Zeit, wo die allein zünftigen Messerschmiede nicht mehr existiren, noch bedeutender ist. In der Ruhl kann, wie in Nordamerika, Jeder zu seiner Nahrung treiben, was er will; kein Zunftzwang und kein Gesetz hindert ihn daran. Schon dieser Umstand allein macht den Ort zu einem der merkwürdigsten in Deutschland.

Der eisenachische Grund und Boden in Ruhla hieß nach dem officiellen Sprachgebrauch „meines Herrn Ort“, und davon „die herrnört’sche Seite“, „die herrnört’sche Gemeinde“ und die derselben angehörigen Einwohner kurzweg „die Herrnört’schen.“ Das von ütterodt’sche Lehnsbesitzthum wurde „auf Uetterodt“, „die ütterodt’sche Seite, die ütterodt’sche Gemeinde“ und die ihr Angehörigen „die Uetterödt’schen“ oder vielmehr nach rühler Aussprache „die Uetteröh’schen“ genannt; der dem Amtsbezirk Tenneberg endlich zugehörige Ortstheil hieß der „tennebergische (vulgo: temmer’sche) Boden“, die Bewohner desselben „die Temmer’schen.“ Seit die im Gothaischen gelegenen ütterodt’schen Güter Staatseigenthum geworden, sind die beiden letztern Gemeinden zu einer verschmolzen, welche zum Amtsbezirk des Gerichtsamts Thal gehört. Früher hatte der Ort natürlich nur eine Kirche; als die fürstlichen Brüder getheilt hatten, baute sich die eisenacher Gemeinde eine zweite. Im Theilungsreceß wurden eine Anzahl rechtlicher Bestimmungen stipulirt, sogenannte Gemeinderechte, die bei friedlicher Gesinnung der beiden Fürstenhöfe zu Gotha und Eisenach und der ruhlaer Gemeinden wohl zur Geltung kommen konnten, bei feindlicher aber leicht die Veranlassung zu bösen Streitigkeiten werden mußten. Und so kam es auch.

Der gothaische Hof war die Schule der feinsten Sitte, des zartesten Anstands, der eisenachische ein Gelag hochgeborner Wüstlinge. Diese beiden Höfe mußten sich hassen. Die Streitigkeiten und Plackereien zwischen ihnen nahmen kein Ende. Und da ging denn das alte Wort des Horaz: Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi wieder in kleinlicher Weise in komisch bittere Erfüllung. Die eisenachischen und die gothaischen Unterthanen in Ruhla, Sprossen eines Volksstammes, Bewohner desselben Orts, deren Häuser meist nur wenige Schritte von einander lagen und eigentlich durch nichts weiter als einen Bach getrennt waren, Menschen, die im engsten Verbande der Verwandtschaft, der Sitte, der Sprache, des stündlichen Verkehrs, Gewerbes und Handels zusammen standen und gar nicht ohne einander leben konnten, die vor hundert Jahren in friedlicher Gemeinschaft unter einer Regierung gelebt hatten, entbrannten in unnatürlichem lächerlichen Haß und alberner Feindschaft gegeneinander und aus keinem stichhaltigen Grunde weiter, als weil ihre beiderseitigen Herzöge, oder vielmehr der Herzog von Eisenach und die Herzogin von Gotha nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Die Volkspicoterie machte sich in [355] gegenseitigen Neckereien, Schimpfereien und Turbationen Luft; doch nahm der kleine komische Krieg zuweilen auch eine ernste Wendung. An Ursachen zum Streit fehlte es natürlich niemals, und wenn er einmal hellaufloderte, so durfte sich ein „Herrnört’scher“ nicht wohl in einem Bierhause „auf Uetterodt“ oder „auf dem temmer’schen Boden“ sehen lassen, ohne Gefahr zu laufen, daß er halb todt geschlagen würde. Schlimmer war es nach umgekehrt, wenn ein „Uetteröh’scher“ oder „Temmer’scher“ sich auf „der Herrnort“ sehen ließ. Denn die eigentlichen Streit- und Händelsüchtigen, die Hetzer und Schürer des alten dummen Grolls, die immer wieder anfingen, waren die eisenacher Unterthanen, gerade wie ihr Herzog auch eigentlich der Veranlasser der Entfremdung zwischen seinem und dem gothaischen Hofe war.

Es klingt sonderbar, und doch ist es wahr, daß die Uetterodt’schen sich durch Bildung und Sitte vor den „Herrnört’schen“ hervorthaten, daß Kirche und Schule auf der gothaischen Seite den humanen Gesetzen des Christenthums mehr entsprachen, als die gleichen Institute auf der eisenach’schen Seite, so daß auch hier das Sprichwort zur Anwendung kommen durfte: „Wie der Herr, so der Knecht.“

Diese Verhältnisse dauerten auch unter der Regierung des weimarischen Herzogs Ernst August, welcher Eisenach erbte, fort; denn dieser geizige, abergläubische, wunderlichste und barockste aller Häupter, die je Land und Leute regiert haben, konnte sich ebenfalls nicht mit der aufgeklärten, feinen und taktvollen Herzogin von Gotha vertragen. Nach seinem Tode kam sein unmündiger Prinz Ernst August Constantin unter gothaische Vormundschaft und wurde am feinen gothaischen Hofe erzogen, Eisenach aber von der gothaischen Regierung verwaltet. Da standen denn die beiden Hälften von Ruhla unter einem Regiment, und der Streit ruhte. Später unter Karl August von Weimar und Ernst von Gotha ist er wieder ausgebrochen, wenn auch nicht mit der alten Bißigkeit, und heut zu Tage mögen höchstens ein paar Kinder sich noch über den Bach herüber und hinüber Böcke schimpfen.

Treten wir in die Ruhl des vorigen Jahrhunderts, etwa im zweiten Jahrzehnt desselben, als die Messerfabrikation noch in voller Blüthe stand! Die Wege, welche in das langgestreckte Thal führten, waren meist halsbrechend, die steilen Abhänge der schöngeformten hohen und mächtigen Berge, Rimber (Ringberg), Bärmer (Bärenberg), Engestieg, Dornsenberg, Mühlrain, Wasserberg, Häsel, Kirchberg, Nesselrain und Breitenberg, stürzen von allen Seiten nach dem Bache herab und sind dichter und weiter herab mit Laubholz bestanden, als heutiges Tags. Nur an einer Stelle dehnt sich das tiefe Thal zu geringer Breite aus und gibt mehren Straßen Raum; hier liegen die beiden Kirchen an Bergabhängen einander schief gegenüber. Uebrigens zieht sich der Ort fast eine Stunde lang an den Ufern des Erbstroms hin, kleine freundliche Häuser, oft mit der Schmiedeesse zusammengebaut, oft steht diese als besondres Häuschen daneben. Die meisten hart am Berge. Hier hat sich altthüringische Sprache und Sitte erhalten, wie nirgend weiter. Einst ein mächtiges Königreich, dessen Dynastie einen hochtragischen Untergang erfuhr, wurde dieses reizende und reiche Thüringerland im Laufe der Zeit politisch mehr zerrissen und zerstückt als irgend ein anderes. Die laxen Sitten der kleinen Höfe, die darin gewuchert, die Stürme der Kriege, die darüber hingebraust, und der Fittich der alles verwehenden Zeit hatten die originelle und charakteristische Art und Weise der Altvordern verwischt; in diesem Thale hatte sie sich festgeklammert, in diese Berge war sie wie eingekeilt. Hier sang und schnarrte noch das Idiom, das Martin Luther von seinen Eltern lernte; hier saßen die Reste des alten polytheistischen Volksglaubens, den Karl der Große mit dem Schwert bekämpft hatte, in großer Menge, freilich in christlich gefärbten Aberglauben maskirt; hier fächelte noch der einst so kräftige Hauch individuellen deutschen Volksthums; hier sprangen noch die Eigenthümlichkeiten der altdeutschen Volkstracht mit ihren hellen bunten Farben in’s Auge; in diesen markigen, untersetzten, arbeitgestählten, wettergebräunten Männergestalten war noch etwas Typisches von jenen Helden, von welchen die Römer geschlagen und Europa erobert worden war; in diesen schlanken, gewandten, edlen Frauengebilden mit braunen und blonden Zöpfen und blauen Augen hatte sich die Schönheit erhalten, welche Cäsar und Tacitus bewundert hatten. Die Rühler spielten noch Spiele, die, im übrigen Deutschland verschwunden und vergessen, sich nur noch in England erhalten hatten, sie tanzten noch Tänze, die mehr als alles Andere die harmlose Naivetät des ursprünglichen Volkscharakters zur Anschauung brachten. Alles, was in diesem Ruhlathale lebte und webte, die Menschen, die Kühe, die Hühner, die Tauben und die Finken, war gesund und wohlgebaut, und die Erstern nicht „angekränkelt von des Gedankens Blässe.“ An den schönen Kindern dieser Berge war noch Alles natürlich und wahr.

Wie alle kindlichen Völker waren sie in ihren Vergnügungen und in ihrem Aberglauben am Originellsten. Besonders stark trat ihre Vorliebe für einige Arten gefiederter Erdenbewohner und Zierblumen hervor; die Erstern waren die Hofhühner, die Tauben und die Singvogel; die Letztem Nelken und Aurikel. Unter Jenen erfreute sich der Kampfhahn ihrer ganz besondern Gunst; die Tauben mußten auffallend gezeichnet sein, wenn sie ihnen eine an’s Lächerliche angrenzende Liebe zuwenden sollten, und sie hatten eine reiche Terminologie und Nomenklatur für dieselben, und unter den Singvögeln genoß der Fink bei ihnen eines ganz außerordentlichen Vorzugs.

Die beliebtesten Tauben waren: „Schwarzköpf’, Weißköpf’ (rothe, braune, blaue und gelbe), Rothköpf’, Kahlköpf’, Eulige, Weißeulige, Schwarzeulige, Silbereulige, Lacheulige, Grunzeulige, Lerchenstöpfliche, Gelblichstöpfliche, Weißlichstöpfliche, Gräulichstöpfliche, Grundstöpfliche, Gelbgrundstöpfliche, Silberfarbige, Hammergraue, Rothmalige, Grunzfarbige, Schnürige, Schwalbenschecken, Schwalbenschwänz’, Schwarzmauser, Weißmalige, Schwarzstriemige, Silberbrüster, Roth-, Braun-, Blau-, Gelb- und Weißbrüster.“ – Es ist unmöglich durch bloße Beschreibung die Zeichnungen der Tauben auch nur entfernt anschaulich zu machen; genug sie waren eben so mannigfach wie die Farbenmischungen und es war ein beliebtes, obwohl sehr unsicheres Studium der Taubenzüchter, Farben und Zeichnungen durch eigenthümliche Beimischungen zur Nahrung der Tauben hervorzubringen, und fast Jeder hatte in dieser Beziehung sein Geheimniß. Die „Grunzeuligen“ waren dem rühler Geschmack nach die schönsten Tauben, die „Schwarzeuligen“ die seltensten und theuersten. Es wurde ein nicht unerheblicher Handel mit diesen Luxustauben getrieben, und nicht wenige Messerschmiede arbeiteten mehr für ihren Taubenschlag, als für ihren Haushalt. Die ächten Taubenmänner warteten niemals den Feierabend ab, um mit dem langen Blasrohr den Tauben nachzulaufen; sie ließen gar oft die Arbeit im Stich. Da sah man sie in ihrer Arbeitskleidung, die aus wenig mehr als einem groben schmutzigen Hemd, das den Schlitz hinten hatte, einer kurzen ledernen Hose und einem paar Schlumpschuhen bestand, von Essenruß geschwärzt durch die Straße rennen, die Augen unverwandt auf die Firste der Häuser gerichtet, wo die bunten Gegenstände ihrer Excursionen Platz genommen hatten, oder an den Berghängen und auf den Thalwiesen laufen, das Blasrohr immer schußsertig haltend. Solch ein Schießgewehr war ein höchst wichtiges und eben nicht billiges Möbel in jedem Hause. Die theuersten und besten waren inwendig mit Maulwurfsfellchen gefüttert, und es wurde mit ungebrannten Thonkugeln daraus geschossen. Diese Kugeln wurden in einer eisernen Form gefertigt, und da sie in großer Menge verbraucht wurden, so war ihre Verfertigung eine zeitraubende Arbeit.

Die Finken wurden nach ihrem Gesang klassificirt und benannt, der theils ein natürlicher, theils ein eingelernter war. Es gab Messerschmiede, Schalenschneider und Feilenhauer, welche den ganzen Tag über während ihrer Arbeit am Schraubstock dem im Bauer am Fenster über der Werkbank hängenden Finken vorpfiffen, bis er ein Stückchen nach dem andern nachpfiff. Die vorzüglichsten Finkenschläge waren: „der ein- und zweitheilige Doppelschlag, der Walddoppelschlag, der schmalkalder Doppelschlag, der härfner Doppelschlag, der härzer Doppelschlag; der einfache Wirr, der grobe Wirr, das Kutschengewirr, das Härzergewirr, das Hochzeitgewirr (Hotziggewirr); das Gutjahr, das Tollgutjahr; die Wittscheer, die Pottscheer; das Kienöl, das Quakkienöl, das Würzgebühr, das Richtsgebühr; der einfache Weingesang, der gute Weingesang, der schlechte Weingesang; das Wüthjeh, das Zeterwüthjeh, das Drehwüthjeh; der Scharf’, der gleiche (glich) Scharf’, der urnshäuser Scharf’; das Rädesthier, der Bräutigam, der Kauzjoi (Kuizjoi), der Larzer, der Reuzug, der Tannenwälder, der Fiedelmann (Fiddelmuhn), das Bockshorn.“

(Schluß folgt.)
[356]
Die Leber und die Leberleiden.

Der Leber schreibt Arzt wie Laie ungerechter Weise so viele Schlechtigkeiten zu und ihre Krankheiten sollen fälschlicher Weise so häufig und beschwerlich sein, daß man sich endlich einmal dieses von allen Seiten angegriffenen und verleumdeten Organes annehmen muß. Hat Jemand sehr brünetten Teint, braune oder gelbliche Flecke auf der Haut, bräunliche Ringe um die Augen oder gar Gelbsucht, so ist, nach der Ansicht der großen Menge, sicherlich allemal die Leber Schuld daran. Ist in Folge schlechter Gewöhnung und geringer Selbstbeherrschung, also aus Ungezogenheit, der Mann mürrisch, jähzornig, hypochondrisch oder melancholisch, die Frau ärgerlich, unzufrieden, zänkisch, mißmüthig, weinerlich u.s.f., dann muß dies nur von einer Leberaffection herrühren. Kopfschmerzen, Schwindel und alle andern Beschwerden in und am Kopfe sollen, gerade so wie die verschiedensten Störungen im Bauche (Verdauungsbeschwerden, unangenehme Empfindungen im Leibe, Hämorrhoiden) von der Leber herstammen. Cholera, Typhus, gelbes Fieber und eine Menge anderer Krankheiten haben Aerzte in der Leber gesucht. Ich leide schrecklich an der Leber, klagt ein Patient, und greift dazu an eine Stelle seines Körpers, wo alles Andere, nur nicht die Leber liegt. Marsch nach Karlsbad, sagt der allopathische Heilkünstler, wenn er seine Aloëpillen und sein Schwefelpulver vergebens gegen die verdächtige Leber eines Staatshämorrhoidarius verschossen hat, während der Vollblut-Homöopath (zuweilen aber auch der Bastard-Homöopath) seine Taschen-, Haus- oder Reiseapotheke mit den netten kleinen Gläschen hervorholt, und sinnend zwischen Quecksilber, Kupfer, Blei, Arsenik, Schwefel, Jod, Magnesia, Kochsalz, Sepia, Bärlapp, Lachesis, Aconit, Nux, Arnica, Belladonna, Pulsatilla, Carduus, Kreosot, Chamomille, China, Digitalis u. s. w. wählt. Nur wenn Gelbsucht in Folge von Aerger auftrat, da greift er sofort nach Bryonia.

Werden nun vermeintliche Leberkranke genau (durch Besichtigen, Befühlen, Beklopfen und Behorchen, d. i. die physikalische Untersuchungsmethode) untersucht oder kommt es nach deren Tode zur Section, dann ergibt sich gewöhnlich, daß bei den Meisten die Leber gar nicht erkrankt ist oder daß sie erst in Folge eines andern Leidens (besonders der Lunge und des Herzens) eine krankhafte Veränderung erlitten hat, die aber in Anbetracht des andern die Leberveränderung erzeugenden Leidens so unbedeutend ist, daß der Arzt einen solchen Patienten gar nicht als Leberkranken bezeichnen sollte. Für sich allein bestehende Leberkrankheiten, welche den Besitzer zum „Der leidet an der Leber“ machen können, sind im Allgemeinen äußerst selten, so selten, daß dem Verf., wenn er einem Arzt dem andern blos das Wort „leberkrank“ zuflüstern hört, stets der Verdacht beschleicht, hier liege von Seiten des Arztes eine ungenaue Untersuchung oder eine Unwissenheit vor. Denn die wenigen der der Leber eigenen Krankheiten lassen sich zwischen Aerzten fast stets mit ihren wahren Namen (wie Leberkrebs, Schuhzweckenleber u. s. f.) benennen oder doch, wenn noch ein Zweifel zwischen dieser oder jener speciellen Leberkrankheit vorhanden sein sollte, annäherungsweise bezeichnen. Uebrigens scheint es mir von den Aerzten sehr inhuman, daß sie den über Unterleibsbeschwerden Klagenden so oft durch Octroyirung eines Leberleidens, was sie selbst nicht kennen und nur argwöhnen, Angst und das Gemüth gallig machen. Wie schwer es hält, dem Laien sein eingebildetes Leberleiden wieder aus dem Sinne zu treiben, davon ließe sich ein Liedchen singen. – Besprechen wir zuerst den Bau und die Funktion der Leber.

Was die Architektonik der Leber, die ihre Lage oben, auf der rechten Seite im Bauche, unter den unteren Rippen und Zwerchfelle hat, betrifft, so denke man sich dieselbe aus zwei auf das Innigste in einander verwebten Netzwerken zusammengesetzt, deren Maschen die die Galle bereitenden Leberzellen ausfüllen. Das eine dieser Netzwerke besteht aus feinen Blutgefäßchen und führt das Blut, waches den Leberzellen das Material zur Gallenbereitung (nicht aber die schon fertige Galle) liefert; es stammt dieses Blut aus der Pfortader (s. Gartenl. 1854. Nr. 18.) und der Leberpulsader. Das andere Netzwerk wird theils von reihenweise verbundenen Leberzellen, theils von Röhrchen (Gallenkanälchen) gebildet, welche, von den Leberzellen begrenzt, die Galle aus diesen Zellen aufnehmen und in größere Gänge, durch diese aber zur Leber heraus leiten. In den Zellenreihen wird die Galle aus dem Material, welches die Blutgefäßchen abgaben, bereitet, filtrirt und wie der Saft der Pflanze von Zelle zu Zelle fortgeschafft, bis sie in die Gallenkanälchen gelangt. – Bei Erkrankung der Lebersubstanz muß entweder die Bildung der Galle durch die Leberzellen gestört werden, und dann bleibt das Gallenmaterial (nicht Galle oder fertige Gallenbestandtheile) im Blute zurück, oder die in den Zellen fertig gebildete Galle wird an ihrer Ausfuhr gehemmt und kehrt dann als solche in das Blut zurück. So entstehen ganz verschiedene, hauptsächlich die Blutmischung betreffende Krankheitszustände, von denen später die Rede sein soll.

Die Form der Leber ist die eines länglichen Vierecks mit abgerundeten Ecken; sie ist gegen 4–6 Pfund schwer, mehr lang (10–12" im Querdurchmesser) als breit (4–7"), platt, von oben nach unten sehr zusammengedrückt und schalenförmig gekrümmt; ihrer Consistenz nach ist sie härtlich und brüchig; im gesunden Zustande hat sie eine braunrothe Farbe; äußerlich wird sie von einem dünnen, glatten und stets feuchten Bauchfellüberzuge überkleidet. An ihrer obern, gewölbten und dem Zwerchfelle zugekehrten Fläche, bemerkt man eine (durch das Aufhänge-Band der Leber bewirkte) Trennung in einen rechten und einen linken Lappen, während die untere ausgehöhlte Fläche, welche die rechte Niere, den Quergrimmdarm, Zwölffingerdarm und Magen berührt, in 4 Lappen getheilt ist und in ihrer Mitte eine quere Vertiefung (die Pforte) zum Ein- und Austritt von Gefäßen, Nerven und Gallengängen besitzt. An dieser untern Fläche ist auch die birnförmige Gallenblase angewachsen und steht theils mit dem aus der Leberpforte hervortretenden Hauptgallengange (Lebergange), theils mit dem zum Zwölffingerdarme führenden gemeinschaftlichen Gallengange in Verbindung, so daß die aus der Leber durch den Lebergang ausfließende Galle ebensowohl in die Gallenblase (ein Reservoir für die Galle), wie auch durch den gemeinschaftlichen Gallengang, mit Umgehung der Gallenblase, sofort in den Zwölffingerdarm fließen kann.

Die Funktion der Leber ist erst in der neuern Zeit genauer bekannt worden, früher begnügte man sich blos damit, zu behaupten, daß das Blut die Leber durchströme, um die für den Verdauungsproceß wichtige Galle zu bereiten. Allerdings fand man bald, daß hierdurch, nämlich durch Absetzung des zur Gallenbildung nöthigen Materials aus dem Blute, dieses von einem Theile seiner schlechten Bestandtheile befreit und so gereinigt werde. Aber daß sich auch neue Blutkörperchen und Zucker im Blute bilden, während es die Leber durchströmt, das ist erst eine Entdeckung der Neuzeit und die Veranlassung, daß man die Leber als ein Organ, welches zur Bildung neuer Blutkörperchen bestimmt ist, ansieht und die Umwandlung der während jener Neubildung und vielleicht nur wegen derselben aus dem Blute ausgeschiedenen Stoffe zu Galle in den Leberzellen blos als eine Nebenfunktion betrachtet. Zu dieser Erkenntniß gelangte man übrigens dadurch, daß man das in die Leber ein- und ausströmende Blut mit einander verglich. Hierbei fand sich nämlich, daß die farbigen Blutkörperchen des aus der Leber (durch die Leberblutadern) kommenden Blutes beträchtlich von denen des (durch die Pfortader) in die Leber hineinströmenden Blutes abwichen, und daß das erstere Blut viel ärmer an Faserstoff, Eisen und Fett, dagegen bedeutend reicher an farblosen Blutkörperchen und Zucker als das letztere Blut ist. Ohne Zweifel geht ein Theil der in die Leber eintretenden farbigen Blutkörperchen zu Grunde und wird zur Gallenbildung (besonders zur Bildung des Gallenfarbstoffes) verwendet. – Die Galle läßt sich hiernach als ein Nebenprodukt, ein Residuum des Blutkörperchen-Zerstörungs- und Neubildungsprocesses in der Leber betrachten, welche im Darme bei der Verarbeitung (Zerkleinerung und Aufsaugung) des genossenen, in den Nahrungsmitteln befindlichen Fettes mithilft und theils vom Darme aus in das Blut zurückkehrt, theils mit dem Stuhle aus dem Körper weggeschafft wird.

Mit der Leber im engsten Zusammenhange steht die Pfortader; sie ist es, welche das Blut (durch die Pforte) in die Leber hineinschafft, damit es daselbst gereinigt und verjüngt werde; sie ist es auch, die in den meisten Fällen das Ueble thut, was man [357] gewöhnlich der Leber schuldgibt, hauptsächlich die sogenannten Unterleibs- und Hämorrhoidalbeschwerden erzeugt (s. Gartenlaube Jahrgang 1854 Nr. 18). Denn der Blutlauf in dieser Ader, sowie in deren Zweigen, die von Milz, Magen und Darmkanale her das Blut in die Pfortader schaffen, unterliegt bei unserer jetzigen Lebensweise sehr leicht und oft einer Störung. Wie man dieselben heben und vermeiden kann, wurde früher schon angegeben.

(Ueber die Leberleiden nächstens.)
Bock. 




Pariser Gefängnisse in den Decembertagen.

Es war die Nacht vom vierten zum fünften December 1851, als plötzlich schwere Schritte und rauhe Stimmen mich im besten Schlafe störten. Erst vor einigen Stunden hatte die Revolte an den Barrikaden unter dem Peloton- und Kanonenfeuer der Truppen ihr Grab gefunden und das war ein Grund, der mich ahnen ließ; während die mitternächtliche Stunde andererseits diese Ahnung bestärkte, daß der Besuch unter solchen Umständen nur der von Polizisten sein konnte. Man klopfte heftig an meiner Thür und gastfrei öffnete ich; wie ich geahnt hatte, empfing ich etwa zwölf schwarze Stadtsergeanten mit der grausamsten Zuvorkommenheit und in demselben bedenklichen und poetischen Gewande, in welchem Wallenstein von den Partisanen seiner Mörder angetroffen wurde.

Beim Schein einiger Blendlaternen lud man mich nun höflich ein, in meine eigene Wohnung näher zu treten, ein Anerbieten, welches ich mit unendlichem Dank annahm. Einer der Sergeanten nahm darauf eine große Liste und versicherte sich durch seine Fragen und meine Antworten, daß meine im Hemde vor ihm stehende Person identisch mit der auf seinem Papier beschriebenen sei. Andererseits waren die übrigen Stadtsergeanten so galant sich in meinem Zimmer zu vertheilen und ihre Theilnahme für mich so weit auszudehnen, daß sie alle Briefe, selbst parfümirte, und alle Manuskripte, worunter selbst die heiligen Ergüsse einer schwärmerischen Gymnasialpoesie sich befanden, zusammenbanden, und mehrere sonstige Gegenstände ihrer schmeichelhaften Aufmerksamkeit huldigten.

Da die Reflexion von jeher eine meiner Untugenden war, so wird es Niemandem auffallen, daß ich auch in der damaligen entblösten Lage nachdachte. Mit Hilfe des Polizisten, der sich so zuvorkommend nach meinen näheren Verhältnissen erkundigt hatte, kam meine Reflexion endlich zu dem Endpunkt, daß sie mich belehrte, wie ich von nun an diese eleganten Räume nicht mehr bewohnen, sondern sie mit jenen großen Palästen vertauschen werde, die man Gefängnisse nennt. Genug, trotz meiner Protestation und der Versicherung, daß hier eine Verwechselung in der Person stattfinde, wurde ich in Begleitung, wie es die Höflichkeit erheischte, hinunter geleitet, und wie eine große Staatsperson bestieg ich einen schon meiner wartenden Fiacre, in welchem zu meinen beiden Seiten die mir in diesem Augenblicke etwas lästigen Adjutanten Platz nahmen.

Der Weg führte uns von der Rue de Provence bis zur Polizeipräfectur und bot eines der pikantesten Schauspiele dar, die man sich unter solchen Umständen nur wünschen kann. Auf den Boulevards und den Quais, sowie in den Hauptstraßen hatte sich das Militair gelagert und große Wachtfeuer erhellten die dunkle Decembernacht. Zwei Kanonen bewachten die Eingänge jeder nur etwas bedeutenden Straße und die Kanoniere gingen, die Lunte in der Hand, auf und ab. Große Kavalleriepatrouillen und Infanteriekolonnen durchstreiften die Straßen, während an jeder Straßenecke uns die Wachtposten anriefen und respektvoll meinen Wagen passiren ließen, nachdem meine Begleiter ihnen gesagt, welche theure Person sich darin befand.

Endlich rollte der Wagen die Straße Jerusalem hinunter, was mich heute hinsichtlich der orientalischen Frage wiederum zum Nachdenken veranlaßt. Die heilige Straße ist aber in Paris für diejenigen, welche sie unfreiwillig passiren, schrecklich kurz und bald umfingen mich die ehrwürdigen Mauern der Polizeipräfektur, die, früher ein Residenzschloß der französischen Könige, schon lange ein anderes Schloß geworden ist. Nachdem man mich dem Bureau der Präfektur vorgestellt, welches ebenfalls sich theilnehmend nach meinen Verhältnissen erkundigte, ließ man mich eine steinerne Treppe hinaufgehen, an deren Ende ein lustiger Wächter mich willkommen hieß, einen großen Riegel zurückschob und mich in einen Saal eintreten ließ, dessen Salpeteratmosphäre mir zuerst den Athem benahm.

Eine große Menschenmenge befand sich in diesem oblongen und mit Fliesen gepflasterten Saal; die Inwohner hatten sich theils auf die zu beiden Seiten des Saales herabgelassenen und mit Strohsäcken und wollenen Decken belegten Pritschen niedergelegt, theils drängten sie sich in dem mittleren schmalen Gange. Eine große Laterne erleuchtete den Saal, bei deren Schein ich bemerken konnte, wie die sonst hier gewöhnlich sich aufhaltende Klasse von allerhand Verbrechern kaum vertreten war, sondern sich dem Anscheine nach nur gebildete und von der Politik gepackte Personen befanden, deren oftmals fashionable Toilette sonderbar mit dem Gestank und Schmutz dieses Gefängnißsaales in Kontrast stand. Von Zeit zu Zeit öffnete sich die Thür von Neuem und ein neuer Kamerad trat herein. Die Unterhaltung bestand meistentheils in Pfeifenrauchen oder in der Mittheilung der verschiedenartigsten Variationen, unter denen diese Gesellschaft sich hier Rendezvous gegeben hatte.

Endlich wurde es Tag; die Pritschen mit ihren mülligen Strohsäcken und den von allerliebsten kleinen, für den Menschen nach Buffon sehr dienlichen Thierchen wimmelnden Decken wurden in die Höhe gehoben und die verschiedenartigsten Physiognomien sahen sich beim Tageslichte höchst drollig an. Nach der Brotvertheilung, welches an Qualität und Quantität für Gefangene vorzüglich ist, kam der Marketender, der mit Papier und Tinte, Federn, Taback, Pfeifen, Butter, Käse, Fleisch und Wein handelte. Die Mehrzahl suchte sich nach seiner Entfernung irgend ein Plätzchen aus, um Briefe zu schreiben, die alsdann dem Wärter offen gegeben wurden. Um acht Uhr wurden irdene Näpfe vertheilt, in denen sich Liebhaber ihre Portion Kohlsuppe hineinfüllen lassen konnten.

Wie gesagt, war der Saal von Menschen fast überfüllt und im Laufe des Tages kamen noch immer neue Vermehrungen hinzu. Die Salontoiletten zogen natürlich sehr krause Nasen und einige, worunter hauptsächlich ein Volksrepräsentant, hielten gewaltige Reden über die Schmach, sie in ein solches Loch zu sperren, wo sich Niemand um sie kümmere. Die Leute hatten Unrecht so zu sprechen, denn daß man sich um uns kümmerte, wurde gegen Abend klar, wo Viele, wahrscheinlich um das übervolle Lokal zu leeren, herausgerufen wurden, unter denen auch ich mich befand. Die Hoffnung, die sich nun regte, schon in Freiheit gesetzt zu werden, kroch bald wieder zusammen; denn man führte uns durch Korridore und eisenvergitterte Gänge jenem Theile des Präfekturgebäudes zu, welches die Conciergerie heißt. Eine große eiserne Thür öffnete sich, um uns hineinzulassen. Ein allgemeiner Schrei der Empörung empfing uns, um dagegen zu protestiren, weil die Unglücklichen hier wie eingerammte Pfähle standen und ich mit Resignation meinen Trost in dem Sprüchworte fand, daß ich „aus dem Regen in die Traufe gekommen sei,“ denn mitleidslos schlug der Wärter die Thür hinter mir zu und nun erst konnte ich mir einen wahren Begriff von der kläglichen Situation jenes Engländers machen, der lediglich um die Kaiserkrönung zu sehen, nach Frankfurt kommt und dort im Gedränge seinen Hut über die Augen geschlagen erhält, ohne im Stande zu sein sich vor Ablauf der Kaiserkrönung denselben durch seine bisher durch das Gedränge festgehaltenen Hände abzureißen.

Der große Saal bildete augenscheinlich das Schiff einer vor Zeiten hier gestandenen Kirche und war in diesem Augenblick von mehreren Laternen erleuchtet. Die zusammengepreßten Menschen tobten und lärmten auf eine ohrbetäubende Weise, um Errettung aus ihrer grausamen Lage zu erhalten; aber eine plötzliche Stille trat ein, als der Officier in einer der im obern Raum dieses mächtigen Gefängnisses angebrachten Loge erschien und nach einer Fluth von Flüchen versicherte, daß seine Leute dazwischen schießen würden, wenn man sich nicht ruhig verhielte. Nur leise hörte [358] man darauf das Seufzen der gequetschten Lungenflügel und ich kann behaupten, daß den Meisten darauf die Pfeife ausging.

Die Grausamkeit dieser Situation wurde noch durch die Aufmerksamkeit der Polizisten erhöht, welche um uns Schlaf zu gönnen, Strohbunde in den Saal hineinwarfen, indem sie wahrscheinlich glaubten, dieselben würden den Boden schon finden und die Gesellschaft würde sich die Bequemlichkeit eines Lagers nicht entziehen. Doch es war nicht möglich das Stroh auf den Fußboden zu bringen und so lag es denn in großer Menge auf unsern Köpfen und schlief auf uns, statt wir auf ihm. Man kann sich keinen Begriff von dieser Lage machen und wie viel Ohnmächtigen es nicht gelang zur Erde zu fallen; auf die Knieen fielen wir fast vor Dank, als sich am Morgen die Thür öffnete und uns der Besuch des Hofes gestattet wurde.

Der Hof der Conciergerie ist eine pariser Kuriosität, und seine Steine sind mit geronnenem Blute zusammen verbunden. Man hat einen kleinen Blumengarten in seiner Mitte anlegen wollen, – die Blumen blühen und wachsen aber nicht. Auf diesem großen viereckigen und von den hohen Gefängnißmauern eingeschlossenem Hofe der Conciergerie stand in der Zeit der Revolution eine Guillotine und das Blut der Girondisten sättigte tagelang diese Erde. In dem großen Kirchenschiff mit mächtigen Pfeilern und weißer Tünche, in welchem wir die Nacht über die Lehre der Kompression deutlich kennen lernten, sieht man aus der Girondistenzeit her noch Hunderte von Namen und Redensarten eingekratzt, die ein besonderes Tagebuch bilden. Oftmals sind die Buchstaben drei bis vier Zoll hoch und starren von einer Höhe der Mauer herab, bis zu welcher man vermeinen sollte, daß ein menschlicher Arm ohne hohe Leitern nicht hinaufreichen könnte. In jener Nacht stand ich dicht neben einem Pfeiler, in dessen oberer Hälfte jene großen eingekratzten Worte mich fortwährend anstarrten:
Jean Bourgonnais
homme de Virginie, girondiste
sera guillotiné demain 31. Oct. 1793.

und etwas niedriger der Name Brissot. Sollte dies der Chef der Girondisten gewesen sein, den man an demselben 31. October guillotinirte?

Bereits war es Abend und zum Glück hatte man uns noch nicht wieder in jene furchtbaren Kellerräume der Conciergerie geführt. Plötzlich wurden mehrere Namen aufgerufen und auch der meinige; aber anstatt in Freiheit zu kommen, wurden wir in die dazu eigens gebauten Zellenwagen gesetzt und unter Gensd’armerieescorte in der Nacht nach dem Zellengefängnisse Mazas geführt, in welchem unter Anderm auch mein Gönner und Freund Viktor Hugo, die Generale Lamoricière, Changarnier und Cavaignac saßen. Dieses große und ausgezeichnet eingerichtete Zellengefängniß, wo der Gefangene so zu sagen in ein lebendiges Grab begraben und jede Berührung mit der Welt ihm verboten ist, war ebenfalls überfüllt und zwei Tage darauf vertauschte ich diesen Aufenthalt bereits mit einem vierten, zu welchem ich unter Umständen geführt wurde, welche Zeit meines Lebens für mich unvergeßlich bleiben werden.

Es war nämlich gegen elf Uhr Nachts, als der Wärter mich plötzlich weckte und mich zum Ankleiden aufforderte. Ich traute meinen Ohren kaum, denn wohin sollte ich nun noch geführt werden? Wieder war es der Gedanke, wohl gar in Freiheit gesetzt zu werden, der mich beim Ankleiden beschäftigte und das ungewohnte Lärmen und Rennen auf den langen Korridors des noch mit Gas erleuchteten Hauses versicherte mich andrerseits, daß ich nicht der Einzige sei, dem unter allen Umständen doch eine Veränderung seines Looses bevorstehe. Endlich öffnete man meine Thür und in dem in diesem Gefängnisse üblichen Trott lief ich dem Ausgange zu, wie man mir bezeichnet hatte. Vor dem Gebäude selbst stieß ich auf einen bereits langen und in Kolonne aufgestellten Zug, während hinter mir fortwährend sich die Glieder dieser Kolonne vermehrten. Alles war in so rosafarbener Laune wie die Nacht schwarz war; nur das blutrothe und grelle Licht von Hunderten von Fackeln beleuchtete dies Gemälde, dessen vollständige Komposition ich noch nicht kannte. Das Einzige, was uns Alle beschäftigte, war die Freude, wahrscheinlich jetzt nach der Präfektur geführt und dort entlassen zu werden; aber Einige machten auch ernste und finstere Gesichter und ließen mich leidlich bange werden „Nachts um die zwölfte Stunde“ mein Grab verlassen zu können. Aber wohin gehen wir? Auf diese Frage wußte kein Mensch zu antworten.

Endlich setzte sich der ziemlich lange Zug, der etwa zweihundertfünfzig Menschen umfassen mochte, in Bewegung und nun erst sah ich ein, welche wichtige Personen wir waren und welche große Suite man uns gegeben hatte, die uns zu allem Andern, aber wohl nicht zur Freiheit geleiten konnte. Dem Zuge voran gingen zwei Züge Infanterie und etwa fünfzig Gensd’armen zu Pferde; zu unseren beiden Seiten hatten je drei Glieder Munizipalgardisten ein undurchdringliches Spalier gebildet, welches durch daneben reitende Gensd’armen verstärkt wurde. Den Schluß bildete wiederum starke Infanterie und Kavallerie. Dieser Aufwand von Truppen, dem zu unserem verzweiflungsvollen Genuß noch das dumpfe Rollen zweier Kanonen beigegeben war, belehrte wohl Alle, daß Arkadien nicht unser Ziel sei, obgleich wir darin geboren wurden. Jemehr sich dieser Zug dem Ende von Paris näherte und endlich den Weg nach Bicêtre einschlug, jemehr wurde es still und jemehr verschwanden die kurzen Thonpfeifen von den Lippen; feierlich und stumm wie ein Grabgeleit und entsetzlich durch die rothe Glut der Fackeln in den Händen langbärtiger Pompiers gemacht, folgten wir unserer Bestimmung, welche bekanntlich das Einzige ist, womit man sich im Unglück tröstet. Leise flüsterte es von Mund zu Mund bange Besorgnisse um das Leben, und Einer raunte dem Andern in’s Ohr, daß man erst gestern 211 Mann bei Vincennes erschossen habe. Aber konnte man uns denn ohne Urtheil und meist ohne Schuld so ohne Hindernisse aus einer Welt in die andere schicken? Freilich sagte man sich, daß dies unerhört wäre, aber das Unerhörte ist der Seltenheit wegen oft sehr gesucht.

Schon sahen wir die hohen Zickzackmauern der Befestigungen um Paris, als plötzlich die Irrenhausuhr von Bicêtre langsam und mit grauenhaftem Klänge Mitternacht schlug. Welche furchtbare und geheimnißvolle Wirkung dieser Glockenklang bei mir und bei vielen Andern hervorbrachte, kann man sich nur erklären, wenn man unserer ungewissen und peinlichen Situation Rechnung trägt.

Plötzlich commandirte man Halt. Jedes Herz schlug ängstlich als man uns nun einzeln an die Mauer der Fortifikationen im Rechteck aufstellte und die dichten Kolonnen der Infanterie die dritte Seite dieses Dreiecks schlossen. Hoffen und Verzweiflung schlug noch einen letzten und schweigenden Kampf. Sollten wir in der That erschossen werden? Diese furchtbare Ahnung gestaltete sich bald zur Gewißheit, als das Militair plötzlich die Gewehre abnahm und einem leisen Commando gehorchend, die Ladestöcke in die Gewehrläufe hinabrieseln ließ. Jetzt war kein Hoffen mehr und die Hälfte der Unglücklichen fiel bebend auf die Kniee und weinte zu Gott. Viele stürzten vor und betheuerten ihre Unschuld und flehten um Gnade, während die Andern stumm und bleich vor sich hinsahen und ihr Schicksal erwarteten.

„Mein Gott! Was wollt Ihr denn?“ rief der commandirende Oberst, als er diese beim Schein der Fackeln großartig gestaltete Bewegung sah.

„Gnade! Gerechtigkeit!“ erscholl es fast einstimmig.

„Man wird sie Euch ja geben, oder denkt Ihr, man wird Euch hier wie tolle Hunde niederschießen? Ich glaube gar!“

Diese Worte belebten jedes Gemüth. Die Freude zum Leben exaltirte die schon mit sich abgeschlossenen Unglücklichen und sie fielen sich gegenseitig beim Gelächter der Soldaten um den Hals. Man zählte uns einfach nur und alsdann bewegten wir uns wieder in derselben Ordnung vorwärts, den Berg hinauf, die Zugbrücke hinüber, in das Fort Bicêtre hinein.

Wohl aber weiß ich, daß Niemand von uns jene schreckliche Todesangst vergessen hat.

Einige Minuten später waren wir vor den Kasematten angelangt, in der je einer achtzig Mann hineingelassen wurden. Beim Licht einer großen Laterne vermochte man diesen langen Voutenraum ganz leidlich zu übersehen, nur war diese Handlung von sehr kurzer Dauer, da sich weiter Nichts als Matratzen auf der Erde an den Seiten der Mauern befanden. In den spätern Tagen, nachdem sich auch die Gesellschaft durch Ab- und Zukommen und Anderer Vertheilung so zu sagen constituirt hatte, setzte man auch einen großen eisernen Ofen in die Mitte der Kasematte, verabreichte neue wollene Decken und organisirte überhaupt so praktisch, daß außer der Freiheit nichts zu wünschen übrig blieb. Die Kost war äußerst gut und an jedem Tage gab es Fleisch; des Sonntags überdies ein Maaß Wein. Außerdem war es Jedem freigestellt, sich selbst zu beköstigen und der drei Mal des Tages kommende [359] Marketender versorgte uns mit Allem, was nur zu kaufen geht. Andrerseits hinderte uns kein Wärter in unserem Treiben in der Kasematte; nur der Arzt erwies uns jeden Morgen die Aufmerksamkeit seines Besuches und hin und wieder Vorladungen des dort residirenden Kriegsgerichts zum Verhör.

Interessant war das Leben in der Kasematte selbst. Wir hatten einen Präsidenten der Kasematte und zwei Vicepräsideuten; außerdem waren zwei Ordnungsführer mit der Macht bekleidet, eine selbst geschaffene Disciplin aufrecht zu erhalten. Um neun Uhr Morgens, nachdem jeder sein Frühstück verzehrt hatte, begannen die politischen Debatten, welche mit eben der Präcision und Ordnung, aber entschieden mit mehr Feuer und Eifer geführt wurden, als in staatsverfassungsmäßig constituirten Parlamenten. Die Discussion wurde um so animirter, nachdem die Zeitung angekommen war. Freilich war die Verabfolgung einer solchen streng untersagt, indessen war unser Marketender eine so gute Seele, daß er für einen Franken nicht Anstand nahm täglich die „Presse“ in einem ausgehöhlten Brote hereinzuschmuggeln. Der Präsident verlas dieselbe laut und leitete nebenbei die Debatten. Ganz schnurrig kam es mir hierbei vor, wenn der draußen frierende und sich langweilende Wärter in die Kasematte eintrat, die Zeitungslektüre mit anhörte und den parlamentarischen Debatten aufmerksames Gehör lieh, ohne jemals die Zeitung sehen zu wollen oder Anzeige von unserer Frevelthat zu machen. Da, wie gesagt, die Majorität den gebildeten Ständen angehörte, so waren jene Vormittagsstunden für Jeden von großem Interesse; zu gleicher Zeit durfte auch bis zwölf Uhr keine Privatunterhaltung die politische Diskussion stören.

Nach dem Mittagsessen pflegten wir gewöhnlich Alle zusammenzulegen, um ein Stückfaß Wein von fünfzig Litres zu kaufen, dessen Inhalt wir beim oftmals profanen Klang von arrangirten Gesängen ausleerten, indem selbst die Armen, welche kein Geld zum Zusetzen hatten, dabei ächt brüderlich Theil nehmen mußten.

Um sieben Uhr Abends wurden oftmals wissenschaftliche Verträge gehalten, welche sich auf alle Gebiete erstreckten und sowohl Naturwissenschaft, als auch Literatur, Geschichte, Philosophie, Rechtslehre und Nationalökonomie berührten. War indessen dieselbe beendigt, so pflegten sich die Bewohner der Kasematte gewöhnlich auf ihre Matratzen zu legen, die wollene Decke behaglich über sich zu strecken und nun den Schnurren und launigen Erzählungen zuzuhören, welche von Einem und dem Andern zum Besten gegeben wurden. Nach Beendigung dieser jedoch war jedes laute Reden und Conversiren untersagt, um diejenigen, welche schlafen wollten, in ihrer Ruhe nicht zu stören, die sie zu oft nach jenen theuern und lieben Kreisen träumend zurückversetzte, aus denen man sie so zuvorkommend wie mich aus dem Bette gerissen hatte.

Durch die Urtheile des Kriegsgerichts und durch Freilassungen schmolz allmälig dies Parlament nach einigen Monaten zusammen; wie es sich aber gänzlich auflöste, das vermag ich nicht zu sagen, da ich bald darauf durch Reklamation und Bürgschaft meines Gesandten aus meiner Haft entlassen ward.

E. Schmidt-Weißenfels. 




Der Jahde-Busen im Großherzogthum Oldenburg.

An der nordwestlichen Seite der Jahde, außerhalb des Schaudeiches, liegt eine Strecke Landes, Dauensfeld genannt, dessen Spitze südöstlich in die Jahde hinausragt. Hier standen ehemals sieben gesegnete Kirchspiele: Bredum, Oldebrugge, Havermönniken, Dauens oder Douvens, Bandt, Seedyk und Ahme, welche in der großen Antonifluth von 1511 theils ganz, theils mehrentheils von den Wellen verschlungen wurden. Der in dieser Katastrophe noch übrig gebliebene Theil von Dauens ging durch die Stürme von 1683 und 1754 unter den Meereswogen verloren.

Gegenwärtig sehen wir noch die oberahmischen Groden, welche durch Eindeichung der Jahde abgewonnen, das größte Gut in Jeverland, vielleicht im ganzen Großherzogthum, bilden. Ferner zeigt sich uns der Bandter Kirchhof, welcher von den Wellen seit 1511 bespült, längst aufgehört hat zur Ruhestätte Entschlafener zu dienen, wo jedoch noch jetzt menschliche Gebeine und von zerstörten Gebäuden früherer Zeiten herrührende Ziegelsteine gefunden werden. Bandt wird als das größte der verunglückten Kirchspiele angesehen. Hier, oder vielmehr in dem benachbarten Neuende (Nyende) stand ehemals die vom jeverschen Häuptling Edo Wynenken dem Aelteren 1380 erbaute Burg Siebethsburg, die wegen der vielen, von dieser Feste aus getriebenen Seeräubereien im Jahre 1433 von den Hamburgern zerstört wurde. Jetzt deuten nur noch Spuren zweier Wälle das frühere Dasein des gefürchteten Häuptlingssitzes auf der Anhöhe an.

An der nördlichen Seite von Dauensfeld, unmittelbar am Deich, liegt die französische Schanze; sie ward in den Jahren 1811–12 unter Napoleon’s Gewaltherrschaft als Schutzwehr der Jahde gebaut, um den Briten das Einlaufen in dieselbe zu erschweren und besonders, um dem damaligen Schmuggelhandel von Helgoland aus Einhalt zu thun. Noch sieht man einen Theil des Erdwalles und eine Reihe von Pfählen, die als mahnendes Denkmal der Vergänglichkeit irdischer Hoheit und Gewalt aus dem Wasser emporragen.

Vom Deich aus eröffnet sich eine vortreffliche Aussicht auf die ganze Jahde mit ihren fernen Ufern: Schräg gegenüber von Dauensfeld und östlich von Heppens erblickt man Eckwarden, weiter südlich treten die Ober-Ahmfelder hervor, und den südlichsten Hintergrund bildet endlich das Seebad Dangast, welches Jedem, der eine ländliche, nicht sehr kostspielige Seebadeanstalt besuchen möchte, sehr zu empfehlen ist, zumal wenn die Gebrechen und körperlichen Uebel keinen zu heftigen Wellenschlag und ein nicht zu stark mit Salztheilen geschwängertes Wasser erfordern.

Ein vorzüglich anziehendes Seegemälde bietet die Jahde dem Beschauer noch besonders durch die verschiedenartigen Segel- und Dampfschiffe, welche, einen beständigen Verkehr zwischen England und Varel unterhaltend, den Meerbusen beleben und den wachsenden Geschäftsbetrieb wie den Alles bewältigenden Unternehmungsgeist des rasch zu Wohlstand gekommenen Varel bekunden.

Die Jahde (Jadua, Jada, in alten Urkunden auch Eddenriad, Riede, Ried genannt), welche jetzt, so weit sie den Meerbusen bildet, von den größten Kauffarthei- und Kriegsschiffen befahren werden kann, in alten Zeiten aber bis fast an ihre Mündung so schmal gewesen sein soll, daß sie nur für kleinere Schiffe fahrbar war, entspringt aus dem Zusammenfluß mehrerer Bäche (Bäken genannt) in den Kirchspielen Rastede und Jahde, und bekommt ihren Namen Jahde erst, nachdem sie die Hahner Bäke noch aufgenommen hat; sie geht dann weiter durch das Kirchspiel Jahde, nimmt daselbst das aus dem Moore hinter Bollenhagen kommende Flüßchen, die Dornebbe auf, und vereinigt sich dann hinter Jahder-Altendeich mit der Wapel. Von dieser trennt sie sich nahe vor dem jahder oder wapeler Siele, fließt aber außerhalb Deiches bei dem ruter Sieltief, wo sie die Grenze des Amtes oder der Herrschaft Varel gegen das Amt Rastede macht, wieder zusammen und fällt dann als ein beträchtlicher Meerbusen in die Nordsee.

Von großem Interesse für die Neuzeit und wichtig für Deutschlands Zukunft wird dieser Meerbusen durch den preußischen Kriegshafen, zu dessen Anlage die Arbeiten bereits begonnen und von wo aus in Kurzem der Kanonendonner dem deutschen Volke die Grundsteinlegung seines ersten Bollwerks zum bewaffneten Schutze seiner Handelsinteressen verkünden wird.

Nachdem Preußen am 20. Juli 1853 den Vertrag der Gebietsabtretung mit Oldenburg abgeschlossen, fand am 23. November 1854 bei der französischen Schanze auf Dauensfeld die Uebergabe von Heppens und des Jahdegebietes durch Oldenburg an Preußens König unter großer Feierlichkeit statt.

Den neuesten Mittheilungen zufolge sollen in diesem Jahre die Arbeiten zur Herstellung des preußischen Kriegshafens an der Jahde in bedeutend größerm Umfange als seither betrieben werden. Bereits sind zur kräftigen Förderung der Bauten zahlreiche Maschinen, namentlich Bagger- und Rammmaschinen, von großer Leistungsfähigkeit am Jahdeufer bei Heppens aufgestellt. Seit dem 15. April befinden sich die Arbeiten wieder im Gange.

[360]

Dauensfeld an der Jahde, Stelle des preußischen Kriegshafens

Es sollen dabei in diesem Augenblick etwa 1000 Menschen beschäftigt sein. Man beabsichtigt aber, die Zahl der Arbeiter binnen Kurzem auf 3000 zu steigern. Zur Unterbringung derselben in dem nur spärlich mit Wohnungen besetzten Landstrich wird in der Nähe der Hafenanlage eine Anzahl von Häusern gebaut, welche so eingerichtet werden sollen, daß sie später die Marinemannschaften aufnehmen können. Eben so trägt man für die zur Verpflegung der Arbeiter nöthigen Einrichtungen Sorge. Die Ausführung aller dieser Anlagen ist Privatunternehmern contractlich in die Hände gegeben. Ganz unabhängig davon werden die Hafenarbeiten betrieben. Die zu denselben gedungenen Mannschaften sind gegenwärtig besonders mit Ausgrabungen an dem großentheils aus tiefem Moorboden (Schlick) bestehenden Ufer beschäftigt. Später sollen hier mächtige Roste eingetrieben werden, um für die Bauten des eigentlichen Marineetablissements einen festern Untergrund zu gewinnen. Die Sicherung des Ufers gegen die Einwirkungen des Wassers erfolgt meist durch Senkmauern, die auf kolossalen Felsblöcken ruhen. Die Arbeiten werden nach wie vor durch die Hafenbaucommission geleitet, an deren Spitze der Geh. Oberbaurath Hagen steht, und von welcher die Bauplane unter Mitwirkung des englischen Hafenbaumeisters Rendel und des hamburgischen Wasserbaudirectors Hübbe aufgestellt wurden. Zur Entwerfung derselben fanden im vorigen Jahre an Ort und Stelle mehrfache Konferenzen der Sachverständigen statt, wobei es sich vorerst um die Herstellung eines sogenannten Nothhafens handelte. Es soll zur Anlage desselben ein in der Nähe von Heppens noch aus früherer Zeit vorhandener Molo benutzt werden, an dessen Ausbesserung und Vergrößerung man arbeitet. Nach der Vollendung dieses Werks wird zur Anlegung des eigentlichen Kriegshafens geschritten, für welchen man ein auch zur Aufnahme der schwersten Schiffe trefflich geeignetes Wassergebiet ausersehen. Die schon im vorigen Jahre von mehreren Marineoffizieren [361] im ganzen Hafenbereich vorgenommenen Peilungen ergaben eine Tiefe des Wassers von 32 bis 80 Fuß. Die Vermessungen werden in diesem Jahre zur gründlichen Regulirung des Fahrwassers bis in die Nordsee fortgesetzt und haben mit dem 1. Mai bereits wieder ihren Anfang genommen. Auch die Landvermessungen, mit denen Ingenieuroffiziere unter der Leitung des Generals v. Bayer beauftragt sind, erhalten in diesem Jahre eine weitere Ausdehnung. Befestigungen dürften für jetzt an der Jahde noch nicht angelegt werden, man scheint im Gegentheil damit warten zu wollen, bis die nothwendigsten Land- und Wasserbauten zur Begründung des Marineetablissements ausgeführt sind.

Nordwestlich von Dauensfeld, eine Viertelstunde vom Deich, erblickt man mit seiner auf einer kleinen Anhöhe liegenden Kirche das Dorf Heppens, welches in der Geschichte des preußischen Kriegshafens gewiß keine unbedeutende Rolle übernehmen wird. Es hat nur 350 Bewohner, deren Häuser in der Mehrzahl um den Hügel zerstreut liegen. Ein Bauernhaus macht, seinem Aeußern nach, auf jeden Fremden einen komischen Eindruck, welchen jedoch die innere Einrichtung sehr bald vortheilhaft zu verwischen vermag. Ein unförmiges, großes Dach ruht auf einer zwei bis drei Fuß hohen Mauer, an die Scheune stößt das Bienerende oder Wohnhaus, welches kleine, unterm Dach angehende Fenster hat, und unmittelbar vor der Scheune liegt der Zinsenbringer, d. h. der Dünger, dessen fast mit mathematischer Genauigkeit aufgeschichtetes Viereck den Fremden beinahe zu dem Glauben verleitet, man habe hier eine Terrasse anzubringen beabsichtigt. Was den meisten Häusern dagegen ein sehr reizendes Ansehen giebt und die Wohnlichkeit derselben erhöht, sind die kleinen Gebüsche von Eschen, schönen großen Linden und Pappeln, welche an die englischen Gartenanlagen, die wir in Britannien so sehr bewundern, erinnern. Tritt man in die Scheune, so [362] wird man durch die ganze Anordnung derselben angenehm überrascht. In der Mitte erheben sich zwei parallel laufende Reihen von säulenartigen Ständern, worauf das große Dach ruht und in deren Zwischenräumen die mannigfaltig reichen Gaben der Ceres aufgethürmt sind; an der vordem Seite deutet ein freigelassener Platz die Stelle an, wo die Früchte, statt mit dem früher üblichen Flegel, mit gewaltigen Dreschwalzen vermittelst Pferden ausgehülst werden. Unter dem Giebel erblickt man fünf bis sechs muthige Pferde, deren Zucht einen bedeutenden Erwerbszweig des Landmannes bildet, während an einer Seite der Wand zwanzig bis dreißig wohlbeleibte schwarzbunte Kühe und Ochsen sich in behaglicher Gemüthlichkeit des Lebens zu freuen scheinen. An der entgegengesetzten Seite reihen sich dann in gewissen Abtheilungen die übrigen Hausthiere an, die Schafe ausgenommen, deren ein hiesiger Landmann nur höchstens drei bis vier aufzieht, um durch dieselben so viel an Wolle zu erhalten, als er zum Hausbedarf nöthig hat. Die Marsch-Schafe sind besonders groß und liefern nur grobe Wolle, feinere schlesische und sächsische Arten gedeihen hier nicht, weil sie das Klima und den Boden nicht vertragen können. Da sich in der Scheune Alles unter einem Dache befindet, so wird die Temperatur durch die animalische Ausdünstung sehr gehoben und eine angenehme Wärme im ganzen vermittelst eines Fensters dämmerig beleuchteten Raume verbreitet.

Nachdem wir diese große Vorrathskammer durchwandelt, werden wir durch eine am hintern Ende angebrachte Thür in das Wohnhaus eingeführt, woselbst uns zunächst die höchst freundlich einladende Küche aufnimmt. Alles ist hier im wahren Sinne comfortable. Der mit stets sauber gehaltenen, blau bemalten holländischen, sogenannten Estern rings ausgelegte Kamin, in welchem sich der zwei Fuß hohe Feuerherd befindet, über dessen nie erlöschendem Torffeuer der stets brodelnde Kessel an einer Kette hängt, die durch einen Mechanismus aufgezogen und herabgelassen werden kann, ist ganz geeignet, in dem Gaste die Vorempfindungen der angenehmsten Genüsse, welche seiner warten, zu erwecken; den Kaminsims schmücken glänzend polirte Zinnschüsseln, Teller, große und kleine Kaffeekannen und gewaltige Messingschüsseln in getriebener Arbeit, alte von den Voreltern herstammende Erbstücke. Von substantiellem Wesen und Gewicht für den Gaumen auch des leckersten Gourmand sind die prächtigen Schinken, Speckseiten, Nagelhölzer und Metwürste, welche von der Decke in dichten Reihen herabwinken und mit Recht den Stolz der sorgsamen Hausfrau ausmachen. Dem Herde gegenüber stehen an den Wänden massive mit Schnitzwerken gezierte Glasschränke (Buddeleien), wo in reicher Fülle Porzellangeschirre, Silberzeug und andere werthvolle Sachen, die nur bei besondern Gelegenheiten benutzt zu werden pflegen, des Beschauers Blicke auf sich ziehen. Noch macht sich in dem weiten Raum der Küche, welche wenigstens drei Mal so groß ist, als die Wohnstube, ein gewaltiger, auf pfostenartigen Beinen ruhender Tisch bemerkbar, an welchem die gewöhnlichen Mahlzeiten, besonders des Gesindes, gehalten werden. Wie bei den Briten, dient auch hier die gemüthliche Kaminecke im Winter zum gemeinschaftlichen Sammelplatz der Hausgenossen.

Eine höchst rühmliche Eigenschaft, welche den Charakter des Landmanns sehr vortheilhaft auszeichnet, ist die Gastlichkeit, die er sich gegen jeden Fremden oder Besucher zur Pflicht macht und welche unwillkürlich an die patriarchalischen Festmahle der Vorzeit erinnert, vielleicht nur mit dem Unterschiede, daß Kultur und Mode, welche durch die den Fruchtpreisen günstigen Zeiten auch hier Eingang gefunden, die ländliche Einfachheit verdrängt haben.

Der Vorwurf, welchen man der Gegend um Heppens wegen ihrer Abgeschlossenheit und Ungeselligkeit macht, ist unbegründet. Werden in der rauhen Jahreszeit die Straßen zuweilen auch unwegsam, so erleidet das trauliche Zusammenkommen der Nachbarn doch keine Störung, und während es draußen tobt und stürmt, sieht man den Landmann gesellig sich die Zeit vertreiben oder in behaglicher Wohnung behäbig sich des Lebens freuen.




Erlkönig und Waldvöglein.
Von Beta in London.

Eine deutsche Frau in London vernahm neulich plötzlich aus dem ihr unverständlichen, unaufhörlichen Straßengeschrei der Ausrufer, Musikanten und Bettelsänger die heimathlichen Töne: „Wir winden Dir den Jungfernkranz von veilchenblauer Sei–ide“. Das Heimweh rieselte ihr heiß über die Nerven und warme Tropfen quollen ihr aus den Augen, so schlecht und falsch die arme Singbettlerin aus Thüringen auch den Carl Maria v. Weber verherrlichte und ihre aus Holzspähnen geschlitzten kleinen Besen dabei wie einen Taktstock gesticulirte und feil bot. Es kam hier auch gar nicht auf Richtigkeit und Virtuosität an: die zum Betteln herabgewürdigte, abgedroschene deutsche Melodie reicht hin, die Musik eines ganzen vergangenen Lebens auf deutschem Boden und dessen „Häuslichkeit, Familienglück und Bürgerwohl“, die Jugendgespielinnen darauf, verwandte liebe Gestalten und freundliche Gesichter, erstes Lieben und Leiden, die Stelle, wo ihr Vater starb, wo ihre und ihrer Geschwister Wiege stand – den tausendfachen Herzensinhalt des heimathlichen Lebens in der Erinnerung der Ausgewanderten zu beleben und mit einem Male alle ihre Nervensaiten in wehmüthig-melodische Schwingungen zu versetzen.

Was wir in uns selbst haben und von Außen angeregt, Schätze des Genusses in uns selbst producirt, ist auch in der Kunst die Hauptsache, so daß auch schlechte Musikanten in uns gut zu spielen vermögen. Wurde doch auch unlängst ein deutscher Wanderer über die Wüsten und Prairien, die sich zwischen der Ost- und Westseite Nordamerika’s strecken, auf das Tiefste gerührt und erfreut, als er eine deutsche Melodie in einen Indianerstamm hineinsingend, plötzlich von dem Häuptlinge desselben in Wiederholung der letzten Reime unterstützt ward, wenn auch rauh und heiser. Ein Deutscher war Indianer-Häuptling geworden. Und überall auf der Erde bemerkt man Deutsche, wenn nicht schon als Häupter, so doch auf dem Wege, Fürsten und Führer einer neuen Weltcultur zu werden. Die nationalen Engländer schimpfen fürchterlich auf den „Germanismus“, unter dessen Regierung sie stehen, und die alten Nationalrussen unterliegen in allen Sphären des Staates und des Lebens den Deutschen. Unlängst wurde Dr. Grüner aus Baiern zum „Generalissimus“ von Staats- und gelehrten Sachen Egyptens in Cairo erhoben, und Perser und Araber, Kopten und Türken, Abyssinier und Gesandte von Darfur drängen sich in seinem Vorzimmer, und er redet mit Jedem in dessen Sprache, Abends aber singt er mit seinen schönen egyptischen Damen deutsche Lieder.[1])

Die Musik ist die unmittelbarste Kunst. In ihr tritt denn auch die germanische Kulturmission für alle Welt am Ersten und Augenscheinlichsten hervor. In Amerika und England sind deutsche Gesangs-Vereine und Musikgesellschaften bereits die herrschenden Vorsänger und Kantoren aller musikalischen Leute. England, das am Nächsten liegt, giebt und hört nur noch deutsche Kompositionen, Sänger und Sängerinnen.

Der neueste Schritt in dieser Entwickelung ist eben während dieser Junitage geschehen. Früher sangen die Engländer nicht und liebten den Gesang so wenig, daß selbst Vögel in Käfigen nur gehalten wurden, insofern sie stumm waren. Jetzt singen Kanarienvögel u. s. w. mit einer Armee deutscher Straßenmusikanten (darunter schwarzgebeizte Negersänger und gymnastische Künstler aus verschiedenen deutschen Vaterländern hier zusammengelaufen) jeden Tag um die Wette. Deutsche Musikanten entschieden den Sieg der verbotenen Sonntagsmusik direct, aber noch mehr durch ihr vorhergegangenes, langjähriges Wirken vom Bettler an bis zu Formes und Fräulein Cruvelli. Deutsche hatten musikalischen Sinn in England erzogen. Wie hätte sonst die noch vor 10 Jahren nationalverhaßte Sonntagsmusik sich zum Siege durchsetzen können? In diesem Prozesse liegt mehr Geschichte, als in der geredeten Maculatur des Parlaments und Palmerston’s, womit die Zeitungen ihre Leser alle Tage auf’s Neue dumm machen.

[363] Daß in London am 7ten und 14ten Juni die beiden ersten deutschen Concerte als solche von Deutschen gegeben und in beiden speciell deutsche Kompositionen mit deutschem Text als die eigentlichen Triumphe gerade allein stürmisch da capo verlangt wurden, diese Thatsache setzt auf englischem Boden eine sehr lange, tiefe und gründliche Vorschule und Entwickelung deutschen Wesens voraus und giebt den beiden musikalischen Festen die Bedeutung einer gewonnenen Kulturschlacht. Nach der unmittelbarsten Kunst der Musik kommen die substantielleren der „gefrornen Musik“ oder Architektur, der man schon einzelne und Reihen von Tempeln in neuen Stadttheilen errichtet, der Sculptur, Malerei und Poesie, für welche Pioniere und Priester aus deutschen Landen schon längst in England und Amerika vorgearbeitet haben.

Wir beabsichtigen keine musikalische Kritik über die beiden Concerte, sondern suchen nur, was darin germanisch Bedeutsames aufklang und triumphirend wirkte, in Wort und Schrift festzuhalten.

Am 7. Juni versammelten sich Englischvormittags 2½ Uhr in dem schönen Saale am St. James Park, Willis’ Rooms, unter der Patronage des Prinzen Eduard von Sachsen-Weimar um Herrn Moritz Nabich von der weimarischen Kapelle und seine mitwirkenden Freunde, die Herren Ries, Schachner, Hausmann, Werner, Pollitzer, Vogel, Pickeart und Rockitansky, so wie die gefeierten Damen Mad. und Madm. Rudersdorff zwischen einem Meere von blumigen Damenhüten und lockigen Gesichtern, darunter eine Menge verschollener und nur noch in trüber Erinnerung Deutschlands lebender Größen und Kleinigkeiten. Es war als sähe man einen Tag Deutschlands aus einem Jahre 40 wieder auferstanden. Hier tauchte aus einem Damenhutflore das feiste, gutmüthige Gesicht Freiligrath’s hervor. Nicht weit davon versteckte sich die Physiognomie des kleinen, eitel lächelnden Johannes Ronge, der sich immer noch für einen Johannes hält, obgleich sich Niemand so leicht von ihm taufen läßt (und dann ist der Getaufte auch noch lange kein Heiland). Als Contrast ragt dort riesig mit schimmelig gewordenem Barte der auf hohen Schultern sitzende Kopf Gottfried Kinkel’s. Wer ist das nicht weit links von ihm? „Corvin,“ heißt es, der ehemalige Commandant von Rastatt, der nur aus Zufall nicht erschossen ward. Der kleine Mann mit farbigem Bart und dem dünnen Gesichte dort war eine Größe in der berliner Nationalversammlung, der dicke, farmerartige Blonde nicht weit davon – in der Paulskirche. Dort ehemalige Helden der berliner, hier der wiener und anderer Pressen – alle verstreut und in den verschiedensten Berufsarbeiten und Missionen mit dem sie umdrängenden England verbunden – unter englischen Herren und Damen sitzend, deren weißgepuderte Diener draußen vor der Thür mit weißseidnen, wattirten Strümpfen in der Sonne glänzten.

Wir schildern das Concert nicht, nicht Spohr’s herrliches Quartett, nicht des Männerbasses Grundgewalt von Rockitansky, auch nicht die Virtuosenmeisterstücke des Concertgebers M. Nabich, der Madame Rudersdorff, selbst nicht Hausmann’s rührenden Gesang auf dem Violoncello. Nur das Bedeutende, Bleibende dieser rasch vorüberfließenden deutschen Töne versuchen wir festzuhalten, wie es das Publikum durch leidenschaftliche Dacapo’s versuchte. Ist es nicht bedeutend und eine große, schöne Lehre für alle Künstler, ein Sieg des deutschen Genius über das in eigner Brust treulose, disharmonische England, daß in beiden deutschen Concerten die einfachsten und nur die einfachen, deutschen Lieder zweimal verlangt wurden, zurückgerufen mit einer Begeisterung, einer Leidenschaft, wie nur irgend Jemand zum Augenblicke sagen kann: „Verweile doch, du bist so schön!“

O dieses „Waldvöglein“ von Lachner, gesungen von Madame Rudersdorff und von M. Nabich mit seiner berühmten Tenor-Posaune begleitet, war ein Ereigniß in der englischen Kunst- und Geschmacksgeschichte. „Das Vöglein hat ein schönes Loos!“ Die Sängerin bewies es durch die warmen, süßen Töne ihrer Stimme, der Concertgeber bewies es noch tiefgreifender, malerischer durch die zartesten, einfachsten, gezogenen Hauche auf seinem mysteriösen Instrumente, das vorher so erschütternd schmetterte und die Todten zum Weltgerichte erwecken zu wollen schien. Die Sängerin und der Instrumentalist, Beide wetteiferten, durch Zartheit, Naivetät und Einfachheit des Tones das schöne Loos des Waldvöglein in jedem Zuhörer gleichsam einheimisch zu machen: jetzt die aufjauchzende Freude seiner liederreichen Brust, dann den klagenden einsamen Liebesschmerz seines kleinen Herzens, die süße Erhörung im perlenden Thau des Maimorgens und sein Jubeln im vollen Chor aller Mitsänger des Waldes, seine mütterliche, unermüdliche Sorgfalt um ein piependes Nest voller Gelbschnäbel, noch mehr das schöne Loos, daß er von Deutschen componirt, gesungen und gespielt als Gesandter und Missionär eines an Schönheit und Poesie so weltreichen Volkes sich den ganzen, vollgedrängten Saal eines auserwählten Publikums in einem andern Lande unterwarf und gewiß mit einem einzigen Schlage Tausende von zarten Fingerchen und Kehlen bekehrte. Ich wette darauf, daß seitdem die Hälfte der anwesenden Damen mit Leidenschaft dieses deutsche Waldvöglein singen. Freilich diese nabich’sche Begleitung ist nur einmal möglich, nur aus diesem Instrumente, als dem Sprachrohre eines vollendeten Künstlers und edel, frisch und tieffühlenden Menschen. Solche Töne mit solcher Farbe, von solcher Innigkeit und Wärme werden dem bloßen Virtuosen, dem ausgebildetsten Techniker nie zugänglich. Dazu gehört der Lieder- und Schönheitsquell eines vollen, kräftigen, tieffühlenden Herzens.

Noch drastischer war der Sieg des deutschen Liedes und der deutschen Kunst in dem Concerte der Gebrüder Ganz aus Berlin in Hanover Square Rooms. Die beiden königlichen Concertmeister sind als Violin- und Violoncell-Virtuosen dem musikalischen Publikum in Deutschland zur Genüge bekannt, denn dafür giebt’s in Berlin seit einem halben Jahrhundert den Rellstab, ohne welchen kein musikalischer Künstler berühmt werden konnte, dafür giebt’s in Berlin fast eben so viele Musikkritiker, als Musiker. So vollendet die Gebrüder Ganz in ihrer Technik sind, als Missionäre der deutschen Poesie- und Kunstschätze im Auslande sind sie eben zu virtuosisch und kalt. Was wirken und erobern will auf diesem Gebiete, muß aus dem Urquell schöpfen und ein Herz dazu mitbringen. Als Totalität war aber das Concert mit Mlle. Rudersdorff, Clara Novello, Jenny Baur, Viardot Garcia und den Herren Formes, Reichardt und Benedict ein siegreich deutsches vor einem Publikum, das 40 namentlich auf den Zetteln genannte „Protektoren“ und Patroninnen aus den englischen Herzog- und Grafenständen und demnach die höchste Elite in sich schloß. Und solch’ eine concentrirte Virtuosität! Ich hörte Alles ruhig mit an, ohne etwas Anderes dabei zu fühlen, als gelegentliche Verwunderung, daß die Sängerin oder der Instrumentalist nicht den Hals dabei breche. Das Publikum klatscht dann auch in der Regel aus Freude, daß der Künstler glücklich durchkam, ohne den Hals und die. Beine zu brechen. Ich nehme nur Herrn Reichardt aus, der wirklich als ein Künstler sang, „dem Gesang gegeben“, Madame Rudersdorff und das kosmopolitische Genie Viardot Garcia. Es ward in allen Sprachen gesungen und Alles gebührend mit Beifall belohnt. Als aber die auf allen Bühnen und in allen Sprachen und Gesängen der Völker einheimische Garcia mit dem Goethe-Schubert’schen Erlkönig laut wurde, legte sich athemloses Schweigen des andächtigsten Hörens, über die ganze, glänzende Versammlung. Noch nie vernahm ich die Schönheit und konsonantische Malerei unserer geliebten deutschen Sprache so klar, so vollaustönend in jeden, einzelnen Laute und Mitlauter jedes einzelnen Wortes, als aus diesem berühmten, genialen Sängerinmunde. Und dieses dramatische Feuer des Ausdruckes. Der ängstliche Knabe, der rationell-beschwichtigende Vater, die verführerischen Lockungen des Erlkönigs und seiner Tochter – dieser Spuk nächtlichen Grausens in der Liederphantasie, sich plötzlich steigernd zur tödtlichen Gewalt in der, von keiner Reflexion und Naturwissenschaft bewaffneten Einbildungskraft des Kindes – das Alles trat deutlich und scharf in Ton, Ausdruck und Gestikulation hervor. Vor mir erhob sich das klassische Deutschland, das idealisirte Deutschland mit seinen unerschöpflichen Schätzen an Liedern und Tönen und klassischen Schöpfungen für alle Welt und alle Zeiten. Deutschland ohne Bayonnette und Polizei, ohne Ketten und Kerker, das schöne Deutschland mit seiner, mit meiner Muttersprache vor mir tönend und klingend. Ein heißes Heimweh zog mich aus England mit seinen verquetschten Tönen und kalten Gesichtern mit ganzem Herzen an den Busen dieses Landes meiner Muttersprache, mit einem ehemaligen Weimar, mit dem ewigen Dichter des Erlkönigs, mit so vielen unsterblichen Sängern und Priestern des Schönen, nach Deutschland, wo auch mir ein lieber, blondlockiger Knabe aus den Armen gerissen ward und von einer Macht, welche sich der Erlkönig gewiß nie an die Seite stellen lassen würde, so erbärmlich und poesielos war sie, nach Deutschland, wo dessen blondlockige Mutter ihre treuen, blauen Augen zum letzten Schlummer schloß. – [364] Sie sang, sie sang und sprach endlich plötzlich „das Kind!“ Da war’s um allen Halt vor dem Publikum geschehen. Rücksichtslos stürzten heiße, trostreiche, lindernde Thränen aus den Augen und ließen sich nicht zähmen. Der glänzende, vollgedrückte Saal betrauerte den Tod des Kindes einige Secunden lang mit Todtenstille. Dann brach ein Sturm aus, wie ihn nur das entfesselte Herz großer begeisterter Massen losbrechen lassen mag. Der Erlkönig, und nur der Erlkönig, mußte vor dem englischen Publikum wiederholt werden. Die Hand eines theilnehmenden Herzens an meiner Seite suchte meine Thränen zu trocknen, aber das Auge bekam erst seine Kraft wieder und verlor seinen Thränenschleier, als es getröstet auf dieses von Deutschlands klassischem Genius warm gewordene und gewonnene Publikum umher sah. Ich war ja mitten in einem neugewonnenen Deutschland. Als aber Madame Rudersdorff hernach fragte: „Kennst Du das Land, wo die Citronen blühen?“ dacht’ ich immer wieder an das Land, wo Pflaumenbäume blüh’n und Herzkirschen schwellen und deutsche Herzen in der Sprache Goethe’s aufklingen und sich austönen.




Blätter und Blüthen.

Eine bekannte und doch unbekannte Krankheit. Es giebt eine Krankheit, die zwar hauptsächlich im Gemüth liegt, aber den Körper ebenfalls oft bedeutend angreift, und vorzugsweise Männer von feinem Gefühl und bedeutender Geistesthätigkeit in den mittleren Jahren befällt. Wir haben im Grunde keinen Namen für sie, ja die Leser haben vielleicht die Sache, die ihnen sicherlich bekannt ist, noch nie als Krankheit bezeichnen hören. Wir möchten sie die Vierzig-Jahre-Krankheit nennen. Wenn nämlich der gebildete Mann durch unablässigen Mühen, Sorgen und Denken jene Hochebene des Lebens erreicht hat, wie man die gewonnene feste Stellung in Amt und Geschäft wohl nennen kann, verliert der Trieb und Drang, der ihn bis dahin vorwärts brachte, allmälig seine Gewalt. Man vergönnt sich gelegentlich Zeit, zu Athem zu kommen und sich umzuschauen – rückwärts nach dem steilen Pfade, den man emporgeklommen und auf die neue nach vorn sich ausbreitende gleichförmige Fläche. Da fragt das Herz oder der Geist gar oft: „Und das war Alles? Darum habe ich mich so lange und so anstrengend gemüht? Der staubige, gleichförmige Weg vor mir der alleinige Lohn für mein Streben? Der Haufen Geld oder Aktien das einzige Resultat aller Anstrengungen, aller Hoffnungen der Jugend?“ Weltschmerz und Lebensüberdruß, Verstimmung, Ungeduld und Unruhe erfüllen das Herz und wirken störend auf den Körper ein, die Welt erscheint farb- und reizlos, alle Illusionen schwinden und der gewählte Beruf erregt Ekel. Dann und wann trägt wohl auch die Frau die Schuld dieser trüben Stimmung, indem sie mit Nichtachtung aller Ideale, die dem feinfühlenden Manne in der Brust leben, nur die schaffende, ja leider oft nur die grollende und schmollende Hausfrau zeigt, und damit eine Welt der Illusionen zerstört, für deren Verwirklichung der Mann lange mit Liebe und großem Fleiße gearbeitet. Zertretene Hoffnungen und nicht erfüllte Erwartungen machen ihn endlich wortarm und mißtrauisch, er zieht sich in sich selbst zurück und erscheint lieblos, wo er so gern durch freundliche Sorgfalt, durch sanftes Anschmiegen der Frau sich die düstern Stirnfalten glätten ließ und wieder der frohe, heitere Gesell von ehedem würde. Mit jedem Tage wird sein Wesen gemüthskarger, zugeknöpfter – sein Glück ist trotz Geld und Ehren ein armes, nicht beneidenswerthes.

Die Engländer sagen von einem solchen Kranken, er habe den Spleen, und in diesem nehmen sich bekanntlich gar manche das Leben; wir Deutsche erklären ihn mit Spott für einen Hypochondristen, statt ihn aufzurichten und für seine Genesung besorgt zu sein. Diese, meinen Viele, sei nur möglich durch ein Herausreißen aus Geschäft, aus Heimath und allen gewohnten Verhältnissen etc., durch eine größere Reife, welche durch allerlei neue Erscheinungen erfrische und kräftige, über den todten Punkt, wie man bei Maschinen sagt, hinweghebe, dem Herzen die Zeit gebe, für die weitere Wendung des Lebens sich zu sammeln, mit neuen Zwecken und Ansichten einen frischen Anlauf zu nehmen, und sich damit eine zweite Jugend zu schaffen, die dann ungeschwächt aushalte bis an’s – Ende. Möglich, daß eine solche Kur heilsam wird, obwohl wir oft genug das Gegentheil erfahren, aber wir meinen, daß ein kräftiges Schaffen und milde Freundes- und Frauenhand das Herausreißen aus den gewohnten Verhältnissen überflüssig und den Kranken auch mitten in seinen bisherigen Kreisen gesund machen können. Das unbefriedigte Gemüth dürfte in den meisten Fällen der alleinige Grund der „Vierzig-Jahre-Krankheit“ sein.




Echte Liebe. Horace Vernet erzählt in seinen Briefen aus Rußland folgende Geschichte, die sich während seines Aufenthaltes dort zutrug:

„Ein junger Mann aus der Umgegend Moskau’s, mit Namen M…, hatte sich sterblich in eine junge Zigeunerin verliebt. Er wollte sie heirathen, trotz der Gegenvorstellungen seines Vaters, der indeß Mittel fand, seinen Sohn auf einige Tage zu entfernen, während dieser Abwesenheit das junge Mädchen entführen ließ und sie an seinen Kutscher verheiratete, dem er Geld und die Freiheit schenkte. Nach der Hochzeitsnacht entfloh sie, erreichte das freie Feld und verschwand für Alle, ausgenommen für ihren Liebhaber, welcher sich stellte, als hätte er sie vergessen, und Dienste in der Garde nahm. Fünf Jahr lang blieb sie in einer Hütte verborgen, ohne daß man wußte, daß der junge Mann sie allnächtlich besuchte; er verheirathete sich sogar, um seine gänzliche Umwandlung zu zeigen. Doch seine legitime Frau, beunruhigt über das geheimnißvolle Leben ihres Ehemannes, entdeckte endlich die Intrigue und warf sich zu den Füßen des Kaisers, um die Bestrafung des Treulosen zu erlangen. Man entführte die arme Flüchtige von Neuem, um sie in Gewahrsam zu bringen, und trennte sie von ihren drei Kindern, welche sie niemals wieder sah. Vier Jahre lang ertrug sie alle Schmerzen und Demüthigungen, ohne sich zu beklagen, und lieferte dem Hause, das sie gefangen hielt, ein Beispiel der demüthigsten Ergebung. Den Liebhaber schickte man schleunigst nach dem Kaukasus, wo er sich augenblicklich noch befindet. Während der ganzen Trennungszeit konnte kein Briefwechsel zwischen den Liebenden stattfinden. – Doch ein eben von der Armee zurückgekehrter Offizier fand vor wenigen Tagen Gelegenheit, die junge Gefangene zu sprechen, und während der Unterhaltung machte er ihr begreiflich, daß sie das einzige Hinderniß der Rückkehr des Verbannten sei. Von diesem Augenblicke an war ihr Entschluß gefaßt. Sie fand Mittel zur Flucht, begab sich zur rechtmäßigen Frau des Verbannten und bat diese um Verzeihung, daß sie ihr einen Mann geraubt, welchen sie lieben müßte, da ja auch sie, die Unglückliche, ihn nicht vergessen könnte. Gleich darauf stürzte sie sich in einen der Kanäle. Nach dem, was sie zu der Frau ihres Geliebten gesagt haben soll, scheint sie ein Wesen von bewundernswürdiger Einfachheit und Erhabenheit gewesen zu sein. Sie war so schön, daß man sie den Besuchern des Hauses, in welchem sie eingeschlossen war, verbarg. Es sind noch einige Einzelheiten damit verbunden, die ich hier nicht mittheilen kann und welche die Geschichte sehr rührend machen.“




Chopin’s, des berühmten Virtuosen und Componisten Tod war ergreifend, wie es der frühzeitige Tod immer ist, der die Besten und die Schönsten in ihrer Jugend dahinrafft. Er fürchtete ihn nicht; er erwartete ihn mit einer Art bitteren Wonnegefühls; er war auf ihn vorbereitet. Er war schweigsamer als je geworden; seine Gleichgültigkeit gegen Alles um ihn her hatte den höchsten Grad erreicht. Die Kunst allein behauptete ihre Herrschaft; sie stirbt in denen, welche sie geliebt haben, gewiß zuletzt. Seine Schwester, die ihm, trotz der dauernden Trennung, die zärtlichste Anhänglichkeit bewahrt, eilte aus Polen zu ihm. Auch die Gräfin Delphine Potocka, eine der edelsten Frauen ihres Landes, kam, um ihm in der Sterbestunde beizustehen.

Nur wenige Stunden vor seinem Tode bemerkte er die große, schlanke, weißgekleidete Gestalt der Gräfin am Fußende seines Bettes. Er bat sie, zu singen. Die Gräfin sang unter Seufzern und Thränen. Nie war ihre Stimme so ausdrucksvoll gewesen. Sie sang einen Lobgesang auf die heilige Jungfrau. „Wie schön! o mein Gott, wie schön!“ sagte er. „Noch mehr, noch mehr!“ Sie setzte sich, auf das Tiefste ergriffen, wieder an das Piano und sang einen Psalm von Marcello. Chopin wurde schwächer; die Anwesenden waren in Angst. Unwillkürlich knieten sie Alle nieder; Niemand wagte es, zu sprechen. Die Stimme der Gräfin übertönte wie eine himmlische Melodie die Seufzer und das Schluchzen. Das Leben Chopin’s ging mit der heiligen Hymne zu Ende.

Er ruht jetzt inmitten der berühmten Todten auf den Höhen des Père la Chaise. Der schöne, aus den Händen Clesinger’s hervorgegangene Genius auf seinem Grabe, der melancholische Genius der Völker des Nordens, der seine Lyra zerbricht und seine marmornen Thränen auf das Grab weint, dieser schöne Genius schweigsamen Schmerzes wird für alle Zukunft das treueste Abbild Friedrich Chopin’s sein.


Erklärung und Bitte!

Wiederholt habe ich erklärt und erkläre es hiermit nochmals: „nur ein gewissenloser Charlatan oder ein unwissender Heilkünstler kurirt, ohne vorherige genaue Untersuchung des Patienten, aus der Ferne brieflich.“ Trotz dieser öfteren Erklärung gehen mir doch fortwährend Briefe mit Krankheitsbeschreibungen und Verlangen nach ärztlichem Rathe zu. Ich bitte deshalb die geehrten Leser meiner Aufsätze, sich und mich durch solche Briefe doch nicht weiter incommodiren zu wollen.

Prof. Dr. Bock.

Aus der Fremde“ Nr. 27 enthält:

Ein katholischer Missionär in Texas. – Die Hundestadt. (Mit Abbildung.) – Eine Engländerin in Persien. – Aus allen Reichen: Liebesgeschichten von der Goldküste in Afrika. – Vor einem Friedensrichter im fernen Westen.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Nach der Mittheilung des Dr. G. in Dresden, der eine Zeit lang sein Gast in Cairo war.