Die Unterleibsbeschwerden
Wenn’s Einem eklig ist und wenn Einer eklig ist, so kommt dies gewöhnlich aus dem Unterleibe, von Beschwerden, die ihren Grund in einer Störung des Unterleibsblutlaufes haben und bald Hämorrhoidal- oder Unterleibsbeschwerden, bald Pfortaderstockungen, Unterleibsanschoppungen, Abdominalplethora u. s. w. genannt werden. Um nun die Entstehung dieser Beschwerden, sowie ihre Verhütung und Heilung auf naturgemäßem Wege richtig begreifen zu können, bedarf es der Kenntniß des ganz eigenthümlichen Blutlaufes im Unterleibe, welcher unter dem Namen des
Pfortaderblutlaufes bekannt ist. Während nämlich das Blut aus allen Theilen des Körpers, nachdem es bei seinem Durchströmen durch die Haargefäßnetze der Organe gute Bestandtheile zur Ernährung abgegeben und schlechte dafür aufgenommen hatte, durch die Blutadern sofort zum Herzen zurückfließt, so läuft das aus den Haargefäßen der Verdauungsorgane des Unterleibes zum Herzen zurückfließende Blut vorher erst noch durch ein Haargefäßnetz innerhalb der Leber. Die Einrichtung ist nämlich folgende: die in das Bauchfell eingewickelten Verdauungsorgane erhalten aus der großen Körperpulsader (Bauchaorta) drei ziemlich starke Schlagadern (nämlich die große Eingeweide-, die obere und die untere Gekrösschlagader), welche in diesen Organen nach vielfacher baumförmiger Verzweigung endlich mit einem Haargefäßnetze endigen. Aus diesem Netze, vorzugsweise der Milz, des Magens und Darmkanals, nehmen nun viele Blutadern ihren Anfang und diese vereinigen sich nach und nach zu drei Stämmen (zur Milz-, Magen- und Gekrösblutader), welche dicht unterhalb der Leber zu einem einzigen Hauptstamme, zur Pfortader, zusammenfließen. Diese Ader tritt in die Leber (an der untern Fläche derselben) hinein und verzweigt sich hier grade wie eine Pulsader baumförmig in immer kleinere Aestchen, bis endlich die feinsten derselben in ein Haargefäßnetz übergehen, welches die Leberzellen und Gallenkanälchen umspinnt. Aus diesem Netze nehmen sodann abermals Blutadern ihren Ursprung und diese, Leberblutadern genannt, senken sich am hintern Rande der Leber in die untere Hohlader ein, kurz ehe sich dieselbe in die rechte Vorkammer des Herzens einmündet. Von besonderer Wichtigkeit hierbei ist es, daß die Darmblutadern, ehe sie in die Pfortader übergehen, ebensowohl vielfach unter einander, wie auch am Mastdarme (als Hämorrhoidal-Blutadern) mit Blutadern, die ihr Blut sofort durch die untere Hohlader in das Herz schicken, im unmittelbaren Zusammenhange stehen, so daß Blut aus dem einen herüber in die anderen fließen kann.
Das Blut der Pfortader, welches in die Leber einströmt, hat ebenso wie der Pfortaderblutlauf seine ganz besondern Eigenthümlichkeiten, denn es unterscheidet sich nicht unbedeutend von anderm Blutaderblute, zumal aber von dem Blute, welches durch die Leberblutadern aus der Leber wieder herausfließt. Es ist das Pfortaderblut nämlich dunkler, dickflüssiger, schwerer und fetthaltiger als alles übrige Blut und zeichnet sich vom Blute der Leberblutadern dadurch aus, daß es eine geringere Menge und weit mehr alte Blutkörperchen als jenes enthält, welches dagegen reich an jungen Blutkörperchen ist. Die Vergleichung des (durch die Pfortader in die Leber einströmenden) und des (durch die Leberblutadern) aus der Leber herausfließenden Blutes läßt sonach deutlich erkennen, daß innerhalb der Leber eine Veränderung mit dem Pfortaderblute vor sich gehen und zwar, daß es besser, sowie reicher an frischen Blutkörperchen werden muß. Diese Veränderung scheint hauptsächlich dadurch zu Stande zu kommen, daß schlechte und überflüssige Bestandtheile aus dem Pfortaderblute herausgeworfen werden, daß alte Blutkörperchen untergehen und sich dafür neue bilden. Der Abfall bei dieser Reinigung des Blutes wird sodann zur Gallenbereitung verwendet und die Leber hätte sonach einen doppelten Zweck, nämlich ebensowohl das Blut zu reinigen, wie auch eine Flüssigkeit, die Galle, zur Unterstützung der Verdauung zu bereiten. Auch ist es sehr wahrscheinlich, daß derartige in den Magen und Darmkanal eingeführte Stoffe, welche dem Blute fremd und unähnlich sind, in das Pfortaderblut aufgenommen und innerhalb der Leber wieder ausgeschieden werden, ohne in den allgemeinen Blutstrom zu gelangen. Ich möchte die Leber insofern einen Abzugsapparat für Arzneimittel, so wie für andere schädliche Stoffe, und sonach ein Schutzorgan gegen mittelliebende Heilkünstler nennen. Daß der so beliebte Leberthran die Leber fettsüchtig macht, ist ganz gewiß und daß Metallpräparate auf die Leber störend einwirken können, ist mehr als wahrscheinlich.
Die Quelle des Pfortaderblutlaufes ist natürlich, wie in allen andern Blutadern, vorzugsweise die Zusammenziehung des Herzens und der Gefäßwände, jedoch wird dieser Lauf noch unterstützt: durch die Erweiterung des Brustkastens beim Einathmen, wobei das Blut aus der Leber herausgesogen wird, und durch den Druck auf die Wurzeln und Zweige der Pfortader, welcher durch die Zusammenziehungen der Bauchmuskeln, sowie bei den Bewegungen des Magens und Darmes zu Stande kommt. Eine solche kräftige Unterstützung ist aber insofern beim Pfortaderblutlaufe nöthiger als bei andern Blutströmungen, weil das Pfortaderblut nochmals, innerhalb der Leber, ein enges Haargefäßnetz zu passiren hat, weil ferner dieses Blut selbst schwerflüssiger als anderes Blut ist und weil dasselbe in den meisten Pfortaderzweigen seiner Schwere entgegen im Bauche zur Leber in die Höhe steigen muß, wobei es übrigens durch die Zusammenziehungen der Pfortaderwände nicht sehr kräftig unterstützt werden kann, da dieselben dünn und nicht muskulös genug sind. Wenn demnach bei diesem schwierigern Blutaderlaufe die Bewegungsmittel desselben unvollkommner in Anwendung kommen oder Hindernisse diesem Blutstrome entgegentreten, dann muß sich natürlich das Blut sehr [210] leicht in den Gefäßen anhäufen können, welche mit der Pfortader zusammenhängen, vorzugsweise in den Gefäßen des Magens, Darmkanales (Mastdarmes) und der Milz. Solche Anhäufungen führen nun den Namen Pfortaderstockungen oder Anschoppungen und finden sich gewöhnlich zuerst und am Häufigsten im abhängigsten Theile des Pfortadersystems; dies wird aber von den Hämorrhoidalblutadern des Mastdarmes gebildet. Daß so häufig Pfortaderstockungen und zwar ohne wichtigere Hindernisse (wie organische Leber-, Herz- und Lungenleiden) im Pfortaderblutlaufe, zu Stande kommen, hat seinen Grund in der jetzigen Lebensweise der meisten Menschen, weil durch diese die Unterstützungsmittel des Pfortaderblutlaufes, nämlich die Athmungs-, Bauchmuskel- und Magen-Darmbewegungen nicht in der gehörigen Wirksamkeit erhalten werden, weil ferner das Pfortaderblut in Folge des unzureichenden Genusses wässeriger Getränke nicht leichtflüssig genug ist.
Die Blutstockungen im Pfortadersysteme müssen nun, wie leicht ersichtlich, ihre Wirkungen theils in den Organen äußern, von welchen das Blut nach der Pfortader hin abfließt, vorzugsweise im Magen und Darmkanale, theils in der Leber selbst, wo die Blutreinigung und Gallenbereitung eine Störung erleiden muß. Diese Wirkungen beziehen sich sonach blos auf Organe des Unterleibes und sind deshalb örtliche zu nennen. Man bedenke nun aber auch, daß allmälig die Blutmasse des ganzen Körpers schlechter werden muß, wenn die Blutreinigung in der Leber längere Zeit gestört wird und endlich sogar das schlechte Pfortaderblut, welches sich nach dem Mastdarm herabgesenkt hat, hier durch die Verbindungszweige der Hämorrhoidalblutadern in den Blutstrom der untern Hohlader gelangt. So geht dann aus den örtlichen Blutstockungen in den Unterleibsorganen eine Entartung des Blutes, ein sogen. Allgemeinleiden, hervor und dieses muß, da ja vom Blute die Ernährung und Thätigkeit aller Organe abhängig ist, die mannigfaltigsten Beschwerden hervorrufen, vorzugsweise aber in den Organen, welche reines gutes Blut am Nöthigsten haben, nämlich das Nerven- und Muskelsystem. Hiernach trennen wir denn auch die Krankheitserscheinungen, in Folge der Störungen im Pfortaderblutlaufe in örtliche und allgemeine. Was die ersteren betrifft, so eröffnen sie die Reihe der Krankheitserscheinungen, nehmen ihren Sitz im Unterleibe und bestehen in Empfindungen und Verdauungsstörungen der mannigfaltigsten Art und sind bei verschiedenen Menschen von so großer Verschiedenheit, daß eine ausführliche Aufzählung derselben fast unmöglich und auch ganz nutzlos wäre. Am Auffälligsten zeigt sich die Anhäufung des Blutes in den Blutadern des Mastdarmes und diese ist unter dem Namen Hämorrhoiden ganz allgemein bekannt, wie überhaupt die meisten aus der Störung des Pfortaderblutlaufes hervorgehenden Unterleibs- und Verdauungsleiden als Hämorrhoidalbeschwerden bezeichnet werden, mit welchem Worte sich aber leider auch die große Mehrzahl der Aerzte beruhigt und dann nicht weiter nach der Ursache dieses krankhaften Zustandes forscht. Und doch sind die Hämorrhoiden aus einer Menge sehr verschiedener Ursachen herzuleiten und verlangen deshalb oft auch eine ganz verschiedene Behandlung. Die sogenannten allgemeinen Krankheitserscheinungen, wenn nämlich die Pfortaderstockungen später eine Verderbniß des ganzen Blutes erzeugt haben, concentriren sich selten auf einen bestimmten Punkt, sondern bestehen in den mannigfaltigsten Störungen des Allgemeinbefindens und Allgemeingefühls, so wie der geistigen und Muskelthätigkeit, Unlust zum Arbeiten, Kraftlosigkeit, Willensschwäche, Mißmuth, Zanksucht und Herrschsucht, Aergerlichkeit, Traurigkeit, Hypochondrie, Melancholie, kurz Alles, was Jemanden für sich selbst und für Andere unangenehm machen kann, das findet seinen Grund in dieser pfortaderblutähnlichen Beschaffenheit der Gesammtblutmasse und in der falschen Ernährung des Gehirns und Nervensystems durch dasselbe. Es ist recht leicht, Einem, der sich unwohl fühlt und dem es bald hier bald dort fehlt, ohne daß er von einer bestimmten nachweisbaren Krankheit befallen ist, zu sagen: Du bist ein Hypochonder und mußt nur gesund sein wollen; allein ausführen läßt sich dies von Seiten eines solchen Patienten nicht so leicht, da sein Willensorgan, das Gehirn nämlich, nicht in der ganz richtigen Verfassung ist. Deshalb habe man Geduld mit dem sogen. Hypochondristen und suche dieselbe durch Beförderung des Pfortaderblutflusses von der Hypochondrie zu befreien. Am Besten ist es freilich, man läßt es gar nicht zu einem solchen krankhaften Zustande im Körper kommen, der uns die Lebensheiterkeit rauben und uns eklig machen kann. Dies ist aber gar nicht mit so großer Schwierigkeit verbunden. Also frisch an’s Werk, wenn Du ein ekliger Hypochondrist, lieber Leser, etwa bist. Nur laß Dir vorher noch etwas Weniges über die Entstehung der Pfortaderstockungen sagen.
Die Ursachen der Unterleibs- oder Pfortaderstockungen sind entweder solche, die nimmer mehr (trotz Carlsbad) zu entfernen sind, oder solche, die sich heben lassen. Die ersteren bestehen in organischen Unterleibs-, Leber-, Herz- oder Lungenleiden, welche auf ganz mechanische Weise eine Störung des Blutlaufes veranlassen; sie ziehen in der Regel Bauchwassersucht nach sich. Die letzteren, auf welche es in diesem Aufsatze abgesehen ist, begreifen alles Das in sich, was die Quelle des Pfortaderblutlaufes zu trüben und zu verstopfen vermag. Hierher gehört aber, wie schon angedeutet wurde: geschwächte Herzthätigkeit, kraftlose Gefäßwand, oberflächliches Athmen, schlaffe und unthätige Bauchmusculatur, Trägheit der Magen- oder Darmbewegung, Beengung des Unterleibes und abnorme Dickflüssigkeit des Pfortaderblutes. Das allzuwenige Trinken ist besoders bei den Frauen der Grund der Schwerflüssigkeit des Pfortaderblutes; auch tragen bei ihnen das Schnürleibchen und die Unterrocksbänder (s. Gartenl. Jahrg. I. S. 277 die verkrüppelte Frauenleber) viel zur Störung des Pfortaderblutlaufes bei. Am Gewöhnlichsten kommt aber die Beenung des Unterleibes durch anhaltendes Krummsitzen, überhaupt bei sitzender Lebensweise zu Stande, während die Schwäche in der Musculatur des Herzens, des Athmungsapparates, der Bauchwand und des Darmkanales ihr Entstehen verdanken: mangelhafter Körperbewegung, anstrengenden geistigen Arbeiten, niederdrückenden Gemüthseinflüssen, zu häufigem Genusse erhitzender und erregender Speisen und Getränke, geschlechtlichen Ausschweifungen, allzu reichlicher und zu stark nährender, schwerverdaulicher oder zu fettreicher Kost, dem Mißbrauche der Abführmittel und Klystiere. Gewöhnlich tragen mehrere dieser Ursachen zusammen die Schuld an den Unterleibsbeschwerden; vorzüglich ist es die sitzende Lebensweise bei geistiger Arbeit, bei mangelhafter Bewegung im Freien, bei nahrhaften Speisen und spirituösen Getränken, welchen der Hypochonder und Staatshämorrhoidarius ihre Existenz, die meisten Bäder ihre Gäste verdanken.
Vermieden und gehoben können aber die Unterleibsbeschwerden gar leicht dadurch werden, daß man den Pfortaderblutlauf in Ordnung hält oder bringt. Dies läßt sich aber dadurch ermöglichen, daß man die Kräfte, von denen der Blutlauf im Unterleibe und durch die Leber abhängig ist, gehörig unterstützt und bethätigt. Es waren diese aber, wie oben gesagt wurde: die Herzthätigkeit, die Athmungs-, Bauchwand- und Darmbewegungen, der passende Flüssigkeitsgrad des Pfortaderblutes und die unbehinderte Ausdehnung des Bauches. Und sonach würde gegen Unterleibsbeschwerden folgendes naturgemäße Recept zu verschreiben sein: zweckmäßige Bewegung und kräftiges Athmen, besonders im Freien, Mäßigkeit und Einfachheit im Essen und Trinken, reichlicher Genuß von Wasser, den Bauch nicht einengende Kleidung oder Sitzweise, und Vermeidung geistiger und geschlechtlicher Anstrengungen. In welcher Apotheke läßt sich dieses Recept aber am Besten machen? In Gottes schöner Naturapotheke! und darum nützen auch die Bäder so viel, nicht aber der paar Salze ihres Quellwassers wegen. Es ist deshalb Jedem, der nicht für gewöhnlich die angedeutete Lebensweise führen kann oder will, anzurathen, so oft als möglich auf einige Zeit seine Berufsgeschäfte zu verlassen und sich in einer schönen, gemüthlichen Gegend in irgend einem ihm zusagenden Bade, bei einfacher, nahrhafter Kost ordentlich mit Bewegungen, Athmen und Wassertrinken zu beschäftigen. Wem dies seine Mittel nicht erlauben, der erreicht zu Hause dasselbe Ziel, am Besten bei leicht verdaulicher reizloser Nahrung und erheiternder Umgebung, durch zweckmäßige Bewegungen (Turnen, Kegeln, Holzsägen, Gartenarbeiten u. dgl.), durch kräftiges Ein- und Ausathmen im Freien, reichliches Wasseertrinken (meinetwegen von kohlensaurem oder warmem Wasser), zeitweiliges Kneten, Drücken und Pochen des Bauches und durch Eröffnung des Leibes mittels einfacher Wasserklystiere bei Verstopfung. Der Arzt verordnet bei Unterleibsstockungen in der regel Abführmittel (besonders in Pillen) und Schwefel, auch empfielt er Carlsbad, Kissingen und Reiten, und schafft dadurch allerdings eine vorübergehende Erleichterung, nicht aber radicale Heilung. Am meisten ist vor der Kurirerei mit stark purgirenden (drastischen) Mitteln, wie sie besonders vom Herrn Sanitätsrathe Dr. Strahl in Berlin [211] (der, aller Wissenschaft zum Hohne, Kranke ohne sie gesehen zu haben behandelt) und mit den Morison’schen Pillen betrieben wird, zu warnen, denn diese bringt weit mehr Nachtheil wie Vortheil, insofern dabei Magen und Darmkanal geradezu maltraitirt werden. – Schließlich laß Dir, lieber Leser, nun noch gesagt sein: das meiste Unglück in der Welt stammt aus dem Unterleibe; wie manchmal schon haben sicherlich versetzte Blähungen und Leibesverstopfungen bei Hochgestellten den Grund großen Drangsales abgegeben. Also halte auf Ordnung im Unterleibe.