CLXXXIX. Der Dom zu Burgos Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band (1838) von Joseph Meyer
CLXXXX. Die Falkenburg
CLXXXXI. Das Cap der guten Hoffnung
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FALCKENBERG

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CLXXXX. Die Falkenburg.




Es saust durch’s Gemäuer des Nordwinds Sturm
Sprachlos er; doch darein lispelt dem geweihten Ohr
Ernster Mahnung Wort! – Ich vernahm’s, doch bleibt
Versiegelt das Wort. – Sause fortan, Sturm der Höh’,
Wirst noch üben deine Kraft an der Räuber Burg,
Wenn den Staub der glänzenden Königspalläst’ im Thal
Säuselnder West verweht hat. –




Von Mainz bis Coblenz, auf der kurzen Strecke von 18 Stunden, erheben sich, meistens aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die Ruinen einer so großen Menge von Ritterburgen, daß ihre Anzahl Erstaunen erregt. Manche hatten ihre Burggrafen oder Burgmänner und diese besaßen bedeutendes Eigenthum, entweder erblich, oder vom Reiche zu Lehen. Aber auf bei weitem den meisten hausten Ritter von Sattel und Stegreif. Nicht selten machten sich mehre adeliche Gesellen zusammen, erbauten sich ein solches Adlernest gemeinschaftlich und lebten dann, wie die Raubvögel, von Beute, – von Mord und Diebstahl, wozu die Schifffahrt auf dem Rheine es niemals an Gelegenheit fehlen ließ. Zu diesen Raubschlössern gehörte auch die Falkenburg, welche, nahe beim Rheinstein, über dem Dorfe Dreieckhausen, von einem mit Weinreben und Buschholz bepflanzten Fels ernst und drohend auf den Strom herabsieht, den sie auf weiter Strecke hin überspäht.

So berüchtigt und gefürchtet das Geschlecht der Falkenburger war, so mangelhaft sind doch die Nachrichten über ihren Ursprung und die Zeit der Erbauung ihrer Veste. Die Glanzzeit derselben fällt in jene für ganz Deutschland so unglückliche Periode der Verwirrung, als, nach dem Sturze des Hohenstaufischen Hauses, vollkommene Anarchie das Reich zerfleischte und kein Recht mehr galt, als das Recht der Faust und des Schwerdtes. Da mochte Jeder ungestraft plündern und rauben, so viel er Lust hatte und gewältigen konnte, und die adelichen Schnapphähne hatten ihre goldene Zeit. Aber sie verging, wie alle goldne Zeiten. Rudolf der Habsburger wurde zum Kaiser gewählt, und nachdem er nur erst die mächtigern Feinde zum Frieden gebracht hatte, suchte er auch im [9] Reiche Ruhe und Sicherheit herzustellen; denn hehr und kräftig war sein Wille und stark sein Arm. Erst ließ er zu Nürnberg (1271) von den Franken und später zu Mainz (1281) von den Fürsten, Grafen und Edelleuten einen Landfrieden auf 5 Jahre beschwören. Ueber eine gewisse Zeit hinaus konnte damals ein Kaiser in solchen Dingen nicht: und auf einem frühern Reichstag hatte er von den Ständen nicht einmal so viel, sondern nur das Gebot dreitägiger Ankündigung bei jeder Fehde erlangen können. Zugleich erließ er die Verordnung: „daß ferner Niemand eine Burg haben sollte, es geschehe denn ohne des Landes Schaden.“

Es kehrten sich jedoch gar wenige der edlen Raubgesellen an den Landfrieden und an das kaiserliche Gesetz: zumal in Schwaben und am Rheinstrom wurde nach wie vor jeder Reisende, den man erreichen konnte, niedergeworfen und seiner Habe beraubt, Schiffer und Fuhrleute geplündert, Frauen und Kaufleute aufgefangen, in die Verließe geworfen und gefoltert, um hohe Lösegelder für ihre Befreiung zu erpressen. Selbst die Kirchen und Klöster waren nicht mehr sicher vor den gottlosen Rittern; und wenn es in der Nähe nichts mehr zu stehlen gab, dann wurde ein gemeinschaftlicher Zug, in größere Entfernung, auf Städte und Flecken unternommen. Jeder, der einen Einfall zu einer Beute versprechenden Unternehmung hatte, theilte sie den Nachbarn mit und warb sich so viele Theilnehmer, als er nöthig hatte; man wählte einen gemeinschaftlichen Hauptmann, meistens den kühnsten und tapfersten, und – fort ging’s nun zum Fehdezug, ohne andern Zweck als Raub, Plünderung. Oefters standen die berüchtigten Falkenburger an der Spitze solcher nobeln Unternehmungen!

Da entbrannte Kaiser Rudolf in gerechtem Zorn und er faßte sein Schwert und schwur: Friede dem Reiche, den Friedensbrechern aber den Tod! An der Spitze eines Heeres zog er aus durch viele Provinzen. In einem Jahre zerstörte er in Schwaden und am Rhein 66 adeliche Burgen. Was in einem solchen Raubnest gefunden wurde, adelich oder unadelich, mußte mit dem Strang büßen. Das Sprüchwort: „mitgegangen, mitgehangen“ stammt aus dieser thatkräftigen Zeit. Da jubelte das deutsche Volk und nannte ihn „Erlöser und Wiederhersteller des deutschen Vaterlandes“, und der Bauer kehrte zu der verlassenen Pflugschaar, der Bürger zu seinem Gewerbe zurück. So lange Rudolf lebte, herrschte fortan Friede und Sicherheit im deutschen Reiche. –

Auch die Falkenburg traf das wohlverdiente Schicksal. In einer Nacht loderten die Feuersäulen von Sonneck, Rheinstein und Falkenburg, einem Kleeblatt des Raubs und des Schreckens, gen Himmel. Die gefangenen Bewohner, Ritter und Reisige, verdammte das Machtwort des Kaisers zum Strang.

Als vom Kaiser das furchtbare Urtheil gesprochen war, welches die Vertilgung von drei ritterlichen Geschlechtern zur Folge haben mußte, warf sich Graf Waldeck, den Falkenburgern verwandt, dem Monarchen zu Füßen und bat [10] um der Gefangenen nacktes Leben. Mit ihm knieten und baten die Andern; flehentlich faßten sie den Saum des kaiserlichen Mantels und riefen um Erbarmen. Aber unbewegt und mit Hoheit sprach der große Kaiser die großen Worte: „Versucht es nicht, den Weg der Gerechtigkeit zu stören. Laßt die Räuber und Mörder ihren verdienten Lohn empfangen. Schmäht euch nicht damit, daß ihr sie Ritter nennt. Ein Ritter ist vor Gott und eurem Kaiser nur Der, welcher Treu und Glauben übt bis an seinen Tod; der den Frieden des Reichs hält, nicht ihn bricht; der den Bauer und Bürger schützt, nicht unterdrückt; der des Kaisers rechte Gebote ehrt, nicht sie mir Füßen tritt. Steht auf und wage Keiner wieder, was eben geschehen! So wahr ich Kaiser bin, und so wahr ich seyn will ein gerechter Richter: wären die, die ihr Ritter nennt, lauter Herzöge des Reichs, sie sollten doch der verdienten Todesstrafe nicht entgehen!“

Man hätte erwarten sollen, daß die ausgebrannten Raubnester in ihrem Schutt gelassen worden wären; aber unter Rudolfs Nachfolgern regte sich die Macht des Faustrechts wieder, und unter Carl dem Vierten wurde seine Herrschaft wieder so frech und unerträglich, als je zuvor. Jetzt waren es nicht mehr die Ritter allein, welche das Handwerk der Schwert-Zöllner aus ihren Raubnestern übten: die Fürsten am Rheine trieben’s in’s Große. Sie stellten die zertrümmerten Vesten wieder her und setzten ihre schlechtesten Gesellen hinein, mit denen sie die Wegelager- und Buschklepperei auf halbe Rechnung übten. Besonders waren es Mainzische Orte und Mainzische Reisende und Waarenführer, welche von den Burgen dieser Gegend gedrangsalt wurden. Ein Lehensmann des rheinischen Pfalzgrafen – Cunzmann von der Falkenburg – war bei der auf der Frankfurter Straße geschehenen Ermordung Friedrich’s von Braunschweig thätig, die ihm (1400) Verbannung aus dem Reiche zuzog.

Nach endlich fest aufgerichtetem Landfrieden wurde die Falkenburg verlassen, und nach und nach verfiel sie.

Da liegt sie nun, eine öde und wüste Ruine; und sie, der einstige Schrecken der Gegend, ist nur noch ihr Schmuck. Keine Spur von Leben rührt sich im weiten, mit Trümmer und Schutt bedeckten, und mit Buschwerk und Flieder überwachsenen Burghof, es müßte denn ein Käutzchen seyn, das das Gemäuer umschwirrt, oder ein furchtsames Reh, das durch’s Gebüsch entflieht. Eine gewaltige Vertiefung im Burgraum deutet an, wo das Verließ war. Auf dessen eingestürzten Gewölben, deren Decken sonst von den Tönen des Jammers und der Verzweiflung widerhallten, rankt blühender Epheu. Feierliche Stille umgibt den einsamen Wanderer, der diese Trümmer besucht; nur Heerdengeläute tönt leise aus dem Grunde herüber, oder die Schalmei der Hirten, oder die Glocken benachbarter Dörfer.