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CLXXXX. Die Falkenburg.





Es saust durch’s Gemäuer des Nordwinds Sturm
Sprachlos er; doch darein lispelt dem geweihten Ohr
Ernster Mahnung Wort! – Ich vernahm’s, doch bleibt
Versiegelt das Wort. – Sause fortan, Sturm der Höh’,
Wirst noch üben deine Kraft an der Räuber Burg,
Wenn den Staub der glänzenden Königspalläst’ im Thal
Säuselnder West verweht hat. –


Von Mainz bis Coblenz, auf der kurzen Strecke von 18 Stunden, erheben sich, meistens aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die Ruinen einer so großen Menge von Ritterburgen, daß ihre Anzahl Erstaunen erregt. Manche hatten ihre Burggrafen oder Burgmänner und diese besaßen bedeutendes Eigenthum, entweder erblich, oder vom Reiche zu Lehen. Aber auf bei weitem den meisten hausten Ritter von Sattel und Stegreif. Nicht selten machten sich mehre adeliche Gesellen zusammen, erbauten sich ein solches Adlernest gemeinschaftlich und lebten dann, wie die Raubvögel, von Beute, – von Mord und Diebstahl, wozu die Schifffahrt auf dem Rheine es niemals an Gelegenheit fehlen ließ. Zu diesen Raubschlössern gehörte auch die Falkenburg, welche, nahe beim Rheinstein, über dem Dorfe Dreieckhausen, von einem mit Weinreben und Buschholz bepflanzten Fels ernst und drohend auf den Strom herabsieht, den sie auf weiter Strecke hin überspäht.

So berüchtigt und gefürchtet das Geschlecht der Falkenburger war, so mangelhaft sind doch die Nachrichten über ihren Ursprung und die Zeit der Erbauung ihrer Veste. Die Glanzzeit derselben fällt in jene für ganz Deutschland so unglückliche Periode der Verwirrung, als, nach dem Sturze des Hohenstaufischen Hauses, vollkommene Anarchie das Reich zerfleischte und kein Recht mehr galt, als das Recht der Faust und des Schwerdtes. Da mochte Jeder ungestraft plündern und rauben, so viel er Lust hatte und gewältigen konnte, und die adelichen Schnapphähne hatten ihre goldene Zeit. Aber sie verging, wie alle goldne Zeiten. Rudolf der Habsburger wurde zum Kaiser gewählt, und nachdem er nur erst die mächtigern Feinde zum Frieden gebracht hatte, suchte er auch im

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/16&oldid=- (Version vom 24.8.2024)