Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Skîrnisför

<<< Skîrnisför >>>
Skirnirs Fahrt
aus: Die Edda (Simrock 1876)
Seite: {{{SEITE}}}
von: [[{{{AUTOR}}}]]
Zusammenfassung: 12. Lied der Göttersagen in der „Älteren Edda“
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[[Index:{{{INDEX}}}|Wikisource-Indexseite]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[93]
12. Skîrnisför.
Skirnirs Fahrt.

Freyr, der Sohn Niörds, hatte sich einst auf Hlidskialf gesetzt und überschaute die Welten alle. Da sah er nach Jötunheim und sah eine schöne Jungfrau aus ihres Vaters Haus in ihre Frauenkammer gehen. Daraus erwuchs ihm große Gemüthskrankheit. Skirnir hieß Freys Diener. Niördr bat ihn, Freyr zum Reden zu bringen. Da sprach


Skadi.23
1
Steh nun auf, Skirnir,   ob du unsern Sohn

Magst zu reden vermögen
Um das zu erkunden,   wem der kluge wohl
So bitterböse sei.


Skirnir.
2
Übler Antwort verseh ich mich   von euerm Sohne,

Wenn ich die Red an ihn richte
Um das zu erkunden,   wem der kluge wohl
So bitterböse sei.

3
Sage mir, Freyr,   volkwaltender Gott,

Was ich zu wißen wünsche:
Was weilst du allein   im weiten Saal,
Herr, den heilen Tag?


Freyr.
4
Wie soll ich sagen   dir jungem Gesellen

Der Seele großen Gram?
Die Alfenbestralerin   leuchtet alle Tage,
Doch nicht zu meiner Liebeslust.

[94]
Skirnir.
5
Dein Gram mag   so groß nicht sein,

Daß du ihn mir nicht sagen solltest.
Theilten wir doch   die Tage der Jugend:
So mögen wir Zwei uns Zutraun schenken.


Freyr.
6
In Gymirs37 Gärten   sah ich gehen

Mir liebe Maid.
Ihre Arme leuchteten   und Luft und Meer
Schimmerten von dem Scheine.

7
Mehr lieb ich die Maid   als ein Jüngling mag

Im Lenz seines Lebens.
Von Asen und Alfen   will es nicht Einer,
Daß wir beisammen seien.


Skirnir.
8
Gib mir dein rasches   Ross, das mich sicher

Durch die flackernde Flamme führt;
Gib mir das Schwert,   das von selbst sich schwingt
Gegen der Reifriesen Brut.


Freyr.
9
Nimm denn mein rasches   Ross, das dich sicher

Durch die flackernde Flamme führt;
Nimm mein Schwert,   das von selbst sich schwingt
In des Beherzten Hand.


Skirnir sprach zu dem Rosse:
10
Dunkel ists draußen:   wohl dünkt es mich Zeit

Über feuchte Berge zu fahren.
Wir beide vollführens,   fängt uns nicht beide
Jener kraftreiche Riese.


Skirnir fuhr gen Jötunheim zu Gymirs Wohnung. Da waren wüthige Hunde an die Thüre des hölzernen Zaunes gebunden, der Gerdas Saal umschloß. Er ritt dahin, wo der Viehhirt am Hügel saß und sprach zu ihm:

[95]
11
Sage mir, Hirt,   der am Hügel sitzt

Und die Wege bewacht,
Wie mag ich schauen   die schöne Maid
Vor Gymirs Grauhunden?


Der Hirt.
12
Bist du dem Tode nah   oder todt bereits

(Mann auf der Mähre Rücken?),
Zu sprechen ungegönnt   bleibt dir immerdar
Mit Gymirs göttlicher Tochter.


Skirnir.
13
Kühnheit steht beßer   als Klagen ihm an,

Der da fertig ist zur Fahrt.
Bis auf Einen Tag   ist mein Alter bestimmt
Und meines Lebens Länge.


Gerda.
14
Welch Getöse   ertönen hör ich

Hier in unsern Hallen?
Die Erde bebt davon   und alle Wohnungen
In Gymirsgard erzittern.


Die Magd.
15
Ein Mann ist hier außen   von der Mähre gestiegen

Und läßt sie im Grase grasen.


Gerda.
16
Bitt ihn einzutreten   in unsern Saal

Und den milden Meth zu trinken,
Obwohl mir ahnt,   daß hier außen sei
Meines Bruders Mörder.

17
Wer ist es der Alfen   oder Asensöhne,

Oder weisen Wanen?
Durch flackernde Flamme   was fuhrst du allein
Unsre Säle zu schauen?

[96]
Skirnir.
18
Bin nicht von den Alfen   noch den Asensöhnen,

Noch den weisen Wanen;
Durch flackernde Flamme   doch fuhr ich allein
Eure Säle zu schauen.

19
Der Äpfel eilf   hab ich allgolden,

Die will ich, Gerda, dir geben,
Deine Liebe zu kaufen,   daß du Freyr bekennst,
Daß dir kein liebrer lebe.


Gerda.
20
Der Äpfel eilf   nehm ich nicht an

Um eines Mannes Minne,
Noch mag ich und Freyr,   dieweil wir athmen beide,
Je zusammen sein.


Skirnir.
21
Den Ring geb ich,   der in der Glut lag

Mit Odhins jungem Erben.
Acht entträufeln ihm   ebenschwere
In jeder neunten Nacht.


Gerda.
22
Den Ring verlang ich nicht,   der in der Lohe lag

Mit Odhins jungem Erben.
In Gymisgard   bedarf ich Goldes nicht:
Mir schont der Vater die Schätze.


Skirnir.
23
Siehst du, Mädchen, das Schwert,   das scharfe, zaubernde,

Das ich halt in der Hand?
Das Haupt hau ich   vom Hals dir ab,
So du dich ihm weigern willst.


Gerda.
24
Zu keiner Zeit   werd ich Zwang erdulden

Um Mannesminne.
Wohl aber wähn ich,   gewahrt dich Gymir,
Daß ihr Kühnen zum Kampfe kommt.

[97]
Skirnir.
25
Siehst du, Mädchen, das Schwert,   das scharfe, zaubernde,

Das ich halt in der Hand?
Seine Schneide   erschlägt den alten Riesen,
Fällt deinen Vater todt.

26
Mit der Zauberruthe   zwingen werd ich dich,

Maid, zu meinem Willen.
Dahin wirst du kommen,   wo Kinder der Menschen
Dich nicht mehr sollen sehen.

27
Auf des Aaren Felsen   in der Frühe sollst du sitzen,

Weg von der Welt gewandt zu Hel.
Speise sei dir widriger   als Wem auf Erden
Der menschenleide Midgardswurm.

28
Ein scheusliches Wunder   wirst du draußen,

Daß Hrimnir dich angafft,   dich Alles anstarrt.
Weitkunder wirst du   als der Wächter der Götter:
Gaffe denn hervor am Gitter.

29
Einsamkeit und Abscheu,   Zwang und Ungeduld

Mehren dir Trübsinn und Thränen.
Sitze nieder,   so sag ich dir
Des Leides schwellenden Strom,
Den zweischneidigen Schmerz.

30
Riegel sollen dich ängsten   all den Tag

Hier im Gehege der Joten.
Vor der Hrimthursen Hallen   sollst du den heilen Tag
Dich krümmen kostberaubt,
Dich krümmen kostverzweifelt.
Leid für Lust   wird dir zum Lohn,
Mit Thränen trägst du dein Unglück.

31
Mit dreiköpfigem Thursen   teilst du das Leben

Oder alterst unvermählt.

[98]

Sehnsucht scheucht dich
Von Morgen zu Morgen;
Wie die Distel dorrst du,   die sich gedrängt hat
In des Ofens Öffnung.

32
Zum Hügel ging ich,   ins tiefe Holz,

Zauberruthen zu finden:
Zauberruthen fand ich.

33
Gram ist dir Odhin,   gram ist dir der Asenfürst,

Freyr verflucht dich.
Flieh, üble Maid,   bevor dich vernichtet
Der Götter Zauberzorn.

34
Hört es, Joten,   hört es, Hrimthursen,

Suttungs Söhne,57   ihr Asen selber!
Wie ich verbiete,   wie ich banne
Mannes Gesellschaft der Maid,
Mannes Gemeinschaft.

35
Hrimgrimnir heißt der Riese,   der dich haben soll

Hinterm Todtenthor,
Wo verworfene Knechte   in knotige Wurzeln
Dir Geißenharn gießen.
Anderer Trank   wird dir nicht eingeschenkt,
Maid, nach deinem Willen,
Maid nach meinem Willen!

36
Ein Thurs (Th) schneid ich dir   und drei Stäbe:

Ohnmacht, Unmuth, Ungeduld.
So schneid ich es ab   wie ich es einschnitt,
Wenn es Noth thut so zu thun.


Gerda.
37
Heil sei dir vielmehr,   Held, und nimm den Eiskelch

Firnen Methes voll.
Ahnte mir doch nie,   daß ich einen würde
Vom Stamm der Wanen wählen.

[99]
Skirnir.
38
Meiner Werbung Erfolg   wüst ich gesichert gern

Eh ich mich hinnen hebe.
Wann meinst du in Minne   dem mannlichen Sohn
Des Niördr zu nahen?


Gerda.
39
Barri heißt,   den wir beide wißen,

Stiller Wege Wald:
Nach neun Nächten   will Niörds Sohne da
Gerda Freude gönnen.


Da ritt Skirnir heim. Freyr stand draußen, grüßte ihn und fragte nach der Zeitung:


40
Sage mir, Skirnir,   eh du den Sattel abwirfst

Oder vorrückst den Fuß,
Was du ausgerichtet   hast in Riesenheim
Nach meiner Meinung und deiner.


Skirnir.
41
Barri heißt,   den wir beide wißen,

Stiller Wege Wald:
Nach neun Nächten   will Niörds Sohne da
Gerda Freude gönnen.


Freyr.
42
Lang ist Eine Nacht,   länger sind zweie:

Wie mag ich dreie dauern?
Oft daucht’ ein Monat   mich minder lang
Als eine halbe Nacht des Harrens.

Anmerkungen (Wikisource)

Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied