Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Helgakvidha Hundingsbana fyrri
Heilige Waßer rannen von Himmelsbergen,
Da hatte Helgi, den großherzigen,
Borghild geboren in Bralundr.
Die dem Edeling das Alter bestimmten.
Sie gaben dem König der Kühnste zu werden,
Aller Fürsten Edelster zu dünken.
Daß die Burgen brachen in Bralundr.
Goldene Fäden fügten sie weit,
Sie mitten festigend unterm Mondessaal.
In der Mitte lag des Königs Land.
Einen Faden nordwärts warf Neris Schwester,
Ewig zu halten hieß sie dieß Band.
Und ihr, der Frau, die Freude gebar:
Rabe sprach zum Raben (auf ragendem Baum
Saß er ohne Atzung[WS 2]): ich weiß Etwas.
Einen Tag alt: unser Tag bricht an.
Er schärft die Augen (so schauen Helden),
Der Wölfe Freund: freuen wir uns!“
Sie wünschten sich Glück zu goldener Zeit.
Der König selber ging aus dem Schlachtlärm
Dem jungen Edling edeln Lauch zu bringen.
Solfiöll, Snäfiöll und Sigarswöllr,
Hringstadr, Hatun und Himinwangi,
Gab ein blutig Schwert Sinfiötlis Bruder.
Die ragende Rüster[WS 3] in des Ruhmes Licht.
Er vergalt und gab das Gold den Werthen,
Sparte das Schwert nicht, das blutbespritzte.
Funfzehn Winter alt war der Fürst,
Da hatt er den harten Hunding erschlagen,
Der Land und Leute so lange berieth.
Um Gold und Schätze die Söhne Hundings.
Zu vergelten hatten sie Güterraubs viel
Dem jungen Fürsten und des Vaters Tod.
Weigerte jegliches Wergeld den Söhnen:
Gewarten möchten sie mächtigen Wetters,
Grauer Geere und des Grames Odhins.
Die sie gelegt gen Logafiöll.
Frodis Frieden zerbrach zwischen Feinden:
Granis Grauhunde fuhren gierig durchs Land.
Alf und Eyolf, unter dem Aarstein,
Dazu Hiörward und Haward, Hundings Söhne;
Gefällt war des Geerriesen ganzes Geschlecht.
Und aus dem Lichte kam Wetterleuchten.
Helmträgerinnen sah man auf Himinwangi:
Ihre Brünnen waren mit Blut bespritzt
Und Stralen standen still auf den Geeren.
Die südlichen Frauen vom Schlachtfeld her:
„Ob sie daheim bei den Helden wollten
Bleiben bei der Nacht?“ die Bogen schnurrten.
Stillte der Schilde Lärm und sprach zu dem König:
„Wir haben wohl Anderes hier zu schaffen
Als Ringbrecher bei dir Bier zu trinken.
Verheißen Granmars grimmem Sohne.
Doch hab Ich, Helgi, den Hödbrodd genannt
Einen König so kühn wie ein Katzensohn.
Wofern du den Fürsten nicht forderst zum Kampf,
Oder mich, die Maid ihm raubst.“
Erst tobt Getöse, ich sei denn todt. —
Hülfe zu fordern über Flut und Land,
Um mehr als genug den Mannen zu bieten,
Und ihren Söhnen, des schimmernden Goldes:
Daß sie aus Brandey uns Hülfe bringen.“
Da harrte der König bis zur Samnung kamen
Helden vielhundert von Hedinsey.
Die Schiffe gesegelt, die goldgeschmückten.
Helgi fragte den Hiörleif alsbald:
„Hast du erkundet der Kühnen Zahl?“
„Schwer,“ sprach er, „hält es, von der Schnabelspitze
Die langen Schiffe, die Segler, zu zählen,
Die da außen in Örwasund fahren.
Doch harrt in Hatun noch halbmal mehr
Der Scharen des Königs: der Schlacht gedenk ich nun.“
Der Männer Menge damit zu erwecken,
Daß die Fürsten sähen den scheinenden Tag.
An die Segelstangen schnürten die Helden
Das knisternde Gewebe bei Warins Bucht.
Schild scholl an Schild, die Seehelden ruderten.
Unter den Edlingen eilend ging
Des Fürsten Flotte den Landen fern.
Die kühlen Wellen und die langen Kiele
Als ob Berg oder Brandung brechen wollten.
Als wider Wogen da Woge schlug
Und die tobende Tochter Ögirs
Die starren Rosse zu stürzen gedachte.
Und schützte sie selber und ihre Schiffe.
Kräftig riß sich der Ran aus der Hand
Des Königs Langschiff bei Gnipalundr.
Die schmucken Schiffe schoßen dahin.
Aber Granmars Söhne von Swarinshügel
Erspähten sein Volk mit feindlichem Sinn.
„Wie heißt der Herzog, der dem Heer gebeut,
Dieß furchtbare Volk uns führt zu Land?“
Ein rothes Schild auf, des Rand war von Gold.
Er war ein Sundwart, der sprechen konnte
Und Worte wechseln mit werthen Männern:
Und eure Hunde zur Atzung lockst:
Die Ülfinge seien von Osten gekommen,
Des Kampf begierig vor Gnipalundr.
Den fluchtträgen Fürsten, in der Flotte Mitten.
Oftmals hat er Aare gesättigt,
Weil du in der Mühle Mägde küsstest.“
Da du die Edlinge mit Unrecht verrufst.
Du hast im Walde mit Wölfen geschwelgt,
Hast deinen Brüdern den Tod gebracht.
Oft sogst du mit eisigem Athem Wunden,
Bargst allverhaßt dich im Gebüsch.
Ein luchslistiges! Du logst auf den Haufen.
Keinen Mann, meintest du, möchtest du haben
Von allen im Eisen außer Sinfiötli.
Aber bei Allvater allvermögend.
Man sah die Einherier alle sich raufen,
Verwettertes Weib, von wegen dein.
Neune hatten wir auf Nesisaga
Wölfe gezeugt: ich war ihr Vater.
Ob ärger als alle, das leuchtet ein,
Denn längst entmannten dich eh du Gnipalundr sahst
Thursentöchter bei Thorsnes dort.
An Wolfsgeheul gewöhnt in den Wäldern draußen.
Alles Unheil kam über dich,
Als du den Brüdern die Brust durchbohrtest,
Dich landrüchig machtest durch Lasterwerke.
Goldgezügelt, gezähmt zum Lauf.
Manche Strecke ritt ich dich müde
Und hungrig unterm Sattel, Scheusal, den Berg hinab.
Als du Gullnirs Geiße melktest;
Ein andermal dauchtest du, Dursentöchter,
Ein lumpiges Bettelweib: willst du länger zanken?
Lieber die Raben mit deinem Luder,
Und eure Hunde zur Atzung locken
Und Schweine zum Troge: zanke der Teufel mit dir!
Den Kampf zu fechten und Aare zu freuen,
Als euch zu eifern mit unnützen Worten
Wenn auch Ringbrecher den Haß nicht bergen.
Doch ists Recken rühmlicher, reden sie Wahrheit.
Sie habens gezeigt bei Moinsheim:
Die Schwerter zu brauchen gebricht ihnen Muth nicht.“
Swipudr und Swegjudr, auf Solheim zu
Durch thauige Thäler und tiefe Wege;
Der Mist Ross schütterte, wo die Männer fuhren.
Kündeten dem König den kommenden Feind.
Außen stand Hödbroddr helmbedeckt,
Sah den Schnellritt seines Geschlechts:
„Wie harmvoll habt ihr Helden ein Aussehn?“ —
Ragende Masten und lange Rahen,
Schilde sattsam und geschabte Ruder,
Herrliche Helden der hehren Ülfinge.
Doch stehen im Sund noch siebentausend.
Hier liegen am Lande vor Gnipalundr
Blauschwarze Seethiere und goldgeschmückte.
Die meiste Menge seiner Mannen ist hier:
Nicht länger säumt nun Helgi die Schlacht.“
Aber Sporwitnir gen Sparinshaide,
Melnir und Mylnir gen Myrkwidr:
Sitze mir selten Wer säumig daheim,
Der Wundenflamme zu schwingen weiß.
Atli und Ingwi und Alf den greisen;
Die zu beginnen sind gierig den Kampf:
Wir wollen den Wölsungen Widerstand thun. —
Die funkelnden Schwerter bei Frekastein.
Immer war Helgi, der Hundingstödter,
Vorn im Volkskampf, wo Männer fochten.
Schnell im Schlachtlärm, säumig zur Flucht,
Ein hartmuthig Herz hatte der König.
Das Spersausen wuchs — und schützte den Fürsten.
Laut rief Sigrun, des Luftritts kundig,
Dem Heldenheer zu, aus des Herzens Grund:
Ingwis Nachkomme, und das Leben genießen.
Den fluchtträgen Fürsten hast du gefällt,
Ihn, der den Schrecklichen sandt in den Tod.
Nun must du beides nicht länger missen:
Rothe Ringe und die reiche Maid.
Der Tochter Högnis und Hringstadirs,
Des Siegs und der Lande; zum Schluß kommt der Streit.“
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.