Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Harbardhsliodh
Thôr kam von der Ostfahrt her an einen Sand; jenseits stand der Fährmann mit dem Schiffe. Thôr rief:
Einen Korb hab ich auf dem Rücken, beßre Kost giebt es nicht.
Eh ich ausfuhr aß ich in Ruh
Hering und Habermuß: davon hab ich noch genug.
Du weist das Weitre nicht:
Traurig ist dein Hauswesen, todt wird deine Mutter sein.
Jedem Mann, daß meine Mutter todt sei.
Barbeinig stehst du in Bettlersgewand,
Nicht einmal Hosen hast du an.
Doch Wem gehört das Schiff, das du hältst am Ufer?
Der rathkluge Recke, der in Radsei-sund wohnt.
Er widerrieth mir, Strolche und Rossdiebe zu fahren:
Nur ehrliche Leute und die mir lange kund sein.
Sag deinen Namen, wenn du über den Sund willst.
Und all mein Geschlecht. Ich bin Odhins Sohn,
Meilis Bruder und Magnis Vater,
Der Kräftiger der Götter; du kannst mit Thôr hier sprechen.
Ich habe zu fragen nun: wie heißest du?
Vor Einem wie Du bist; mein Ende wüst ich denn nah.
Durchs Waßer zu waten und mein Gewand zu netzen;
Sonst, Lotterbube, lohnt’ ich wahrlich
Deinen Stachelreden, stünd ich überm Sund.
Dem starkherzgen Riesen, dem von Stein das Haupt war;
Doch ließ ich ihn stürzen, in Staub sinken.
Was thatest du derweil, Harbard?
Auf einem Eiland, das Allgrün heißt.
Wir fochten und fällten die Feinde da,
Versuchten Manches und freiten Mädchen.
Wir hatten hübsche Weiber, wären sie uns holder gewesen.
Aber Stricke wanden sie am Strand aus Sand,
Gruben den Grund
Aus tiefem Thal.
Ich allein war allen überlegen mit List,
Lag bei sieben Schwestern und genoß im Spiel ihre Gunst.
Was thatest du derweil, Thôr?
Auf warf ich die Augen des Sohnes Ölwalts
An den heitern Himmel:
Die wurden meiner Werke gröste Wahrzeichen,
Allen Menschen sichtbar seitdem.
Was thatest du derweil, Harbard?
Die ich mit List ihren Männern entlockte.
Ein harter Riese, halt ich, ist Hlebard gewesen:
Er gab mir seine Wünschelruthe, damit raubt’ ich ihm den Witz.
Jeder sorgt für sich.
Was thatest du derweil, Thôr?
Böswillige Bräute, da sie zum Berge gingen.
Übermächtig würden die Riesen, wenn sie alle lebten,
Mit den Menschen wär es in Mitgard aus.
Was thatest du derweil, Harbard?
Verfeindete Fürsten dem Frieden wehrend.
Odhin hat die Fürsten, die da fallen im Kampf,
Thôr hat der Thräle (Knechte) Geschlecht.
Hättest du der Wünsche Gewalt.
Aus feiger Furcht fuhrst du in den Handschuh,45
Trautest nicht mehr Thôr zu sein.
Nicht wagtest du nur, so warst du in Noth,
Zu niesen noch zu f — —, daß es Fialar hörte.57
Möcht ich über den Sund setzen.
Was thatest du weiter, Thôr?
Da griffen Swarangs Söhne mich an.
Sie schlugen mich mit Steinen und schadeten mir nicht.
Sie musten bald zuerst mich bitten um Frieden.
Was thatest du derweil, Harbard?
Spielte mit der schneeweißen und sprach lange mit ihr.
Ich erfreute die goldschöne; der Scherz gefiel der Maid.
Die schleierweiße zu entwenden.
Das Ärgste hatten sie getrieben, betrogen alles Volk.
Sie zerschellten mein Schiff, das ich auf Pfähle gestellt,
Trotzten mir mit Eisenkeulen und vertrieben Thialfi.
Was thatest du derweil, Harbard?
Kriegsfahnen erhob den Sper zu färben.
Wie du auszogst uns zur Überlast.
Nach Schiedsrichterspruch, der uns versöhnen mag.
Ich hörte niemals so höhnische.
Die in den Wäldern wohnen.
Wenn du sie Wälder- Wohnungen nennst.
Wenn ich durchs Waßer wate.
Lauter als ein Wolf wirst du aufschrein,
Wenn ich dich mit dem Hammer haue.
Der erfahre deine Kraft, das frommt dir mehr.
Verworfner Wicht! ich weiß, daß du lügst.
Schon wärst du weit, Thôr, wenn du verwandelt fuhrst.
Ein Viehhirt die Fahrt.
Hab ein Ende der Hader! Hole den Vater Magnis.
Über den Sund setzen.
Eine Stunde zum Stocke, zum Stein eine andre.
Den linken Weg wähle bis du Werland erreichst.
Da trifft Fiörgyn Thôr ihren Sohn:
Die wird ihm der Verwandten Wege zeigen
Zu Odhins Land.
Wenn ich erst von dannen ging.
Die verweigerte Überfahrt lohn ich ein andermal.
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied