Die Dresdner Kunstausstellung (1824)

Textdaten
Autor: Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Dresdner Kunstausstellung / Ueber die Dresdner Kunstausstellung von 1824.
Untertitel:
aus: Abend-Zeitung: auf das Jahr 1824 ; Artistisches Notizenblatt, Nr. 15, 17, 18
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1824
Verlag: Arnold
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Kataloge der Ausstellung siehe Verzeichniß der am Augustustage den 3. August 1824 in der Königl. Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden öffentlich ausgestellten Kunstwerke und Verzeichniß derjenigen Gegenstände, welche zu der dießjährigen öffentlichen Ausstellung inländischer Gewerbs-Artikel eingesendet worden sind (Dresden, 1824)
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[57]
Die Dresdner Kunstausstellung.

Die Eröffnung der Kunstausstellung fand auch diesmal an dem jedem Sachsen so feierlichen Augustustage, dem 3ten August, statt. Die Strenge, womit die Direktion darauf bestand, daß alle zur Ausstellung geeigneten Gegenstände unfehlbar vor der Eröffnung überreicht und eingesandt werden müßten, hat vielleicht einiges zurückgehalten, was doch wohl für eine künftige Ausstellung nicht verloren ist, aber gewiß manche Klage beschwichtigt, die sonst mit Recht über das oft absichtlich verspätete Aufstellen geführt wurde. Der freiaufstrebende Genius der Kunst läßt sich freilich nicht nach der Sanduhr regeln und meistern. Allein jeder wahre Künstler kennt die Beschwörungsformel, welcher jener sich fügt, und die bloße nachbildende Technik hat den Kalender das ganze Jahr vor Augen.

Wenn was zählt, auch in die Wage gelegt bestünde, so wäre eine Ausstellung, deren gedrucktes Verzeichniß 671 Nummern aufführt, und wo alle auch diesmal vervielfältigten Wände (etwa das Professorzimmer, welches ohne Hülfstruppen sich schwerlich anfüllen dürfte) bis oben hinauf voll behangen erschienen, für eine alljährig wiederkehrende akademische Bilderschau sehr ansehnlich. Allein da unsere Ausstellung stets als eine ehrerbietige Huldigung beurtheilt werden muß, welche dem Landesfürsten dargebracht wird und dabei auch die schwächsten Bestrebungen der verschiedenen Kunst- Zeichnen- und Industrieschulen in den königlichen Instituten in Dresden, Leipzig und Meißen nicht unbeachtet bleiben sollen; da ferner auch alle unter den Augen der Professoren von den Zöglingen der Akademie im Actsaale, nach Gypsmodellen und in den Museen gemachten Studien hier nicht nur nicht zurückgewiesen werden können, sondern pflichtmäßig auftreten und nach geschlossener Ausstellung mit Prämien und Belobungen anerkannt werden; so müssen wir zufrieden seyn, wenn dieser scheinbare Vollmond nur noch im ersten und nicht im letzten Viertel steht, und der bekannte Vers Martials auf seine in zwölf Büchern aufgeschichteten Sinngedichte

Gutes ist hier, doch manches ist Mittelgut, vieles ist schlecht auch![1]

auch hier seine Anwendung leidet.

Dabei darf diesmal nicht übersehen werden, daß viele Gegenstände der plastischen und technischen Kunstleistungen bei der K. Porzellanmanufactur in Meißen, zierliche Silbergefäße, wie die des Vascularius Westermann in Leipzig, Kunstuhren, Stickereien und Damastarbeiten, die sonst auch mit unter den Artikeln der Kunstausstellung verzeichnet und beschauet wurden, dießmal in einem besondern polytechnischen, zu dieser Absicht trefflich eingerichteten Saale, wo zum erstenmal die Ausstellung der inländischen Gewerbartikel allgemeinen Beifall und dankbare Aufmunterung fand, sehr zweckmäßig durch den damit beauftragten Legationsrath Reyer nach Rang und Würde vertheilt und also den akademischen Ausstellungen, die doch durch die Gunst des beides vereinigenden Lokals als die wahren Propyläen gelten, entnommen worden waren.[2]

[58] Auch darf der Umstand nicht unbemerkt bleiden, daß mehrere uns von sächsischen Künstlern in Rom angekündigten Arbeiten, worunter sich auch einige Marmor-Reliefs von Pettrich und Herrmann, beides hoffnungvollen Zöglingen Thorwaldsens, und eine Landschaft von Richter befinden soll, wegen der Entfernung noch nicht eingetroffen waren, so wie auch mehrere andere verspätete Kunstgebilde in den gedruckten Verzeichnisse keine Stelle mehr fanden und blos durch eine beiliegende Anzeige zur Kenntniß des Publikums gebracht werden konnten.

Um so erwünschter und willkommner mußte es seyn, daß ein tüchtiger und vermögender Kunstfreund unserer Stadt sich dießmal wieder entschlossen hatte, einige Gemälde, womit noch lebende Künstler im Auslande seine erlesene Sammlung neuerlich bereichert hatten, für diese öffentliche Ausstellung mitzutheilen. So sahen wir denn von Eggers und Philipp Veit in Rom, so wie von dem Landschafter v. Rohden eben daselbst, ingleichen von dem geistreichen Helmsdorf zwei römische Ansichten in Aquarell, so wie die Gegend bei aqua cetosa von A. Klein in Nürnberg, den Dohm zu Freiburg von Domin. Quaglio, eine Landschaft von Wagenbauer und die Lorenzkirche vom Director Reindel mit vielem Genuß, und konnten den Wunsch nicht unterdrücken, daß auch ein zweiter Kenner und Sammler bei seiner Rückkehr noch etwas zu spenden sich bewogen fühlen möchte. Mit Vergnügen sahen wir von mehrern Künstlerinnen, die von ihrer frühern Bildung an der Dresdener Kunstschule sich mit Dank erinnern oder noch fortwährend auf unserer Gallerie arbeiten, Blüthen und Früchte in mehr als einem Sinne des Wortes aufgestellt, worunter wir die von Louise Seidler in Rom gefertigten und aus Weimar eingeschickten Copieen nach Perugino u. s. w. und zwei liebliche Erfindungen von Frau von Buttler aus London gesandt mit mannigfaltigen Erinnerungen an frühere Studien betrachteten und uns freuten, die letztere nach ihrer Kunstreise über München und Bonn nach Paris und London nun wieder in unserer Mitte zu sehn.[3] Mit lebhaftem Wohlgefallen sahen wir dießmal wieder einige Oelgemälde unsers eben so sinnig auffassenden als ansprechend gestaltenden Professors D. Carus, der nach dem wohlthätigen Tagewerk für Heilkunst und Nalurwissenschaften süße Erheiterung für sich und andere in der Malerei findet. Seine Phantasie, die keusche vom Mondstral geküßte Harfe, seine auch geognostisch belehrende Ansicht vom Montanwerk im Chamounythale mit allen Beiwerken nach der Natur treu gezeichnet, versammelten stets empfängliche Beschauer um sich. Daneben würde auch A. Reichels Carpathenspitze, im Mondschein aufgenommen, nicht übersehen, anderes aber, was dort herum im bunten Gewimmel sich mißgestaltet hervordrängte, lieber ganz übersehen.

Indem wir nun so nur das Allgemeine bezeichnend und was freundlich von Nichtakademikern beigetragen wurde, andeutend die uns von unsern einheimischen Professoren und ihren unmittelbaren Zöglingen dargebotenen Leistungen und Bestrebungen genauer ins Auge zu fassen uns vielfach angeregt fühlen, ergeht es uns fast, wie jenem viel geprüften Wanderhelden der griechischen Vorwelt, dem Ulysses, als er zur Beschwörung des Sehers Tiresias bis zu den Kimmerien vorgedrungen war, wie der hohe Homeros dieß Abentheuer besingt:

– es kamen Mädchen und Jünglinge, Männer und langausduldende Greise
Welche den Platz schaarweis umwandelten, anderswo andre
Mit graunvollem Geschrei und es faßte mich blasses Entsetzen.

Wir möchten diese wunderbaren Erscheinungen in unsern Kunstsälen gern alle einzeln befragen und uns von ihrer Entstehung und warum sie gerade so und nicht anders aus der Hand des Meisters hervorgingen, viel Unterrichtendee erzählen lassen. Allein wer soll da zuerst, wer zuletzt zur Rede kommen? Mit dem aus der Scheide gezogenen Schwerte ist es da nicht abgethan. Wir wollen es also lieber im Einzelnen versuchen und in den folgenden Kunstblättern uns über dieß und jenes ohne Rangliste, so wie es uns eben anspricht, ausführlicher vernehmen lassen. Wir werden dabei nicht aus der Acht lassen, daß, wenn auch die Zahl größerer historischer [59] Compositionen nur gering ist und Professor Matthäis lange erwarteter Tod des Codrus auch diesmal noch nicht vor’s Auge des Publikums gebracht werden konnte, da dieser Meister durch einen neuen wichtigen Amtsberuf sehr bedrängt wurde, wir doch in zwei merkwürdigen Compositionen, die schauerliche Erscheinung des die Kinderwürgenden Todes von unserm Prof. Hartmann und den in feurige Andacht hingegossenen heiligen Nepomuk von unserm Prof. Vogel zwei Bilder sahen, die beide durch eine allgemeine Anzeige nicht abgefertigt werden können, da besonders das erstere zu so manchen selbst lächerlichen Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, das letztere aber wegen der hier durchaus unerläßlichen obern Erscheinung in der Kapelle des Betenden bei der Beengung des Raums seine eigene Schwierigkeit hatte. Dabei möchten wir die wahren Freunde der Kunst auf manche sehr lobenswürdige Studien von Kunstjüngern, die sich rühmen können, Matthäis und Hartmanns Schüler zu seyn, besonders auf No. 317 und No. 103 aufmerksam machen. Dort hat Otto Schütz, ein Schüler Hartmanns in der heroischen Gruppe des in der Schlacht verwundeten Kriegers, den sein Waffengefährte beschirmt, eine geistreiche Anwendung von der berühmten Gruppe des Menelaus und Patroclus, wovon wir im Mengsischen Museum den unvergleichlichen Abguß besitzen, also eine lobenswürdige Nachbildung mit neuen Motiven in einem Oelgemälde versucht. Hier aber giebt ein wackerer Schüler Matthäis, D. Oesterley aus Göttingen, eine gelungene Zeichnung nach dem berühmten Torso des Athleten in unserm Antiken-Museum, mit der Restauration des Kopfes und rechten Arms, die nur unter der Leitung eines geübten Kennerauges so ausgeführt werden konnte. Auf diesem Wege allein kann das Studium nach Antiken in Gyps und Marmor der knechtischen Nachbildung entnommen, wahrhaft fruchtbar werden. Prof. Hartmann selbst hat in dem Löwentödter Hercules eine Actstellung des auch in diesen Blättern erwähnten Lebesnier in’s mythologische Leben, wie es die Antike gewährt, hervorgerufen. Nicht weniger lehrreich und verdienstlich dürften mit Gefühl gefertigte Nachzeichnungen nach Cartons seyn, wie dießmal nach Vogels schöner Vorstellung der Malerei im Saale zu Pillnitz von Zölen und nach Matthäis Codrus aufgestellt sind. Denn ohne daß vorher ein tüchtiger Carton gefertigt wird und der strengsten Foderung der Zeichnung volles Recht widerfährt, verflächt sich alle Geschichtmalerei in nebulistische Dunstgestalten und das Bild wird durch lauter Nachbesserungen und pentimenti ein wahrer Flicklappen. Und sind gute Cartons, wenn sie auch noch hundert Parasangen hinter denen von Hamptoncourt stehn, nicht bis zur heutigen Stunde mit Gold aufgewogen werden?

Es blicken, starren, liebäugeln, drohen, lächeln nahe an 50 Portraits von den innern und äußern Wänden dieser Ausstellung auf uns herab. Man will oft nur caricaturartige Aehnlichkeit um Spottpreise. Soll sich der Maler fügen? Was ist zu thun? Er hungre! Indeß haben doch Matthäi, Vogel, Rößler und einige jüngere Portraitmaler auch dießmal charakteristische Bilder geliefert und zur Genüge dargethan, daß, obgleich auf sehr verschiedenen Wegen, wovon Einer nur der rechte seyn kann, Lobenswürdiges auch in diesem Fache geliefert würde. Eine Gruppe von zwei Schwestern, die Arnold malte, abgerechnet, vermissen wir ganz die reichern Compositionen in Familiengemälden, die sich durch wohlersonnene Motiven am leichtesten zu historischen Portraits steigern lassen. Das ist die Bettelarmuth unserer Reichen, die nur für Gaumenlust und hoffärtiges Wesen noch Sinn und Geld haben!

Portraits, d. h. Prospecte und Naturansichten liefert denn auch die von der wunderschönen, uns umblühenden Natur vorzüglich begünstigte Landschaftmalerei, und wenn sie nur so aufgefaßt sind, wie z. B. in einem der kleinern Bilder vom Prof. Dahl, welches ein Bild aus der Dresdner Ebene vorstellt, wird auch dieß gepriesen. Prof. Friedrich gab uns in seiner gemüthvollen, mystischen Manier die Ueberreste einer alten Kapelle und – man erstarrt wirklich bei diesem Frost – das Eismeer. Manchem uns sehr liebgewordenen Landschafter möchten wir zurufen: weniger wäre mehr. Die beiden Faber, Hammer, Graff, Stamm u. s. w. haben auch dießmal ein jeder in der schon bekannten Manier mehr oder minder zahlreiche Spenden abgegeben. Unser Veteran Klengel fehlte nicht und steht noch immer seinen Mann. Es ließe sich von dem, was unsere jüngern Landschaftmaler vom Prebischthore herab bis zur Meißner Pflege abkonterfeit haben, ein vollzähliger [60] Heft von Elbansichten zusammen bringen. Wenn nun ein Dietrich oder was sonst in guter alter Erinnerung fortlebt, vor uns stünde und dies alles durchmusterte, wie gern wollten wir ihm zuhören!

Prof. Retzsch gab uns ein schalkhaftes und ein sentimentales Fantasiestück, kleine, dem Liebhaber ansprechende Oelgemälde. Aber den ganzen Reichthum seiner unerschöpflichen, wenn auch vielleicht sehr schnell gestaltenden (es sollen ja nur Skizzen seyn) doch im regesten Leben sich bewegenden Dichtergabe entwickelte er in den 20 Blättern zu Schillers Kampf mit dem Drachen, wovon er die von ihm selbst radirten Probeblätter ausgestellt hat. Mit Bedauern sehen wir nur zwei kleine Genrestücke von den wackern Simon Wagner aus Stralsund, Früchte seiner vorjährigen Reise nach Salzburg und Tyrol. Denn von ihm hätte man gern größeres und ausgeführteres gesehen. Auch hatten wir von Otto Wagner nach seinen vorjährigen Proben noch mehr erwartet, als seine etwas stark beleuchtete Ruine.

Doch ganz unvermuthet sind wir doch in diese Bilderschau fürs erste weiter hineingezogen worden, als unser Vorsatz war. Mag sie immer in Vollgehalt und Nennwerth mancher frühern nachstehn. Unleugbar ist, daß diese Ausstellung in vielen Versuchen ein sehr lobenswürdiges Bestreben nach correcter Zeichnung, also ganz eigentliche Schule beurkundet, und daß in den mancherlei Wagnissen und Anstrebungen unserer jungen Maler, sey es in Copieen oder in eigener Erfindung, ein heiterer, und nicht bloß auf Effect arbeitender Farbensinn sich offenbart.

(Fortsetzung folgt.)
B.     

[65]
Ueber die Dresdner Kunstausstellung von 1824.[4]

Eine Ausstellung von Werken lebender Künstler veranlasst zu einer doppelten Betrachtung, zu der allgemeinen Richtung, welche die Kunst oder doch eine Schule angenommen hat, und zu der, was einzelne Künstler geleistet haben. Professor Hartmann, welcher erst vor einem halben Jahre die Direction der Academie in Dresden erhielt, erleichterte diese Uebersicht durch die Anordnung der diesjährigen Ausstellung.

Im mittlern Saale sind Gemälde von Malern ausgestellt, welche den hiesigen Kunstanstalten ihre Bildung verdanken. Copieen, Portraite, einige Landschaften und nur wenige akademische Studien sind hier zu finden. Letztere würden uns weitmehr willkommen seyn, als jene vorzeitigen und darum unwillkommenen eigenen Compositionen, jene Copieen nach Werken der Gallerie, welche eine große Reife des Geistes von dem fordern, der sie ganz verstehen, eine Sicherheit der Hand und des Auges verlangen, der sie nachbilden will. In einem Meisterwerk tritt die Regel hinter dem Freigeschaffenen so weit zurück, ein Meisterwerk ist schon das Resultat aller Kenntnisse und Naturanschauung, ein ganz für sich Bestimmtes und alles andere Ausschließendes, daß ein Meister dadurch seine Phantasie wohl wieder befruchten, der fühlende Mensch sich entzücken, der Schüler aber daran nicht viel lernen kann, weil eine gleiche Mündigkeit des Geistes und Meisterschaft vorausgesetzt werden muß, um ein Meisterstück zu copiren. Eben so ist es auch mit dem Portraitiren junger Künstler; sie lernen dadurch wenig, noch weniger aber durch das eigene Componiren, denn sie werden, ja sie müssen dabei das vermeiden, was sie nicht können und darum lernen sie nicht mehr hinzu. Im Allgemeinen scheint es mir, als würde die Kunst von den Schülern fast auf Art der Dilettanten betrieben, welche sich am Hervorbringen erfreuen, unabgesehn von der Leistung. Was die Landschaften betrifft, so sieht man wohl nur zu deutlich, daß die Maler die Natur durch fremde Brillen gesehn haben, theils sind sie auf Art der Altorferschen Landschaften, welche Dendriten gleichen, theils sind die Pflanzen achter Dresdner Landschaften aus dem Dünger der Schule gewachsen; ja selbst wenn einer von diesen Malern bis aus die Alpen stieg, so behielt er doch jenen Geschmack bei, und die grauen Farben der angenommenen Lehre trübten seine Augen für die reine Bergluft.

Um aber Jedem seinen gebührenden Theil zukommen zu lassen, so müssen wir einer Zeichnung nach zwei Ringern von Carl Aug. Müller lobend gedenken, sowohl die Wahl des Gegenstandes, als die Behandlung und Auffassung macht einem Schüler Ehre. Ferner verdient eine Gruppe von zwei Kriegern, wovon der eine verwundet zu Boden sinkt, der andere ihn unterstützt und zugleich nach den Feinden zurückblickt, von Otto Schütz, rühmlich erwähnt zu werden. Daß der Verwundete theilnahmslos zur Erde blickt, denn für ihn giebts weder Hoffnung noch Furcht mehr, indeß der Freund besorgt für sich und ihn nach der Schlacht hinblickt und dadurch das Interresse verdoppelt, ist an dieser Erfindung zu loben. Die Gruppe scheint mit Genauigkeit nach der Natur gezeichnet zu seyn; doch wäre zu wünschen, sie wäre auch so gemalt, allein [66] die Halbschatten sind zu grünlichbraun und nicht wahr, die Färbung überhaupt ist zu unrein. Ob bei dieser Composition dem jungen Künstler die treffliche Gruppe des erschlagenen Patroklus vorgeschwebt habe, ist fast nicht zu bezweifeln. August Richter hat als Portraitmaler ein entschiedenes Talent gezeigt. Das hier befindliche Bildniß eines alten Mannes ist mit vieler Wahrheit und Fleiß im Einzelnen dargestellt, nur scheint uns des rechte Auge viel zu tief zu stehn. Doch kommen wohl solche Eigenthümlichkeiten in der Natur vor und wir können nur dann über die Zeichnung entscheiden, wenn wir das Vorbild kennen. Am Schluß dieser Ausstellung erschien eine Landschaft von Oehme, die Aussicht von Camaldeli auf’s Meer. Bei diesem Bilde fühlt sich’s, daß der junge Künstler jene reine Luft des Südens, jene Lebenswärme einathmete, die als vulkanisches Feuer aus Berggipfeln flammt und als Sonnengluth noch im Schatten den goldnen Waizen und die Orange reift. Man sieht es, daß in die Cameraclara seiner Einbildungkraft jene Farbenpracht hesperischer Gegenden unauslöschlich hereinstrahlte. Da windet sich aus dem Gestein der üppige Feigenbaum empor und die Aloe starrt dem Wanderer entgegen. Die mächtigen Korkeichen krönen diesen Gipfel und in ihren Schatten glüht die Goldorange. Dort unten spiegelt aus dem Gebüsch heiter der See von Agnano dem Himmel seine Bläue zurück, es öffnet sich der Busen von Bajä und der entfesselte Blick eilt von Nisida nach Procida und weiter nach Ischia, den schwimmenden, schwebenden Gärten des Meeres. Denn Luft und Wasser schmelzen im himmlischen Blau in einander und so scheint die Welt in Herrlichkeit und Glanz und Licht sich aufzulösen und zu entkörpern. An dieser Stelle, die so nah dem Himmel und so irdisch schön ist, klingt der Calmadolensergruß: „memento mori!“ als eine Mahnung, sich der Gegenwart zu erfreuen und als eine Verheißung, daß jenseit aller Meere und Inseln, wohin das sterbliche Auge nicht reicht, eine noch glückseligere Welt blüht. Zwei dieser frommen Väter erblicken wir im Schatten der alten Eichen.

Um uns nicht den Vorwurf einseitigen Wahlgefallens zuzuziehen, müssen wir bemerken, daß mehr Klarheit von dem Vordergrunde verlangt werden kann: nicht als wenn dieser lichter seyn sollte, wir fordern vielmehr, daß durch noch größere Kraft in den Tiefen Pflanzen, Gras und Steine sich besser aus einander setzten und dieser Theil der Landschaft nicht so sehr vernachlässiget wäre. Ferner hat der Künstler bei den Bäumen im Mittelgrunde einer Methode gefolgt, welche fast Manier genannt werden könnte. Um nicht durch die Blätterung der Bäume in’s Kleinliche zu fallen, hat er ganze Blätterparthieen angedeutet, welche aber dem Auge beim ersten Anblick wie kolossale Blätter erscheinen. Das rechte Mittel zwischen beiden ist allerdings für den Landschafter eine schwierige Aufgabe und nur das treueste Naturstudium kann zum Rechten führen.

Das zweite Zimmer ist den Bildern fremder Künstler, welche keinen Theil an der hiesigen Akademie haben, und der Architektur eingeräumt.

Diese Kunst ist vielleicht unter allen die wichtigste, weil sie so unmittelbar in’s Leben einwirkt und so aus dem Innersten des Gefühls hervortritt. Die Regel kann nur die Grenze bezeichnen, über welche kein Größenverhältniß hinausgetrieben werden darf; aber die Eintheilung der Maße innerhalb dieser Grenzen läßt unendliche Abstufungen zu, welche dem Gefühl anheim gestellt bleiben. Diese Kunst hat mit dem Abstraktesten und mit dem Materiellsten zugleich zu schaffen und zu kämpfen. Sie fordert daher große Geistesanlagen. Nicht aber genug, daß sie einen gebildeten Geist verlangt, sie setzt auch einen erfahrnen Mann voraus, der das Bedürfniß der Zeit und der verschiedenen Stände kennt, der Sinn für das Schickliche und Geschicklichkeit für das Bequeme hat, der in Pallästen einheimisch und in Landwohnungen zu Hause ist, sich in alle Welt- und Familienverhältnisse denken kann und voraus darauf bedacht seyn muß. So hat jedes Zeitalter andere Forderungen und einen eigenthümlichen Styl in der Baukunst gehabt. Anders bauten die heitern, Schönheit-sinnigen Griechen und die stolzen Römer, anders baute man in der gewaltigen Zeit Carls des Großen und seiner Nachfolger und wieder anders im romantischen Mittelalter. Bramante baute für prachtliebenden Päpste und Palladio für reiche Republikaner. Wer aber baut uns Wohnungen? – Wie die Seele sich ihren Körper baut, so der Mensch sich seine Wohnung, und an der Physiognomie der Hauses soll [67] man den Charakter des Bewohners erkennen. Alle diese Forderungen bleiben, durch die hier neu erfundenen Bauplane, unerfüllt, und wie armselig, geistlos und kleinlich erscheint uns der Charakter unsrer Zeit, wenn wir aus diesen Rissen auf ihn schließen wollen. Es ist nicht nöthig, daß ein Gebäude räumlich groß sey, aber großartig soll es seyn und bequem. Da das Wohl und Weh ganzer Familien gewiß oft von der Zweckmäßigkeit der Wohnungen abhängt und da im Solde der Baukunst fast alle übrigen Künste und Gewerbe stehen, verdient sie so die größte Aufmerksamkeit von Seiten des Staats.

Was die Leistungen fremder Künstler anbelangt, welche sich größtentheils jenseit der Alpen bildeten, so drängt sich uns die Bemerkung auf, daß sie uns originell und fremdartig erscheinen. Das Fremdartige liegt darin, daß sie gegen das Conventionelle der Akademie anstoßen und diese Künstler sich mehr in Umgebungen von Kunstwerken entwickelten, welche zu einer Zeit hervorgebracht wurden, als es noch keine Schulregeln, sondern Meister gab. Daß dieß ein Schritt zur Geistesfreiheit ist, darf nicht verkannt werden; allein es ist zu wünschen, daß nun auch der zweite gethan wird, und zwar der bis auf den Standpunkt, auf welchem jeder Prototyp verschwindet und die Natur in den Kunstwerken in ihrer Reinheit hervortritt.

Wer erinnert sich nicht mit Freuden des Frescogemäldes im Vatican, die Religion vorstellend, von Philipp Veith. Von diesem Künstler erblicken wir hier eine der schwierigsten Aufgaben gelöst. Die Judith ward von so vielen großen Meistern als Gegenstand der Kunst gewählt und von jedem anders aufgefaßt. Michel Angelo dachte sie sich, wie sie aus dem Zelte des Erschlagenen schleicht, das Haupt des Feindes in einen Korb versteckt, den die Dienerin auf dem Kopfe trägt.

Allori stellte sie als eine Heldin dar, deren Sieg über sich und das eigene Herz größer, bewundernswürdiger scheint, als die vollbrachte, das Vaterland rettende That selbst. Sie hat den Feind getödtet, mit ihm ihr eignes Innere zermalmt und schreitet mit ungeheurem, innrem Grauen, mit starken Armen das Haupt und Schwert vor sich haltend, einher. Unstreitig ist dieß eine höchst tragische, erhabene Situation und eine Auffassung dieses Charakters, welche den großen Meister bewährt. Eine treffliche Wiederholung dieses Bildes, wahrscheinlich von Allori selbst, befindet sich in der Gallerie Sr. Excell. des kaiserl. russischen Gesandten Kanikow in Dresden.

Der geistreiche Benvenuti nahm den Charakter der Judith sehr leicht und stellt sie als ein siegfrohes Mädchen dar.

Veith hat unstreitig die glücklichste und beruhigendste Ansicht dieses wunderbaren Charakters gefaßt. Sie erscheint hier als eine geweihte Priesterin, welche auf höheren Antrieb und mit einer ihr fremden, von oben empfangenen Kraft die blutige That vollbracht hat, welche ihr Volk rettete, und daher mit der Ruhe, die sie nur als Werkzeug des Himmels haben kann. Sie fühlt keine Freude über den Sieg und keine Reue über die That, und nur in der alten Dienerin drückt sich das an Entsetzen gränzende Staunen aus, welches die gemeine Natur beim Ungeheuern und jeder übermenschlichen Größe ergreift. Das bleiche, zürnende Heldenhaupt ist mehr furchtbar als schrecklich und die blutige Wunde ist schon verhüllt. Die Gestalt der Judith ist kräftig und edel, das Gewand einfach, das Colorit ernst, die Wirkung des Ganzen feierlich.

Es sind die Hände der Judith getadelt worden, jedoch hat man dabei nicht bedacht, daß dieses Mädchen wohl ein Schwert, aber keine Stricknadel führen soll.

Eher würde ich daran rügen, daß das Schwert zu tief in der Schulter liegt, die Nase ein wenig zu lang ist und die Haare zu peruckenförmig vom Gesicht sich abschneiden.

Dieses Bild erregte bei seinem Erscheinen in Rom großes Aufsehn und verdiente den ihm von allen Seiten ertheilten Beifall.

Seitdem hat der Künstler noch Mehreres für den Marchese Massimi, die Fürstin von Hohenzollern und den König von Preußen gearbeitet, was wir zwar nicht kennen, uns aber als rühmlich geschildert wird.

Beim Anblick der Landschaft von Ferd. von Rohden mögen wir uns erinnern, daß die Aufgabe war, den vegetabilischen Reichthum südlich-europäischer Länder hervor zu heben. Dieß hat denn auch der Künstler in hohem Maße erfüllt und Bäume, Sträucher und Gräser mit großer Genauigkeit [68] und Wahrheit dargestellt, wozu er die gewissenhaftesten Studien nach der Natur machte. Landschaftern, welche der Natur die Form vorschrieben, aber nicht nachbildeten, kann allerdings ein solches Bild Schrecken einflößen; denn leicht könnte es dahin kommen, daß die Kunstfreunde in Gemälden die Natur sehen wollten, wie sie ist, nicht wie die Landschafter sich gewöhnt haben, sie zu sehen und vorzustellen. Was sollte nun ein Landschafter machen, der einen Baumschlag für alle Baumarten eingelernt hat, wenn Bilder, wie die von Rohden, wo Alles chrarakteristisch, wahr und mit großem Fleiß dargestellt wird, sich verbreiteten, das Publikum für sich gewönnen und den Kunstfreunden darüber die Augen geöffnet würden, daß die Manier der Landschafter eine Lüge ist?

Fremdartig mögen diese Pflanzen dem Deutschen wohl vorkommen, denn sie sind wirklich ausländisch, so wie die Felsen keine Sandsteine, sondern vulkanischen Ursprungs sind. Es genügt nicht über die Alpen zu gehen; die Eiche mit dem Oelbaumblatt, die Pinie und Palme findet man erst in der Gegend von Rom. Nur jene südliche Bläue des Himmels verleiht Fernen diese Klarheit und Weichheit zugleich, welche so zauberisch über dieses Bild ausgehaucht ist. Eines der größten Verdienste dieses Gemäldes besteht in der Durchsichtigkeit und Kraft der Schatten, so wie auch in der Gesammtwirkung die Landschaft bei den ausgeführtesten Einzelnheiten höchst bewundernswürdig ist. Nur das Eine wünschen wir: daß jene Licinen eine dichtere Masse bilden möchten, welches der Maler erreicht haben würde, wenn er mehrere hinter einander gestellt hätte, weil ihr schmales, struppiges Laub, gegen die Luft gestellt, zu stachlich erscheint.

Q...dt.     
(Beschluß folgt.)

[69]
Ueber die Dresdner Kunstausstellung von 1824.

(Beschluß des Aufsatzes im vorhergehenden Stücke.)

Mit Oehmens Landschaft kam zugleich eine zweite von Richter hier an. Wir erkennen in diesem Bilde ein sehr großes Talent für dieses Kunstfach. Es ist eine Salzburger Gegend. Beeiste Gebirghäupter blicken in das tiefe Thal hernieder und senden klare Bäche herab, welche alles um sich her erquicken und beleben. Zunächst der unwirthbaren Eiskronen erheben Fichtenwälder ihre finstern Häupter, in den mildern Regionen wächst das Laubholz in reicher Fülle und die Thäler schmücken bunte Blumen. Aus dem Bilde weht uns die Frische einer klaren Gebirgluft an, welche erheitert und ermuthigt. Der Charakter in den Formen jener Urgebirge, die eigenthümliche Farbe hoher Gebirggegenden, die ewig wechselnden und doch nach einer Regel immer wiederkehrenden Formen in dem Wellenschlag der Wasserfälle, alles dies ist der Natur sinnvoll abgelauscht, nachgefühlt und dargestellt. Der Künstler verfiel nur in den Fehler großer junger Talente, welche noch keine Oeconomie in den Mitteln der Kunst beobachten, noch nichts aufopfern wollen um des Ganzen willen, zu überreich sind und alles gern darstellen möchten, und darum das Einzelne dem Ganzen nicht unterordnen. Es scheint dies Bild von oben herein gemalt zu seyn und so ist durch die Ferne schon der Vorgrund überboten. Auch müssen wir davor warnen, daß der Künstler nicht in eine Manier in die Form der Bäume fällt, welche im Mittelgrund zu massig werden.[5]

Professor D. Carus hat diese Ausstellung mit einigen Bildern bereichert, welche wegen der Eigenthümlichkeit der Wahl der Gegenstände Beachtung verdienen. Es fragt sich, ob da, wo fast alle Lebenswärme aufhört, alle Farben grauer werden, ja wenn die Luft ganz rein ist, sogar der Aether aus einem blauen in einen schwärzlichen Ton übergeht, nicht die Region der Malerei aufhört, die es doch mit lebendigen Formen und Farben zu thun hat. Eine so treue Darstellung der in der Nähe gesehenen Bergesgipfel ist, wie diese selbst, interessant, aber nicht malerisch, und es wäre zu beklagen, wenn es unter den Malern Mode würde, sich in die öden Gegenden zu versteigen. Zwei andere Bilder von Carus spielen in ein ganz anderes Gebiet der Künste hinüber, als die Malerei. Die bildende Kunst soll vergegenwärtigen. Daher sind alle Allegorien, welche nur einen Begriff oder wohl gar Lehrsatz andeuten, oder durch Association an etwas nicht vorhandenes erinnern, nicht als Werke der darstellenden Kunst, sondern als Kunstamphibien zu betrachten; sie gehören bald in die bildenden Künste, halb in die Poesie. Dieses Allegorisiren durch Bilder hat mit dem Mangel an Darstellungvermögen überhand genommen und man kann davor nicht genug warnen, weil die Menschen nur zu sehr geneigt sind zu Nothbehelfen ihre Zuflucht zu nehmen. Carus hat dies recht wohl gefühlt und daher das eine Bild Phantasie über Musik genannt. Die Musik muß aber durchaus gehört, ein Bildwerk gesehen werden und es läßt sich ein Gemälde nicht musiciren und ein Klang nicht malen. Haydn’s Schöpfung und Carus Musik mögen daher beide genial seyn, allein Verirrungen der Kunst bleiben es doch immer. Diese Musik ist durch eine Harfe, welche in einer gothischen Halle an einen Stuhl gelehnt steht, durch deren Saiten wir den Vollmond erblicken und nebenbei noch einige Glockenthürme sehen, angedeutet. Die gothischen Gebäude sind zu nachlässig gemacht, die Saiten zu dick und der Mond ist unverhältnißmäßig groß.

[70] Etwas höchst anziehendes hat das folgende Bild von Carus, ein von innen erleuchtetes Fenster. Bei dem Schatten, der an die Vorhänge unbestimmt fällt, denkt sich gewiß jeder das Liebste, die Mutter den entfernten Sohn, der Liebende sein Mädchen, der verlassene Mensch wohl sich selbst in seiner Trauer. Es hat dies Bild durch das, was es andeutet und verbirgt, indem es mehr zum Gefühl, als durch Gestaltung spricht, einen ganz eignen Zauber, neigt sich aber eben darum mehr zur Poesie als zur bildenden Kunst hinüber, und so mögen wir es wie ein Notturno betrachten und genießen.

Wir nahen uns dem Zimmer der Meister. Von diesem fordern wir, daß sie einander ergänzen, da in einem Individuo selten, ja fast niemals, alle Eigenschaften eines vollkommnen Künstlers sich vereinen. Diese Eigenschaften bestehen in den Kenntnissen, welche der Künstler haben muß, um correkt zu seyn und in den Anlagen des Geistes, welche ihn zum schaffenden Künstler machen. Durch die technischen Kenntnisse wird der Künstler Lehrer und Rathgeber der jungen Künstler, durch sein Genie Meister, seine Werke werden den schlummernden Sinn in Andern wecken, er wird anregend einwirkend, er wird der Leitstern und Coryphäus der übrigen seyn.

Wir erwarten daher in diesem Saale theils akademische Aufgaben gelöst zu sehen, theils große, geniale Compositionen, sey dies auch nur in Entwürfen.

Zunächst der Thür finden wir das Bild des heiligen Nepomuk im Gebet. Wir erblicken den Heiligen in einer vorgothischen Capelle knieend. Ueber ihm erscheint zu seiner Rechten Christus, Maria und Johannes der Täufer. Dieses kleine Gemälde ist mit bewundernswürdigem Fleiß und Geschicklichkeit ausgeführt. Besonders sind Pelz, Spitzen und Stoffe vortrefflich dargestellt. Der Ausdruck in Stellung und Zügen ist der eines frommen, inbrünstig betenden Mannes, dessen Erscheinung jedoch mit dem Bilde, wie wir uns einen Heiligen, und insbesondere den edlen, furchtlosen, festen Nepomuk denken müssen, nicht übereinstimmt. Vielleicht hat der Künstler die Bildung des Heiligen aus jenem alten Portrait geschöpft, welches nach der Leiche dieses Heiligen 1383, vier Tage nach der Hinrichtung desselben, gemalt seyn soll und von Schaller in seiner Beschreibung von Prag 1 B. S. 116 angeführt wird. Eine solche Befolgung des Factischen beschränkt jedoch auf eine ungünstige Art die geistige Thätigkeit des Künstlers; liegt aber kein Portrait zum Grunde, so müssen wir zwar immer das Mimische an diesem Bilde sehr bewundern und loben, allein dem Physiognomischen können wir unsere Beistimmung nicht geben. Gegen die Anordnung des Bildes hätten wir besonders zu erinnern, daß die himmlische Erscheinung, welche sich doch auf den Heiligen bezieht, diesem nicht vorschwebt, sondern ganz seitwärts von ihm, wodurch er, um sie in’s Auge zu fassen, genöthigt wäre den Kopf sehr zu wenden; denn Nepomuk knieet so, daß wir ihn fast im Profil, die Erscheinung aber gerade vor uns sehen.

Die Portraite, welche in diesem Zimmer sich befinden, übergehen wir mit Stillschweigen, können aber versichern, daß diese Künstler weit Besseres bereits geleistet haben. Professor Hartmann hat das bekannte französische Modell, den Lebesnier, als Act gemalt und zum Motiv der Stellung die Erwürgung des Nemäischen Löwen durch Hercules gewählt.

Die genaue Befolgung des Vorbildes ist daran sehr zu loben, denn wenn ein Modell nachgebildet wird, darf daran nichts geändert werden, weil die Natur so folgerecht in ihren Bildungen ist, daß eine Verschönerung eines Theils eine Umgestaltung des Ganzen fordern würde und es dann keine Naturnachbildung, sondern Idealgestalt wäre. Da an diesem Modell die Unterschenkel nicht schön waren, so hat sie der Künstler glücklich durch den Löwen versteckt, welcher jedoch wilder und mächtiger seyn könnte. Auch scheint es uns, als wenn die Handlung des rechten Arms nicht ganz zweckmäßig wäre, um den Rachen des Löwen aufzureißen.

Das darunter befindliche Bild, welches durch das 9te C. V. 21. des Jeremias veranlaßt ist, verdient unsere ganze Aufmerksamkeit. Hier ist Schauerliches und Reizendes, blühendes Leben und die knöcherne Gestalt des Todes in eine äusserst interessante, sich gegenseitig hervorhebende Gegeneinanderstellung gebracht. Dies ist mit einer wunderbaren Consequenz und Phantasiereichthum durchgeführt.

Auf einem Ruhebette schlummert eine blühende Mutter, an ihrer Seite gesunde Kinder und durch das offene Fenster greift kalt die Hand des Todes herein nach den frischen Knaben und rafft [71] sie unsanft, rauh und schonunglos hinweg. Die Lampe ist im Verglimmen und selbst der Mond scheint im Nebeldampf zu erlöschen. Es ist Frühling, aber die blühenden Bäume athmen schmeichelnd tödtenden Duft aus und Cypressen, dieses Sinnbild des Todes, ragen aus der Ferne empor. Wir müssen diese Erfindung durchaus loben, wenn sie auch schwächliche Gemüther erschüttern sollte, für welche sie nicht erfunden ist. Soll denn aber alles, was die Kunst hervorbringt, auf Kinder und Weiber berechnet seyn? Und ist etwa der Erlkönig deshalb unpoetisch und Rafaels Kindermord unkünstlerisch, weil beide für Schwache zu angreifend sind? – Soll nicht vielmehr die Kunst die ganze Tonleiter der Gefühle durchlaufen, oder blos Hopswalzer spielen? Soll sie nicht auch erschüttern, nicht blos belustigen? – Solche Aesthetiker mögen davon bleiben, aber mitfühlende Menschen herbeikommen. Eine Mitleidthräne wäscht jenen leichten Tadel spurlos weg. Uns scheint jedoch die Mondbeleuchtung nicht wahr und die Färbung des Gemäldes zu warm zu seyn. Die Umrisse sind zu sehr verblasen und die Gestalten sollten nicht durch verlaufende Conture, sondern durch größere Dunkelheit der Schatten, durch Mangel an Reflexen, welche bei Nacht und so getrübtem Licht nur sehr matt sind, auf der Schattenseite unbestimmt seyn.

Friedrich hat uns eine Gebirggegend sehr meisterhaft dargestellt, und der hohe Ernst der Natur spricht durch bedeutende Felsmassen, Nebel und Schneegipfel greifend zum Gemüth. Die Wirkung ist fast täuschend zu nennen, so tritt das Nahe hervor, das Ferne zurück. Fast glauben wir, daß das Bild noch mehr gewinnen würde, wenn die Felsen im Mittelgrunde weniger violet wären, wodurch allerdings das Grün der Matten gehoben wird.

Von Dahl wollen wir hier nur ein kleines Bild anführen, welches der Natur trefflich abgelauscht und nachgefühlt ist. Die elegische Wirkung dieser hüglichen Gegend, auf welche aus einem grauen, nordischen Himmel die verhüllte Sonne herabblickt, ruft uns die nahen Herbsttage in’s Andenken und ladet zu ernsten Gefühlen ein. Anstatt des reifen Waizen, würde hier ein Stoppelfeld mehr an seinem Orte seyn, wie dies uns überhaupt zu breit und aus einem zu hohen Standorte gesehen, vorkommt.

Noch müssen wir hier einer sehr lobenswürdigen neuen Einrichtung gedenken, daß die Industriegegenstände ein würdiges Local erhalten haben. In den Werken der Fabrikanten, Kunstarbeiter und Handwerker tritt die recht eigentlich in’s Leben übergegangene Kunst und der innerste Culturzustand der Völker hervor. Daher schließen sich diese mit vollestem Recht an die Künstler an und ihre Leistungen verdienen eine ehrenvolle Aufstellung.

Q...dt.


  1. Sunt bona, sunt quaedam mediocria, sunt mala multa. Martial I., 17.
  2. Das Verzeichniß der im Industriesaale aufgestellten Artikel enthielt bei der Eröffnung 224 Nummern, ist aber seitdem bald an 300 gestiegen. Noch ist diese schon seit Jahren gewünschte Anstalt einem neugebornen Kinde zu vergleichen, wird aber – das läßt sich von dem erfinderischen Wetteifer des kunstfertigen sächsischen Volke ohne Prophetengabe voraussagen – bald zu jenem lieblichen Knaben erwachsen, der, wie Schiller ihn besingt, lustig auf dem sonnigen Rasen gelagert, sich in Silberwellen spiegelt. Schon in Athen gab es eine Straße der Dreifüsse, wo alle Metallarbeiten verkäuflich ausgestellt waren. Die ganze Ausstellung hat durch diesen Zusatz einen doppelten Reiz erhalten, wie das Herbeiströmen der Schaulustigen zur Genüge beweiset. Eine ausführliche Anzeige findet man in den gehaltreichen Elb-Blatt polytechnischen Inhalts No. 32, womit man aber eine in No. 34 abgedruckte Berichtigung zu vergleichen nicht unterlassen darf.
  3. Es wäre auch wohl noch anderer Malerinnen sinniger Fleiß, als Carol. Ehrenhaus u. Math. Schelcher, es wären, die es mit Copieen und Originalzeichnungen versuchten, und besonders die liebliche Blumenmalerin Therese Richter so wie viele zu erwähnen. Allein es muß dies verspart werden.
  4. Wir erfreuen uns hier des rücksichtlosen Urtheils eines Kenners in unsrer Mitte, dem es offenbar nur um die Sache, nie um die Person zu thun ist, mittheilen zu können. Er spricht nicht bloß, er bethätigt auch jede tüchtige Kunstleistung durch Ankauf für seine eigene reiche Sammlung. Solche Männer sind geborne Beisitzer jedes Kunst-Areopags.  B.
  5. Vergl. über Oehmen’s und Richter’s Landschaft den Brief aus Rom im Kunst-Blatt Nr. 71. B.