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Auch darf der Umstand nicht unbemerkt bleiden, daß mehrere uns von sächsischen Künstlern in Rom angekündigten Arbeiten, worunter sich auch einige Marmor-Reliefs von Pettrich und Herrmann, beides hoffnungvollen Zöglingen Thorwaldsens, und eine Landschaft von Richter befinden soll, wegen der Entfernung noch nicht eingetroffen waren, so wie auch mehrere andere verspätete Kunstgebilde in den gedruckten Verzeichnisse keine Stelle mehr fanden und blos durch eine beiliegende Anzeige zur Kenntniß des Publikums gebracht werden konnten.

Um so erwünschter und willkommner mußte es seyn, daß ein tüchtiger und vermögender Kunstfreund unserer Stadt sich dießmal wieder entschlossen hatte, einige Gemälde, womit noch lebende Künstler im Auslande seine erlesene Sammlung neuerlich bereichert hatten, für diese öffentliche Ausstellung mitzutheilen. So sahen wir denn von Eggers und Philipp Veit in Rom, so wie von dem Landschafter v. Rohden eben daselbst, ingleichen von dem geistreichen Helmsdorf zwei römische Ansichten in Aquarell, so wie die Gegend bei aqua cetosa von A. Klein in Nürnberg, den Dohm zu Freiburg von Domin. Quaglio, eine Landschaft von Wagenbauer und die Lorenzkirche vom Director Reindel mit vielem Genuß, und konnten den Wunsch nicht unterdrücken, daß auch ein zweiter Kenner und Sammler bei seiner Rückkehr noch etwas zu spenden sich bewogen fühlen möchte. Mit Vergnügen sahen wir von mehrern Künstlerinnen, die von ihrer frühern Bildung an der Dresdener Kunstschule sich mit Dank erinnern oder noch fortwährend auf unserer Gallerie arbeiten, Blüthen und Früchte in mehr als einem Sinne des Wortes aufgestellt, worunter wir die von Louise Seidler in Rom gefertigten und aus Weimar eingeschickten Copieen nach Perugino u. s. w. und zwei liebliche Erfindungen von Frau von Buttler aus London gesandt mit mannigfaltigen Erinnerungen an frühere Studien betrachteten und uns freuten, die letztere nach ihrer Kunstreise über München und Bonn nach Paris und London nun wieder in unserer Mitte zu sehn.[1] Mit lebhaftem Wohlgefallen sahen wir dießmal wieder einige Oelgemälde unsers eben so sinnig auffassenden als ansprechend gestaltenden Professors D. Carus, der nach dem wohlthätigen Tagewerk für Heilkunst und Nalurwissenschaften süße Erheiterung für sich und andere in der Malerei findet. Seine Phantasie, die keusche vom Mondstral geküßte Harfe, seine auch geognostisch belehrende Ansicht vom Montanwerk im Chamounythale mit allen Beiwerken nach der Natur treu gezeichnet, versammelten stets empfängliche Beschauer um sich. Daneben würde auch A. Reichels Carpathenspitze, im Mondschein aufgenommen, nicht übersehen, anderes aber, was dort herum im bunten Gewimmel sich mißgestaltet hervordrängte, lieber ganz übersehen.

Indem wir nun so nur das Allgemeine bezeichnend und was freundlich von Nichtakademikern beigetragen wurde, andeutend die uns von unsern einheimischen Professoren und ihren unmittelbaren Zöglingen dargebotenen Leistungen und Bestrebungen genauer ins Auge zu fassen uns vielfach angeregt fühlen, ergeht es uns fast, wie jenem viel geprüften Wanderhelden der griechischen Vorwelt, dem Ulysses, als er zur Beschwörung des Sehers Tiresias bis zu den Kimmerien vorgedrungen war, wie der hohe Homeros dieß Abentheuer besingt:

– es kamen Mädchen und Jünglinge, Männer und langausduldende Greise
Welche den Platz schaarweis umwandelten, anderswo andre
Mit graunvollem Geschrei und es faßte mich blasses Entsetzen.

Wir möchten diese wunderbaren Erscheinungen in unsern Kunstsälen gern alle einzeln befragen und uns von ihrer Entstehung und warum sie gerade so und nicht anders aus der Hand des Meisters hervorgingen, viel Unterrichtendee erzählen lassen. Allein wer soll da zuerst, wer zuletzt zur Rede kommen? Mit dem aus der Scheide gezogenen Schwerte ist es da nicht abgethan. Wir wollen es also lieber im Einzelnen versuchen und in den folgenden Kunstblättern uns über dieß und jenes ohne Rangliste, so wie es uns eben anspricht, ausführlicher vernehmen lassen. Wir werden dabei nicht aus der Acht lassen, daß, wenn auch die Zahl größerer historischer


  1. Es wäre auch wohl noch anderer Malerinnen sinniger Fleiß, als Carol. Ehrenhaus u. Math. Schelcher, es wären, die es mit Copieen und Originalzeichnungen versuchten, und besonders die liebliche Blumenmalerin Therese Richter so wie viele zu erwähnen. Allein es muß dies verspart werden.
Empfohlene Zitierweise:
Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt: Die Dresdner Kunstausstellung (1824). Arnoldische Buchhandlung, Dresden 1824, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Artistisches_Notizenblatt_1824_Kunstausstellung_Dresden.djvu/2&oldid=- (Version vom 20.12.2024)