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Ueber die Dresdner Kunstausstellung von 1824.[1]

Eine Ausstellung von Werken lebender Künstler veranlasst zu einer doppelten Betrachtung, zu der allgemeinen Richtung, welche die Kunst oder doch eine Schule angenommen hat, und zu der, was einzelne Künstler geleistet haben. Professor Hartmann, welcher erst vor einem halben Jahre die Direction der Academie in Dresden erhielt, erleichterte diese Uebersicht durch die Anordnung der diesjährigen Ausstellung.

Im mittlern Saale sind Gemälde von Malern ausgestellt, welche den hiesigen Kunstanstalten ihre Bildung verdanken. Copieen, Portraite, einige Landschaften und nur wenige akademische Studien sind hier zu finden. Letztere würden uns weitmehr willkommen seyn, als jene vorzeitigen und darum unwillkommenen eigenen Compositionen, jene Copieen nach Werken der Gallerie, welche eine große Reife des Geistes von dem fordern, der sie ganz verstehen, eine Sicherheit der Hand und des Auges verlangen, der sie nachbilden will. In einem Meisterwerk tritt die Regel hinter dem Freigeschaffenen so weit zurück, ein Meisterwerk ist schon das Resultat aller Kenntnisse und Naturanschauung, ein ganz für sich Bestimmtes und alles andere Ausschließendes, daß ein Meister dadurch seine Phantasie wohl wieder befruchten, der fühlende Mensch sich entzücken, der Schüler aber daran nicht viel lernen kann, weil eine gleiche Mündigkeit des Geistes und Meisterschaft vorausgesetzt werden muß, um ein Meisterstück zu copiren. Eben so ist es auch mit dem Portraitiren junger Künstler; sie lernen dadurch wenig, noch weniger aber durch das eigene Componiren, denn sie werden, ja sie müssen dabei das vermeiden, was sie nicht können und darum lernen sie nicht mehr hinzu. Im Allgemeinen scheint es mir, als würde die Kunst von den Schülern fast auf Art der Dilettanten betrieben, welche sich am Hervorbringen erfreuen, unabgesehn von der Leistung. Was die Landschaften betrifft, so sieht man wohl nur zu deutlich, daß die Maler die Natur durch fremde Brillen gesehn haben, theils sind sie auf Art der Altorferschen Landschaften, welche Dendriten gleichen, theils sind die Pflanzen achter Dresdner Landschaften aus dem Dünger der Schule gewachsen; ja selbst wenn einer von diesen Malern bis aus die Alpen stieg, so behielt er doch jenen Geschmack bei, und die grauen Farben der angenommenen Lehre trübten seine Augen für die reine Bergluft.

Um aber Jedem seinen gebührenden Theil zukommen zu lassen, so müssen wir einer Zeichnung nach zwei Ringern von Carl Aug. Müller lobend gedenken, sowohl die Wahl des Gegenstandes, als die Behandlung und Auffassung macht einem Schüler Ehre. Ferner verdient eine Gruppe von zwei Kriegern, wovon der eine verwundet zu Boden sinkt, der andere ihn unterstützt und zugleich nach den Feinden zurückblickt, von Otto Schütz, rühmlich erwähnt zu werden. Daß der Verwundete theilnahmslos zur Erde blickt, denn für ihn giebts weder Hoffnung noch Furcht mehr, indeß der Freund besorgt für sich und ihn nach der Schlacht hinblickt und dadurch das Interresse verdoppelt, ist an dieser Erfindung zu loben. Die Gruppe scheint mit Genauigkeit nach der Natur gezeichnet zu seyn; doch wäre zu wünschen, sie wäre auch so gemalt, allein


  1. Wir erfreuen uns hier des rücksichtlosen Urtheils eines Kenners in unsrer Mitte, dem es offenbar nur um die Sache, nie um die Person zu thun ist, mittheilen zu können. Er spricht nicht bloß, er bethätigt auch jede tüchtige Kunstleistung durch Ankauf für seine eigene reiche Sammlung. Solche Männer sind geborne Beisitzer jedes Kunst-Areopags.  B.
Empfohlene Zitierweise:
Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt: Die Dresdner Kunstausstellung (1824). Arnoldische Buchhandlung, Dresden 1824, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Artistisches_Notizenblatt_1824_Kunstausstellung_Dresden.djvu/5&oldid=- (Version vom 20.12.2024)