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man den Charakter des Bewohners erkennen. Alle diese Forderungen bleiben, durch die hier neu erfundenen Bauplane, unerfüllt, und wie armselig, geistlos und kleinlich erscheint uns der Charakter unsrer Zeit, wenn wir aus diesen Rissen auf ihn schließen wollen. Es ist nicht nöthig, daß ein Gebäude räumlich groß sey, aber großartig soll es seyn und bequem. Da das Wohl und Weh ganzer Familien gewiß oft von der Zweckmäßigkeit der Wohnungen abhängt und da im Solde der Baukunst fast alle übrigen Künste und Gewerbe stehen, verdient sie so die größte Aufmerksamkeit von Seiten des Staats.

Was die Leistungen fremder Künstler anbelangt, welche sich größtentheils jenseit der Alpen bildeten, so drängt sich uns die Bemerkung auf, daß sie uns originell und fremdartig erscheinen. Das Fremdartige liegt darin, daß sie gegen das Conventionelle der Akademie anstoßen und diese Künstler sich mehr in Umgebungen von Kunstwerken entwickelten, welche zu einer Zeit hervorgebracht wurden, als es noch keine Schulregeln, sondern Meister gab. Daß dieß ein Schritt zur Geistesfreiheit ist, darf nicht verkannt werden; allein es ist zu wünschen, daß nun auch der zweite gethan wird, und zwar der bis auf den Standpunkt, auf welchem jeder Prototyp verschwindet und die Natur in den Kunstwerken in ihrer Reinheit hervortritt.

Wer erinnert sich nicht mit Freuden des Frescogemäldes im Vatican, die Religion vorstellend, von Philipp Veith. Von diesem Künstler erblicken wir hier eine der schwierigsten Aufgaben gelöst. Die Judith ward von so vielen großen Meistern als Gegenstand der Kunst gewählt und von jedem anders aufgefaßt. Michel Angelo dachte sie sich, wie sie aus dem Zelte des Erschlagenen schleicht, das Haupt des Feindes in einen Korb versteckt, den die Dienerin auf dem Kopfe trägt.

Allori stellte sie als eine Heldin dar, deren Sieg über sich und das eigene Herz größer, bewundernswürdiger scheint, als die vollbrachte, das Vaterland rettende That selbst. Sie hat den Feind getödtet, mit ihm ihr eignes Innere zermalmt und schreitet mit ungeheurem, innrem Grauen, mit starken Armen das Haupt und Schwert vor sich haltend, einher. Unstreitig ist dieß eine höchst tragische, erhabene Situation und eine Auffassung dieses Charakters, welche den großen Meister bewährt. Eine treffliche Wiederholung dieses Bildes, wahrscheinlich von Allori selbst, befindet sich in der Gallerie Sr. Excell. des kaiserl. russischen Gesandten Kanikow in Dresden.

Der geistreiche Benvenuti nahm den Charakter der Judith sehr leicht und stellt sie als ein siegfrohes Mädchen dar.

Veith hat unstreitig die glücklichste und beruhigendste Ansicht dieses wunderbaren Charakters gefaßt. Sie erscheint hier als eine geweihte Priesterin, welche auf höheren Antrieb und mit einer ihr fremden, von oben empfangenen Kraft die blutige That vollbracht hat, welche ihr Volk rettete, und daher mit der Ruhe, die sie nur als Werkzeug des Himmels haben kann. Sie fühlt keine Freude über den Sieg und keine Reue über die That, und nur in der alten Dienerin drückt sich das an Entsetzen gränzende Staunen aus, welches die gemeine Natur beim Ungeheuern und jeder übermenschlichen Größe ergreift. Das bleiche, zürnende Heldenhaupt ist mehr furchtbar als schrecklich und die blutige Wunde ist schon verhüllt. Die Gestalt der Judith ist kräftig und edel, das Gewand einfach, das Colorit ernst, die Wirkung des Ganzen feierlich.

Es sind die Hände der Judith getadelt worden, jedoch hat man dabei nicht bedacht, daß dieses Mädchen wohl ein Schwert, aber keine Stricknadel führen soll.

Eher würde ich daran rügen, daß das Schwert zu tief in der Schulter liegt, die Nase ein wenig zu lang ist und die Haare zu peruckenförmig vom Gesicht sich abschneiden.

Dieses Bild erregte bei seinem Erscheinen in Rom großes Aufsehn und verdiente den ihm von allen Seiten ertheilten Beifall.

Seitdem hat der Künstler noch Mehreres für den Marchese Massimi, die Fürstin von Hohenzollern und den König von Preußen gearbeitet, was wir zwar nicht kennen, uns aber als rühmlich geschildert wird.

Beim Anblick der Landschaft von Ferd. von Rohden mögen wir uns erinnern, daß die Aufgabe war, den vegetabilischen Reichthum südlich-europäischer Länder hervor zu heben. Dieß hat denn auch der Künstler in hohem Maße erfüllt und Bäume, Sträucher und Gräser mit großer Genauigkeit

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Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt: Die Dresdner Kunstausstellung (1824). Arnoldische Buchhandlung, Dresden 1824, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Artistisches_Notizenblatt_1824_Kunstausstellung_Dresden.djvu/7&oldid=- (Version vom 20.12.2024)