Die Bank der Vereinigten Staaten in Philadelphia

LXXXXI. Der Libanon Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXXXXII. Die Bank der Vereinigten Staaten in Philadelphia
LXXXXIII. Jerusalem; innere Ansicht bei’m Teiche Bethesda
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DIE BANK DER VER. STAATEN
in Philadelphia.

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LXXXXII. Die Bank der Vereinigten Staaten in Philadelphia.




Gern sucht der Mensch verborgene oder geheimnißvolle Ursachen zu seinen Uebeln; gern bürdet er sie den Beschlüssen eines blinden Schicksals auf oder erklärt ihre Nothwendigkeit aus der Unvollkommenheit alles irdischen Glücks. Thörigtes Beginnen! Gleich der Welt, von der er einen Theil ausmacht, wird der Mensch durch natürliche, in ihrem Laufe regelmäßige, in ihren Wirkungen genau zusammenhängende, in ihrem Wesen unbewegliche Gesetze regiert. Diese Gesetze sind die gemeinschaftliche Quelle alles Bösen und Guten. Sie sind nicht fern in den Gestirnen geschrieben, oder in des Fatums verschlossenen Büchern. Mit der Natur irdischer Wesen innig verbunden, Grundbedingung ihres Daseyns, sind sie zu allen Zeiten, an allen Orten dem Menschen gegenwärtig; sie wirken auf seine Sinne, warnen seinen Verstand und führen Strafe und Belohnung für jede Handlung mit sich. Gleich den Gesetzen der Bewegung in der physischen Welt, sind sie die einfachen Basen für Alles, was in der moralischen Welt vorgeht.

So ist der Stand des Menschen beschaffen; ob Individuum, oder Staat, – es ist eins. Alle sind die Werkmeister ihres Schicksals; die Einzelnen, wie die Völker. Jede Nation hat den Umsturz oder das Emporkommen ihres Glücke selbst geschaffen, und wenn die meisten ein gefoltertes Leben führen und sich in einen Abgrund von Irrthümern [108] und Unglück gestürzt sehen, – einen Abgrund so tief, daß kein Hoffnungsstrahl ihn mehr ergründen kann, so ist’s doch blos das Abirren von jenen die moralische Welt lenkenden Grundprinzipien, was sie in so große Uebel brachte, und sie haben, statt die Geschicke anzuklagen, blos ihrer Immoralität, ihrer Schwachheit und ihrer Unbesonnenheit zu fluchen.

Unter allen Völkern der neuern Zeit kennen wir nur ein einziges, welches, durch die Umstände begünstigt, jene Grundgesetze zum größern Theile rein und unverfälscht zur Base seines Lebens zu machen den Willen und die Kraft gehabt hat. – Auf sie haben die Nordamerikaner (in den Vereinigten Staaten) den Baum ihres Glückes gepflanzt, der binnen so kurzer Zeit zu der bewundernswürdigen Höhe gedieh, welche alles, was die frühere Geschichte Aehnliches berichtet, weit überragt. Und doch beschleicht ein trauriges Gefühl den Menschenfreund bei Betrachtung dieses stolzen Baumes; – denn nicht alle seine Wurzeln schlagen im guten Boden, und mancher schlechte Zweig verspricht eine giftige Aerndte. – Der Egoismus, jenes Element der Hölle, das auf die Stirne der Nordamerikanischen Freiheit die Neger-Sklaverei als Brandmal drückte, er trägt reifende Frucht und die Nemesis beginnt sie zu schütteln. – –

Der prachtvolle Marmorpallast auf nebigem Bilde, dessen reine Formen (er ist nach dem Muster des Parthenon erbaut) das Auge erfreuen, ist das Hauptquartier jener Selbstsucht, deren Umtriebe die Union seit einigen Jahren erschüttern. Die Bank der Vereinigten Staaten ist der Mittelpunkt, in dem die Geldstarken der Republik ihre Vereinigung zu dem Zwecke gefunden haben, eine Macht im Staate zu bilden, welche die Angelegenheiten desselben nach ihren besondern, eigennützigen Absichten leite, und eine Aristokratie neuer Art in dem Lande aufzurichten, wo Gleichheit aller Bürger als die heiligste, unantastbarste Grundlage des Daseyns erkannt ist. – Sie rufen zwar nicht, diese Aristokraten des Goldes, wie die des Faustrechts einst in der alten Welt gethan: Warum sollen wir uns anstrengen? Laßt uns zusammen treten und den Schwächern plündern, sie können für uns arbeiten und wir fortan ohne Mühe genießen: aber das Ziel, welches sie, vielleicht sich selbst kaum geständig, im Auge haben, ist wohl das nämliche; und der betretene Weg führt ihm zu, liege es auch noch so ferne nach Raum und nach Zeit. – Das erkennt man auch, und daher sieht man jetzt Bund gegen Bund und vielerlei Quälerei, Streit und Zwietracht unter dem freiesten und trotz jenen Uebeln bei weitem glücklichsten Volke der Erde.

Die Bank der Vereinigten Staaten wurde 1791 durch eine Kongreßakte in Philadelphia gegründet. Ihr Kapital war 10 Millionen Dollars. Sie gab Zettel aus, lieh auf Pfänder und gründete Zweigetablissements in allen Staaten. Den Einfluß, den sie dadurch auf die industrielle und handeltreibende Bevölkerung gewann, benutzten ihre Aktionairs frühe schon zu politischen Zwecken. – Als daher im Jahre 1811 ihr 20jähriges Privilegium abgelaufen war, versagte der Kongreß, – „weil sie eine Anstalt sey, deren Macht sich mit den Grundsätzen der Gleichheit und Freiheit nicht vertrage,“ – Erneuerung ihres Patents und hob sie auf.

Der Krieg mit England (1812–1815) und die daraus entstandenen Finanzverlegenheiten hatten die Regierung wie die Privaten das Entbehren eines Instituts fühlen lassen, welches über sehr große Geldmittel geböte und in der [109] Noth helfen und unterstützen könnte. Die alten Aktionairs säumten nicht, dieses Gefühl durch die ganze Nation zu verbreiten und sie für die Wiederauflebung der Bank geneigt zu machen. Es gelang ihnen. Im Jahre 1816 baten sie den Kongreß um ein Privilegium zu einer neuen Bank auf 20 Jahre, mit weit größern Vergünstigungen, als die Anstalt früher besessen hatte. Ihr Kapital erhöheten sie auf 35 Mill. Dollars; sie sollte Zweigbanken in allen Theilen der Union errichten, alle möglichen Disconto-, Anleihe- und Wechselgeschäfte treiben, Noten zu einem ungeheuern Belaufe, die in allen Staatskassen als baar angenommen werden sollten, in Umlauf setzen dürfen etc. – Der Staat erhielt für dieses Privilegium, das ausschließlich war, 1,500,000 Dollars, womit man einen Theil der Staatsschuld tilgte. Vergeblich traten aufgeklärte Patrioten, Glieder der Staatsregierung selbst, auf, und warnten mit prophetischer Salbung vor den Gefahren solcher Machtverwilligung! – Die Nation war taub; der Kongreß gewährte mit einer großen Stimmenmehrheit.

Was jene Männer vorausgesagt haben, ist jetzt buchstäblich wahr geworden. – Die Bank repräsentirt die reichsten Familien der Union, welche das Gründungskapital zusammengeschossen haben, und diese üben, vermöge ihrer über das ganze Reich, selbst bis in die entferntesten Gebiete zerstreuten Zweigbanken unmittelbaren und großen Einfluß auf den Verkehr im Lande und folglich auf Alle, die an demselben ein Interesse haben. – Einmal im Wiederbesitz dieses Einflusses und aller damit verknüpften Vortheile, war seit Jahren das Streben der Bankvereinigten, sich so wie denselben zu befestigen und solche Macht zu erringen im Lande, daß es Regierung und Volksrepräsentanten nicht mehr wagen dürften, mit der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs gegen sie zu ringen, oder bei Ablauf des Privilegientermins ihnen die Erneuerung ihres Patents zu versagen. Obschon ausschließlichere Zwecke der Selbstsucht verfolgend, bekennen sie sich zur Parthei der Föderalisten, welche Alles in sich faßt, was die Union von Männern aristokratischer Gesinnung besitzt.

Es war ein Glück, daß in dieser Zeit ein Mann an der Spitze der Regierung stand und noch steht, welchen bei allen Fehlern, die man ihm vorwirft, die glühendste Freiheitsliebe, der Muth, die Rechtschaffenheit und Festigkeit eines Cato adelt. – General Jackson, der jetzige Präsident, war dazu gemacht, das furchtbare Wagniß des Ringens mit einem Ungeheuer zu bestehen, das seinen Leib über das Land breitete und, seiner Unüberwindlichkeit sich bewußt, sein Haupt schon mit Herrscherstolz emportrug. Kühn trat Jackson hervor, schilderte der Nation im Kongreß wie im Senate, durch Journale wie durch Flugschriften, die ganze Größe der Gefahr, welche über ihrem Haupte schwebe und forderte sie auf, ihm beizustehen im Vorsatze, sie zu bekämpfen und zu vernichten. – Reinerhaltung des demokratischen Prinzips der Verfassung stellte er als einziges Ziel seines Strebens hin. Bald war Jackson’s Name die Losung aller gleichgesinnten Männer der Union. An der Frage der Erneuerung des Bank-Privilegiums maßen beide Partheien zuerst ihre Kräfte. – Jackson hat in diesem Kampfe (selbst Meuchelversuche gegen sein Leben verschmähten die Gegner nicht!) ausgehalten wie ein Held und im ersten Treffen gesiegt. Das im April dieses Jahres abgelaufene Privilegium der Bank ist nicht wieder erneuert worden und die [110] Aktionairs suchen nun bei den Einzelstaaten sich Vorrechte zu erwerben, welche ihnen die Unionsregierung weise verweigerte. Aber das Ringen hat erst begonnen. Alle Leidenschaften sind auf den Kampfplatz gerufen und wir sehen das betrübende Schauspiel, wie die Geld-Aristokraten der neuen Welt es wagen dürfen, die gesellschaftliche Moral auf das empfindlichste zu verletzen und die lohnsüchtige Habsucht offenkundig und frech sich ihr verkaufen mag, ohne die Vernichtung durch die öffentliche Meinung zu fürchten. Wir sehen eine Hauptquelle der Nordamerikanischen Wohlfahrt, das Alle belebende Streben nach Wohlstand nämlich, – durch den errungenen Reichthum zum reißenden Strome und regellos geworden, und an seinen Ufern die Herrschsucht keimen, wo nur goldene Früchte der Gleichheit reifen sollten. Wahrlich, ein Anblick ist’s, der trostlos wäre, wenn ihm nicht die feste Ueberzeugung zur Seite ginge, der gesunde, verständige, aufgeklärte Sinn der Nation werde, wie schon vielmal geschehen, auch diese Gefahr vernichten, und Recht und Freiheit als Sieger aus dem Kampfe gehen. –