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Aktionairs suchen nun bei den Einzelstaaten sich Vorrechte zu erwerben, welche ihnen die Unionsregierung weise verweigerte. Aber das Ringen hat erst begonnen. Alle Leidenschaften sind auf den Kampfplatz gerufen und wir sehen das betrübende Schauspiel, wie die Geld-Aristokraten der neuen Welt es wagen dürfen, die gesellschaftliche Moral auf das empfindlichste zu verletzen und die lohnsüchtige Habsucht offenkundig und frech sich ihr verkaufen mag, ohne die Vernichtung durch die öffentliche Meinung zu fürchten. Wir sehen eine Hauptquelle der Nordamerikanischen Wohlfahrt, das Alle belebende Streben nach Wohlstand nämlich, – durch den errungenen Reichthum zum reißenden Strome und regellos geworden, und an seinen Ufern die Herrschsucht keimen, wo nur goldene Früchte der Gleichheit reifen sollten. Wahrlich, ein Anblick ist’s, der trostlos wäre, wenn ihm nicht die feste Ueberzeugung zur Seite ginge, der gesunde, verständige, aufgeklärte Sinn der Nation werde, wie schon vielmal geschehen, auch diese Gefahr vernichten, und Recht und Freiheit als Sieger aus dem Kampfe gehen. –




LXXXXIII. Jerusalem; innere Ansicht bei’m Teiche Bethesda.




Ein geheimer Trieb führte immer die Menschen dahin, den Ewigen auf den Höhen anzubeten; dem Himmel näher glaubten sie: das Gebet brauche weniger Zeit zu Gottes Throne zu gelangen. Die Patriarchen opferten schon auf den Bergen und gleichsam das Bild der Gottheit den Altären entlehnend, nannten sie Gott den Allerhöchsten. Diese älteste Verehrungsweise des Schöpfers war allen Völkern und allen Kulten gemein. Als die Israeliten das Land der Verheißung (1500 Jahre vor Christo) eroberten, fanden sie Tempel heidnischer Götzen auf den Höhen. Sie stürzten sie herab und errichteten an ihrer Stelle Altäre dem einzigen Gott. – Um diese erhoben sich die Levitischen Städte. – So entstand auch auf der Stelle des alten zerstörten Salem der Jebusiter, Jerusalem, welches David erweiterte, befestigte, zu seiner Residenz machte und nach sich benannte. Salomo, der reiche, prachtliebende, verschönerte es und erbaute durch Tyrische Arbeitsleute den herrlichen Tempel. Die Stadt wuchs auf zu einer Größe, die um so größeres Erstaunen erregt, je furchtbarer die Wechsel waren, die sie zu erdulden gehabt. Fünfmal ward sie schon unter den Königen Juda’s erobert, großentheils zerstört und geplündert. Zuerst unter Rehabeam von den Aegyptern, dann unter Joram von den Arabern, unter Joas von den Syrern, unter Amazias von den Israeliten und unter Josias nochmals von den Aegyptern. Endlich bemächtigte sich der Chaldäer Nebukadnezar des Reichs, zerstörte die heilige Stadt von Grund aus und führte die Ueberreste des jüdischen Volks gefangen nach Babylon. – 70 Jahre nachher erlaubte Cyrus den Juden die Rückkehr und sie bauten unter Esra und Nehemias Führung die Stadt Davids wieder auf. Die Kriegsstürme des welterobernden Alexanders trafen sie nicht; aber Ptolemäus, sein