Die Abbassiden − 7. Gesang
[288]
Siebenter Gesang.
Unterdeß erwartete lang vergeblich
Ihren Freund die Königin Selmira:
Ordnen ließ sie ein verschwenderisch Gastmahl,
Um den Großen ihres Reichs den theuern
Doch es fehlt der Gast. Selmira sendet
Frau’n und Diener aus mit Fackelbränden,
Die den Fremdling durch des weiten Gartens
Schattige Lauben und Terrassen suchten.
Vom Matrosenvolk zurückgelassen,
Bei der Quelle wahrgenommen; offen
Stand die Seitenthür des Parks, und Behrams
Flüchtiges Fahrzeug war hinweggesegelt.
Daß er weggeschleppt den Abbassiden
Schien Gewißheit. Eilig ward der Fürstin
Diese Schreckenspost verkündet. Plötzlich
Ueberrascht von ihrem Schmerze, stand sie
Selbstbewußter Sinn, und wo den armen,
Niedern Erdensohn ergreift Verzweiflung,
Ziemt’s dem Mächtigen, seiner mächtigen Mittel
Eingedenk, Verhängtes abzuwehren:
Das der Löwe leicht zerreißt. Selmira
Brach in solche Worte schnell gefaßt aus:
Auf! Im Nu verfolgt die Hochverräter!
Auf! und rüstet meine ganze Flotte!
Anzuflehn des Volkes ganze Jugend!
Was an Mannschaft auf der sandigen Rhede,
[289]
Was im sichern Haven weilt, besteige,
Sprach’s und vom Pallaste ging ein lautes
Rufen durch die Palmenstadt, die Schläfer
Fuhren aus dem Schlummer auf, von Fackeln
Leuchtete rings der Strand, das Volksgewimmel
Ohne Zaudern stieg die schöne Fürstin
Selbst hinunter, noch im Schmucke schimmernd,
Den sie angelegt, dem Fest zu Liebe:
Ein Juwelendiadem in ihren
Als Beschleunigerin der trägen Arbeit
Auf’s Verdeck des segelfertigen Schiffes.
Endlich zieht an Bord das ungeheure
Ankertau das junge Volk mit frohem
Scholl der Hymnus und zum Trotz den Feinden.
Weiten Vorsprungs war das Magierfahrzeug
Auf der glatten Fläche hingesegelt;
Doch Selmira’s mastenreiche Schiffe
Eh’ in’s Meer versank die nächste Sonne,
Sah verfolgt sich und gemach umzingelt.
Keine Rettung, rief er aus, erspäh’ ich;
Bindet los, und vom Verdeck hinunter
Schleudert ihn in’s dunkle Bad! Der Salzflut
Sei geweiht dieß Opfer; mög’ ein andres
Sühnen einst die Majestät des Feuers!
Assurs Bande lösend strebt das Schiffsvolk,
[290]
Ihn ergreifend, über Bord zu schleudern;
Doch verächtlich stößt der Abbasside
Seine Henker weg, und leichten Schwunges
Jene steuern weiter; als der Jüngling
Wieder aufgetaucht, versucht er schwimmend
Nach dem Ufer sich zu retten, welches
Zwar entfernt, doch nicht zu sehr entfernt war.
Sieh, da ward die gute Fee Melinda
Des dem Assad einst gegebnen Wortes
Eingedenk, den Bruder ihm zu schützen,
Sollte je die höchste Not bedrohn ihn.
Welcher lustig durch die Purpurwogen
Schien zu scherzen um den müden Jüngling.
Assur schlingt den Arm um ihn, der Delphin
Rauscht der Küste zu. Sobald die Brandung
Läßt er los des Fisches riesigen Nacken,
Bis zum Uferkies gemächlich schwimmend.
Eine kleine Felsenbucht erreicht er,
Wo mit halbgestürzten Säulengängen
Dürftigen Fischern nun zum Aufenthalte
Dienen muß. In’s Meer hinaus gefahren
Waren diese, keine Menschenseele
Findet Assur. Sein Gewand an eine
Schlafbedürftig in den nächsten Kahn sich,
Der, geknüpft an einen knotigen Oelbaum,
Ueberschattet war von dessen Zweigen.
Unterdessen, wie man oft im Norden
[291]
Gleiten über’s Schneegefild und lustig
Glöckchen wehn hört um den Hals der Pferde −
Zog heran in unaufhaltsam raschem
Zuge, mit Triumphgeschlei, mit wilder
Während Behrams Steuermann im Nacken
Schon zu fühlen wähnt der Feinde Bugspriet,
Ruft dem Sohne Schehriars die Fürstin
Vom Verdeck zu diese stolzen Worte:
Schnöd gemißbraucht, meiner Gnade Hohn sprichst!
Gieb heraus das Opfer, das du rücklings
Uns entführt, den jungen Abbassiden
Ueberliefere meiner Schaar, wofern dir
Ihr versetzte drauf der listige Behram:
Wär’ es möglich, daß du solchen Argwohn
Gegen mich, o Königin, von dem du
Dank erwarten darfst und Hülfe, nährtest?
Findet sich auf meinem Schiff der Flüchtling,
Gern das Haubt dann biet’ ich dar dem Henker;
Doch bewährt sich meiner Rede Wahrheit,
Ziehen laß uns dann in Frieden, halte
Augenblicks das Magierschiff besetzen
Läßt die Königin durch ihre Mannen:
Eifrig suchend steigen vom Verdeck sie
Mit den Fackeln bis zum untern Schiffsraum;
Wiederum durchspäht und immer wieder
Jeden Winkel ihre bange Sorgfalt,
Immer fruchtlos! Grimmig dann verlassen
[292]
Zwar das Schiff sie; doch von allen Seiten
Prasselnd kracht es und die Flamme lodert,
Mast und Segelwerk verzehrend, hoch auf.
Schmerzbewegt erblickt von fern Selmira
Diesen Brand, und fühlt die schönste Hoffnung
Aber bald besiegen Groll und Rache
Jedes sanftere Schmerzgefühl der Liebe;
Mächtig gegen ihre Schaar beginnt sie:
Mögen schuldlos am Verschwinden Assurs
Nur mit Recht sie jede frühere Schandthat!
Doch des Menschenopfers blutige Gräuel,
Die der Herr und sein Prophet verabscheut,
Sollen länger nicht bestehn! O meine
Gilt’s mit Muth zu kämpfen, meine Kämpfer!
Auf! Es folge mir die ganze Flotte
Nach der Magierstadt, um auszurotten
Jenen schnöden Götzendienst auf ewig,
Dort gebeut, zu stürzen! Auf! Es lebt noch
Abdorrachman’s Tochter Diwisade,
Jenes angemaßten Thrones Erbin:
Wieder soll sie ihn besteigen, dankend
So die Fürstin unter lautem Beifall.
Schleunig wendet sich die ganze Flotte,
Wie im Herbst ein Schwalbenzug, gen Mittag.
Diesen Augenblick benützte Behram:
Samt den Seinen, die mit kräftigen Rudern
Emsig streben nach der nächsten Küste.
[293]
Diese wurde bald erreicht, sie steigen
Froh an’s Land, und eine Fischerwohnung
Jener nahn sie sich. Es war indessen
Nacht geworden, eine sichere Zuflucht
Sucht die Schaar; sie finden leer die Wohnung,
Doch sie schüren Feuer, einige Krüge
Und es zechen ohne Wirth die Gäste.
Aber nachbarlich und solche Nachbarn
Nicht vermutend, schlief Mohadi’s Enkel,
Wenige Schritte nur entfernt, im Nachen.
Rafft er seine Kleider auf; ein gastlich
Licht gewahrt er aus der Hütte schimmern,
Dieses lockt ihn, pochend einzutreten.
Schon das Wort des Grußes auf der Lippe,
Denen kaum er wunderbar entronnen.
Wie ein Knabe, der im Meer die frischen
Glieder badet, wenn er unversehens
Auf der Seekastanie stets bewegte,
Blaß vor Schrecken, also that es Assur.
Aber Behrams scharfes Auge hatte
Schon erspäht die unverhoffte Beute:
Sohn des Harun aus dem Stamm des Abbas,
Sind gewaltiger, als der Gott Muhammeds!
Ihnen, scheint es, sind Kalifensöhne
Zwar ein seltnes, doch gefälliges Opfer,
Dem sie nun und nimmermehr entsagen!
Theil’ als Gastfreund unser Fest, und deine
[294]
Rechte fest in meiner, mit der Linken
Nimm aus meiner Linken diesen Becher!
Dieses rufend, hält er ihn und reicht ihm
Gift dem Jüngling, welcher trinkt und zittert,
Halb noch ungewiß, ob Wirklichkeit ihn,
Oder ein böser Traum die Seele peinigt.
Während dessen kehrten heim die Fischer,
Aber zögernd standen, offenen Mundes,
Auf der Schwelle da die Junggesellen,
Solcher Freunde nicht gewärtig. Behram
Rief entgegen ihnen: Heil der Mahlzeit,
Fürchtet nichts, ihr Männer! Eure Hütte,
Räumt sie gastlich uns für diese Nacht ein,
Theilt mit uns, was euer Netz erobert:
Dann, sobald der nächste Morgen anbricht,
Um den Weg in’s Magierland zu finden.
Reichlich, Freunde, werd’ ich euch belohnen!
Spricht’s, und willig drauf genehmigen Jene;
Assur aber ruft sie an: Geliebte,
Halten diese Räuber mich gefesselt.
Rettet mich! Und wenn zu schwach ihr selbst seid
Gegen diesen Haufen, eilt dem nächsten
Flecken zu, der nächsten Stadt, um Hülfe
Aber schnell darauf versetzte Behram:
Hütet euch, Verbrechern euch zur Brustwehr
Aufzuwerfen! Schuldig ist der Jüngling,
Meuchelmords und alles Bösen schuldig.
[295]
Gegen uns ihr Wenigen? Bis zur Stadt ihr
Eure Botschaft brächtet, wären lange
Wir hinweggezogen: Nein! Bereitet
Uns ein Mahl, bereitet uns ein Lager,
Spricht’s, und schweigend unterziehn die Fischer
Seinem Wort sich. Drauf, am nächsten Morgen,
Führt die ganze Schaar der Kundigen Einer
Durch’s Gebirg, dem fernen Magierland zu.
Nach der Not, in der befand sich Assad,
Welcher schwimmend zwischen kantigen Klippen
Schwebte zwischen Tod und Leben. Jeden
Augenblick droht ihm der Fels Zerschmettrung,
Scharfe Spitzen hindern jede Landung.
Aber, droht der tückische Fels Gefahr ihm,
Mehr Gefahr noch droht das uferlose
Tiefe Bett des Oceans; die Beute
Schmerzensvolleren, aber ungewissern
Untergang. So wählt ein wunder Krieger,
Statt des Todes, den Natur herbeiführt,
Oft Verstümmelung durch die Hand des Arztes,
Doch der Rettung Möglichkeit zugleich beut.
Rings umschwimmt das kleine Felseneiland
Spähend Assad, und zuletzt entdeckt er
Ein Gestrüpp von immergrünen Eichen,
Senkten windbewegt. Mit raschem Sprunge
Faßt er einen starken Ast und schwingt sich
Auf den Fels. Der Insel flachen Gipfel
[296]
Bald erreicht er kletternd ihn und mühsam.
Schweiß und Kampf? Auf einer schmalen Klippe
Steht er hoffnungslos, er sieht das weite
Blaue Meer und hört es mächtig branden!
Doch er sieht kein Menschenschiff. Das Eiland
War ein Obdach, nirgend eine Quelle,
Während schonungslos die Sonnenpfeile
Seine Scheitel treffen, seine Fersen
Ihm der heiße Boden sengt, und dennoch
Sieh, da tritt, indem er sinnend wandelt,
Ihm in’s Aug’ ein hohes, kreidiges Felsstück;
Aber, als er näher tritt, erkennt er
Statt des Steins ein weißes, ungeheures
Staunt er’s an, und will’s zuletzt zerschlagen,
Nahrung d’raus zu saugen. Plötzlich aber
Fällt ein keckes Wagestück in seine
Stets erfinderische, wache Seele.
Als er über sich ein lautes Schwirren
Hört, und eine Wolke schien den Himmel
Einzuschleiern! doch der Vogel Rock war’s,
Der die mächtigen Riesenfittige senkte.
Setzt sich brütend auf das Ei. Bedächtig
Kriecht heran der athemlose Jüngling:
Mit dem seidenen Gürtel knüpft er fest sich
An die Klau’n des Flügelungeheuers.
Leicht empor und schneidet durch den Aether:
Eine lustige Reise für den Vogel,
Eine bange für den Sohn des Harun
[297]
Ueber’s Meer und über Länderstrecken.
Kreisen über einer Schlucht, es neigt sich
Allgemach, und dann berührt’s den Boden.
Mit der letzten Kraft ermannt sich Assad,
Leise lösend seine seidne Binde.
Die er ausgespäht von oben; wieder
Schwingt er hoch sich dann und war verschwunden.
Seiner kaum bewußt und totenähnlich
Lag der Jüngling, bis ein tiefer Schlaf ihn
Doch der Ort, wohin der Vogel trug ihn,
War das tiefe Thal der Diamanten,
Durch der Felsenwände jähsten Abfall
Unzugänglich jedem Erdensohne.
Diese Thalschlucht ihrer Schätze. Große
Klumpen Fleisches wälzen vom Gebirge
Jährlich nieder in’s Gethal die Hirten:
Diese Beute lockt das Raubgevögel,
Bleiben einzelne Diamanten kleben:
Lärmend jagen dann die Junggesellen
Jenen Thieren ihren reichen Fang ab.
Dieß das Thal, in dem erwachend Assad
Prächtigen Steine, deren Werts er kundig.
Mit den schönsten füllt er froh die beiden
Aermel an; doch abermals erkennt er
Einer fruchtlos angestrebten Rettung
Einen Kerker um den Sohn des Harun.
[298]
Nahrung spendet ein Johannisbrodbaum
Kärglich ihm, der aus dem Felsen aufsproß;
Hülfe sieht er nirgend. Traurig setzt er
Mit der Rechten nach der Stirn; da blitzet
Ihm in’s Aug’ der schöne Ring Melinda’s.
Konnt’ ich dich, so ruft er aus, vergessen,
Mächtiger Talisman der holden Göttin?
Während hier ich nach Juwelen suchte,
Trug den schönsten ich am eignen Finger,
Der allein mich retten kann! Zu sparen
Bis zum Augenblick der höchsten Not ihn,
Und ich that’s; jetzt aber schlägt die Stunde
Seiner Kraft und Wirksamkeit! − Er sprach es,
Während mächtig Diwisadens Bildniß
Ihm erwacht und seines Bruders Assur.
Möcht’ ich rasch und augenblicks, so ruft er,
Stehn am Thor der Magierstadt! Er hatte
Kaum vollendet, als er stand am Thore.