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Bald erreicht er kletternd ihn und mühsam.

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Aber ach! Wozu so vieler Arbeit

Schweiß und Kampf? Auf einer schmalen Klippe
Steht er hoffnungslos, er sieht das weite
Blaue Meer und hört es mächtig branden!
Doch er sieht kein Menschenschiff. Das Eiland

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Bietet nichts, als wilde Myrten, nirgend

War ein Obdach, nirgend eine Quelle,
Während schonungslos die Sonnenpfeile
Seine Scheitel treffen, seine Fersen
Ihm der heiße Boden sengt, und dennoch

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Schwellt noch Hoffnung seinen jungen Busen.

Sieh, da tritt, indem er sinnend wandelt,
Ihm in’s Aug’ ein hohes, kreidiges Felsstück;
Aber, als er näher tritt, erkennt er
Statt des Steins ein weißes, ungeheures

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Ei, das Ei des Vogel Rocks. Verwundert

Staunt er’s an, und will’s zuletzt zerschlagen,
Nahrung d’raus zu saugen. Plötzlich aber
Fällt ein keckes Wagestück in seine
Stets erfinderische, wache Seele.

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Horch, und kaum war sein Gedank’ im Werden,

Als er über sich ein lautes Schwirren
Hört, und eine Wolke schien den Himmel
Einzuschleiern! doch der Vogel Rock war’s,
Der die mächtigen Riesenfittige senkte.

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Assad wirft zu Boden sich, der Vogel

Setzt sich brütend auf das Ei. Bedächtig
Kriecht heran der athemlose Jüngling:
Mit dem seidenen Gürtel knüpft er fest sich
An die Klau’n des Flügelungeheuers.

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Dieses hebt sich über eine Weile

Leicht empor und schneidet durch den Aether:
Eine lustige Reise für den Vogel,
Eine bange für den Sohn des Harun

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/76&oldid=- (Version vom 31.7.2018)