Diätetisches Recept gegen Heiserkeit

Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Diätetisches Recept gegen Heiserkeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 676–678
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Diätetisches Recept gegen Heiserkeit.

Die „Heiserkeit“, mag sie mit oder ohne Husten und Auswurf einhergehen, kommt stets in Folge einer krankhaften Affection des Stimmorgans (d. i. der Kehlkopf; s. Gartenl. Jahrg. 1855. Nr. 43.) zu Stande und rührt nicht etwa, wie ängstliche Huster gleich zu fürchten pflegen, stets von Kehlkopfsschwindsucht her oder artet in eine solche aus. Denn diese Schwindsucht kommt für sich unendlich selten vor und hat, wenn sie wirklich bei andern Leiden auftritt, für Arzt und Kranken keine besondere Wichtigkeit.

Um nun einen heisern Kehlkopf bei seinem Kranksein richtig behandeln zu können, muß man bedenken, daß dieses Organ nicht blos das Sprechen und Singen vermittelt, sondern daß es auch der Pförtner und Wächter des Athmungsprocesses ist, indem es seine Lage hinter und unter der Mund- und Nasenhöhle am obersten Ende der Luftröhre so einnimmt, daß alle Luft, welche in die Lungen hineintritt und aus denselben herauskommt, durch dasselbe hindurch strömen muß. Außerdem ist es aber hinter und unter der Zunge auch so gelegen, daß Alles, was wir verschlucken, ebenso über den die Eingangsöffnung der Kehlkopfshöhle schließenden und so vor dem Eintritte fremder Stoffe schützenden Deckel (d. i. der Kehldeckel, die Epiglottis) hinweg, sowie an der Hintern Kehlkopfswand hinab rutschen muß. Da nun ganz dieselbe Haut, welche die Mundhöhle auskleidet, sich ununterbrochen auch in die Kehlkopfshöhle hineinzieht, so pflanzen sich sehr leicht und sehr gern Krankheits- und Reizungszustände von dem Schling- auf das Singorgan fort.

Es würde sonach bei Krankheiten des Kehlkopfs ebenso auf die Thätigkeit desselben, wie auf die Luft, welche wir einathmen, und auf das, was wir an Speise und Trank genießen, Rücksicht genommen werden müssen. Die Mode aber, bei Kehlkopfsleiden außen am Halse alle nur möglichen Arten von Torturen (in Gestalt von Pockensalbe, Senfteig, spanischer Fliege, Seidelbast, Haarfeil etc.) anzulegen, gehört zum Curirschlendrian, der noch niemals etwas genützt hat (s. Gartenl. Jahrg. 1861. Nr. 17.). Ebenso ist das ängstliche Warmhalten des Halses ganz unnütz, und auch von den Prießnitzschen Kaltwasserumschlägen läßt sich nicht viel Vortheilhaftes sagen.

Bei Kindern (zumal bei Knaben), und zwar vorzugsweise im Alter von 2 bis 8 Jahren, ist die Heiserkeit, besonders wenn sie sich mit Schmerzhaftigkeit der Kehle und Schlingbeschwerden verbindet, deshalb sofort zu beachten, weil sie ein Vorläufer des äußerst gefährlichen Croup (der Halsbräune; s. Gartenl. Jahrg. 1859. Nr. 3.) sein könnte. Darum muß auch bei einem heisern hüstelnden Kinde vom Arzte ohne Verzug das Innere des Halses untersucht und, sollte sich hier Croupmasse vorfinden, in richtige Behandlung genommen werden.

Bei Heiserkeit, wenn diese nämlich nicht dem Croupe eines Kindes angehört, sind hiernach die folgenden diätetischen Regeln zu beobachten.

Rec.Größte Ruhe des Stimmorgans 1);

warme und reine Luft 2) zum Athmen und zwar bei Tag und bei Nacht;
milde, warme oder laue Nahrung 3).

S. Nicht nur so zeitig als möglich, sondern auch bis zum völligen Verschwinden der Heiserkeit anzuwenden.

Ad 1) Die größte Ruhe verlangt das afficirte Stimmorgan, wenn es gesunden soll, ebenso wie jeder andere Theil, wenn er krankt. Denn Schonung des leidenden Organs ist bei jedweder Art von Behandlung das Allernöthigste und sehr oft das allein schon Helfende. Deshalb muß der Heisere so wenig als nur möglich und ja nicht etwa mit Anstrengung, sondern ganz leise sprechen. Singen beim Heisersein kann recht leicht die Stimme für immer ruiniren, und lautes Sprechen oder Streiten beim kalten Biere in rauchigem Locale hat schon Manchen mit leichter Heiserkeit eine lebenslange Rauhheit der Sprache zugezogen. Ja sogar das heftige Räuspern und Husten muß der Heisere soviel er nur immer kann zu bekämpfen suchen, weil beim Husten die Luft mit großer Gewalt durch die verengerte Stimmritze getrieben wird und so eine starke Reibung an den afficirten Stimmbändern stattfindet.

Ad 2) Gleichmäßig warme und reine Luft zum Athmen [671] aber ebenso bei Nacht wie bei Tage, ist ebenfalls ein Haupterforderniß zur Heilung der Heiserkeit. Kalte, rauhe und trockene Luft, zumal im Winter bei Ost- und Nordwind oder wenn der Heisere gar vorher warme Luft eingeathmet hatte, ist die größte Schädlichkeit für einen kranken Kehlkopf. Deshalb muß der Heisere im Winter im geheizten Zimmer schlafen und, müßte er durchaus in’s kalte Freie hinaus, dann jedenfalls einen Respirator (s. Gartenl. 1855. Nr. 8.) tragen. – Rein, d. h. frei von Staub jeder Art, Tabaksrauch, scharfen Dämpfen, reizenden Gasarten, muß die Luft, in welcher ein Heiserer athmet, stets sein, da jede unreine durch die Kehlkopfshöhle hindurchströmende Luft das Kehlkopfsleiden nicht nur unterhält, sondern fast immer noch steigert. – Bisweilen thut feuchtwarme (mit Wasserdämpfen geschwängerte) Luft bei Heiserkeit sehr gute Dienste.

Ad 3) Reizlose Speisen und Getränke sind deshalb vom Heiserkeitskranken zu genießen, weil diese bei ihrem Uebergange über den Kehlkopf auf dessen Leiden nicht störend einwirken, während dies reizende Stoffe (wie scharfe Gewürze, Spirituosen) zu thun vermögen. Zu diesen reizenden Stoffen, welche vermieden werden müssen, gehört aber auch die Kälte, und darum darf das Getränk immer nur verschlagen (abgeschreckt) genossen werden; am besten dient freilich warmer (nicht etwa heißer), schleimiger Trank; auch hat das Anfeuchten des Kehlkopfes mit rohem Ei oder Gummischleim sein Gutes. Selbst harte und trockene Nahrungsstoffe dürfen eigentlich beim kranken Kehlkopfe nicht vorbeipassiren, sondern müssen stets in der Mundhöhle ordentlich zerkaut und eingespeichelt werden, so daß man sie dann als weichen Brei verschluckt.

Wer sein Stimmorgan zum Sprechen oder Singen sehr nöthig hat, sollte die angegebenen diätetischen Regeln nicht blos bei krankhaftem Zustande seines Kehlkopfs gehörig befolgen, sondern zum Theil auch zur Vermeidung von Kehlkopfleiden beachten. Der Respirator ist für Solche ganz unentbehrlich; ihnen kann vorzüglich der Uebergang aus warmer in kalte Luft, und zwar besonders dann, wenn der Kehlkopf durch Singen oder angestrengtes Sprechen erhitzt ist, sehr gefährlich werden; ebenso hat auch das Trinken kalter Flüssigkeit nach Kehlkopfsanstrengung seine Gefahren. Daß Staub und Rauch die Stimme belegt, ist bekannt. Auch geben nicht selten Erkältungen der äußern Haut, namentlich der Füße, des Halses und Nackens, Veranlassung zur Heiserkeit (in Folge des Kehlkopfkatarrhes). Eine vorsichtige und allmähliche Gewöhnung des Halses, und überhaupt der äußern Haut, an kalte Luft und kaltes Wasser ist Jedem anzurathen, jedoch muß diese Gewöhnung ja recht vorsichtig und allmählich geschehen, wenn sie nicht anstatt Heil Unheil anrichten soll. – Der Abergläubische trägt Amulete von echt indigoblauer Seide, Bernsteinketten, Acajounüsse und andern Hokuspokus als Schutzmittel gegen Kehlkopfsleiden um den Hals. – Der homöopathisch gesinnte Kranke soll (nach Müller) wenn er bei seiner Heiserkeit eine verdrießliche und stille Gemüthsstimmung hat, Feldchamille einnehmen, Brechnuß aber dann, wenn seine Stimmung eine mürrische und zänkische ist.

Schließlich soll hier noch auf eine ab und zu auftretende Heiserkeit aufmerksam gemacht werden, bei welcher die Stimme schwach, klanglos und ungleich, weniger metallisch, vorübergehend rauh, bald hoch und überschlagend, bald tief und monoton erscheint. Lautes und längeres Sprechen und Singen erzeugt Schmerzen und Trockenheitsgefühl in der Kehle, bisweilen auch Nöthe und Hitze des Ohres. Diese besonders bei Kanzelrednern und Schullehrern beobachtete Stimmverstimmung rührt von zu starker Anstrengung des Stimmorgans her und bedarf zu ihrer Heilung der allergrößten Ruhe des Kehlkopfes.

Bock.