Deutsche Originalcharaktere des achtzehnten Jahrhunderts/Konrad Ekhof

Textdaten
<<< >>>
Autor: Rudolf von Gottschall
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Deutsche Originalcharaktere des achtzehnten Jahrhunderts - Konrad Ekhof
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 136–139
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[136]
Deutsche Originalcharaktere des achtzehnten Jahrhunderts.
Von Rudolf von Gottschall.
Konrad Ekhof.

Der berühmteste Schauspieler des vorigen Jahrhunderts, dessen Leben uns so recht in die damaligen Theaterzustände einführt, hat in der Geschichte dieser Kunst wie in der Litteraturgeschichte eine dauernde Stätte gefunden. Ein Lessing, ein Goethe, ein Engel, ein Nicolai, ein Kotzebue haben seinen Ruhm aus der Taufe gehoben, ebenso Berufsgenossen, die selbst schriftstellerisch thätig waren, wie Iffland und Schröder. Und doch war Konrad Ekhof keine jener glänzenden Bühnenerscheinungen, wie sie heutzutage das Publicum begeistern, kein gewaltiger Beherrscher der Scene, wie etwa Wilhelm Kunst und Moritz Rott. Er war ein kleiner, unscheinbarer, krummer Mann von so fehlerhaftem Körperbau, daß oft die Kleidung künstlich nachhelfen mußte. Doch das Herz, das darunter schlug – das machte den Künstler, und Goethe konnte ihn den einzigen tragischen Schauspieler Deutschlands nennen.

Ekhofs Vater war Hamburger Stadtsoldat, ein bei der Bürgerschaft nicht sehr geachteter Beruf; doch wurden die Soldaten gut gehalten und die Verpflegung war reichlich. Dem bürgerlichen Berufe nach, den die Soldaten beibehielten, war Ekhofs Vater Schmied. Der Sohn, am 12. August 1720 auf dem Opernhof in Hamburg geboren, erhielt eine gute Erziehung; er schrieb später sehr schön und richtiger als manche vornehme Herren. So trat er denn, kaum den Knabenjahren entwachsen, als Postschreiber bei dem damaligen schwedischen Postkommissar König ein, der große Stücke auf ihn hielt und, als er einmal nach Stockholm reisen mußte, ihm eine leitende Stellung anvertraute. Doch das gute Einvernehmen zwischen beiden erlitt bald eine empfindliche Störung. König, der ein großes Haus machte, auch später geadelt wurde, suchte mit einer zahlreichen Dienerschaft zu prunken, und so verlangte er denn auch von seinem Schreiber, er solle, wenn Frau König Sonntags zur Kirche fahre, als Lakai hinten auf der Kutsche stehn. Ekhof machte Einwendungen, und als diese nicht beachtet wurden, erklärte er, daß er zwar dem unwürdigen Befehle folgen, dann aber sofort Haus und Dienst verlassen werde.

Er hielt Wort, und wir sehen ihn bald darauf als Schreiber bei einem Advokaten in Schwerin, der eine ausgewählte Bibliothek besaß. Dem Schreiber war die Benutzung derselben gestattet, und hier las Ekhof Geschichtswerke, Romane, Dramen; hier entzündete sich zuerst seine Begeisterung für die Bühnendichtung und die Bühne. Die später so berühmte Künstlerin Schröder-Ackermann hatte damals ihren ersten Mann, den Musikus Schröder, einen Trunkenbold, verlassen und war nach ihrer Vaterstadt Schwerin gekommen, um für den Hof Stickereien anzufertigen. Auch sie war damals schon Theaterfreundin; anregende Gespräche nährten bei beiden die Lust, zur Bühne zu gehen. Ekhof übte sich im stillen und „agierte“ auf dem Boden vor aufgehängten Kleidern. Der Ruf des Theaterleiters Schönemann ertönte von Lüneburg her; Ekhof begab sich zu ihm und trat zuerst im Januar 1740 in einer Schmiere als Xiphares in Racines „Mithridat“ auf. Man versprach sich anfangs nicht viel von seiner Leistungsfähigkeit; erst durch anhaltenden großen Fleiß und eifrige Lektüre hat er sich in die Höhe gearbeitet. Doch spielte er bald größere Rollen, wie den jüngsten Makkabäer in den „Hingerichteten sieben Söhnen“. Der junge Künstler mußte sich natürlich mit einem sehr dürftigen Auskommen begnügen – wie konnte das anders sein in einer Zeit, da selbst die Größen der Schönemannschen Truppe Gehälter bezogen, welche den heutigen ersten Mitgliedern der reisenden Gesellschaften ein mitleidiges Lächeln abnöthigen würden! Ekhofs erste Wochengage betrug 1 Thaler 16 Groschen. Schönemann entließ die hochbegabte Frau Schröder lieber, als daß er ihr Wochengehalt von 6 Mark Banco (7 Mark 75 Pfennig) auf 7 Mark Banco 8 Schillinge (9 Mark) erhöht hätte, wie sie es verlangte.

Siebzehn Jahre lang blieb Ekhof bei der Schönemannschen Truppe; er begleitete sie bei allen ihren Wanderungen nach Leipzig, Breslau, Danzig, Königsberg, Berlin und Schwerin, wo sie zuletzt vom Hofe unterstützt wurde. Sein Ruf wuchs von Jahr zu Jahr; Gottsched, dessen meiste Stücke er spielte, und Chr. Weiße schätzten ihn nicht nur als Künstler hoch, sie wandten sich auch oft um Rath an seine kritische Einsicht. Später wurden Lessings Stücke von großer Wichtigkeit für die Bühnen und Schauspieler, auch für Ekhof, der außerdem glänzende Rollen in den bürgerlichen Schauspielen der Engländer fand. Es war eine Zeit der Reform und des Umschwungs im deutschen Theater, und Ekhof war [138] einer der Hauptträger dieser von alter Ueberlieferung sich loslösenden Zeit.

Nicht bloß für seine eigene Fortbildung, auch für die seines ganzen Standes war er thätig, und wir lesen mit Staunen von der „Akademie“, die er in Schwerin als ein genossenschaftliches Unternehmen zu gegenseitiger sittlicher und künstlerischer Erziehung gebildet hatte. Ekhof war „Lektor“ und „Präpositus“ der Akademie, die Seele des Ganzen. Die Hauptgegenstände der Sitzungen waren Vorlesung der zu spielenden Stücke, Erörterung der Hauptrollen, Betrachtungen über die Schauspielkunst überhaupt, „bescheidene Anmerkungen über die Pflichten der Künstler im gemeinen Leben“, alles „ohne Entrüstungen und Empfindlichkeit“. Doch hatte Ekhof bei diesen Bestrebungen keinen leichten Stand; er stieß vielfach auf Gleichgültigkeit und Stumpfsinn, man nannte ihn den Schulmeister, und vergebens beschwor er oft mit beredten Worten die im alten Schlendrian sich behaglich suhlenden Genossen: „Haben wir wohl einen wichtigeren Gegenstand als den Fortgang unserer Kunst? Sollte sie keine ernsthaften Betrachtungen verdienen – sie, die uns Unterhalt und Ehre verschafft?“ Die Akademie wurde 1753 begründet und dauerte wohl bis zum Ende der Schönemannschen Direktion.

In die Zell, in welcher Ekhof dieser Truppe angehörte, ins Jahr 1745, fällt auch seine Verheirathung mit Jungfer Georgine Spiegelberg, der Tochter eines Schauspieldirektors, die um vierzehn Jahre älter war als er. Sie wird als eine „große, ihre Nebenbuhlerinnen hundertfach übertreffende Aktrice“ geschildert, die „nur von ihrer Brust nicht gehörig sekundiert werde“.

Später wurde die begabte Künstlerin, ohne ihr Verschulden, zur Plage seines Lebens. Frau Ekhof hatte stets Anwandlungen von Schwermuth und verfiel schließlich 1765 in Bremen ganz in Irrsinn. Und dieser Irrsinn war religiöser Art. „In Bremen herrschte,“ wie Iffland berichtet, „eine große Unduldsamkeit gegenüber Schauspielern. Die geistlichen Volksredner sprachen auf ihrem Grund und Boden heftig gegen das Theater. Ein Geistlicher in Bremen hat durch sorgsam erregte Gewissensskrupel Ekhofs Gattin um ihren Verstand gebracht!“ Doch war es ein stiller Wahnsinn, und Ekhof lebte mit ihr bis zu seinem Tode zusammen. Schwer hat dieses Schicksal auf ihm gelastet.

Nachdem infolge des Thronwechsels die Schweriner Glanzepoche ein Ende erreicht hatte, spielte die Schönemannsche Gesellschaft meistens in Hamburg; hier mußte jetzt Ekhof die ganze Direktion führen, denn Schönemann hatte auf einmal eine merkwürdige Neigung zum – Pferdehandel gefaßt. Die Pferde aber wurden seinen Künstlern verhängnißvoll; was er bei den letzteren gewann, setzte er bei den ersteren zu. Endlich konnte er die Gagen nicht mehr aufbringen, entließ viele seiner Mitglieder, zuletzt auch Ekhof, dessen Frau und Schwägerin sich schon früher zurückgesetzt fühlten. Dieser begab sich zunächst nach Danzig zur Schuchschen Gesellschaft, wo er sich indes nicht behaglich fühlte; denn Schuch war ein geborener Hanswurst und pflegte besonders die Hanswurstiaden.

Im Jahre 1757 kehrte Ekhof wieder nach Hamburg zurück und übernahm als selbständiger Prinzipal den Rest der Schönemannschen Truppe. Doch hatte das Unternehmen keinen rechten Erfolg, und Echof führte die Leute schließlich seinem früheren Kollegen Heinrich Gottfried Koch zu, der bei dem Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs seine Schauspieler entlassen, aber Garderobe und Maschinerien behalten hatte. Eckhof war bei Koch alles und hatte das Heft in Händen; seine Gage betrug freilich nur dreihundert Thaler, und auch die bezog er theilweise in Theaterbillets, die er erst durch Zwischenhändler auf der Straße in Geld verwandeln mußte. Er verkehrte übrigens in einigen der ersten Hamburger Häuser; besonders war er bei mehreren Geistlichen ein gerngesehener Gast, denn er war auch ein eifriger Kirchenbesucher und großer Freund der Kirchenmusik. Doch mit seinem Direktor stand Ekhof nicht immer auf gutem Fuße, und als sich die Mißhelligkeiten mehrten, da schied Ekhof von ihm in erbitterter Stimmung und wandte sich zu Ackermann, der gerade in Hannover spielte. Ueber seine Ankunft dort wird berichtet: „Am 24. April 1764, als die Gesellschaft just pon einer Tanzprobe kam, hielt ein Frachtwagen, mit Segeltuch bedeckt, vor Ackermanns Hause; ein gebücktes Männlein, mit einer Art Weiberkappe bedeckt, kroch heraus. Es war Ekhof. Ackermanns Gruß beantwortete er ablehnend, nur mit der Sorge um zwei hübsche Hündchen beschäftigt, die ihm seine noch unter dem Segeltuch verhüllte Frau dringend ans Herz legte. Endlich entstiegen auch die Gattin des deutschen Roscius nebst seiner Schülerin Sophie Schulz, gleichfalls in häßliche Kappen gehüllt, dem Frachtwagen. Während sie in das Ackermannsche Haus gingen, verweilte Ekhof am Wagen, bis alles abgepackt, hineingeschafft und jede Schütte Stroh durchwühlt war. Dann zankte er noch eine halbe Stunde plattdeutsch mit dem Fuhrmann über die Reisekosten; nun erst folgte er unter steter Klage über die mühselige Fahrt Ackermann auf dessen Zimmer.“

Die Ackermannsche Gesellschaft spielte in Hannover, Braunschweig, Göttingen, Bremen, Hamburg; doch hier waren die Mittel des Unternehmers erschöpft; er trat im März 1767 sein Theater an die Schauspieler Abel Seyler und Joh. Martin Tillemann ab, und nun beginnt jene kurze Epoche des „Nationaltheaters“, welcher durch Lessings Dramaturgie dauernder Nachruhm beschieden worden ist, ein Nachruhm, an welchem Ekhof als der erste Schauspieler dieser Bühne den Löwenantheil hat. Die Prinzipalschaft fiel, nachdem das neue Unternehmen gescheitert, wieder an Ackermann, der Besitzer des Inventars geblieben war. Seyler aber hatte inzwischen in Hannover die Bühne übernommen, die vom Hofe durch freies Theater und glänzende Garderoben unterstützt wurde, und als dieser die Werbetrommel rührte, da ließ Ekhof seinen Freund Ackermann rücksichtslos im Stich. Ein Bühnenkartellverein bestand damals nicht; die Schauspieler kamen und gingen, wie es ihnen beliebte; was man heutzutage als Vertragsbruch bezeichnen würde, das gehörte damals zur Tagesordnung, und war etwas Besseres in Sicht, so machte man sich kein Gewissen daraus, auch persönlich nahestehenden Freunden untreu zu werden. Die Seylersche Truppe spielte in Hannover, Celle, Osnabrück, später in Gießen, wo ein Professor der Dichtung, Heinrich Schmid, ein sehr schmeichelhaftes Lobgedicht auf die Mitglieder der Gesellschaft machte und deshalb wegen „Entweihung der Feder“ in Untersuchung gezogen wurde, dann noch in Wetzlar, dem Sitze des Reichskammergerichts. Ekhof war immer mehr die Seele des ganzen Unternehmens geworden, besonders seit es darauf ankam, die Kasse zu füllen, „er war überall auf dem Platze und legte oft seine Hände, ja seinen ganzen Körper mit an, um eine unbehilfliche Maschine vom Theater zu ziehen oder eine verworrene Dekoration zu entwirren“. Der Ruf der Gesellschaft war inzwischen nach Weimar gedrungen, und die Herzogin-Regentin Anna Amalia bot ihr 1771 eine feste Anstellung unter günstigen Bedingungen. So betrat Ekhof noch in den letzten Lebensjahren den später klassisch gewordenen Boden Weimars. Wegen eines Schloßbrandes wurden die Schauspieler 1774 entlassen, gleich darauf aber in Gotha engagiert, wo sie zuerst im Residenzschloß Friedenstein spielten. Ihr Vertrag sicherte ihnen das Recht, die Leipziger Messe zu besuchen. Hier begannen sie 1774 ihre Vorstellungen in einer Bude vor dem Grimmaschen Thore, denn das 1766 eröffnete Schauspielhaus war von der Döbbelinschen Truppe besetzt.

Döbbelin ließ es sich selbstverständlich angelegen sein, den gefährlichen Mitbewerber bald loszuwerden; er hatte Gerüchte ausgesprengt, die Bude werde zusammenstürzen, wenn Zuschauer sie besuchten, und veranlaßte auch wirklich elnige seiner Freunde, Bänke loszubrechen, welche am Eröffnungsabend zusammenkrachten. Allgemeiner Schrecken entstand; die Zuschauer und selbst einige der Bühnenmitglieder stürzten ins Freie. Doch Ekhof wußte sich Gehör zu verschaffen und beruhigte die Aufgeregten, so daß die Vorstellung stattfinden konnte.

Die letzte wichtige Wendung in Ekhofs Leben war 1775 der Eintritt in die Oberleitung der Gothaschen Hofbühne, der ersten in Deutschland.

Seyler war nämlich nach Dresden berufen worden; Ekhof und die besten Mitglieder, die dahin nicht mitgehen mochten, ließen ihren Direktor an die Elbe ziehen und blieben in Gotha, wo alsbald das „Neue herzogliche Theater“ eröffnet wurde; ein Oberhofmarschall wurde „Oberdirekteur“, also „Intendant“, Ekhof übernahm die künstlerische Leitung. Hier gelang es ihm, die Truppe durch schöne Talente zu verjüngen, indem er Iffland, Beil und Beck heranzog. Ein Lichtpunkt in dieser Zeit war sein Mitwirken bei einer Liebhabervorstellung am weimarischen Hofe, wo er mit Goethe zusammenspielte, der ihn auch zu Tisch einlud. Ekhof war Freimaurer, auch Meister vom Stuhl in einer Loge, welcher der Herzog selbst angehörte, und mit Eifer verfolgte er echt menschenfreundliche Bestrebungen. So war er der erste, welcher den Plan einer allgemeinen Pensions- und Totenkasse für [139] Schauspieler entwarf und einem Ziele nachstrebte, welches neuerdings die Deutsche Bühnengenossenschaft glücklich erreicht hat. Nachdem er lange krank gewesen, starb er am 16. Juni 1778. Schon am Tage darauf veranstaltete die Gothasche Hofbühne eine Trauerfeierlichkeit zu seinen Ehren.

Widerspruchsvoll sind die Urtheile über den bedeutenden Künstler auch von berufener Seite; aber die Thatsache, daß er seinerzeit der berühmteste deutsche Schauspieler war, steht unwidersprechlich fest. Der erste Eindruck, den seine Erscheinung außerhalb der Bühne machte, war eine Enttäuschung – und das war selbst in seinen besten Jahren der Fall. Auch Ackermanns Stiefsohn, der berühmte Schröder, war zuerst der Ansicht, daß Ekhof schwerlich den Erwartungen entsprechen werde, die sein Ruf erweckte; doch er wurde rasch bekehrt und einer seiner wärmsten Verehrer. In späteren Lebensjahren vernachlässigte Ekhof sein Aeußeres noch mehr; er ließ sich hängen und hatte einen watschelnden Gang. Kotzebue erzählt, in einem schlichten Rocke, einer ungekämmten Perücke und höchst anspruchslosen Ganges sei der unbegreifliche Mann vormittags um 10 Uhr nach den Proben gewandert, der abends, wenn er als König oder Minister auf die Bühne trat, zum Herrscher geboren schien. Oft mochten unter der ungekämmten Perücke wohl auch die eigenen kurz abgeschnittenen Haare struppig hervorschauen; „die ungeheuren Ballen seiner Füße zu verdecken, fiel ihm selbst auf der Bühne nicht ein“. Und doch bedurfte er, um als Künstler zu wirken, nicht der Masken und Kostüme und des Glanzes der Theaterlampen. Als die Berliner Buchhändler Nicolai und Mylius, deren Zeit in Weimar kurz gemessen war und die Ekhof nur in der einen Rolle des „Odoardo“ gesehen hatten, sich gern an weiteren Proben seiner Kunst erfreuen wollten, machten sie ihm in Begleitung des Märchendichters Musäus in früher Morgenstunde einen Besuch. Ekhof empfing sie in Schlafrock und Nachtmütze, und sie erschraken über den tiefen Ausdruck des Kummers auf seinem Gesicht, auf dem der Gram über den Irrsinn seiner Gattin lag. Er setzte seine Brille auf und trug einen schwunghaften Monolog aus Cronegks „Codrus“ vor, und zwar so schön, daß die Hörer Nachtmütze und Schlafrock vergaßen. Dann ließ Ekhof die Scene des Wiedersehens des greisen Lusignan mit seinen Kindern folgen. Statt der Kinder standen zwei alte Stühle da, die Ekhof umarmte; den Hörern liefen die Thränen über die Wangen. Da sprang Ekhof auf, warf den Schlafrock ab und spielte eine Scene aus dem plattdeutschen „Bauern mit der Erbschaft“, welche die heiterste Wirkung ausübte. Nicolai schied als Ekhofs begeisterter Verehrer.

Ekhofs Hauptvorzug bestand in einer Stimme voll unnachahmlichen Wohllauts, der nie ein Herz widerstanden hat; Schröder rühmt seine unübertreffliche Meisterschaft auf dem ihm eigenthümlichen Gebiete vollendeter Deklamation. „Ekhofs Redegewalt,“ sagt Iffland, „trug ein Organ von donnernder Kraft, das bis heute ohnegleichen ist auf der Bühne“. Sein Mienen- und Gebärdenspiel war ausgezeichnet. Lessing feiert seine Leistungen, und glänzend ertönt Ifflands Lob, obschon dieser nur noch „schöne Reste“ von dem Künstler sah; er rühmt ihm nach „allmächtige Wahrheit in edlem Gewande, tiefste Wirkung durch die einfachsten Mittel“. „Er konnte immer Thränen fließen machen, wenn er wollte“. Er sei ein „vortrefflicher Redner“ gewesen, nicht nur ein guter Deklamator. Jener müsse mehr sein als dieser, müsse selbst überzeugt sein, auf seinem Angesicht müsse die Gedankenfolge vor dem Hörer entstehen, sein lebendiger Athem den Geist der Sache der Ueberzeugung des Hörers wohlgefällig machen. „Ein Redner dieser Art war Ekhof, und das konnte er nicht ohne Genie, ohne Bildung und Feinheitssinn; nie erkältete leere Pracht des Redners den Hörer. Prosaischem Dialog gab er das Leben der guten Gesellschaft.“ Sein Richard III. in Weißes Stück, sein Kanut, sein Essex waren glänzende Rollen, am glänzendsten sein Odoardo in „Emilia Galotti“. Kotzebue, Nicolai, Schink, Engel waren von dieser Leistung begeistert, die eine wunderbare Wirkung ausübte. „Was auf Odoardo-Ekhofs Stirn wühlte,“ sagt Schink, „was in seinen Augen rollte, auf seinen Wangen glühte, in allen Bewegungen seines Körpers zitterte – das kann kein Pinsel, kann der feurige Ausdruck nicht malen. Seine Töne des erstickten Zorns, der knirschenden Wuth, des zusammengebissenen Schmerzes, sein Lachen der Verzweiflung – wer kann es malen! Sein ‚Doch, doch, meine Tochter!‘ – nie ist es wieder in eines Schauspielers Seele, in eines Schauspielers Mund gekommen.“

Wohl haftete dem Künstlerbild Ekhofs auch manche Schatten an, Schatten, wie sie allerdings vielen großen Künstlern eigen sind. Er konnte nie genug spielen. Als Komiker trug er die Farben oft zu grell auf und erniedrigte sich im Niedrig-komischen zum Pickelhering, entstellte oft sein Angesicht zur scheußlichsten Fratze und schuf Zerrbilder. Die Kunst, sich selbst zu belustigen und andere zur Fröhlichkeit fortzureißen, die sprudelnde Laune war ihm versagt. Im Alter, wo er ein ausgezeichneter Darsteller von Väterrollen war, wollte er noch immer junge Liebhaber und Lebemänner spielen, und man neckte immer den alten steifen Mann. Auch sein Tellheim war verfehlt. Selbst vor den sogenannten Schauspielerkunststücken scheute er nicht zurück; in Voltaires „Zaire“ leistete er das Unglaubliche, zugleich den Vater der Heldin, den achtzigjährigen Lusignan, und ihren jungen Geliebten Orosman zu spielen. Im Alter ließ ihn bisweilen das Gedächtniß im Stich. Einmal blieb er in der Väterrolle des „Zweikampfes“ so stecken, daß er ganz den Kopf verlor und den Souffleur auf offener Bühue ausschalt zur größten Bestürzung der Mitspieler und des Publikums. Gleich darauf riß er wieder durch sein Spiel alle zu Thränen hin.

Aber trotz alledem bleibt Ekhof ein großer Künstler und Förderer deutscher Bühnenkunst, dem dauernder Nachruhm gebührt.